Feminismus
Reflektionen
zu dem Buch
Sophia und Logos
von Otfried Eberz
Victor und Victoria
Trimondi
Otfried Eberz wurde 1878 geboren und starb 1958 in
München. 1931 veröffentlichte er die Grundlagen seiner Weltsicht in einer
kleinen Schrift mit dem Titel „Vom Aufgang und Niedergang des männlichen
Weltalters“. Er trug sich mit dem Gedanken, ein weiteres Buch zum Thema zu
publizieren, aber in der Nazizeit galten seine Arbeiten als „unerwünscht“.
So kam es in den 30er Jahren nur noch zu einer Publikation in der
katholischen Zeitschrift Hochland („Das hoministische Lebensgefühl
und die Frau“). Nach dem Krieg hielt Eberz in privaten Kreisen Vorträge. Er
plante eine Kollektion seiner Arbeiten in einem Sammelband. Dieser wurde
aber erst nach seinem Tode von seiner Frau Lucia herausgegeben. (Sophia
und Logos oder die Philosophie der Wiederherstellung München 1967)
Der Text enthält acht größere Aufsätze. Darunter die
wichtigsten: „Sophia und Logos“ (1948) – „Die gnostisch-gynäkokratischen
Apokalypsen der Griechen und Goethes Pandora“ (1949) – „Die Philosophie des
gnostischen Feminismus und des agnostischen Hominismus“ (1950) – „Der
gnostisch-gynäkokratische Doppelorden von Sophia und Logos“ (1950-1951) –
„Der gnostische Humanismus“ (1952) – „Das gnostische und weibliche
Christentum“ (1953) – „Das Schicksal des agnostischen Hominismus“ (1956 –
1957) – „Das Opfer. Eine religionsphilosophische These“ (1954-1955)
Otfried Eberz hat nicht nur eine kritische
Auseinandersetzung mit den patriarchalen Wurzeln unserer Kultur vorgelegt,
sondern aus seinen gewonnenen Erkenntnissen auch den Entwurf für eine
kommende Kosmogonie, Theologie und Metaphysik entwickelt, der die
Gleichberechtigung der Geschlechter zum Inhalt haben soll. Auch wenn wir in
vielen Punkten nicht mit der Sichtweise von Eberz übereinstimmen, so finden
wir dennoch seine Bücher so kreativ und ideenreich, um sie, obgleich sie
vor ca. 50 Jahren verfasst wurden, als sehr wichtigen Beitrag zu Rolle der
Geschlechter in der Religion zu sehen.
Was
ist die Essenz von Eberz Philosophie?
Am Anfang der
Schöpfungsgeschichte steht nach Eberz das „Eine“. Dieses entzieht sich
jeglicher Definition. Man mag es Gott, den Urgrund des Seins, kosmischer
Ursprung oder das Ur-Göttliche nennen. Das „Eine“ entfaltet oder teilt sich
in eine männliche und eine weibliche Potenz, um sich selbst reflektieren
und lieben zu können. In der mystischen Wieder-Vereinigung des Männlichen
mit dem Weiblichen kommt das „Eine“ nach seiner Teilung zum Bewusstsein
seiner Selbst. Jetzt ist es nicht mehr das ursprüngliche „Eine“, sondern
dass in sich reflektierte „Eine“. „Denn das Eine musste sich als eine in
zwei Geschlechter gespaltene Menschheit individuieren, um durch die
gnostische Vereinigung beider Hälften in der ewigen Zeit zum Abbild und
Gleichnis einer überzeitlichen, ewigen Einheit zu werden.“ (32) Sinn der
menschlichen Geschichte ist es nach Eberz, das „absolute Eine“
wiederherzustellen.
Das
Wissen um das „Eine“ nennt Eberz „Gnosis“. „Gnosis“ (Erkenntnis) bedeutet
für ihn das Wissen um das „Selbstbewusstsein des Einen“, dass sich durch
den „Zusammenfall aller Gegensätze“, d. h. der mystischen Verbindung der
weiblichen und männlichen Potenz verwirklicht. „Sophia“ (Weisheit) ist der
Name der weiblichen Potenz. Sie ist die Göttin und Hüterin des gnostischen
Wissens. „Logos“ (Wort) heißt die männliche Potenz. „Sophia und Logos sind
also zwei Namen für dasselbe gnostische Selbstbewusstsein des Einen, die
zugleich die geschlechtliche Differenzierung der Träger dieses Wissens
bezeichnen.“ – schreibt Eberz. (32) Nur im hieros gamos (der
„Heiligen Hochzeit“) von „Logos“ und „Sophia“ konnte die ursprüngliche
Einheit der Schöpfung gefeiert und das ursprünglich „Eine“
wiederhergestellt werden. Deswegen zählte in einer prähistorischen Zeit die
„Heilige Hochzeit“ zwischen Mann und Frau zum bedeutendsten Kultmysterium.
Durch das von beiden Geschlechtern kultivierte „Einheitsbewusstseins“ wurde
eine weltweite, friedfertige und harmonische Gesellschaft geschaffen.
Keines
der beiden Geschlechter-Prinzipien war – so Eberz – der Schöpfer oder die
Schöpferin des anderen. Sie entstanden als gleichwertige Potenzen und
Mächte aus dem „Einen“. Alle monotheistischen Religionen aber verwerfen
nach Meinung des Autors diese Gnosis (Erkenntnis) vom Mysterium der
Geschlechter und praktizieren eine Hypertrophie des männlichen „Ichs“. Sie
sind deswegen „agnostisch“ und gipfeln in der Vergöttlichung des
profanen Individualismus. „Indem sie das als transzendent gedachte Eine mit
einem als absolut gedachten Ichbewusstsein identifizieren, [haben] sie nur
das relative agnostische Ichbewusstsein der menschlichen Individuationen
des Einen verabsolutiert und vergöttlicht.“ (30)
Das
göttliche „Eine“, von dem Eberz spricht, kann dagegen nicht zu einem
starren Monotheismus führen. Es ist ein in sich pulsierender
Metaorganismus, in dem beide Geschlechterpotenzen in ihrer Besonderheit
erhalten bleiben und in ihrer mystischen Liebesbeziehung zueinander das
Bewusstsein von der „Einheit“ erlangen: „So ist das noumenale [wesenhafte] Eine
nicht als statisches und erstarrtes [...] Absolutes zu verstehen, sondern
als noumenales Liebesleben. [...] Das Eine ist also die noumenale weibliche Potenz in der Besonderheit, das
Eine ist ebenfalls die noumenale männliche Potenz in ihrer Besonderheit,
der Logos, und das Eine ist der noumenale Androgyn Sophia-Logos, die
untrennbare Einheit beider Potenzen; so das Sein und das Leben des Einen
als ein noumenales-trinitarisches Liebesleben gedacht werden muss.“ (439)
Das irdische Paradies und die Religion von Logos und Sophia
Die
beiden Geschlechter waren - nach Eberz - am Anfang der Zeiten in zwei Orden
(oder Bünde) aufgeteilt. Eva, die hebräische Urmutter, sei keine Person
gewesen, sondern das einzelmenschliche Symbol des gnostisch matriarchalen
Frauenordens der „Sophia“ und Adam das Symbol des gnostischen Männerordens
des „Logos“.
Dabei
wurde der weibliche „Sophia-Orden“ als der primär gnostische
angesehen, der männliche Logos Orden als der sekundär gnostische. So
standen sie untereinander in einem hierarchischen Verhältnis, auch wenn sie
nach der Entfaltung des „Einen“ zwei gleichwertige Potenzen darstellten.
Die gnostischen Männer anerkannten die geistige Lehrerschaft und
spirituelle Führung der Frau und teilten mit ihr den „gnostischen
Feminismus“ als Religion. Die damalige Gesellschaftsform nennt Eberz
Gynäkokratie („Frauenherrschaft“)
Die
Priesterinnen des Frauenordens weihten die Mitglieder des Männerordens in
die gnostische Urerfahrung des „Einen“ ein. Wie sich dieser
Initiationsvorgang konkret gestaltete, ob er mit einem Ritus verbunden war,
ob er durch Worte geschah oder sich durch den Blick oder eine Berührung
vollzog, darüber erfahren wir bei Eberz nur sehr weniges. So wird die
Überreichung des Apfels der Erkenntnis von Eva an Adam, wie in der Genesis
zu lesen ist, als Einweihung in die Gnosis gedeutet, welche von dem
„Eva-Sophia-Orden“ an dem „Adam-Logos-Orden“ vorgenommen wurde. Die
Schlange selber war ein „Symbol des gnostischen Wissens“, durch welches das
„gnostische Frauenhaus“ und das „gnostische Männerhaus“ geeint wurden.
Wahrscheinlich
unter dem Einfluss der kabbalistischen Lehre von der Schechina
(Sophia), mit der sich Eberz ausführlich beschäftigt hat, unterscheidet er
ebenfalls eine „obere“ und eine „untere“ Sophia (Schechina), eine
„metaphysische“ und eine „irdische“. Das gleiche gilt vom Logos. „Durch die
untere Sophia verwirklicht sich also die obere Sophia in ihren weiblichen
Individuationen, wie sich der obere Logos in seinen männlichen
Individuationen als unterer Logos verwirklichte.“ (291)
Entsprechend
bestimmter Vorstellungen der Kabbala findet auch hier die Erlösung von
„unten“ nach „oben“ statt, d. h. in der Wiederherstellung der Verbindung
der „unteren Sphäre“ mit den „höheren Sphären“. Indem sich die weiblichen
Individuationen der „unteren Sophia“ mit den männlichen Individuationen des
„unteren Logos“ in mystischer Hochzeit verbinden, kann der Kontakt zur
„oberen Sophia“ und zum „oberen Logos“ wieder aufgenommen werden. Darin
besteht nach Eberz der „Sinn der Menschheitsgeschichte“. Diese vollendet
sich „in der Geburt des unteren Logos durch die untere Sophia, die
geschehen ist, wenn beide Potenzen ihr Telos [Ziel] ergriffen haben,
Abbilder der ewigen oberen Sophia und ihres ewigen oberen Logos zu sein, d.
h. wenn das Eine sich auch in seinen männlichen Individuationen durch das
weibliche Geschlecht vom agnostischen zum gnostischen Ichbewusstsein
erhoben hat.“ (290)
Die
Religion von „Sophia und Logos“ war nach Eberz in der Frühzeit der Menschheit
über den gesamten Planeten verbreitet als eine hierarchisch gegliederte
Gesellschaftsordnung. An deren Spitze stand der „gnostische Frauenorden“,
dem folgte der „gnostische Männerorden“ und außerhalb beider gab es die
„Laienwelt“ für alle diejenigen Menschen, die nicht dem „Doppelorden“
zuzurechnen waren.
Die
initiatorische Rolle der Sophia und die Jungfrauenorden
Die
metaphysische Bestimmung der Frau besteht darin, den Mann in die unio
gnostica einzuweihen, um so die ursprüngliche absolute Einheit wieder
herzustellen. Sie trägt also „die Verantwortung für die geistige Erziehung
des männlichen Geschlechts.“ (16) Das ist für den Autor ein Dogma. Deswegen
gebiert die Frau den Mann zweimal, einmal als körperliches und dann als
geistiges Wesen.
