China
Falun Gong: Der Westen
unterstützt einen chinesischen Doomsday-Kult
von Victor und
Victoria Trimondi
Immer mehr treten Dalai-Lama
Anhänger mit Mitgliedern der chinesischen Falun
Gong Sekte gemeinsam auf, um gegen Menschenrechtsverletzungen und für die
Religionsfreiheit in China zu demonstrieren. Die zwei Gruppierungen
genießen weitgehend die Sympathie und die Unterstützung der westlichen
Öffentlichkeit. In beiden Fällen ist eine Ideologie im Spiel, die sich an
der apokalyptischen Matrix
orientiert; in beiden Fällen handelt es sich auch um machtvolle religiöse
Strömungen, die nicht mehr dem gesellschaftlichen Rand zuzurechnen sind.
Über die große Attraktivität des tibetischen Buddhismus haben wir schon an
vielen Stellen berichtet. Die Blitzkarriere und die Zahlen der Falun Gong Sekte aber sind noch erstaunlicher. Die
chinesische Regierung spricht von 2 Millionen, Religionsexperten von 70
Millionen und nach eigenen Angaben von Falun Gong sollen es 100 Millionen sein, die diesem spirituellen Weg
folgen.
Dalai Lama Buddhisten
orientieren sich nach dem „Rad der Zeit“ (Kala Chakra), Falun
Gong Mitglieder kultivieren das „Rad des Gesetzes“. So lautet die
Übersetzung des Wortes Fa Lun.
Mit „Gesetz“ ist das große kosmische Gesetz (Sanskrit: „Dharma“)
angesprochen. „Falun Gong“ bedeutet „Kultivierung
des Gesetzesrades“. Falun Gong (oder auch Falun Dafa = „Gesetzesrad großer Weg“) ist
eine synkretistische Religionsströmung, die sich aus daoistischen,
schamanistischen und buddhistischen Elementen zusammensetzt und die von dem
charismatischen Chinesen Li Hongzhi („Meister
Li“) im Jahre 1992 gegründet wurde. Im Zentrum des Kultgeschehens stehen
meditative Übungen und Atemtechniken zur Heilung, zur Transformation der
Körperenergien, zur Verarbeitung schlechten Karmas, zur Herstellung von
Langlebigkeit. Am die Ende der durchgeführten Praktiken wird die
Überwindung des Todes und die Erreichung der „Buddha-Natur“, d. h. des
Erleuchtungszustandes, versprochen.

Falun Gong Zeremonie um ein
buddhistisches Hakenkreuz
Darüber hinaus aber gibt es wilde
apokalyptische und esoterische Spekulationen. Die Welt, so Hongzhi, sei schon in Urzeiten von intelligenten
Lebewesen bewohnt gewesen. In der afrikanischen Republik Gabun habe man die
Reste eines Kernreaktors gefunden, der vor zwei Milliarden Jahren gebaut
worden sei und 500.000 Jahre in Betrieb war. (1) Mehrmals sei Seit diesen
Tagen die Welt „untergegangen“ und dann wieder aufgebaut worden. Auch heute
befänden wir uns wieder in einer Epoche des Niedergangs. „Meister Li“ führt
das auf die Entfremdung der Menschen von den Himmlischen zurück:
„Schließlich haben die Menschen ihre Zuversicht in die Götter total
verloren, so dass sie skrupellos zu allen schlechten Taten fähig sind.
Heutzutage sind sie völlig entfremdet und zu Menschen mit einer großen dämonischen
Natur geworden, deshalb haben alle Götter das Vertrauen in die Menschen
aufgegeben.“ (2) Wir leben in der Endzeit, „im Zeitalter vom Ende des
Dharmas“. (3) Den Katalog der Dekadenz, den Hongzhi
aufführt kennen wir schon von jüdischen, christlichen, hinduistischen und
islamischen Fundamentalisten: Das Gute wurde durch das Böse ersetzt, dass
Schöne durch das Hässliche. Discos und Rockmusik sind der Ausdruck einer
musikalischen Untergangskultur. Sexuelle Freizügigkeit und Homosexualität
verderben die Sitten. Das Yin
(die weibliche Energie) ist gestärkt, während das Yang (die männliche Energie) geschwächt wird. Die
Frauenbefreiung destabilisiere das kosmische Gleichgewicht. „Männer tragen
lange Haare und Frauen scheren das ihre kurz.“ Alles ist käuflich.
