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Feminismus


 

Reflektionen zu dem Buch

Sophia und Logos

von Otfried Eberz

 

Victor und Victoria Trimondi

 

Otfried Eberz wurde 1878 geboren und starb 1958 in München. 1931 veröffentlichte er die Grundlagen seiner Weltsicht in einer kleinen Schrift mit dem Titel „Vom Aufgang und Niedergang des männlichen Weltalters“. Er trug sich mit dem Gedanken, ein weiteres Buch zum Thema zu publizieren, aber in der Nazizeit galten seine Arbeiten als „unerwünscht“. So kam es in den 30er Jahren nur noch zu einer Publikation in der katholischen Zeitschrift Hochland („Das hoministische Lebensgefühl und die Frau“). Nach dem Krieg hielt Eberz in privaten Kreisen Vorträge. Er plante eine Kollektion seiner Arbeiten in einem Sammelband. Dieser wurde aber erst nach seinem Tode von seiner Frau Lucia herausgegeben. (Sophia und Logos oder die Philosophie der Wiederherstellung München 1967)

 

Der Text enthält acht größere Aufsätze. Darunter die wichtigsten: „Sophia und Logos“ (1948) – „Die gnostisch-gynäkokratischen Apokalypsen der Griechen und Goethes Pandora“ (1949) – „Die Philosophie des gnostischen Feminismus und des agnostischen Hominismus“ (1950) – „Der gnostisch-gynäkokratische Doppelorden von Sophia und Logos“ (1950-1951) – „Der gnostische Humanismus“ (1952) – „Das gnostische und weibliche Christentum“ (1953) – „Das Schicksal des agnostischen Hominismus“ (1956 – 1957) – „Das Opfer. Eine religionsphilosophische These“ (1954-1955)

 

Otfried Eberz hat nicht nur eine kritische Auseinandersetzung mit den patriarchalen Wurzeln unserer Kultur vorgelegt, sondern aus seinen gewonnenen Erkenntnissen auch den Entwurf für eine kommende Kosmogonie, Theologie und Metaphysik entwickelt, der die Gleichberechtigung der Geschlechter zum Inhalt haben soll. Auch wenn wir in vielen Punkten nicht mit der Sichtweise von Eberz übereinstimmen, so finden wir dennoch seine Bücher so kreativ und ideenreich, um sie, obgleich sie vor ca. 50 Jahren verfasst wurden, als sehr wichtigen Beitrag zu Rolle der Geschlechter in der Religion zu sehen.

 

Was ist die Essenz von Eberz Philosophie?

Am Anfang der Schöpfungsgeschichte steht nach Eberz das „Eine“. Dieses entzieht sich jeglicher Definition. Man mag es Gott, den Urgrund des Seins, kosmischer Ursprung oder das Ur-Göttliche nennen. Das „Eine“ entfaltet oder teilt sich in eine männliche und eine weibliche Potenz, um sich selbst reflektieren und lieben zu können. In der mystischen Wieder-Vereinigung des Männlichen mit dem Weiblichen kommt das „Eine“ nach seiner Teilung zum Bewusstsein seiner Selbst. Jetzt ist es nicht mehr das ursprüngliche „Eine“, sondern dass in sich reflektierte „Eine“. „Denn das Eine musste sich als eine in zwei Geschlechter gespaltene Menschheit individuieren, um durch die gnostische Vereinigung beider Hälften in der ewigen Zeit zum Abbild und Gleichnis einer überzeitlichen, ewigen Einheit zu werden.“ (32) Sinn der menschlichen Geschichte ist es nach Eberz, das „absolute Eine“ wiederherzustellen.

 

Das Wissen um das „Eine“ nennt Eberz „Gnosis“. „Gnosis“ (Erkenntnis) bedeutet für ihn das Wissen um das „Selbstbewusstsein des Einen“, dass sich durch den „Zusammenfall aller Gegensätze“, d. h. der mystischen Verbindung der weiblichen und männlichen Potenz verwirklicht. „Sophia“ (Weisheit) ist der Name der weiblichen Potenz. Sie ist die Göttin und Hüterin des gnostischen Wissens. „Logos“ (Wort) heißt die männliche Potenz. „Sophia und Logos sind also zwei Namen für dasselbe gnostische Selbstbewusstsein des Einen, die zugleich die geschlechtliche Differenzierung der Träger dieses Wissens bezeichnen.“ – schreibt Eberz. (32) Nur im hieros gamos (der „Heiligen Hochzeit“) von „Logos“ und „Sophia“ konnte die ursprüngliche Einheit der Schöpfung gefeiert und das ursprünglich „Eine“ wiederhergestellt werden. Deswegen zählte in einer prähistorischen Zeit die „Heilige Hochzeit“ zwischen Mann und Frau zum bedeutendsten Kultmysterium. Durch das von beiden Geschlechtern kultivierte „Einheitsbewusstseins“ wurde eine weltweite, friedfertige und harmonische Gesellschaft geschaffen.