Auch
wenn sich das „Eine“ ursprünglich in ein weibliches und ein gleichwertiges
männliches Prinzip entfaltetet, so erhält nach Eberz die Frau im
Heilsgeschehen der Gnosis dennoch den höheren Status. Sie bestimmt
das Geschlechtergesetz in der Form der gnostischen Frauenherrschaft
(„Gynäkokratie“). „Gynäkokratie oder Feminismus nenne ich nun dasjenige
soziologische Verhältnis der Geschlechter zueinander, in dem die Frau die
Trägerin des Geschlechtergesetzes ist, Androkratie [Männerherrschaft] oder
Hominismus dasjenige, in dem es der Mann ist.“ (82) Die Frau steht also
spirituell (wenn auch nicht kosmogonisch) über dem Mann. Das wird Eberz
nicht müde zu wiederholen. Sie ist „Trägerin, Lehrerin und Priesterin“ der
Gnosis. (82)
Organisiert
sind die „gnostischen Frauen“ in Bünden oder Orden. Vornehmlich handelt es
sich dabei (nach Eberz) um in Klöstern lebende heilige Jungfrauen. Es sind
Mädchen und keine Matronen, welche die gnostische Initiation der Männer
durchführen. „Denn die Jungfrauen sind die wahren Trägerinnen und
Lehrerinnen der Gnosis und des Gesetzes der gnostischen Gynäkokratie. Nicht
auf den Müttern, die in gefährlicher Zerstreuung leben und die Welt allzu
häufig von der Perspektive der Kinderstube aus betrachten, kann diese
beruhen, sondern nur auf dem in der Konzentration des Bewusstseins als die Sponsae
Verbi [die Bräute des Wortes] lebenden gnostischen Jungfrauen des
Einen.“ (99)
Ganz
in diesem Sinne wird die höchste Form des Priesteramtes durch die Virgines
Gnosticae, die „Gnostischen Jungfrauen“, die „Vestalinnen der Idee“
ausgeübt. Sie sind „das Werkzeug, durch welches das Eine [sich] zur
gnostischen Menschheit“ empor entwickelt. (175) Aber, Eberz betont es immer
wieder, der gnostische Jungfrauenbund kann die prophezeite
Wiederherstellung des „Einen“ nur durch die Initiation des Mannes
bewerkstelligen. Die Jungfrauen wecken den in den Männern „schlummernden
Trieb des Einen zur Vernunft.“ (175) Die Freisetzung dieses
„Vernunfttriebes“ darf jedoch den Männern nicht aufgezwungen werden. Diese
müssen dem Initiationsprozess freiwillig zustimmen. Die „heiligen
Jungfrauen“ sind also eine Art spirituelle Geburtshelferinnen. Sie helfen
mit, dass der „gnostische Männerbund“ wieder entsteht und so die
Vorraussetzungen für die unio mystica von „Sophia und Logos“
geschaffen werden.
Eberz
sieht in den mittelalterlichen Marienbildern den „Logos“ als das von der
Jungfrau geborene (sprich: gnostisch initiierte) männliche Kind
dargestellt. Es handele sich dabei also nicht um eine „natürliche“
Mutter-Sohn Beziehung, sondern um eine bildliche Darstellungen der
mystischen Verbindung zwischen der „Sophia“ als „spirituelle Lehrerin“ und
dem „Logos“ als ihrem „Schüler“, den sie behutsam lehrende Mutter in die
gnostischen Mysterien des „Einen“ initiiert
Der kosmische Androgyn
Die
unio gnostica des Männlichen mit dem Weiblichen führt zur
„Androgynität“. Dieser Begriff ist für Eberz zentral. Er macht jedoch einen
Unterschied zwischen einer „agnostischen Androgynität“ und einer
„gnostischen Androgynität“. Die „agnostische Androgynität“ ist für ihn eine
Täuschung. Sie besteht in der Selbstdarstellung des patriarchalen Mannes
als geschlechtsneutral oder über den beiden Geschlechtern stehend. Hier
werde der „Lügen- oder Pseudoandrogyn, der die satanische Karikatur des
gnostischen ist“, verherrlicht. (316) Die „gnostische Androgynität“
dagegen, so der Autor, neutralisiert die Geschlechter nicht, sondern wird
als ihre Vereinigung im Einen gesehen.
Dies
führt er unter anderem am Trinitätsgedanken aus. Die erste Potenz der
Dreieinigkeit ist die „gnostisch weibliche“, die zweite Potenz ist die
„gnostisch männliche“ und durch ihre Verbindung entsteht die „dritte
Potenz“, die von Eberz eben als Androgyn („Mann-Frau“) bzw. als Gynander
(„Frau-Mann“) bezeichnet wird. Hebt nun dieser „gnostische Androgyn“ die
beiden anderen Geschlechter-Potenzen in sich auf oder verwendet Eberz nur
einen schillernden Begriff, um das „Eine“ als Quelle und Sammelbecken
zugleich für die männlichen und weiblichen Ströme der Schöpfung zu
beschreiben? Der Autor gibt auf diese Frage nicht immer klare und nicht
immer dieselben Antworten. An einer Stelle sagt er jedoch
unmissverständlich, dass in der Potenz des Einen, „jede der beiden anderen
Potenzen ihre so genannte Personalität als Potenz bewahrt“, dass sie aber „zu
einem von ihnen verschiedenen Dritten geworden sind“. (282) Damit meint er
das „Eine“. So hat die „vollendete Trinität“ das Wesen der Geschlechter
verändert, indem sie diese in der ursprünglichen Einheit vereinigte und
zurückführte. Vernichtet aber wurde die mann-weibliche Polarität damit
nicht. Man könnte auch sagen, die Trinität ist die Frucht der Vereinigung
von „Sophia“ und „Logos“. An einer anderen Stelle heißt es bei Eberz
hierzu: „Die Menschheit ist also ihrem Wesen nach [also nicht in ihrem gegenwärtigen
Zustand] eine unbegrenzte Vielheit von gnostischen Androgynen, in denen
sich das Eine inkorporiert hat, und von denen jeder eine unzerreißbare
Einheit bildet.“ (290)
Jedenfalls
ist Eberz’ gnostisches Trinitätsdogma Geschlechter integrierend und
deswegen der patriarchalen Trinität (Vater, Sohn, Heiliger Geist)
überlegen. „Durch die Ignorierung der weiblichen Potenz im christlichen
Trinitätsdogma kann und soll der Schein einer Überpolarität hervorgerufen
werden; aber was übrig bleibt, ist in Wirklichkeit nur eine einseitige
hoministische [männerorientierte] Unipolarität.“ – schreibt der Autor.
(283)
Kritische Anmerkung: Wenn im
wiederhergestellten „Einen“ die beiden Geschlechter gleichberechtigte Teile
eines Ganzen sind, dann ist das vom Autor benutzte Bild und Begriff des
„Androgyns“ ungeeignet, ja sogar falsch, um als Symbol für die gnostische
Vereinigung des Weiblichen mit dem Männlichen zu dienen. Es führt beim
Leser zu Verwirrung und Unsicherheit. Denn der Begriff der „Androgynie“
bedeutet in den patriarchalen Religionen (ebenso wie in der Alchemie) immer
die Vorherrschaft des männlichen Prinzips über das weibliche. Andros
heißt Mann und gyne Frau. Die männliche Potenz ist bei der
androgynen „Vereinigung“ der weiblichen übergeordnet, ein Androgyn ist also
ein „Mann“, der gleichzeitig über die Potenzen der Frau verfügt, und nicht
umgekehrt. Das adäquate Bild für die „vollendete Trinität“ wäre dagegen ein
umschlungenes Paar in einem Kreis und als Begriff hierfür könnte
„Paarunion“ dienen.
In der Sprache zeigt sich, wie sich selbst Eberz nicht
immer dem agnostischen Wortdiktat entziehen kann. Er spricht nicht von
„Gott und Göttin“ und deren Vereinigung, sondern vom „Androgyn“ als dem
ältesten „Gott“ der Menschheit. Ein Gott (!) und nicht ein göttliches Paar
und nicht einmal eine Göttin stehen im Zentrum „der weiblichen
Uroffenbarung vom Gott
der urzeitlichen gnostischen Gynäkokratie [Frauenherrschaft], der ältesten
Form des Menschengeschlechts.“ (144)
Die Sexualität und die gnostische Vereinigung
Die
von Eberz angesprochene mystische Vereinigung des Männlichen mit dem
Weiblichen ist ausschließlich ein geistiger Vorgang, eine unio gnostica.
Die gnostische Verbindung wird zudem nicht zwischen einzelnen Individuen,
sondern zwischen Gruppen von Menschen, speziell zwischen dem „Orden der
Sophia“ und dem „Orden des Logos“ hergestellt. Der Autor setzt die unio
gnostica in bewussten Gegensatz zur unio zoologica, den profanen
Sexualakt oder zur „animalischen Liebe“, wie er diesen nennt. Eine solche
Distanzierung von der körperlichen Erotik ist in seinem Werk durchgängig.
Mehr noch, er sieht im Sexualakt mit seinem „coitus bestialis“
geradezu eine „Vergewaltigung“ der Frau durch den Mann, eine Demonstration
des „geschlechtlichen Machtwillen der männlichen Potenz“, zugleich
„Ausdruck ihrer metaphysischen Unwissenheit“ (13) Die Folge hiervon ist,
dass die Sexualität zu einem Haupthindernis auf dem Weg zur höheren
Erkenntnis wird. Der „gnostische Doppelorden von Logos und Sophia“ führt
daher einen „Kampf der geistigen Liebe gegen die animalische [sprich:
sexuelle] unio; dieser heilige Krieg [sic!] ist die Achse, um die
sich das ganze Weltall dreht.“ (174)
Kritische Anmerkung: Eberz radikale Ablehnung der Sexualität
erscheint fragwürdig. Sie zeigt Parallelen zum asketischen und zölibatären
Weltbild der patriarchalen Priesterorden, welche er angreift, die aber
ebenfalls die Sexualität zwischen den Geschlechtern verdammen und sie als
das „Böse“ schlechthin darstellen. Im übrigen verschweigt Eberz in seinem
ganzen Buch, dass gerade in den matriarchalen Kulten und ihren an der Natur
orientierten Furchtbarkeitsriten, die Sexualität eine zentrale Rolle
einnahm. Der Hieros Gamos (Die Heilige Hochzeit) wurde dort auch „real“
vollzogen und stand keineswegs im Gegensatz zur Sakralität des Geschehens.
Vorstellbar
wäre zum Beispiel eine „mystische Vereinigung“ des Männlichen mit dem
Weiblichen auf drei Ebenen: der körperlichen, der seelischen und der
geistigen. Das würde die Sexualität in das Mysterium zur „Wiederherstellung
des Einen“ mit einschließen. Es würde aber auch den „Jungfrauenorden“ als
die einzige und höchste Instanz für eine Restauration der Religion von
Logos und Sophia relativieren und dem Mann eine ebenbürtige Rolle in der
„Wiederherstellung des Einen“ geben. Die Folge wäre nicht die Restauration
eines „Gynäkokratie“, sondern die Errichtung einer religiösen Ordnung einer
wirklichen Unio Mystica der beiden Geschlechter aufbaut.