Drogenabhängige zögern nicht, andere auszurauben. Kriminelle Banden haben
sich in jedem Segment der Gesellschaft eingenistet. Ihre Führer sind zu
Idolen der Jugend geworden. Neuartige Krankheiten verbreiten sich. (4) „Wir
haben festgestellt“ – sagt Li Hongzhi – „dass
sich die Menschheit jedes mal, wenn die menschliche Gesellschaft in den
unterschiedlichen Zyklen der vorgeschichtlichen Zeiten vernichtet wurde, in
einem Zustand befand, in dem die Moral äußerst verdorben war. Jetzt
befinden sich der Raum, in der die Menschheit lebt, und viele andere Räume
in einer äußerst gefährlichen Lage.“ (5)
So ist die Welt ist voll
gesaugt mit „schwarzem Karma“. Selbst Steine, Pflanzen, Bäume und Tiere
sind damit angefüllt. „Um der Apokalypse zu entgehen, haben Tiere aus Angst
mit asketischen Übungen begonnen. Aber da sie nicht über menschliche
Fähigkeiten verfügen, können sie nur auf die Ebene der Dämonen steigen und
von dort aus versuchen, von menschlichen Körpern Besitz zu ergreifen. Diese
Tierdämonen haben schon die Körper taiwanesischer Mönche, indischer Gurus,
japanischer Kultführer, von Qigong Meistern und
von deren Schülern besetzt.“ Selbst buddhistische Statuen und Ikonen seien
von ehemaligen Füchsen, Schlangen und gelben Wieseln besessen. (6)
Wegen des ständig angehäuften
schlechten Karmas sei diese Welt schon 81mal in Schutt und Asche versunken
und dann wieder aufgebaut worden. Die Destruktion der Menschheit werde
insbesondere von Aliens, die sich
unerkannt unter die Leute mischten, vorbereitet und durchgeführt. Diese
Außerirdischen hätten die Bevölkerung durch den blinden Glauben an
technische Errungenschaften und an die Wissenschaften korrumpiert und
dadurch unter ihre Kontrolle gebracht, ja zu ihren Sklaven gemacht. Das
Endziel dieser Aliens sei es, das
ganze Menschengeschlecht zu vernichten und an seine Stelle zu treten, wobei
sie eine Klontechnik verwenden. Die Übungen von Falun
Gong erlaubten es jedoch, sich der Kontrolle der Außerirdischen zu
entziehen. (7)
Die Zeit des Untergangs und
der Erlösung sind nahe. Li Hongzhi lehrt: „In der
Gegenwart vollzieht das Universum eine momentane Transformation. Jedes mal,
wenn eine solche Transformation in Erscheinung tritt, befindet sich das
gesamte Leben des Universums in einem Zustand der Auslöschung. […] Alle Eigenschaften und alle Materie, die
in dem [alten Universum] existieren, explodieren und das meiste davon wird
vernichtet. […] Ein neues Universum
wird dann von den Großen Erleuchteten
auf einer extrem hohen Ebene geschaffen.“ (8) Entsprechend heißt es auf einer
Homepage der Sekte: „Viele Schüler haben schon Veränderungen der
Himmelskörper verspürt. Parallel hierzu wird sich auch sicherlich etwas auf
Erden verändern. […] Das Ende des Bösen auf Erden kommt immer näher. Das
ist der Wille des Himmels und dieser lässt sich auf keinen Fall von den
bösen Lebewesen, die das Dafa hassen, beeinflussen.“ (9) Zwar sei die Apokalypse
unvermeidlich, ihre Schrecken aber werde die Anhänger von Falun Gong nicht treffen, da sie sich einen
unverletzlichen Energiekörper aufbauen konnten. Sie sind es dann, die nach
dem Untergang der bösen Jetztzeit ein Paradies auf Erden errichten. Die
Anwendung der apokalyptischen Matrix
nach chinesischer Manier ist unverkennbar.
Meister Li präsentiert sich
selbst als Erlöserfigur. (10) Er behauptet, schon mit vier Jahren in das Große Buddhistische Gesetz von einem Meister der vollständigen Erleuchtung eingeweiht worden zu
sein. Seit dem achten Lebensjahr verfüge er über übernatürliche Kräfte. Die
daoistische Kriegskunst habe er in der Jugend
gelernt, in dieser Zeit sei er im Traum von einem Meister unterrichtet
worden. Später folgten eine weibliche Meisterin und dann noch 20 weitere
Erleuchtete, die ihn unglaublichen Prüfungen unterzogen. (11)
Heiligenbilder, die von Li Hongzhi durch seine
Anhänger verteilt werden, zeigen ihn in verschiedenen klassischen Posen des
historischen Buddhas. Er ist ein
Großzauberer, der kommende Ereignisse voraussieht, der durch die Luft
fliegen und durch Mauern hindurch gehen kann, der Transsubstanziationen
vornimmt, der das ‚Himmelsauge’ öffne und der Dämonen exorziert. Eine
Spezialität seiner Lehre ist der Einbau eines energetischen Gesetzesrades (Falun) im
Unterleib seiner Schüler und Schülerinnen, das dort karmische
Säuberungsarbeiten vornimmt. Es hat die Form eines Hakenkreuzes. (12)
Meister Li ist auch der
Verfasser eines Heiligen Buches, des Zhuan Dalun („Das Drehen des
Gesetzesrades“). Jedes einzelne
Wort davon soll „eine Vielzahl an Buddhas, Taos,
Göttern und Dharma-Körpern enthalten, die dem
Leser Erleuchtung bringen.“ Das Buch offenbare zahlreiche bisher nicht
geöffnete Mysterien. Es beinhalte das „Große Gesetz des Universums“. Die
Lehren des Laotse und des Buddha Shakyamuni erklärten nur die Milchstrasse,
Zhuan Dalun
dagegen erkläre das gesamte Universum. Alle bestehenden Religionen seien
nichts als Dekadenzformen der ursprünglichen und wahren
Falun Gong Lehre. (13)
Der Sinologe David A. Palmer
hat in vier Punkten in vier „Hauptthemen“ sehr anschaulich
herausgearbeitet, wie stark sich die an der apokalyptischen Matrix orientiert:
- Ein apokalyptisches
Thema, das die moralische Dekadenz der Menschheit und die Allgegenwart
böser Kräfte beschwört. Außerirdische infiltrieren sich selbst in den
Körper der Menschheit durch die moderne Wissenschaft, dem großen Feind
der Tugend; die buddhistische Prophezeiung einer drohenden Zerstörung
der Welt und der Entstehung eines neuen Zyklus steht unmittelbar vor
ihrer Erfüllung.