 

Keines der beiden Geschlechter-Prinzipien war – so Eberz – der Schöpfer oder die Schöpferin des anderen. Sie entstanden als gleichwertige Potenzen und Mächte aus dem „Einen“. Alle monotheistischen Religionen aber verwerfen nach Meinung des Autors diese Gnosis (Erkenntnis) vom Mysterium der Geschlechter und praktizieren eine Hypertrophie des männlichen „Ichs“. Sie sind deswegen „agnostisch“ und gipfeln in der Vergöttlichung des profanen Individualismus. „Indem sie das als transzendent gedachte Eine mit einem als absolut gedachten Ichbewusstsein identifizieren, [haben] sie nur das relative agnostische Ichbewusstsein der menschlichen Individuationen des Einen verabsolutiert und vergöttlicht.“ (30)

 

Das göttliche „Eine“, von dem Eberz spricht, kann dagegen nicht zu einem starren Monotheismus führen. Es ist ein in sich pulsierender Metaorganismus, in dem beide Geschlechterpotenzen in ihrer Besonderheit erhalten bleiben und in ihrer mystischen Liebesbeziehung zueinander das Bewusstsein von der „Einheit“ erlangen: „So ist das noumenale [wesenhafte] Eine nicht als statisches und erstarrtes [...] Absolutes zu verstehen, sondern als noumenales Liebesleben. [...] Das Eine ist also die noumenale  weibliche Potenz in der Besonderheit, das Eine ist ebenfalls die noumenale männliche Potenz in ihrer Besonderheit, der Logos, und das Eine ist der noumenale Androgyn Sophia-Logos, die untrennbare Einheit beider Potenzen; so das Sein und das Leben des Einen als ein noumenales-trinitarisches Liebesleben gedacht werden muss.“ (439)

 

Das irdische Paradies und die Religion von Logos und Sophia

Die beiden Geschlechter waren - nach Eberz - am Anfang der Zeiten in zwei Orden (oder Bünde) aufgeteilt. Eva, die hebräische Urmutter, sei keine Person gewesen, sondern das einzelmenschliche Symbol des gnostisch matriarchalen Frauenordens der „Sophia“ und Adam das Symbol des gnostischen Männerordens des „Logos“.

 

Dabei wurde der weibliche „Sophia-Orden“ als der primär gnostische angesehen, der männliche Logos Orden als der sekundär gnostische. So standen sie untereinander in einem hierarchischen Verhältnis, auch wenn sie nach der Entfaltung des „Einen“ zwei gleichwertige Potenzen darstellten. Die gnostischen Männer anerkannten die geistige Lehrerschaft und spirituelle Führung der Frau und teilten mit ihr den „gnostischen Feminismus“ als Religion. Die damalige Gesellschaftsform nennt Eberz Gynäkokratie („Frauenherrschaft“)

 

Die Priesterinnen des Frauenordens weihten die Mitglieder des Männerordens in die gnostische Urerfahrung des „Einen“ ein. Wie sich dieser Initiationsvorgang konkret gestaltete, ob er mit einem Ritus verbunden war, ob er durch Worte geschah oder sich durch den Blick oder eine Berührung vollzog, darüber erfahren wir bei Eberz nur sehr weniges. So wird die Überreichung des Apfels der Erkenntnis von Eva an Adam, wie in der Genesis zu lesen ist, als Einweihung in die Gnosis gedeutet, welche von dem „Eva-Sophia-Orden“ an dem „Adam-Logos-Orden“ vorgenommen wurde. Die Schlange selber war ein „Symbol des gnostischen Wissens“, durch welches das „gnostische Frauenhaus“ und das „gnostische Männerhaus“ geeint wurden.