Die Ursünde des Frauenordens
Eberz
spirituelle Erhöhung des Weiblichen bringt jedoch den Frauen keineswegs nur
Vorteile, sondern zieht sie auch zur Verantwortung. Aufgrund ihrer
priesterlichen Amtes und aufgrund ihres spirituellen Wissens über die
Ur-Einheit bestimmten sie das „Geschlechtergesetz“ und verfügten über die
spirituelle und gesellschaftliche Macht. Nur durch ihre eigenen
Verfehlungen konnte ihnen nach Meinung des Autors, diese Macht entglitten
sein. Sie müssen es irgendwann versäumt haben, die Männer in das Wissen
über die „Einheit“ zu initiieren. Denn das Gesetz des weiblichen
Geschlechts lautet, „selbst im Besitz der Gnosis zu sein, um das männliche
Geschlecht zur Gnosis zu führen. Die Sünde besteht also für das weibliche
Geschlecht darin, dieses gnostische Gesetz nicht zu erfüllen.“ (67)
Die
Folge war der „Fall aus dem Paradies“, d. h. die Einheit von oben
(Metaphysik) und unten (Welt) wurde zerbrochen. Die „erste Schuld“ hierfür
lag – nach Eberz – bei den „gnostischen Frauenbünden“ der Sophia hier auf
Erden. „Weil sie die geistige Führung der Menschheit dem gnostisch blinden
Geschlecht [des Mannes] überließ, das durch sie sehend werden soll, trägt
aber die untere Sophia durch ihren Fall allein die Schuld für alles, was
dann kommen musste und kam. Die gnostische Frauenkirche wurde durch die
Revolution des agnostischen Hominismus vernichtet, der schließlich den
ganzen Planeten eroberte.“ (291)
Erst
wenn sich das weibliche Geschlecht auf seine metaphysische Aufgabe
zurückbesinnt, kann es die Initiation der Männer wieder vornehmen und so
das Ende des „zweiten patriarchalen Äons“ einleiten. Eberz beruft sich
dabei auf einen Satz des Bernhard von Clairvaux: „Siehe, wenn der Mann
durch die Frau gefallen ist, dann kann er auch nur durch die Frau wieder
auferstehen.“ (66)
Kritische Anmerkung: Da Eberz der Frau letztlich alle
spirituelle Macht zugesteht, trägt sie seiner Meinung nach die primäre
Verantwortung für den Siegeszug des Patriarchats, denn sie hat diese Macht
für sich missbraucht und setzte sie nicht dienend ein. Hinzukommt, dass sie
aus dem gleichen Grunde, die Verantwortung für die Zukunft zu tragen hat.
Sie allein ist nach Eberz fähig, den „Doppelorden von Logos und Sophia“
wieder als religiöses Zentrum zu errichten. Der „gnostische Mann“ kann da
nur abwarten. „Die Zukunft wird zeigen, ob die Erschlaffung [der Frau] ein
geistiges Ende oder nur eine ‚schöpferische’ Pause war.“ (179) Solche
Überlegung von Eberz erinnern stark an die „Ursünde der Frau“, mit der
diese in der patriarchalen Bibel belastet wird und wo sie auch als die
Schuldige gesehen wird, die den Kontakt zu Gott unterbricht, den Mann
verführt und dadurch den „Fall aus dem Paradies“ bewirkt. Einen eigenen
wesentlicheren Beitrag über seine Bereitschaft, sich initiieren zu lassen,
hinaus, kann der Mann – nach Eberz – zur Erlösung der Welt vom Patriarchat
nicht leisten. Diese Reduzierung des Männlichen auf die reine Passivität
und seine Abhängigkeit von der Willensbereitschaft der Frau, stellt sich
sowohl gegen eine paritätische Kooperation der Geschlechter als auch gegen
den mystischen Eros und widerspricht sogar dem von Eberz selbst
gezeichneten Bild vom „Einen“, das sich in die gleichwertige Polarität von
Frau und Mann entfaltete. Außerdem raubt es dem Mann jegliche eigene
spirituelle Fähigkeit und stellt sein Wissen als „Logos“ von der
„Ur-Einheit“ in Frage. Es entbindet ihn letztlich von jeglicher
Eigenverantwortung.
Die Herrschaft der agnostischen Männerorden
„Hominismus“
(oder die adjektivische Form „hoministisch“) ist der wohl in Eberz Buch am
meisten benutzte Begriff. Er steht synonym für Patriarchat, Androkratie,
Androzentrismus, Männerherrschaft und ähnlichem und drückt ein
agnostisches, frauenfeindliches und gewalttätiges Bewusstsein aus.
Historisch gesehen haben sich nach Vorstellungen des Autors die hoministischen
Männer in Männerbünden oder Männerorden organisiert, wozu er sowohl die
traditionellen Religionen wie den modernen Staat und die moderne Armee
zählt.
Die
Herrschaft der patriarchalen, „agnostischen Männerbünde“ hatte den Krieg
aller gegen alle (bellum omnium contra omnes) zur Folge. „Der Krieg
ist der Vater aller Dinge.“ Diesen Spruch von Heraklit kehrt Eberz um: „Der
Vater ist der Krieg aller Dinge.“ Die Omnipotenz des Vaters in den
Weltreligionen habe zu einer permanenten Katastrophe geführt: „So zerfällt
das eine männliche Geschlecht in eine Vielheit um die Macht übereinander
kämpfender Männerbünde oder Staaten, und in jedem Männerbund oder Staat
wiederum ist die beherrschte Partei bestrebt, ihrerseits die herrschende zu
unterdrücken, um selbst die Führung des Männerbundes an sich zu reißen:
Krieg und Revolution in Permanenz ist die Signatur des agnostischen
Hominismus.“ (36)
In
letzter Instanz zielen all diese Kriege jedoch darauf, die verschiedenen
Männerbünde (darunter auch die traditionellen Religionen) in einen einzigen
großen Männerbund (eine militante, patriarchale Weltökumene der Religionen)
zu vereinen, mit dem Ziel, die absolute Herrschaft des männlichen
Geschlechts zu errichten und „es als eine geschlossene Einheit gegen das
weibliche zu führen.“ (36) Auch wenn sich die patriarchalen Männerbünde
(oder Staaten) gegenseitig zerfleischen, so „verfolgen sie trotz aller
Rivalitäten untereinander instinktiv oder bewusst das gleiche Endziel:
nämlich die letzten Reste der gnostischen Gynäkokratie auszurotten und ihre
Wiederherstellung unmöglich zu machen.“ (408) So besteht zwischen den hoministischen
Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Judentum, Christentum, Islam) bei allen
Differenzen eine Konkordanz: die Unterdrückung des gnostischen Bewusstseins
von einer ursprünglichen Paar-Religion, welche die Gleichwertigkeit der
Geschlechter zum Inhalt hat.
Dieser
religiöse Geschlechterkrieg wird auch geistig ausgefochten. Die
abendländische Philosophie, der Theismus, der Idealismus und der Materialismus
(letzterer vergesellschaftete sich im Kapitalismus und Kommunismus) sind
für den Autor nur unterschiedliche Formen des Hominismus. Wir werden uns
jedoch dabei nicht länger aufhalten, weil Eberz in all diesen Fällen zu
demselben Schluss kommt: Es handelt sich dabei um Ideologien, die ebenso
wie die patriarchalen Religionen, zur Aufrechterhaltung der agnostischen,
frauenfeindlichen Männerbünde und ihrer gesellschaftlichen Strukturen
dienen und gedient haben.
Die „drei Bünde“ und die Weltgeschichte
Wer
oder was sind die Götter? Nach Eberz sind die Götter personifizierte
„Objektivationen“ der verschiedenen „Bünde“ bzw. „Orden“. So wie es drei
Arten von „Bünden“ gibt, so gibt es drei Arten von Gottheiten. Die Götter
der „patriarchalen, agnostischen Männerbünde“, mit Jahwe und seinem Sohn
Jesus Christus als ihrem bekanntestem Vertreter, auf der einen Seite. Auf
der anderen Seite die Göttinnen der „gnostischen Frauenbünde“ und die
Götter der „gnostischen Männerbünde“. Letztere sind nach Eberz unter
anderen die durch die Götter des „agnostischen Patriarchats“ geopferten
männlichen Gottheiten Osiris, Attis, Adonis, Dionysos und der „gnostische
Christus“, der von dem „agnostischen Christus“ der Evangelien zu
unterscheiden sei.
Die
Mythen und Legenden der verschiedenen Kulturen erzählen nach Eberz die
Geschichte der jeweiligen Bünde und ihre Interaktionen. Sie sind
sakralisierte Deutungen einer Jahrtausende alten historischen Wirklichkeit.
Die in ihnen auftretenden Götter und Göttinnen, Heroen und Heroinen haben
also nicht als Personen existiert. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um
die Personifizierungen der einzelnen Bünde. Die in ihnen erzählten
Handlungsabläufe berichten nicht von der Passion einzelner Individuen,
sondern von den dramatischen Ereignissen, die von den Bünden erlebt wurden.
Für den Autor jedoch sind die Mythen noch mehr, denn sie konnten auch als
metaphysisches Propagandamittel eingesetzt werden; sie konnten verfälscht
werden, um Lügen zu verbreiten; sie können aber genauso alte Mysterienabläufe
verschlüsselt weitergeben, welche auf den Sinn der Geschichte hinweisen;
und nicht zuletzt sind sie zuweilen Prophezeiungen, die Kommendes
annoncieren.
Alle
der von Eberz zitierten Mythen beinhalten den „Krieg der Geschlechter“ als
einen „Religionskrieg“. Es geht dabei im Kern um den Zugang zur Metaphysik,
zum „Tempel des Wissens“, selbst wenn dieses – wie im Falle der
patriarchalen Männerbünde – agnostisch ist. Die Bibel dokumentiert
diesen religiösen Geschlechterkrieg ebenso wie die griechischen Mythen und
Sagen. „Im Anfang der griechischen Geschichte steht ein Religionskrieg, der
ein Geschlechterkrieg ist, und
dieser Anfang wirkt durch die ganze griechische Geschichte.“ (108)
Der „Religionskrieg“ des griechischen Kulturkreises beginnt mit den in Hesiods
Theogonie aufgeschriebenen Schöpfungsmythen von Uranos (Himmel)
und Gaia (Erde) und Kronos (Zeit) und Rhea
(Fruchtbarkeit) und setzt sich fort in den unzähligen Auseinandersetzungen
zwischen den olympischen Göttern einerseits und olympischen Göttinnen
andererseits. In den alt-griechischen Dramen zeugen unter anderem die
tragischen Frauengestalten Klytämnestra, Elektra, Antigone, Phädra und Medea von diesem Geschlechterkrieg, der
im Krieg um Troja einen Höhepunkt erreicht.
Jahwe und
die hebräischen Frauenbünde
Die
Bibel berichtet nach Eberz über die Kriege des „hebräischen
Männerordens“, der sich unter der Gottheit Jahwe gesammelt hat, gegen den
ur-alten gnostischen, hebräischen Frauenorden. An vielen Stellen macht der
Autor seine Leser und Leserinnen darauf aufmerksam: „Es muss also
hebräische Frauenkreise gegeben haben, deren Geheimbund oder Orden eine
gnostisch-gynäkokratische Apokalypse [matriarchale Offenbarung] besaß.“ Die
jüdische Kabbala habe das geahnt, als sie den Namen „Jahwe“ in zwei
männliche und zwei weibliche Buchstaben aufteilte, welche Vater und Mutter,
Sohn und Tochter repräsentierten.
Auch
unter den frühen Hebräern sei ein symbolisches Götterpaar (als Schöpfer und
Schöpferin) verehrt worden. Auf eine hebräische Paar-Religion verweise auch
der erste Genesis-Bericht von der Menschenschöpfung. „Dann sprach
Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. [...]
Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er
ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ - heißt es dort (1: 26, 27). Daraus ist ohne
weiteres rück zuschließen, dass der biblische Schöpfergott ursprünglich ein
Göttliches Paar (ein Schöpfer und eine Schöpferin) gewesen ist, das den
Menschen nach „seinem Abbild“ als Mann und Frau schuf. Auch verwendet
der Text zumindest in der deutschen Übersetzung das Wort „uns“ und
nicht das Wort „ich“, wenn Gott die Menschenschöpfung ankündigt: „Lasst
uns Menschen Machen als unser Abbild, uns ähnlich..“
Dem widerspricht jedoch der zweite Schöpfungsbericht mit seinen nun
eindeutig patriarchalen Zügen, der die für die Frau zutiefst degradierende
Rippengeburt der Eva spricht: „Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die
er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.“
(2: 22) Eva wurde, wie es Adam selber sagt, zu einer „aus dem Manne und für
den Mann geschaffene ‚Männin’“ (43)
Otfried
Eberz geht davon aus, dass sich insbesondere im Hohen Lied diese ursprünglich an einem göttlichen Paar
orientierte Religionsströmung im Judentum bewahrt habe und immer noch zu
Wort meldet. Die beiden Protagonisten des Hohen Liedes, Schulamit
und Schelomoh, seien einmal, als Friedensgott und Friedensgöttin deren
religiöses Zentrum gewesen. Sie wurden – so Eberz – auch Dod und Dodah
genannt. Dod heißt „Geliebter“ und Dodah „Geliebte“.
Eine
laizistische Interpretation des Hohen Liedes lehnt der Autor ebenso
ab, wie eine orthodoxe. Es handele sich bei diesem Gedicht weder um ein
„harmloses Liebesliedchen“ oder um ein lustiges Hochzeitslied „für einen
beduinischen Hans und seine Grete“, noch um eine metaphorische Umschreibung
der Liebe Jahwes zur Synagoge wie es in der jüdischen Orthodoxie gedeutet
wird, noch um eine Hymne auf die Liebesmystik zwischen Christus und der
Kirche (ecclesia), wie dies in offiziellen, christlichen Deutungen
gesehen wird. Für Eberz ist das „Hohe Lied“ der „Heilige Text“ einer
ursprünglichen, hebräisch-gnostischen Paarreligion, der sich in die Zeit
des Patriarchats hinüberretten konnte. (218)
Der
patriarchale Gott Jahwe, Vertreter eines machtbesessenen, agnostischen
Ichbewusstseins, zerstörte diese Religion von Dod und Dodah
und damit auch die ursprüngliche aurea aetas, das „goldene
Zeitalter“. Er verfluchte die Gnosis in der Gestalt der „Schlange“,
dem Symbol für die Weisheit in den matriarchalen Kulturen. Der Frau wurde
ihre Rolle als einweihende Priesterin in die gnostischen Mysterien
verboten.
Die
hebräische Bibel ist für Eberz eine ausführliche Chronik, die den
verbitterten Kampf der Männerbünde Jahwes gegen die ursprüngliche
Paar-Religion von „Logos“ und „Sophia“ schildert. Zahlreiche Stellen weisen
seiner Ansicht nach darauf hin. „Alle Bücher der Bibel sind Abwehrschriften
gegen die unterirdische Gefahr einer Wiederherstellung der androgynen
Kirche von Sophia und Logos durch die hebräischen Frauenbünde; und wenn man
diesen Gegner nicht überall zwischen den Zeilen sieht, hat man den
dialektischen Zweck des Kanons nicht verstanden.“ (291, 292)
„Jahwe“
– schreibt Eberz – „ist ein ‚furchtbarer Gott’, El Schaddai, der
Gott des magischen Terrors“ (322) Die Einführung der Beschneidung seien
eine der vielen Machtdemonstrationen der Jahwe-Anhänger über den männlichen
Nachwuchs des Stammes gewesen, ebenso wie das Sakrifizium der Erstgeburt,
das im Alten Testament erwähnt wird. Beides sind nach Eberz ritualisierte
Formen der Schreckensherrschaft, um die Männer durch Blutriten
zusammenzuschweißen. Letztlich aber richten sie sich gegen die alten
kanaanäisch-hebräischen Frauenmysterien. „Denn dieser Terror gegen das
weibliche Geschlecht war notwendig, um das gnostische Matriarchat durch das
agnostische Patriarchat zu ersetzen, indem durch ihn der antignostische
Vatergott, d. h. der Väterbund, auf die grausamste und eindruckvollste
Weise das alleinige Eigentumsrecht des männlichen Geschlechts über das Kind
symbolisch proklamierte. Auf diesen beiden Institutionen, Beschneidung und
Erstgeburtsopfer, beruhte der Sieg des hoministischen Jahweorden.“ (194)
Das Menschenopfer als Gründungsmythos des Patriarchats
Alle
Mythen, die vom Untergang des getöteten Gottes und dessen
Wiederauferstehung erzählen (Tammuz, Adonis, Attis, Osiris, Dionysos,
Christus), erklärt Eberz so: Es handele sich bei den Geopferten um Männer
bzw. personifizierte „Männerbünde“ aus dem Zeitalter des „gnostischen Matriarchats“,
die von den späteren, machtbesessenen „agnostischen Männerbünden“ rituell
ermordet worden seien. „Die grausam tückischen Vatergötter rotten auf jede
Art, die ihnen ihre fanatisch-sadistische Phantasie eingibt, die
gnostisch-gynäkokratischen Männerbünde aus: Attis wird entmannt, Osiris in
Stücke zerschnitten, Adonis von Ares, dem Eber, zerfleischt.“ (45)
Ebenfalls der zerstückelte Dionysos, der gefesselte Prometheus und der ans
Kreuz geschlagene Ur-Christus seien ursprünglich Vertreter der friedliebenden
mit den „Frauenbünden“ kooperierenden „gnostischen Männerbünde“ gewesen.
(113)
Mit
großer Trauer und mit Wehklagen beweinen, wie es die genannten Mythen
erzählen, die gnostischen Frauen bzw. die gnostischen Göttinnen ihre
getöteten Männer. Aber es gibt in all diesen Fällen eine Wiederauferstehung
von den Toten. Entweder steigt die Göttin in die Unterwelt und holt ihren
geopferten Gatten erneut ans Tageslicht (Ishtar-Tammuz) oder sie
setzt dessen zerstückelten Leib wieder zusammen (Isis-Osiris). Dieses
Drama vom gewaltsamen Tode und der Wiederauferstehung (resurrectio)
des gnostischen Mannes hat für Eberz eine prophetische Bedeutung. Es weise
darauf hin, dass in Zukunft das „dritte Äon von Logos und Sophia“ wieder
entstehen wird, um so ein Gesetz der Universalgeschichte, die
Wiederherstellung des Weltenfriedens“ zu erfüllen. So beinhalten alle die
genannten Opfermythen eine „Offenbarung“ über die „Letzten Dinge“ der
Zukunft, die da kommen werden. Eberz nennt sie deswegen „Apokalypsen
[Offenbarungen] der gnostischen Wiederherstellung“. (46) Er findet sie auch
in vielen anderen Kulturkreisen.
Der
Autor spricht über das japanischen Schöpfungspaar Izanami und Izanagi; über
Krishna und Radha aus der indischen Mythologie; den germanischen
Balder-Nanna-Mythos; den finnischen Mythos von Lemminkäinen; den
toltekischen Mythos von Quetzalcoatl. In diesen und anderen Mythen entdeckt
er die Opferung oder Entmachtung des „gnostischen Gottes“ durch einen
„agnostischen Männergott“. Also künden alle diese Geschichten von der Passion
des „Ordens von Logos und Sophia“. Auch in der symbolischen Tötung eines
Narren- oder Winterkönigs, die wir aus vielen Volksbräuchen kennen, sieht
Eberz einen simulierten Ritualmord. „Durch den periodischen Ritualmord
wurde dieser Frauengott von dem monotheistischen Urhominismus dem Vatergott
zu Ehren massakriert, um als Sühneopfer von ihm Verzeihung für die
gnostisch-gynäkokratische Vergangenheit des Menschengeschlechts zu
erkaufen; denn die neue Männerreligion war gegründet auf dem Opfer des
gnostischen Frauengottes in einem ihn repräsentierenden menschlichen
Vertreter.“ (355)
Ebenso
verberge sich in vielen Märchen das „gnostische Urwissen“ vom kommenden
„Erlösungsreich“. Märchen waren die Mittel, mit dem die Vision der
Vereinigung von „Logos“ und „Sophia“, von Mann und Frau, vom Prinzen und
der Prinzessin, vom König und der Königin über Generationen hinweg bewahrt
und weitergegeben werden konnten. Das gilt natürlich nicht für alle,
sondern nur für sehr spezifische Geschichten. „Denn diese Märchen sind
ihrem Wesen nach gnostisch-gynäkokratische Erlösungsmystik. Auch sie kennen
das gnostisch-gynäkokratische Friedensreich der Urzeit; sie wissen von
seinem Untergang, seiner Passio, und verkünden seine
Wiederherstellung seine Resurrectio.“ (362) Zum Beispiel Rotkäppchen:
Der agnostische Wolf verschlingt die Priesterinnen des gnostischen
Frauenordens (die Großmutter und die Enkelin). Diese werden durch den
Jäger, Vertreter des neuen gnostischen Männerordens, der den Wolf
überlistet, aus dessen Herrschaft (Bauch) befreit. Die alte hoministische
Staatsordnung wird qua Wolf in den Abgrund gestürzt. Oder im Falle Dornröschen
werde gezeigt, wie die matriarchale Weltordnung in einen betäubenden Schlaf
gefallen ist, bis sie dann durch den Kuss des gnostischen Prinzen wieder zu
Leben erweckt wird. Auch Aschenputtel und Schneewittchen
erhalten von Eberz eine ähnliche Deutung.
Das
Ritualopfer des „gnostischen Mannes“ ist also für den Autor ein
hervorstechendes Charaktermerkmal des Patriarchats und zwar bis heute noch:
„Die Menschenopfer sind aber nicht nur einmal in einer begrenzten Periode
die historische Basis des zweiten Äons gewesen. Dieser negative Äon kann
sich nach dem Gesetz, nach dem er angetreten, nur durch die Permanenz der
Menschenopfer erhalten.“ (406) Diese würden zwar in unseren Tagen auf dem
Altar nur noch symbolisch vollzogen, aber in den Schlachten und Kriegen, in
denen sich die einzelnen patriarchalen Götter und die Vertreter
agnostischen Männerbünde als Feinde gegenüberstünden, gehe das Opfern
weiter. Auch die „profanen“ Kriege sind für Eberz in der Tiefe groß
angelegte Opferrituale: „Die modernen Politiker aber hören nicht gern, dass
sie die Epigonen und Erben jener großen Opferer der Vorzeit sind, welche
die hoministische Urreligion gegründet haben. Denn die
abstrakt-konventionellen und suggestiven Schlagworte ersparen dem Menschen
das Nachdenken über das Wesen der Dinge. [...] Sachlich bleibt es sich
gleich, ob die Männerbünde der Staaten ihre teleologische Idee zu Göttern
hypostasieren oder beim bildlosen Begriff der Ideologien stehen bleiben,
als sozusagen mit einem Gott in cognito zufrieden sind; denn die
alten theistischen Staaten und die modernen atheistischen sind nur
wesensgleiche Varietäten.“ (407)
Kritische Anmerkung: Alle vier genannten Märchen (Rotkäppchen,
Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen) zeigen, dass es ein Mann
(Jäger oder Königssohn) ist, der durch eine gute oder erotische Tat die
alte harmonische Ordnung wieder entstehen lässt und die Frau aus der
Gefangenschaft bzw. dem Todesschlaf oder der Erniedrigung befreit. Dieser
Handlungsablauf steht in einem gewissen Widerspruch zu der von Eberz
ansonsten strikt durchgehaltenen Behauptung, der kommende Befreiungsakt aus
der patriarchalen Diktatur könne nur durch eine Frau, durch eine
charismatische Vertreterin des gnostischen Frauenordens, vollzogen werden.