- Die Aufforderung zu einer rigorosen spirituellen Disziplin, die von den Anhängern
verlangt, ihr Herz von allen Verhaftungen an die Dinge dieser Welt zu
reinigen. Die Götter haben die orthodoxen Religionen der Vergangenheit
verlassen, die alle den Geist des wahren Dharmas verloren haben.
- Ein messianisches Thema: Li Hongzhi
ist der allwissende und allmächtige Retter des Universums. Er hat, zum
erst einmal in der Geschichte, das fundamentale Gesetz des Universums
offenbart, welches den einzigen Schutz gegen die Apokalypse darstellt.
- Eine sektiererische Praxis: Die Anhänger Li Hongzhis müssen sich ausschließlich auf Falun Gong konzentrieren. Es ist verboten, über
jede andere Religion, Philosophie, Denkschule oder über Qigong etwas zu lesen oder selbst darüber zu
denken. Sie müssen sich selbst mit Herz und Seele der
psycho-physiologischen Disziplin von Falun
Gong unterwerfen; Wahrnehmungen und Visionen, die durch diese Praxis
ausgelöst werden, sind den übernatürlichen Kräften Li Hongzhis zuzuschreiben.“ (14)
Die große Angst vor der Sekte
und die extreme Härte, mit der Peking gegen sie vorgeht, ist eingedenk
dieser apokalyptischen Ideologie verständlich, aber von den konkreten
Handlungen der Mitglieder her nur sehr schwer nachvollziehbar, da diese
fast ausschließlich durch meditative Übungen und einigen spektakuläre
Sit-ins ihren Protest zum Ausdruck bringen. Ein Grund für heftige Reaktion
des Staates ist sicher, dass Falun Gong in
kürzester Zeit Millionen von Anhängern gewinnen konnte; ein anderer, dass
der Sektengründer Li Hongzhi im „Feindesland“ USA
residiert. Verständlich wird die harte Linie aber erst, wenn man
historische Erfahrungen in Betracht zieht, denn schon seit Jahrhunderten
wird China von häretisch-volksrebellischen und messianischen Aufständen
heimgesucht, die schon in mehreren Fällen den Staat in größte Bedrängnis
brachten.(15)
Eines der Beispiele aus der
Geschichte war die christlich orientierte Bewegung des Hong Xiuquan im 19. Jahrhundert. Xiuquan
glaubte, der jüngere Bruder Jesu zu sein, organisierte eine Rebellenarmee
und etablierte sich in der Stadt Nanjing, die er zum Neuen Jerusalem
erklärte und die er mehr als 10 Jahre lang kontrollieren konnte (1853-1864)
bis die Truppen der Qing Dynastie den chinesischen Messias vertrieben. Das
ganze Ereignis kostete am Ende 20 Millionen Menschen das Leben. (16)
Mehrere westliche Beobachter behaupten, das „Land der Mitte“ sei heute
wieder von fundamentalistischen Sekten überflutet. „Neben Falun Gong“ – schreibt der Orientalist Thomas Heberer –
„finden wir in ganz China, speziell im ländlichen Raum, eine
Revitalisierung solcher Bewegungen [wie Falun
Gong], häufig verbunden mit apokalyptischen Prophezeiungen von einem
bevorstehenden Weltuntergang und dem Auftreten mythischer Kaiser.“ (17) Das
neue an Falun Gong ist jedoch, dass die meisten
ihrer Mitglieder nicht vom Lande, sondern aus den Städten und dem niederen
Mittelstand stammen sowie international verbreitet sind.
Falls Falun
Gong erfolgreich die Macht in China an sich reißen würde, dann entstünde
eine autoritative und totalitäre Buddhokratie,
angesichts derer der bestehende chinesische Neo-Kommunismus als
freiheitliches Gemeinwesen erscheinen würde. Dies sollten sich die
zahlreichen westlichen Menschenrechtsorganisationen, die die Sekte
kritiklos unterstützen, bewusst sein.
Endnoten:
(17) Thomas Heberer – Falungong – Religion, Sekte oder Kult –
(Duisburger Arbeitspapiere Ostasienwissenschaften) – Duisburg 2001, 16
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