 

Wahrscheinlich unter dem Einfluss der kabbalistischen Lehre von der Schechina (Sophia), mit der sich Eberz ausführlich beschäftigt hat, unterscheidet er ebenfalls eine „obere“ und eine „untere“ Sophia (Schechina), eine „metaphysische“ und eine „irdische“. Das gleiche gilt vom Logos. „Durch die untere Sophia verwirklicht sich also die obere Sophia in ihren weiblichen Individuationen, wie sich der obere Logos in seinen männlichen Individuationen als unterer Logos verwirklichte.“ (291)

 

Entsprechend bestimmter Vorstellungen der Kabbala findet auch hier die Erlösung von „unten“ nach „oben“ statt, d. h. in der Wiederherstellung der Verbindung der „unteren Sphäre“ mit den „höheren Sphären“. Indem sich die weiblichen Individuationen der „unteren Sophia“ mit den männlichen Individuationen des „unteren Logos“ in mystischer Hochzeit verbinden, kann der Kontakt zur „oberen Sophia“ und zum „oberen Logos“ wieder aufgenommen werden. Darin besteht nach Eberz der „Sinn der Menschheitsgeschichte“. Diese vollendet sich „in der Geburt des unteren Logos durch die untere Sophia, die geschehen ist, wenn beide Potenzen ihr Telos [Ziel] ergriffen haben, Abbilder der ewigen oberen Sophia und ihres ewigen oberen Logos zu sein, d. h. wenn das Eine sich auch in seinen männlichen Individuationen durch das weibliche Geschlecht vom agnostischen zum gnostischen Ichbewusstsein erhoben hat.“ (290)

 

Die Religion von „Sophia und Logos“ war nach Eberz in der Frühzeit der Menschheit über den gesamten Planeten verbreitet als eine hierarchisch gegliederte Gesellschaftsordnung. An deren Spitze stand der „gnostische Frauenorden“, dem folgte der „gnostische Männerorden“ und außerhalb beider gab es die „Laienwelt“ für alle diejenigen Menschen, die nicht dem „Doppelorden“ zuzurechnen waren.

 

Die initiatorische Rolle der Sophia und die Jungfrauenorden

Die metaphysische Bestimmung der Frau besteht darin, den Mann in die unio gnostica einzuweihen, um so die ursprüngliche absolute Einheit wieder herzustellen. Sie trägt also „die Verantwortung für die geistige Erziehung des männlichen Geschlechts.“ (16) Das ist für den Autor ein Dogma. Deswegen gebiert die Frau den Mann zweimal, einmal als körperliches und dann als geistiges Wesen.

 

Auch wenn sich das „Eine“ ursprünglich in ein weibliches und ein gleichwertiges männliches Prinzip entfaltetet, so erhält nach Eberz die Frau im Heilsgeschehen der Gnosis dennoch den höheren Status. Sie bestimmt das Geschlechtergesetz in der Form der gnostischen Frauenherrschaft („Gynäkokratie“). „Gynäkokratie oder Feminismus nenne ich nun dasjenige soziologische Verhältnis der Geschlechter zueinander, in dem die Frau die Trägerin des Geschlechtergesetzes ist, Androkratie [Männerherrschaft] oder Hominismus dasjenige, in dem es der Mann ist.“ (82) Die Frau steht also spirituell (wenn auch nicht kosmogonisch) über dem Mann. Das wird Eberz nicht müde zu wiederholen. Sie ist „Trägerin, Lehrerin und Priesterin“ der Gnosis. (82)

 

Organisiert sind die „gnostischen Frauen“ in Bünden oder Orden. Vornehmlich handelt es sich dabei (nach Eberz) um in Klöstern lebende heilige Jungfrauen. Es sind Mädchen und keine Matronen, welche die gnostische Initiation der Männer durchführen. „Denn die Jungfrauen sind die wahren Trägerinnen und Lehrerinnen der Gnosis und des Gesetzes der gnostischen Gynäkokratie. Nicht auf den Müttern, die in gefährlicher Zerstreuung leben und die Welt allzu häufig von der Perspektive der Kinderstube aus betrachten, kann diese beruhen, sondern nur auf dem in der Konzentration des Bewusstseins als die Sponsae Verbi [die Bräute des Wortes] lebenden gnostischen Jungfrauen des Einen.“ (99)

 

Ganz in diesem Sinne wird die höchste Form des Priesteramtes durch die Virgines Gnosticae, die „Gnostischen Jungfrauen“, die „Vestalinnen der Idee“ ausgeübt. Sie sind „das Werkzeug, durch welches das Eine [sich] zur gnostischen Menschheit“ empor entwickelt. (175) Aber, Eberz betont es immer wieder, der gnostische Jungfrauenbund kann die prophezeite Wiederherstellung des „Einen“ nur durch die Initiation des Mannes bewerkstelligen. Die Jungfrauen wecken den in den Männern „schlummernden Trieb des Einen zur Vernunft.“ (175) Die Freisetzung dieses „Vernunfttriebes“ darf jedoch den Männern nicht aufgezwungen werden. Diese müssen dem Initiationsprozess freiwillig zustimmen. Die „heiligen Jungfrauen“ sind also eine Art spirituelle Geburtshelferinnen. Sie helfen mit, dass der „gnostische Männerbund“ wieder entsteht und so die Vorraussetzungen für die unio mystica von „Sophia und Logos“ geschaffen werden.

