REZENSIONEN – 3

Samstag 18.
Februar 2006
Mit Bibel und Koran zum
letzten Gefecht
Victor und Victoria Trimondi
warnen vor dem
‚Krieg der Religionen’ durch
Fundamentalismus
Auf einem
Höhepunkt der Empörung und Proteste gegen die Mohammed Karikaturen meldet
sich der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad
zu Wort. Er fordert den Westen mit israelfeindlichen Parolen heraus und
beschwört die Rückkehr des Mahdis, des verborgenen Imams. Dieser
muslimische Welterlöser soll eine apokalyptische Revolution gegen die
Mächte der Ungerechtigkeit, sprich des Westens, anführen.
Auf dem
Höhepunkt der Sorge der Israelis um das Leben ihres Ministerpräsidenten
Ariel Scharon meldet sich Pat Robertson, der einflussreichste
Fernsehprediger der USA zu Wort. In einer flammenden Rede erklärt er den
Schlaganfall Scharons als gerechte Strafe Gottes für die von ihm
angeordnete Räumung des Gaza-Streifens. Damit habe er Gottes Land geteilt
und die Menschen der Endzeit näher gebracht.
Zwei der
vielen Ereignisse in der jüngsten Zeit, die verdeutlichen, wie sehr sich
der endzeitliche Gedanke und der rigorose Messianismus in Sprache und
Handeln führender Vertreter der christlichen und islamischen Welt
festgesetzt haben. Diesem Einfluss der Endzeitideologie und dem angeblich
näher rückenden Untergang der Menschheit widmet das Autoren Ehepaar Victor
und Victoria Trimondi sein neues Buch.
Apokalyptische Spekulationen
In „Krieg der
Religionen“ gehen sie den Spuren des sich ausbreitenden apokalyptischen
Wahns in den drei großen Offenbarungsreligionen nach und machen ihn als
treibende ideologische Kraft hinter dem religiösen Fundamentalismus aus.
Wesentliche religionsübergreifende Elemente im Gedankengut der
Apokalyptiker wie etwa die Endzeitspekulationen, der Heilige Krieg gegen
Andersgläubige, der Heilige Krieger und die Forderung nach der
theokratischen Weltherrschaft lassen sich nach der Untersuchung der Trimondis aus den Heiligen Texten und Offenbarungen wie
Bibel und Koran ableiten.
Die Trimondis belassen es nicht nur bei ausführlichen
Analysen, sie lassen auch zahlreiche Wortführer der apokalyptischen,
fundamentalistischen und ultra-orthodoxen Strömungen ungeschminkt zu Wort
kommen. Das Spektrum reicht vom militanten, revolutionären Islamismus über
den religiösen Zionismus in Israel bis zur „Christlichen Rechten“ in den
USA mit ihrer starken Einflussnahme auf George W. Bush und die
Administration des Weißen Hauses. Und die Trimondis
weisen mit detaillierten Schilderungen nach, welchen beachtlichen Einfluss
sich diese Gruppen und Kräfte mittlerweile in der nationalen, aber auch
internationalen Politik erkämpft haben.
Umwälzungen im Nahen Osten
Angesichts
der jüngsten Entwicklungen und Umwälzungen im Nahen Osten, den Auswirkungen
der veröffentlichten Mohammed-Karikaturen in der islamischen Welt und der
sich zuspitzenden Konfrontation zwischen Iran und der westlichen Welt ist
der Inhalt von „Krieg der Religionen“ aktueller denn je.
Sicher, das
umfangreiche Werk von Victor und Victoria Trimondi ist kein Buch, das man
„nebenbei“ lesen kann. Es erfordert ein gewisses Maß an Lesedisziplin. Und
wer sich auch von den knapp 60 Seiten Anmerkungen, zumeist akribischer
Quellenangaben, nicht abschrecken lässt, wird belohnt. Mit gut
aufbereiteter Information und sehr interessanten Einsichten.
Sie führen zu
einem besseren Verständnis der Zusammenhänge und der religiösen
Hintergründe des aktuellen Geschehens in der Weltpolitik, die weit über
plakative Schlagzeilen à la „islamische Atombombe im Iran“ oder „George W.
Bush folgt einem göttlichen Plan“ hinausreicht.
Und am Ende
der Lektüre weiß man nicht, vor wem man sich am meisten fürchten soll
angesichts der religions- und grenzübergreifenden fundamentalistischen
Strömungen. Und wenn schon keine Furcht, so bleibt zumindest eine Menge
Unbehagen übrig. Und die Erkenntnis, auf die das Autorengespann am Ende
seiner Analyse hinsteuert: ein Weltethos wie es der Tübinger Theologe Hans
Küng seit langem propagiert, ein interreligiöser Dialog oder eine wie immer
geartete Weltökumene aus den drei Offenbarungsreligionen, auf die viele
Menschen ind Westeuropa große Hoffnungen setzen,
kann es nicht geben ohne eine profunde Selbstkritik der Religionen. Bislang
blieb sie weitgehend aus. Leider!
NEVFEL CUMART
Nevfel Cumart - geboren 1964,
zählt mit zwölf Gedichtbänden zu den produktivsten Lyrikern der jüngeren
Generation. Er studierte Turkologie, Arabistik und Islamwissenschaft und
lebt seit 1993 freiberuflich als Schriftsteller, Übersetzer und Journalist
in Stegaurach bei Bamberg. Neben Lyrikbänden in
Deutsch, Englisch und Türkisch veröffentlichte Cumart
auch eine Sammlung mit Erzählungen, außerdem zahlreiche Prosabeiträge und
literarische Essays in diversen Anthologien. Für sein literarisches Werk
erhielt er diverse Literaturpreise, darunter auch die Literatur-Förderpreise
der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Bayern. Er ist Mitglied der Neuen
Gesellschaft für Literatur Erlangen (NGL) und im VS Bayern. www.cumart.de/index.html
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