In den erwähnten Märchen zeigt der „erlösende Mann“ seinen eigenen
„spirituellen“ Willen, seine Verantwortung und seine Selbständigkeit. Das
stellt ihn auf die gleiche Ebene mit der von Eberz als „Retterin der Welt“
angesehenen „gnostischen Frau“.
Die zwei
Christus-Mysterien
Als
sich am Beginn unserer Zeitrechung die agnostische Religion Jahwes unter
dem Druck neu erwachter jüdisch-gnostischer Schulen und Sekten in „völliger
Auflösung“ befand, entwickelte diese nach Eberz das „agnostische
Christentum“ (den patriarchalen Männerbund der 12 Apostel), um seine
patriarchale Herrschaft in einer neuen Form zu festigen. Die
„Christus-Figur“ hat für den Autor erst einmal einen matriarchalen
Ursprung. Sie sei eine Variante des geopferten „gnostischen Gottes“
gewesen, der von dem entmachteten „gnostischen Frauenorden“ beweint wurde
und der dann wieder aufersteht, um die Errichtung des „dritten gnostischen
Äons“ einzuleiten. „Messias“ oder „Christus“ bedeutet „der Gesalbte“.
Dieser war ursprünglich der von den Frauen gesalbte „Priester-König“ des
„gnostischen Männerordens“.
Interessant
ist jedoch, dass der Autor von zwei Christus Mysterien, einem „gnostischen“
und einem „agnostischen“, ausgeht: „Es gab einmal einen gekreuzigten
prähistorischen Christus, den Sohn der Sophia und einen in der später
historischen Zeit gekreuzigten Sohn des Vaters: den gekreuzigten weiblichen
Urmessias und seinen gekreuzigten hoministischen Gegenmessias.“ (299) Für
Eberz war es der alttestamentarische Gott Jahwe, der den „gnostischen
(prähistorischen) Christus“ ermorden ließ, um damit entscheidend die
„Religion von Logos und Sophia“ zu treffen. Jahwe „war der Schlächter des
hebräischen Messias, also der hebräische Ur-Antichrist; so wie auch Set,
der den Messias der ägyptischen gnostischen Frauenreligion, den guten und
friedliebenden Osiris, zerstückelte, der ägyptische Ur-Antichrist war.“
(296)
Die
Christus-Mysterien der Evangelien sind deswegen – so der Autor – ein
Betrug, weil sie den Kultmythos vom getöteten und wieder auferstandenen
Gott für die Zwecke einer patriarchalen Männerreligion benutzten. Der
historische Christus vertrat nach Eberz ebenso wie sein Vater Jahwe die
Interessen des Patriarchats: „Doch der revolutionäre Einzug des Propheten
[gemeint ist Christus] in Jerusalem, das Hinaustreiben der Händler aus dem
Tempel, seine Erklärung, nicht den Frieden zu bringen, sondern das Schwert,
sein Wille, die Welt in Brand zu setzen und sein Bedauern, dass sie nicht
schon brennt, damit das Reich Jahwes erscheinen kann“ – das alles seien
Proklamationen gegen die „gnostische Kirche von Logos und Sophia“ gewesen.
(300)
Und
an anderer Stelle schreibt der Autor: „Ich bin gekommen, die Werke des
Weibes aufzulösen, lautet ein berühmtes, bei Clemens von Alexandrien
erhaltenes Logion Jeschuas [ein heiliges Wort des Jesus] aus dem
Ägypterevangelium; es formuliert in lapidarer Einfachheit und Präzision den
letzten Sinn seines prophetischen Hominismus. [...] Dieses Jeschuawort
spricht das Todesurteil über den gnostisch-gynäkokratischen Doppelorden von
Sophia und Logos.“ (205) Im Falle Christi habe der patriarchale Vatergott
also ein „gnostisches Mysterium“ instrumentalisiert, um seine gefährdete
Machtstellung zu festigen und auszubauen, was ihm auch gelungen sei. Der
Christus der patriarchalen Evangelien ist nach Eberz „ein vollkommenes,
sich in freudigen und freiwilligem Gehorsam darbietendes menschliches
Sühneopfer.“ (200) Im Christuswort „Ich und der Vater sind eins“ verdichte
sich die patriarchale Ideologie der agnostischen Gegenkirche zur
„gnostischen Ur-Kirche von Sophia und Logos“.
Durch
das agnostisch gedeutete Christusopfer gelang es jedoch den patriarchalen
Priestern, die tief im Bewusstsein der Frauen verankerte „gnostische
Vision“ für ihre Zwecke dienstbar zu machen. Sie gaukelten ihnen mit dem
historischen, agnostischen Christus die Rückkehr des mythisch gnostischen
Christus vor. „Die Frauen sollten ihren Christus vergessen, indem sie ihn
in dem ‚Anderen’ zu erkennen glaubten; ohne diese propagandistische
Täuschung aber wäre das weibliche Geschlecht nie gewonnen worden und ohne
dies hätte es keine christliche Kirche gegeben.“ (300) Der Erfolg blieb
nicht aus. „Denn der jeschuanische, im Kreuz verbundene Männerorden
unterwarf überall das weibliche Geschlecht dem Männersymbol des Kreuzes und
damit dem christianisierten männlichen Geschlecht selbst.“ (205)
Eberz
kommt auch auf die „Verfälschung“ des Christlichen Abendmahls zu sprechen.
Er ist entsetzt darüber, dass „Brot und Wein in dem hominiserten Abendmahl
dem wirklichen Fleisch und Blut einer bestimmten Person gleichgesetzt
[werden] und als deren wirkliches Fleisch und Blut genossen werden
[sollen]. Diese Vorstellung ist unnatürlich und abstoßend.“ (462)
Ursprünglich seien Brot und Wein die Symbole von „Sophia“ und „Logos“
gewesen: „Der rituelle Genuss des gnostischen Weines, der das besondere
Sakrament der Ordenshälfte des Logos war, sollte bezeugen, dass das Eine in
allen an diesem gnostischen Symposion beteiligten Individuationen seine
Identität im ganzen männlichen Geschlecht erkannt hatte. Ebenso bezeigte
der rituelle Genuss des gnostischen Brotes, welches das spezielle Sakrament
der weiblichen Ordenshälfte der Sophia war, dass das Eine in allen dasselbe
genießenden Frauen sich der metaphysischen Identität aller weiblichen
Individuationen bewusst war. Jedes der beiden Geschlechter war also für
sich durch ein spezielles Sakrament symbolisch in Sophia oder in dem Logos
geeinigt.“ (462)
Kritische Anmerkungen: Die Unterscheidung
des Autors zwischen einem mythischen und einem historischen Christus und
Christusopfer wird nicht überzeugend und logisch dargestellt. Abgesehen
davon, dass es keinerlei Quellenmaterial dafür gibt, das Jahwe in
„prähistorischer Zeit“ einen „gnostischen Mann“ namens Christus schlachten
ließ, ist die Passion des historischen Christus als die reine
Propagandainszenierung eines machtbesessenen Vatergottes aus vielen Gründen
nicht schlüssig, vor allem auch deswegen, weil die (nach Eberz) damals noch
existierenden „gnostischen Frauenbünde“, das nicht gemerkt haben sollen.
Ausgehend
von einschlägigen Bibelzitaten, ließe sich sowohl ein
„gnostisch-frauenfreundlicher“ wie ein „agnostisch-frauenfeindlicher“
Christus „nachweisen“. Die biblische Christus Gestalt ist also ambivalent.
Vieles weist daraufhin, dass der Mann aus Nazareth gegen die patriarchale
Kirche der Jahwe Religion rebellierte, insbesondere auch seine Beziehung zu
Frauen (Maria Magdalena, die Samariterin etc.). Tatsache bleibt dennoch,
dass dieser „revolutionäre“ Kult später für eine „agnostische Männerkirche“
(im Sinne von Eberz) aufbereitet wurde. In diesem Falle hätten wir es mit
einem „gnostischen Christus“ zu tun, dessen religiösen Lehren von
patriarchalen Priestern verfälscht und funktionalisiert worden sind. Diese
Version würde die Trauer der „gnostischen Frauen“ über den Tod ihres
geliebten Gottes (Jesus Christus) verständlich machen und würde auch ihre mystische
Hingabe erklären, welche Frauen seit Jahrhunderten dem ans Kreuz
Geschlagenen entgegenbrachten und immer noch entgegenbringen.
Maria: Die patriarchale Aneignung des „Mysterium der
Jungfräulichkeit“
Auch
der offizielle Marienmythos ist nach Eberz ein Betrug. Im Kult von der
Jungfrau Maria kam die Kirche dem „unzerstörbaren Virginitätsbedürfnis der
geistigen Frauen“ anscheinend entgegen, um dieses zur Erreichung ihrer
kirchenpolitischen Zwecke zu missbrauchen. „Der Marienmythos der Kirche ist
der eindeutige und vollkommene Gegenmythos zu dem der
gnostisch-gynäkokratischen Mutter- und Liebesgöttin, die Goethe Mater
Gloriosa nennt und die in der Tat als Jungfrau, Mutter, Königin und
Göttin verehrt wird. Es wäre absurd, Maria eine Göttin zu nennen.“ (210)
Denn
für die Kirche sei Maria „geschaffen“ und repräsentiere „kein kosmisches
und kein metaphysisches Prinzip“. Sie wird als das Geschöpf des eigenen
Sohnes angesehen, als die „Tochter ihres Sohnes“ (figlia del tuo figlio),
eine „begnadete Kreatur“ aber immer noch ein „Menschenweib“. Sie ist eine
Variante von Adams Rippengeburt Eva. „Das Wesen Marias als Nichtgöttin ist
daher gegen alle schwärmerische Sophistik eindeutig fixiert, und ihre
Verehrung, ihre Latrie [Götzenverehrung], - ein adorierender Kultus ist ihr
versagt – dient eigentlich nur der Verherrlichung ihres Sohnes, der sie
geschaffen hat“ und dem sie wiederum nur als irdischer Geburtskanal diente.
(211)
Die
Trauer der Dea Dolorosa (Schmerzensgöttin) über den gewaltsamen Tod
des Geliebten in den altorientalischen Mythen (Isis und Osiris, Ischtar und
Tammuz) steht nach Eberz die Trauer
der Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) in den patriarchalen Kulten
gegenüber. Mit dem Marienmythos soll demonstriert werden, dass Maria Jahwe
ihren Sohn geschenkt hat und dessen Opferung in Demut akzeptiert.