 

Eberz sieht in den mittelalterlichen Marienbildern den „Logos“ als das von der Jungfrau geborene (sprich: gnostisch initiierte) männliche Kind dargestellt. Es handele sich dabei also nicht um eine „natürliche“ Mutter-Sohn Beziehung, sondern um eine bildliche Darstellungen der mystischen Verbindung zwischen der „Sophia“ als „spirituelle Lehrerin“ und dem „Logos“ als ihrem „Schüler“, den sie behutsam lehrende Mutter in die gnostischen Mysterien des „Einen“ initiiert

 

Der kosmische Androgyn

Die unio gnostica des Männlichen mit dem Weiblichen führt zur „Androgynität“. Dieser Begriff ist für Eberz zentral. Er macht jedoch einen Unterschied zwischen einer „agnostischen Androgynität“ und einer „gnostischen Androgynität“. Die „agnostische Androgynität“ ist für ihn eine Täuschung. Sie besteht in der Selbstdarstellung des patriarchalen Mannes als geschlechtsneutral oder über den beiden Geschlechtern stehend. Hier werde der „Lügen- oder Pseudoandrogyn, der die satanische Karikatur des gnostischen ist“, verherrlicht. (316) Die „gnostische Androgynität“ dagegen, so der Autor, neutralisiert die Geschlechter nicht, sondern wird als ihre Vereinigung im Einen gesehen.

 

Dies führt er unter anderem am Trinitätsgedanken aus. Die erste Potenz der Dreieinigkeit ist die „gnostisch weibliche“, die zweite Potenz ist die „gnostisch männliche“ und durch ihre Verbindung entsteht die „dritte Potenz“, die von Eberz eben als Androgyn („Mann-Frau“) bzw. als Gynander („Frau-Mann“) bezeichnet wird. Hebt nun dieser „gnostische Androgyn“ die beiden anderen Geschlechter-Potenzen in sich auf oder verwendet Eberz nur einen schillernden Begriff, um das „Eine“ als Quelle und Sammelbecken zugleich für die männlichen und weiblichen Ströme der Schöpfung zu beschreiben? Der Autor gibt auf diese Frage nicht immer klare und nicht immer dieselben Antworten. An einer Stelle sagt er jedoch unmissverständlich, dass in der Potenz des Einen, „jede der beiden anderen Potenzen ihre so genannte Personalität als Potenz bewahrt“, dass sie aber „zu einem von ihnen verschiedenen Dritten geworden sind“. (282) Damit meint er das „Eine“. So hat die „vollendete Trinität“ das Wesen der Geschlechter verändert, indem sie diese in der ursprünglichen Einheit vereinigte und zurückführte. Vernichtet aber wurde die mann-weibliche Polarität damit nicht. Man könnte auch sagen, die Trinität ist die Frucht der Vereinigung von „Sophia“ und „Logos“. An einer anderen Stelle heißt es bei Eberz hierzu: „Die Menschheit ist also ihrem Wesen nach [also nicht in ihrem gegenwärtigen Zustand] eine unbegrenzte Vielheit von gnostischen Androgynen, in denen sich das Eine inkorporiert hat, und von denen jeder eine unzerreißbare Einheit bildet.“ (290)

 

Jedenfalls ist Eberz’ gnostisches Trinitätsdogma Geschlechter integrierend und deswegen der patriarchalen Trinität (Vater, Sohn, Heiliger Geist) überlegen. „Durch die Ignorierung der weiblichen Potenz im christlichen Trinitätsdogma kann und soll der Schein einer Überpolarität hervorgerufen werden; aber was übrig bleibt, ist in Wirklichkeit nur eine einseitige hoministische [männerorientierte] Unipolarität.“ – schreibt der Autor. (283)

 

Kritische Anmerkung: Wenn im wiederhergestellten „Einen“ die beiden Geschlechter gleichberechtigte Teile eines Ganzen sind, dann ist das vom Autor benutzte Bild und Begriff des „Androgyns“ ungeeignet, ja sogar falsch, um als Symbol für die gnostische Vereinigung des Weiblichen mit dem Männlichen zu dienen. Es führt beim Leser zu Verwirrung und Unsicherheit. Denn der Begriff der „Androgynie“ bedeutet in den patriarchalen Religionen (ebenso wie in der Alchemie) immer die Vorherrschaft des männlichen Prinzips über das weibliche. Andros heißt Mann und gyne Frau. Die männliche Potenz ist bei der androgynen „Vereinigung“ der weiblichen übergeordnet, ein Androgyn ist also ein „Mann“, der gleichzeitig über die Potenzen der Frau verfügt, und nicht umgekehrt. Das adäquate Bild für die „vollendete Trinität“ wäre dagegen ein umschlungenes Paar in einem Kreis und als Begriff hierfür könnte „Paarunion“ dienen.

 

In der Sprache zeigt sich, wie sich selbst Eberz nicht immer dem agnostischen Wortdiktat entziehen kann. Er spricht nicht von „Gott und Göttin“ und deren Vereinigung, sondern vom „Androgyn“ als dem ältesten „Gott“ der Menschheit. Ein Gott (!) und nicht ein göttliches Paar und nicht einmal eine Göttin stehen im Zentrum „der weiblichen Uroffenbarung vom Gott der urzeitlichen gnostischen Gynäkokratie [Frauenherrschaft], der ältesten Form des Menschengeschlechts.“ (144)

 

Die Sexualität und die gnostische Vereinigung

Die von Eberz angesprochene mystische Vereinigung des Männlichen mit dem Weiblichen ist ausschließlich ein geistiger Vorgang, eine unio gnostica. Die gnostische Verbindung wird zudem nicht zwischen einzelnen Individuen, sondern zwischen Gruppen von Menschen, speziell zwischen dem „Orden der Sophia“ und dem „Orden des Logos“ hergestellt. Der Autor setzt die unio gnostica in bewussten Gegensatz zur unio zoologica, den profanen Sexualakt oder zur „animalischen Liebe“, wie er diesen nennt. Eine solche Distanzierung von der körperlichen Erotik ist in seinem Werk durchgängig. Mehr noch, er sieht im Sexualakt mit seinem „coitus bestialis“ geradezu eine „Vergewaltigung“ der Frau durch den Mann, eine Demonstration des „geschlechtlichen Machtwillen der männlichen Potenz“, zugleich „Ausdruck ihrer metaphysischen Unwissenheit“ (13) Die Folge hiervon ist, dass die Sexualität zu einem Haupthindernis auf dem Weg zur höheren Erkenntnis wird. Der „gnostische Doppelorden von Logos und Sophia“ führt daher einen „Kampf der geistigen Liebe gegen die animalische [sprich: sexuelle] unio; dieser heilige Krieg [sic!] ist die Achse, um die sich das ganze Weltall dreht.“ (174)

 

Kritische Anmerkung: Eberz radikale Ablehnung der Sexualität erscheint fragwürdig. Sie zeigt Parallelen zum asketischen und zölibatären Weltbild der patriarchalen Priesterorden, welche er angreift, die aber ebenfalls die Sexualität zwischen den Geschlechtern verdammen und sie als das „Böse“ schlechthin darstellen. Im übrigen verschweigt Eberz in seinem ganzen Buch, dass gerade in den matriarchalen Kulten und ihren an der Natur orientierten Furchtbarkeitsriten, die Sexualität eine zentrale Rolle einnahm. Der Hieros Gamos (Die Heilige Hochzeit) wurde dort auch „real“ vollzogen und stand keineswegs im Gegensatz zur Sakralität des Geschehens.

 

Vorstellbar wäre zum Beispiel eine „mystische Vereinigung“ des Männlichen mit dem Weiblichen auf drei Ebenen: der körperlichen, der seelischen und der geistigen. Das würde die Sexualität in das Mysterium zur „Wiederherstellung des Einen“ mit einschließen. Es würde aber auch den „Jungfrauenorden“ als die einzige und höchste Instanz für eine Restauration der Religion von Logos und Sophia relativieren und dem Mann eine ebenbürtige Rolle in der „Wiederherstellung des Einen“ geben. Die Folge wäre nicht die Restauration eines „Gynäkokratie“, sondern die Errichtung einer religiösen Ordnung einer wirklichen Unio Mystica der beiden Geschlechter aufbaut.

 

Die Ursünde des Frauenordens

Eberz spirituelle Erhöhung des Weiblichen bringt jedoch den Frauen keineswegs nur Vorteile, sondern zieht sie auch zur Verantwortung. Aufgrund ihrer priesterlichen Amtes und aufgrund ihres spirituellen Wissens über die Ur-Einheit bestimmten sie das „Geschlechtergesetz“ und verfügten über die spirituelle und gesellschaftliche Macht. Nur durch ihre eigenen Verfehlungen konnte ihnen nach Meinung des Autors, diese Macht entglitten sein. Sie müssen es irgendwann versäumt haben, die Männer in das Wissen über die „Einheit“ zu initiieren. Denn das Gesetz des weiblichen Geschlechts lautet, „selbst im Besitz der Gnosis zu sein, um das männliche Geschlecht zur Gnosis zu führen. Die Sünde besteht also für das weibliche Geschlecht darin, dieses gnostische Gesetz nicht zu erfüllen.“ (67)