Dennoch
– so glaubt der Autor – konnte insbesondere im Mittelalter die christliche
Maria zu einer Bezugsfigur der untergründigen „gnostischen Frauenorden“
werden. Dies lasse sich insbesondere in Kunstwerken erkennen. So mache es
die Rolle der Frau als „spirituelle Lehrerin“ des Mannes möglich, die
Darstellung von „Mutter und Kind“, wie wir sie insbesondere von den
christlichen Marienbildnissen her kennen, als eine „gnostische Beziehung“
zwischen Sophia und Logos zu deuten: „Es sind Darstellungen der gnostischen
Sophia, der ewigen Frau, und ihres geistigen Sohnes, des gnostischen Logos,
des ewigen Mannes.“ (33)
Das frühe Christentum
Nachdem
die „gnostischen Matriarchate“ durch die „patriarchalen Männerhorden“
vernichtet worden waren, haben die zerschlagenen, aber nicht völlig
ausgerotteten „gnostischen Frauenorden“, sozusagen im Untergrund, die
Erinnerung an das „goldene Zeitalter“ in den Mythen vom „irdischen
Paradies“ aufbewahrt. Diese sind Zeugnisse für eine Urkultur der ganzen
Menschheit, welche ihr religiöses Zentrum in der „Vereinigung von Logos und
Sophia“ hatte.
In
der Zeit des Frühchristentums gab es nach Eberz eine Renaissance dieser
ursprünglichen „gnostischen Religion“ in den vielen christlich-gnostischen
Schulen, die sich im Römischen Reich verbreiteten. „Der alte gnostische
Frauen- und Liebesgott, die männliche Hälfte des gnostischen Androgyns
Sophia und Logos, entfesselte unter dem neuen Namen des Christos im ganzen Imperium
Romanum eine geistige Frauenbewegung, die vom Sturm zum Orkan
anzuwachsen drohte.“ (209) Als Repräsentantinnen dieser „gnostischen
Frauenbewegung“ nennt Eberz die Heilige Agnes, die Heilige Lucia, die
Heilige Cäcilia, die Heilige Paula und andere „gnostische Bräute“. (455)
Um
diesen Sturm einzudämmen und um die „gnostische Frauenbewegung“ unter die
Leitung und Kontrolle der Männer-Kirche zu zwingen, wurde von den
„agnostischen Priestern“ immer wieder das Christus-Mysterium vom getöteten
und wiedererstandenen Gott eingesetzt. Dadurch gelang es ihr, die Frauen in
die Irre zu führen: „War denn dieser sanftmütige und liebende Christos, der
getötet wurde und wieder auferstand, nicht die neue Gestalt des alten Adon,
des alten Osiris, des alten Tammuz, die alle ihre Passio und Resurrectio
erlebten? War er nicht der von den gnostischen Frauen erwartete Liebesgott,
das Gottessymbol des wiederauferstehenden gnostisch-gynäkokratischen
Männerodens, das sie früher unter anderem Namen verehrt hatten?“ – hätten
sich die Frauen gefragt. (208) Er war es natürlich nicht! Das Mysterium war
ein Betrug mit dem die „gnostische Frauenbewegung“ erfolgreich bis heute
„integriert“ und in den Dienst der patriarchalen Kirchen gestellt werden
konnte.
Die Nonnenklöster des Mittelalters
Erneut
meldeten sich die im Untergrund fortexistierenden „gnostischen Frauenorden“
in den Nonnenklöstern des Hohen Mittelalters zu Wort. „Dem hoministischen
Wahnsinn, der religiös und politisch die abendländische Existenz der
Vernichtung entgegen trieb, antwortete eine neue Virginitätsbewegung des
weiblichen Geschlechts, die an Ausbreitung, Ernst und Energie derjenigen
der ersten christlichen Jahrhunderte ebenbürtig waren.“ (215) Die in „unio
mystica mit ihrem Gott lebende Mädchenbünde“ (gemeint sind insbesondere
die Mystikerinnen des 13. und 14. Jahrhunderts. Eberz nennt: Hildegrad von
Bingen, Mechthild von Magdeburg, Caterina von Siena, Teresa von Avila und
andere) waren damals eine Herausforderung des gesamten patriarchalen Äons.
Da sie das „Hohe Lied“ aus dem Alten Testament in den Mittelpunkt
ihres Kultlebens stellten, nahmen die mittelalterlichen Frauenklöster die
Tradition der alten, verschütteten „gnostisch-hebräischen“ Frauenorden
wieder auf, denn das „Hohe Lied“ ist für Eberz eine Heilige Schrift
des „gnostischen Doppelordens von Logos und Sophia“ aus einer Zeit als
Jahwe noch nicht seine absolute Herrschaft etabliert hatte. Eine weitere
Bewegung, die die patriarchale Kirche im XIII. Jahrhundert herausgefordert
habe, seien die Beghinen, die „Schwestern und Brüder vom freien Geiste“,
gewesen.
Die
Hexenbewegung: gnostischer und agnostischer Satanismus
Eine
interessante, aber nicht ungefährliche, da leicht wegen der Wahl seiner
Begriffe missverständliche Position nimmt Eberz gegenüber der so genannten
Hexenbewegung ein, die er als „feministischen Satanismus“ bezeichnet, was
er durchaus in einem positiven Sinne versteht. Neben den Frauenklöstern und
den Beghinen sei „die dritte große mystisch-gnostizistische Auflehnung des
weiblichen Geschlechts im Mittelalter die des feministischen Satanismus
[gewesen]. Er ist seine kühnste und radikalste, nicht lokal beschränkte,
sondern über das ganze Abendland verbreitete Empörung gegen den
christlichen Hominismus.“ (224, 225)
Unter
„Satanismus“ versteht Eberz das „antithetische, widersprechende,
nein-sagende Prinzip im Prozess der gnostischen Bewusstwerdung des Einen.“
(179) Damit ist natürlich erst einmal die gesamte patriarchale Weltordnung
angesprochen bzw. deren Götter, Riten, Kulte, Mysterien und „Universitäten“,
die zu der „Einheit von Logos und Sophia“ nein sagen. Unser Planet
wird also schon seit vielen Jahrhunderten von einem „patriarchalen
Satanismus“ beherrscht: „Die sichtbare Schöpfung dieses hoministischen
Satanismus ist die Menschheitshölle.“ (180) Entsprechend der Tradition
antiker gnostischen Schulen hat auch Eberz den alttestamentarischen Gott
Jahwe als das „satanistische Prinzip“ par excellence ausfindig
gemacht. Jahwe ist die bekannteste Antithese zur ursprünglich
matriarchalen, gnostischen Weltordnung. Er festigte seine Herrschaft durch
symbolische und reale Opfer.
Aber
auch der von den im Untergrund agierenden, mittelalterlichen „gnostischen
Frauenorden“ (den sogenannten „Hexen“) verehrte „Gott“ trug nach Eberz den
Namen „Satan“. Er war ein „Verneiner“, weil er die bestehende herrschende
Männerreligion des Christentums „verneinte“. Dieser „feministische Satan“
ist nach Meinung des Autors kein anderer als der ursprüngliche „gnostische
Frauengott“, der zuerst von Jahwe und dann von dessen Sohn, dem
„patriarchalen Christus“ gestürzt wurde. Die aufrührerischen Frauen des
Mittelalters und der beginnenden Neuzeit hätten dies erkannt: „Es ist zum
Erstaunen, mit welcher instinktiven Hellsichtigkeit das Unterbewusstsein
des weiblichen Geschlechts hinter der aufgestülpten Teufelsfratze das wahre
Gesicht seines guten, sanften und friedliebenden Gottes wiedererkannte.“
(225) Satan, der Verneiner der hoministischen Weltordnung, sei nur der
Beiname.
Im
„ersten matriarchalen Äon“ war – so der Autor – der „gnostische Luzifer“
der Herrscher des Himmels, eine Lichtgestalt. Im zweiten „patriarchalen
Äon“ wurde er dagegen von einem machtbesessenen, „agnostischen Jahwe“
gestürzt und „verteufelt“. In diesem Augenblick beginnt die passio
(Leidensgeschichte) des Satan-Luzifer, die immer noch andauert. „Der dritte
Äon wird dann die Auferstehung der gnostischen Liebesgötter und die
Befreiung Satans bringen, der Jahwe stürzen wird.“ (226) Die Sponsae
Satanae (die Bräute Satans) sind für Eberz keine anderen als die Virgines
Mysticae (mystischen Jungfrauen) des restaurierten „gnostischen
Frauenordens“. „Ich betrachte den Satanismus überhaupt als die
wiedererstandene Religion des Hohen Liedes; er ist die darauf gegründete
androgyne Frauenkirche, die den wahren Geist des Buches [gemeint ist das
Hohe Lied] besser verstand als die Theologen der christlichen
Männerkirche.“ (227) Deswegen war der „feministische Satanismus“ (nach
Eberz) die „letzte große Mysterienreligion des weiblichen Geschlechts“ und
diese war „den antiken weiblichen Mysterienreligionen“ ebenbürtig. (229)
Zuerst habe der „feministische Satanismus“ ohne Hexen existiert. Er sei zu
Beginn ein elitärer Orden aus Mitgliedern der gebildeten Schichten gewesen.
Als „Hexen“ wurden dort die Frauen bezeichnet, die sich als Laien dieser
„gnostischen Bewegung“ anschließen wollten, vor allem die „unterdrückten
Frauen der ungebildeten Schichten“. (229)
Die
Kirche aber deutete den Begriff „Hexen“ negativ um und betrieb eine
erfolgreiche Diffamierung die untergründigen, „gnostischen Frauenbünde“,
die sie grundsätzlich als „Hexenzirkel“ bezeichnete und einer grausamen und
brutalen Verfolgung aussetzte. Die schwarzmagischen Praktiken, weswegen man
die „gnostisch-denkenden Hexen“ anklagte, waren nach Eberz eine bewusste
Unterstellung. Wo so etwas vorkam, habe es sich um Blutriten des
„patriarchalen Satanismus“ gehandelt, die man den „gnostischen Hexen“ in
die Schuhe schob. „Dieser hoministische Satanismus hat mit dem
feministischen nichts zu tun; man kann die Verschiedenheit beider nicht
stark genug betonen. [...] Der hoministische Satan ist der Teufel des
kirchlichen Dogmas. Man dient ihm, aber mit bösem Gewissen, in ständiger
Furcht vor der Höllenstrafe des Kirchengottes, seines Herrn. Er ist der
Gott der Magie und man dient ihm, um durch die Magie irdische Macht zu
gewinnen. Die hoministische Magie ist [...] im Gegensatz zur gnostischen,
die Methode durch psychischen Terror die Geister der dualistisch gedachten
Dinge und Menschen zu zwingen, dem stärkeren Willen des Zauberers zu gehorchen.“
(229)
Das
radikale und hysterische Vorgehen der patriarchalen Kirchen gegen die
„Hexen“ sei nur verständlich, weil sie dahinter „eine geheime Frauenkirche“
vermuteten, „ohne sie greifen zu können“. (230) Denn der eigentliche „Geheimbund“
des „gnostischen Satanismus“ konnte von der Inquisition nicht entdeckt
werden. Er entging dem Scheiterhaufen. Verbrannt wurden vor allem die
Laienfrauen, die sich den Bünden angeschlossen hatten. In den
Hexenverbrennungen sieht Eberz einen groß angelegten Ritualmord. „Denn alle
hoministischen Götter leben von Menschenopfern“ (231) Die Hexen waren
„Märtyrinnen für die gnostisch gynäkokratische Idee“. (230)
Kritische Anmerkung: Mit der positiv
gemeinten Verwendung des Begriffes „gnostischer Satanismus“ begibt sich
Eberz sprachlich auf ein gefährliches Terrain, obgleich er inhaltlich klar
und ausführlich herausarbeitet, dass er damit eine friedfertige und ethisch
hoch stehende frauenfreundliche Religion meint. Dennoch wird ein solcher
Begriff gerne von der Gegnern aufgegriffen und gibt leicht zu
Unterstellungen Anlass, die den Autor als einen „Satanisten“ diffamieren
könnten. Im Übrigen ist dieser Terminus von dem Sexualmagier Aleister
Crowley und dessen zahlreichen Anhängern und Plagiatoren unter Beschlag
genommen worden, eine okkultistische Richtung, die derjenigen Eberz konträr
entgegenstehen dürfte. Auch das führt erneut zu unnötigen
Missverständnissen.