 

Die Folge war der „Fall aus dem Paradies“, d. h. die Einheit von oben (Metaphysik) und unten (Welt) wurde zerbrochen. Die „erste Schuld“ hierfür lag – nach Eberz – bei den „gnostischen Frauenbünden“ der Sophia hier auf Erden. „Weil sie die geistige Führung der Menschheit dem gnostisch blinden Geschlecht [des Mannes] überließ, das durch sie sehend werden soll, trägt aber die untere Sophia durch ihren Fall allein die Schuld für alles, was dann kommen musste und kam. Die gnostische Frauenkirche wurde durch die Revolution des agnostischen Hominismus vernichtet, der schließlich den ganzen Planeten eroberte.“ (291)

 

Erst wenn sich das weibliche Geschlecht auf seine metaphysische Aufgabe zurückbesinnt, kann es die Initiation der Männer wieder vornehmen und so das Ende des „zweiten patriarchalen Äons“ einleiten. Eberz beruft sich dabei auf einen Satz des Bernhard von Clairvaux: „Siehe, wenn der Mann durch die Frau gefallen ist, dann kann er auch nur durch die Frau wieder auferstehen.“ (66)

 

Kritische Anmerkung: Da Eberz der Frau letztlich alle spirituelle Macht zugesteht, trägt sie seiner Meinung nach die primäre Verantwortung für den Siegeszug des Patriarchats, denn sie hat diese Macht für sich missbraucht und setzte sie nicht dienend ein. Hinzukommt, dass sie aus dem gleichen Grunde, die Verantwortung für die Zukunft zu tragen hat. Sie allein ist nach Eberz fähig, den „Doppelorden von Logos und Sophia“ wieder als religiöses Zentrum zu errichten. Der „gnostische Mann“ kann da nur abwarten. „Die Zukunft wird zeigen, ob die Erschlaffung [der Frau] ein geistiges Ende oder nur eine ‚schöpferische’ Pause war.“ (179) Solche Überlegung von Eberz erinnern stark an die „Ursünde der Frau“, mit der diese in der patriarchalen Bibel belastet wird und wo sie auch als die Schuldige gesehen wird, die den Kontakt zu Gott unterbricht, den Mann verführt und dadurch den „Fall aus dem Paradies“ bewirkt. Einen eigenen wesentlicheren Beitrag über seine Bereitschaft, sich initiieren zu lassen, hinaus, kann der Mann – nach Eberz – zur Erlösung der Welt vom Patriarchat nicht leisten. Diese Reduzierung des Männlichen auf die reine Passivität und seine Abhängigkeit von der Willensbereitschaft der Frau, stellt sich sowohl gegen eine paritätische Kooperation der Geschlechter als auch gegen den mystischen Eros und widerspricht sogar dem von Eberz selbst gezeichneten Bild vom „Einen“, das sich in die gleichwertige Polarität von Frau und Mann entfaltete. Außerdem raubt es dem Mann jegliche eigene spirituelle Fähigkeit und stellt sein Wissen als „Logos“ von der „Ur-Einheit“ in Frage. Es entbindet ihn letztlich von jeglicher Eigenverantwortung.

 

Die Herrschaft der agnostischen Männerorden

„Hominismus“ (oder die adjektivische Form „hoministisch“) ist der wohl in Eberz Buch am meisten benutzte Begriff. Er steht synonym für Patriarchat, Androkratie, Androzentrismus, Männerherrschaft und ähnlichem und drückt ein agnostisches, frauenfeindliches und gewalttätiges Bewusstsein aus. Historisch gesehen haben sich nach Vorstellungen des Autors die hoministischen Männer in Männerbünden oder Männerorden organisiert, wozu er sowohl die traditionellen Religionen wie den modernen Staat und die moderne Armee zählt.