In
der mittlerweile sehr fortgeschrittenen, modernen Hexenforschung geht
keiner der uns bekannten Experten und Expertinnen davon aus, dass es sich
bei dieser wesentlich von Frauen getragenen Bewegung um eine rein
„gnostische Kirche“ in Sinne von Eberz gehandelt habe. Sie wird vor allem
als eine Wiederbelebung alter heidnischer Fruchtbarkeitskulte und
orgiastischer Riten gedeutet, in denen insbesondere die Sexualität (nach
Eberz die „animalischen Liebe“) einen hervorragenden Platz einnahm.
Die emanzipierte Frau der Moderne
Die
„emanzipierte Frau“ unserer Zeit hat nach Eberz nichts mit den aufständischen
Hexen des 15. und 16. Jahrhunderts zu tun. Diese dachten „gnostisch“, jene
denkt „agnostisch“ und lebt nach den Prinzipien und Gesetzen eines
„agnostischen Patriarchats“. Sie ist eine Sklavin der „agnostischen
Androkratie“ (Männerherrschaft). Einer der Methoden, um sie einzufangen,
war der Primat der modernen Wissenschaft. Dabei handele es sich „um die
wissenschaftliche Zerstörung des geistigen Wesens der weiblichen Natur, um
sie sicherer beherrschen zu können.“ (235) Unter die wissenschaftlichen Disziplinierungs-
und Kontrollinstrumente zählt Eberz auch die Psychoanalyse, deren Aufgabe
er darin sieht, die Frau über ihren wahren (gnostischen) Charakter zu
täuschen und die „vollkommen hominisierte Frau zu schaffen“ (238) Die
„emanzipierte Frau“ habe zwar gelernt zu philosophieren, sei jedoch einer
hoministischen Verführung verfallen, weil sie sich das agnostische Wissen
der Männerbünde angeeignet habe und das zudem noch sehr stümperhaft. „So
entstand ein agnostisch-idealistischer Feminismus, eine Art weibliche
idealisierte Populärphilosophie, der an Substanz und Originalität tief
unter jedem agnostischen Hominismus stand; er diente nicht der Erkenntnis,
sondern der Agitation.“ (163)
Die
modernen Demokratien und die mit ihnen einhergehende Frauenemanzipation
hätten keine Befreiung der Frau aus der „agnostischen Männerherrschaft“
gebracht. Sie hätten vielmehr den Typus der „vermännlichten Frau“
geschaffen, die ebenso wie ihre Schwestern unter der Herrschaft der Kirchen
und des Adels von der Metaphysik abgeschnitten werden und deswegen nicht
ihrem geschichtlichen Auftrag, die Wiederherstellung der „Einheit von Logos
und Sophia“ nachkommen können. Dabei geht Eberz mit der „emanzipierten
Frau“ sehr hart ins Gericht: „Doch an dem Nieder- und Untergange der Menschheit,
dem Ziele des Totentanzes der beiden Geschlechter, trägt nicht der Mann die
Hauptschuld, sondern die Frau, die sich hominisieren ließ und die
gnostische Bestimmung ihres Geschlechtes vergessen hat.“ (66)
Kritische Anmerkung: Es stimmt zwar, dass
die moderne, gesellschaftspolitische „Frauenbefreiung“ den Frauen keinen
wirklichen Zugang zu Metaphysik verschaffen konnte. Die Tempel der
patriarchalen Religionen bleiben für das weibliche Geschlecht weiterhin
geschlossen. Aber seine „begrenzte“ Befreiung in der profanen Gesellschaft
muss deswegen nicht nur negativ und als Betrug gesehen werden, wie das
Eberz tut. Ein liberales Gemeinwesen schafft ja im gewissen Sinne erst die
Voraussetzungen dafür, dass die Frauen ihr ursprünglich „gnostisches Wissen“
wiederentdecken und entfalten können. In früheren Zeiten wurden sie
deswegen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Außerdem
hat der weltweit diskutierte „theologische Feminismus“ der 70er und 80er
Jahre, den Eberz nicht miterleben durfte, durchaus eine Diskussion über die
Frau als Göttin, als Schöpferin und als Hüterin des Ur-Wissens entfacht und
bei den patriarchalen Religion eine große Verwirrung ausgelöst. Nur war
diese neue „feministische Theologie“ von einem einseitigen Machtanspruch
der Frauen nicht frei. Bei einer unparteiischen Betrachtung muss der
Eindruck entstehen, dass es sich hierbei nicht selten um die direkte Umkehr
der patriarchalen in eine matriarchale Theologie handelt: Die Göttin wird
zur alleinigen Schöpferin; die feministische „Trinität“ besteht in der
„weisen Alten“ (Crone), der Frau als Mutter und der Jungfrau (Kore);
das Bild von der „allmächtigen Großen Mutter“ ersetzt das Bild von Gott als
„Allmachtsvater“; von einer Initiation des Mannes in die „Mysterien von
Sophia und Logos“ als Hauptaufgabe der (gnostischen) Frau ist nirgendwo die
Rede. Insofern lässt sich Eberz gnostische Philosophie nicht ohne weiteres
als Vorläufer der feministischen Metaphysik, wie diese vor 30 Jahren
kreiert wurde, bezeichnen.
Die
Wiederherstellung
Es
sind nach Eberz „gnostische Jungfrauen“, die den ursprünglichen
„Doppelorden von Sophia und Logos“, wieder herstellen werden, denn „die
gnostische Virginität [ist] die einzige, aber unwiderstehliche Waffe des
weiblichen Geschlechts in seinem Kampfe gegen den staatlichen und
kirchlichen Hominismus“ (210) Eberz glaubt offensichtlich daran, dass ein
entschlossener „Bund aus Mädchen“, die sich dem „gnostischen Weg“ geweiht
haben, die gesamte korrupte Männergesellschaft in die Knie zwingen kann.
„Die Welle einer neuen gnostischen Virginitätsbewegung wird die einzige und
unausbleibliche Antwort sein, die das weibliche Geschlecht, wenn das Eine
wieder in ihm zu einem teleologischen Selbstbewusstsein erwacht ist, zu
geben hat.“ (241)
In
diesem Kontext prophezeit der Autor das Erscheinen eines weiblichen
Messias: „Unter jenen gnostischen Jungfrauen aber, deren geistige Existenz
durch die hoministischen Männer und die hominisierten Frauen gleichmäßig
bedroht ist, wird einmal die ‚vollkommene Erwachte’ sein, die Frau, in der
das Eine zum vollendeten gnostischen Selbstbewusstsein, zu vollendeten
intellektuellen Anschauung seiner selbst gekommen ist. Sie wird in einem
hohen Grade jene numinosen Kräfte wieder besitzen, die mit der gnostischen
Bewusstseinskonzentration verbunden sind und die der Menschheit durch ihre
einseitige Extrovertierung verloren gingen. Mag sie im Orient oder Okzident
erscheinen, sie wird mythisch gesprochen, an der Grenze zweier Zeitalter
stehen.“ (242) Ihr Werk wird die Restauration der „gnostischen Weltordnung“
sein. „Ihr Orden ist der der Urzeit und doch ein anderer. Denn jener
beruhte auf dem noch instinktiven und unreflektierten gnostischen
Ichbewusstsein des Einen; dieser beruht auf seiner reflektierten, am
Gegensatz zum agnostischen Ichbewusstsein sich ihrer bewusst gewordenen
Gnosis.“ (242)
Am
Ende triumphiert das Gute über das Schlechte: „Die weibliche Liebeskirche
der sich wieder offenbarenden Sophia gloriosa bleibt die Siegerin
über die egoistisch-hoministische Satanskirche, die als Negation der geistigen
Liebe in Lächerlichkeit und Ohnmacht untergeht.“ (437) Mit der
Wiederherstellung der „gnostischen Urkirche von Logos und Sophia“ beginnt
das „dritte Äon“ der Menschheitsgeschichte mit seiner globalen harmonischen
und friedvollen Gesellschaftsordnung.
Schlussbemerkung
Das
große Verdienst von Otfried Eberz Buch Sophia und Logos ist es,
jenseits der patriarchalen Glaubensrichtungen und auch jenseits der
Spekulationen des modernen theologischen Feminismus auf die Existenz einer
apokryphen „Ur-Religion“ aufmerksam gemacht zu haben, in der die
Gleichwertigkeit, Kooperation und Vereinigung der Geschlechter das zentrale
Kultmysterium darstellen und die Grundlage für eine paarorientierte
Metaphysik, Kosmologie und Eschatologie bilden. Das hierfür als „Beweis“
gelieferte „Material“ reicht auf jeden Fall aus, um über seine Thesen eine
ernsthafte theologische, kulturologische, tiefenpsychologische und
philosophische Debatte zu eröffnen.
Eine
der Eberz’schen Hauptaussagen besteht in der Hypothese, dass Krieg und
Opfer das Resultat groß angelegter, ritueller Handlungen der patriarchalen
Kulturen sind, die sich letztlich gegen eine Partizipation der Frau an der
spirituellen Macht richten. Damit geht er klar auf Distanz zur religiös
legitimierten Gewalt. Seine theologische Philosophie ist aber ebenso eine
Herausforderung für die moderne (Friedens)-Ökumene und deren Vertreter wie
Hans Küng. Denn die von Eberz angeführten Argumente entlarven den ökumenischen
Zusammenschluss der androzentrischen Religionen als globalen,
transkulturellen, „agnostischen Männerbund“, welcher an der Oberfläche von
einem gemeinsamen „Weltethos“ spricht, der aber im Kern die Frau weiterhin
vom Kultgeschehen der einzelnen Glaubensrichtungen ausschließt und der
deswegen die Zerstörung einer paritätischen „Ur-Religion von Logos und
Sophia“ betreibt bzw. deren Wiederbelebung verhindern will.
Trotzdem
ergeben sich beim Verständnis von Eberz’ Buch Sophia und Logos
einige grundsätzliche Schwierigkeiten. Ersten handelt es sich nicht um
einen einheitlichen Text, sondern um mehrere Aufsätze, die zwar von dem
Autor nach dem Krieg verfasst, aber nicht von ihm endgültig bearbeitet und
als Gesamtwerk eines von ihm konzipierten Buches herausgegeben wurden. Denn
sein plötzlicher Tod unterbrach den Prozess seiner Arbeit, so dass erst
einige Jahre später seine Frau Lucia die einzelnen Aufsätze in der Form
eines Buches zusammengetragen hat. Diese berichtet in ihrem Vorwort, dass
der Autor mit seinen Texten in der vorliegenden Form nicht zufrieden war
und diese noch verbessern wollte. Dadurch kommt es in dem Buch, das
eigentlich ein Sammelband einzelner Schriften ist und kein einheitliches
Werk, zu vielen Wiederholungen und einigen ungelösten Widersprüchen.