 

Die Herrschaft der patriarchalen, „agnostischen Männerbünde“ hatte den Krieg aller gegen alle (bellum omnium contra omnes) zur Folge. „Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ Diesen Spruch von Heraklit kehrt Eberz um: „Der Vater ist der Krieg aller Dinge.“ Die Omnipotenz des Vaters in den Weltreligionen habe zu einer permanenten Katastrophe geführt: „So zerfällt das eine männliche Geschlecht in eine Vielheit um die Macht übereinander kämpfender Männerbünde oder Staaten, und in jedem Männerbund oder Staat wiederum ist die beherrschte Partei bestrebt, ihrerseits die herrschende zu unterdrücken, um selbst die Führung des Männerbundes an sich zu reißen: Krieg und Revolution in Permanenz ist die Signatur des agnostischen Hominismus.“ (36)

 

In letzter Instanz zielen all diese Kriege jedoch darauf, die verschiedenen Männerbünde (darunter auch die traditionellen Religionen) in einen einzigen großen Männerbund (eine militante, patriarchale Weltökumene der Religionen) zu vereinen, mit dem Ziel, die absolute Herrschaft des männlichen Geschlechts zu errichten und „es als eine geschlossene Einheit gegen das weibliche zu führen.“ (36) Auch wenn sich die patriarchalen Männerbünde (oder Staaten) gegenseitig zerfleischen, so „verfolgen sie trotz aller Rivalitäten untereinander instinktiv oder bewusst das gleiche Endziel: nämlich die letzten Reste der gnostischen Gynäkokratie auszurotten und ihre Wiederherstellung unmöglich zu machen.“ (408)  So besteht zwischen den hoministischen Religionen (Buddhismus, Hinduismus, Judentum, Christentum, Islam) bei allen Differenzen eine Konkordanz: die Unterdrückung des gnostischen Bewusstseins von einer ursprünglichen Paar-Religion, welche die Gleichwertigkeit der Geschlechter zum Inhalt hat.

 

Dieser religiöse Geschlechterkrieg wird auch geistig ausgefochten. Die abendländische Philosophie, der Theismus, der Idealismus und der Materialismus (letzterer vergesellschaftete sich im Kapitalismus und Kommunismus) sind für den Autor nur unterschiedliche Formen des Hominismus. Wir werden uns jedoch dabei nicht länger aufhalten, weil Eberz in all diesen Fällen zu demselben Schluss kommt: Es handelt sich dabei um Ideologien, die ebenso wie die patriarchalen Religionen, zur Aufrechterhaltung der agnostischen, frauenfeindlichen Männerbünde und ihrer gesellschaftlichen Strukturen dienen und gedient haben.

 

Die „drei Bünde“ und die Weltgeschichte

Wer oder was sind die Götter? Nach Eberz sind die Götter personifizierte „Objektivationen“ der verschiedenen „Bünde“ bzw. „Orden“. So wie es drei Arten von „Bünden“ gibt, so gibt es drei Arten von Gottheiten. Die Götter der „patriarchalen, agnostischen Männerbünde“, mit Jahwe und seinem Sohn Jesus Christus als ihrem bekanntestem Vertreter, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite die Göttinnen der „gnostischen Frauenbünde“ und die Götter der „gnostischen Männerbünde“. Letztere sind nach Eberz unter anderen die durch die Götter des „agnostischen Patriarchats“ geopferten männlichen Gottheiten Osiris, Attis, Adonis, Dionysos und der „gnostische Christus“, der von dem „agnostischen Christus“ der Evangelien zu unterscheiden sei.

 

Die Mythen und Legenden der verschiedenen Kulturen erzählen nach Eberz die Geschichte der jeweiligen Bünde und ihre Interaktionen. Sie sind sakralisierte Deutungen einer Jahrtausende alten historischen Wirklichkeit. Die in ihnen auftretenden Götter und Göttinnen, Heroen und Heroinen haben also nicht als Personen existiert. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um die Personifizierungen der einzelnen Bünde. Die in ihnen erzählten Handlungsabläufe berichten nicht von der Passion einzelner Individuen, sondern von den dramatischen Ereignissen, die von den Bünden erlebt wurden. Für den Autor jedoch sind die Mythen noch mehr, denn sie konnten auch als metaphysisches Propagandamittel eingesetzt werden; sie konnten verfälscht werden, um Lügen zu verbreiten; sie können aber genauso alte Mysterienabläufe verschlüsselt weitergeben, welche auf den Sinn der Geschichte hinweisen; und nicht zuletzt sind sie zuweilen Prophezeiungen, die Kommendes annoncieren.

 

Alle der von Eberz zitierten Mythen beinhalten den „Krieg der Geschlechter“ als einen „Religionskrieg“. Es geht dabei im Kern um den Zugang zur Metaphysik, zum „Tempel des Wissens“, selbst wenn dieses – wie im Falle der patriarchalen Männerbünde – agnostisch ist. Die Bibel dokumentiert diesen religiösen Geschlechterkrieg ebenso wie die griechischen Mythen und Sagen. „Im Anfang der griechischen Geschichte steht ein Religionskrieg, der ein Geschlechterkrieg ist, und  dieser Anfang wirkt durch die ganze griechische Geschichte.“ (108) Der „Religionskrieg“ des griechischen Kulturkreises beginnt mit den in Hesiods Theogonie aufgeschriebenen Schöpfungsmythen von Uranos (Himmel) und Gaia (Erde) und Kronos (Zeit) und Rhea (Fruchtbarkeit) und setzt sich fort in den unzähligen Auseinandersetzungen zwischen den olympischen Göttern einerseits und olympischen Göttinnen andererseits. In den alt-griechischen Dramen zeugen unter anderem die tragischen Frauengestalten Klytämnestra, Elektra, Antigone, Phädra und  Medea von diesem Geschlechterkrieg, der im Krieg um Troja einen Höhepunkt erreicht.  