Außerdem
ist Eberz Text als eine „Dogmatik“, der sehr wahrscheinlich ein tiefes,
sein ganzes Leben bestimmendes religiöses Erlebnis zugrunde liegt, verfasst
worden und deswegen in einem dogmatischen (und nicht diskursiven)
Stil geschrieben. Dennoch wird das Buch keineswegs als eine „göttliche
Offenbarung“ präsentiert, sondern als eine theologisch-philosophische
Abhandlung. Dieser Widerspruch zwischen „klerikalem Stil“ und „mystischer
Schau“ auf der einen Seite und „universitärem Anspruch“ auf der anderen
Seite macht es für den Leser und die Leserin nicht immer leicht, mit dem
Text in einen „Dialog“ zu treten. Viele von Eberz Thesen sind keineswegs
selbstverständlich nachvollziehbar, bedürfen einer weiteren Hinterfragung,
einer Untermauerung mit Beispielen und erweisen sich nach unserem heutigen
Kenntnisstand der „Materie“ als verkürzt, unvollständig, einseitig und
manchmal sogar als falsch.
Hier
zusätzlich zu den schon am Ende der einzelnen Abschnitte von uns
aufgeschriebenen kritischen Notizen einige andere Beispiele: Es ist
schwierig von Eberz eine wirklich klare Antwort darauf zu erhalten, in
welcher Form sich das „Eine“ überhaupt nach seiner Wiederherstellung
gestaltet. Manchmal hat man den Eindruck, dass das „Eine“ die beiden Pole
(männlich und weiblich) in sich vernichtet, manchmal dass das Bewusstsein
des „Einen“ in beiden Geschlechterpolen gleichzeitig zur Erkenntnis kommt.
Wenn der Autor zum Beispiel sagt, dass sich das „Eine“ am Ende nur noch
selber wahrnimmt, „denn neben dem
Absoluten ist seinem Begriff nach kein Platz für ein zweites“ (140), dann
gipfelt auch sein System im Solipsimus eines sich absolut setzenden
„kosmischen Ichbewusstseins des Einen“, welches er ansonsten so vehement in
den „agnostischen Religionen“ anprangert.
Da
das „Eine“ ein Mysterium sein soll, kann man darüber – wie es bei vielen
Theologen heißt – keine Aussagen machen. Nur halten sich weder die
Theologen, noch die Mystiker, noch die Priester, noch die Philosophen in
den meisten Fällen daran, sondern beginnen damit, langwierig über das
„Eine“ zu spekulieren. Dabei versuchen sie das „Unfassbare“ nach den
Gesetzen der aristotelischen Logik fassbar zu machen und zerstören damit
das unfassbare Geheimnis des Mysteriums. Auch Otfried Eberz verfällt nicht
selten dieser Versuchung und kommt dann zu Trugschlüssen. Der
Schöpfungsvorgang verläuft bei ihm nach dem folgenden Schema: Das „absolute
Eine“ teilt sich in eine männliche und eine weibliche Potenz, um sich
selbst reflektieren und lieben zu können und kehrt anschließend in der
Liebe der beiden Potenzen in sich selbst als Absolutes zurück. Das
ursprüngliche „Eine“ wird somit von Eberz als ein „Subjekt“ gedacht, das
keinerlei „Objekt“ kennt und dann plötzlich auf den Gedanken kommt, sich in
zwei Potenzen (männlich und weiblich) zu „verobjektivieren“. Am Anfang war
demnach das „Eine“ ein auf Null reduzierter absoluter Solipsimus und am
Ende ist das „Eine“ ein die gesamte Schöpfung (d. h. „alles“) umfassender
Solipsimus.
Zu
fragen wäre deswegen, ob das „Eine“, gerade weil es ein Mysterium ist, nur
als ein „Paradoxon“ erfasst werden kann. Vielleicht war ja das „Eine“ schon
von Beginn an ein Zusammenfall der Gegensätze (coincidentia oppositorum)?
Dann hätte nie eine ursprüngliche Teilung des „Einen“ stattgefunden, es
wäre von Anfang an ein, um sich eine neue Wortschöpfung zu erlauben, „Paaradoxon“
gewesen, ein Hieros Gamos (eine mystische Hochzeit) zwischen einer
männlichen und einer weiblichen Potenz.
Um
es etwas anschaulicher auszudrücken, was wir meinen, möchten wir die
Begriffe des „Wir“, des „Ich“ und des „Du“ in die Debatte einführen. Diese
kommen bei Eberz weder in ihrer humanen Bedeutung, noch in ihrer
metaphysischen Dimension vor. Vieles löst sich bei ihm allzu luftig in
philosophische Abstraktionen auf. Anstatt wie er zu sagen pflegt, das
„Eine“ teile sich auf in Subjekt und Objekt und kehre am Ende in die
Subjekt-Objekt-Identität zurück, könnte man auch sagen: Das „Eine“
beinhaltet von Anfang an eine „Ich und Du Beziehung“ (als männliche und
weibliche Potenz, als Gott und Göttin, als Mann und Frau), die sich im
„Wir“ als Einheit erfährt. In den patriarchalen Religionen dagegen ist
dieses „Wir“ nicht mehr erfahrbar und damit ist die Einheit zwischen „Ich“
und „Du“ zerschnitten. Durch die mystische Vereinigung des „Ich“ mit dem
„Du“ kann jedoch das ursprüngliche „Wir“ und damit die „Einheit“ wieder
hergestellt werden.
Eberz
ist geradezu versessen darauf, die Subjekt-Objekt-Identität nachzuweisen,
und vergisst darüber die Tatsache, dass in einer gleichwertigen
Paarkonstellation das Objekt selber ein Subjekt ist, welches mich (d. h.
mein Subjekt) als Objekt wahrnimmt und umgekehrt. Um diese ganze
Objekt-Subjekt-Spielerei zu überwinden, bräuchte er also nur als dritte
Instanz das „Wir“ einführen. Denn das kosmische „Wir“ wäre dann die
Einheit, welche „Subjekt“ und „Objekt“ nicht nur miteinander verbindet und
identifiziert, sondern geradezu übersteigt. Das „Wir“ lässt das
Ichbewusstsein des Partners und von einem selbst bestehen und macht dennoch
für die beiden Liebenden das „Eine“ erfahrbar. Das „Wir“ ist demnach das
Absolute. Die gnostische Trinität des „Ich und Du im Wir“ wäre das „Eine in
der Zwei“ bzw. die „Zwei im Einen“, sozusagen das mystische Paaradoxon.
Der
Autor zeigt übrigens eine große Abneigung gegenüber der Bedeutung von
Individuen im Prozess der „Wiederherstellung des Einen“. Es sind die
„Männer- und Frauen-Bünde“, also organisierte „gnostische Priester- und
Priesterinnengruppen“, in deren Hand die Durchführung der „gnostischen
Einweihung“ liegt und nicht einzelne Männer und einzelne Frauen.
Vorstellbar wäre aber auch, dass Mann und Frau als Individuen in der
gemeinsam gelebten mystischen Liebe das „Eine“, besser das „einende Wir“
erleben und wiederherstellen können.
Ob
es stimmt, dass es ein „philosophisch-gnostisches Primat“ des weiblichen
Geschlechts gibt, wie das Eberz behauptet, mag dahingestellt sein. Es wäre
ja auch möglich, dass die Frau den Mann einweiht und dass der Mann die Frau
einweiht. Einer solchen Parität im Initiationsprozess geht der Autor nicht
nach. Das steht aber in einem gewissen Widerspruch dazu, dass sich das
„Eine“, wie er schreibt, zuerst in zwei „gleichwertige“ Teile aufspaltete.
Wenn aber beide gleichwertig sind, wieso soll dann nur die Frau Zugang zum
Urwissen des „Einen“ haben und dessen alleinige „Hüterin“ sein und der Mann
nicht? Was ist mit seinem „Urwissen“ in der anfänglichen gleichwertigen
Polarität geschehen? Wieso initiiert er nicht ebenfalls die Frau in die
„Ur-Einheit“? Wieso initiieren sich nicht beide, Mann und Frau, gegenseitig
in die „Ur-Einheit“? Immerhin sagt Eberz, dass sie nur zusammen zurück in
das „Ur-Eine“ finden können und sie nur gemeinsam das „Ur-Eine“
wiederherstellen können. Außerdem, wenn sich das „Eine“ gleichwertig in ein
männliches und ein weibliches Prinzip aufgeteilt haben sollte, wieso steht
am Anfang als paradiesische Ur-Religion und Gesellschaftsordnung eine von
der Frau dominierte Gesellschaft, eine Gynäkokratie? Und nicht eine zwischen
der männlichen und weiblichen Potenz gleichwertig aufgeteilte soziale
Macht, also eine „Gyn-andro-kratie“?
Auch
wenn der Autor das weibliche Geschlecht mit der Ursünde belastet, weil es
seine Aufgabe, die Männer in das gnostische Bewusstsein zu initiieren,
vernachlässigt habe, so wird die
spirituelle Rolle der Frauen ansonsten so hoch von ihm eingeschätzt, dass
sie jenseits jeglicher Kritik steht. Zum Archetyp der „dunklen
Schreckensmutter“ und der nach Menschenopfern verlangenden Göttinnen, dem Erich
Neumann in seinem Klassiker „Die Große Mutter“ in allen Kulturen
nachgegangen ist, nimmt Eberz überhaupt keine Stellung. Die „Dämonie des
Weiblichen“ ist für ihn im Gegensatz zur „Dämonie des Männlichen“ kein
Thema, sondern allein eine Projektion der „agnostischen Männerbünde“. Ob
die matriarchalen Gesellschaften immer frei von Repressionen und
Opferkulten gewesen sind, kann aber keineswegs als nachgewiesen gelten.
Auch die Behauptung, dass die Schreckensgöttinnen alleine Imaginationen
eines machtbesessenen Patriarchats sein sollen, und nicht aus einem eigenen
Impetus heraus handeln, überzeugt nicht. Viel mehr zeigen neue
archäologische Forschungen, dass die matriarchalen Kulte der alten Kreter
und Phönizier (letztere verehrten die Göttin Tanit) durchaus
kriegerisch waren und das rituelle Menschenopfer kannten.
Dies
und vieles andere noch sind Fragen, die Eberz in seinen Aufsätzen nicht
befriedigend beantwortet, die sich aber der Leser und die Leserin ausgehend
von Eberz’schen Logik stellen können. Gerade deswegen halten wir das Buch Sophia
und Logos für einen fundamentalen, wertvollen, inspirierenden und
erkenntnisreichen Beitrag zum Thema „Metaphysik der Geschlechter“ und haben
es als eine strikte Absage an jegliche Form von Krieg, Opfergnosis und Geschlechterdiskriminierung
in den Religionen schätzen gelernt. Hier wird ein schier unerschöpfliches
Material vorgelegt, das in dieser in unserer Zeit immer noch hochaktuellen
Kulturdebatte über die Religionen und deren Zukunft nicht vernachlässigt
werden darf.
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