 
Jahwe und die hebräischen Frauenbünde

Die Bibel berichtet nach Eberz über die Kriege des „hebräischen Männerordens“, der sich unter der Gottheit Jahwe gesammelt hat, gegen den ur-alten gnostischen, hebräischen Frauenorden. An vielen Stellen macht der Autor seine Leser und Leserinnen darauf aufmerksam: „Es muss also hebräische Frauenkreise gegeben haben, deren Geheimbund oder Orden eine gnostisch-gynäkokratische Apokalypse [matriarchale Offenbarung] besaß.“ Die jüdische Kabbala habe das geahnt, als sie den Namen „Jahwe“ in zwei männliche und zwei weibliche Buchstaben aufteilte, welche Vater und Mutter, Sohn und Tochter repräsentierten.

 

Auch unter den frühen Hebräern sei ein symbolisches Götterpaar (als Schöpfer und Schöpferin) verehrt worden. Auf eine hebräische Paar-Religion verweise auch der erste Genesis-Bericht von der Menschenschöpfung. „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. [...] Gott schuf also den Menschen als sein Abbild, als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ - heißt es  dort (1: 26, 27). Daraus ist ohne weiteres rück zuschließen, dass der biblische Schöpfergott ursprünglich ein Göttliches Paar (ein Schöpfer und eine Schöpferin) gewesen ist, das den Menschen nach „seinem Abbild“ als Mann und Frau schuf. Auch verwendet der Text zumindest in der deutschen Übersetzung das Wort „uns“ und nicht das Wort „ich“, wenn Gott die Menschenschöpfung ankündigt: „Lasst uns Menschen Machen als unser Abbild, uns ähnlich..“ Dem widerspricht jedoch der zweite Schöpfungsbericht mit seinen nun eindeutig patriarchalen Zügen, der die für die Frau zutiefst degradierende Rippengeburt der Eva spricht: „Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu.“ (2: 22) Eva wurde, wie es Adam selber sagt, zu einer „aus dem Manne und für den Mann geschaffene ‚Männin’“ (43)

 

Otfried Eberz geht davon aus, dass sich insbesondere im Hohen Lied diese ursprünglich an einem göttlichen Paar orientierte Religionsströmung im Judentum bewahrt habe und immer noch zu Wort meldet. Die beiden Protagonisten des Hohen Liedes, Schulamit und Schelomoh, seien einmal, als Friedensgott und Friedensgöttin deren religiöses Zentrum gewesen. Sie wurden – so Eberz – auch Dod und Dodah genannt. Dod heißt „Geliebter“ und Dodah „Geliebte“.

 

Eine laizistische Interpretation des Hohen Liedes lehnt der Autor ebenso ab, wie eine orthodoxe. Es handele sich bei diesem Gedicht weder um ein „harmloses Liebesliedchen“ oder um ein lustiges Hochzeitslied „für einen beduinischen Hans und seine Grete“, noch um eine metaphorische Umschreibung der Liebe Jahwes zur Synagoge wie es in der jüdischen Orthodoxie gedeutet wird, noch um eine Hymne auf die Liebesmystik zwischen Christus und der Kirche (ecclesia), wie dies in offiziellen, christlichen Deutungen gesehen wird. Für Eberz ist das „Hohe Lied“ der „Heilige Text“ einer ursprünglichen, hebräisch-gnostischen Paarreligion, der sich in die Zeit des Patriarchats hinüberretten konnte. (218)

 

Der patriarchale Gott Jahwe, Vertreter eines machtbesessenen, agnostischen Ichbewusstseins, zerstörte diese Religion von Dod und Dodah und damit auch die ursprüngliche aurea aetas, das „goldene Zeitalter“. Er verfluchte die Gnosis in der Gestalt der „Schlange“, dem Symbol für die Weisheit in den matriarchalen Kulturen. Der Frau wurde ihre Rolle als einweihende Priesterin in die gnostischen Mysterien verboten.

 

Die hebräische Bibel ist für Eberz eine ausführliche Chronik, die den verbitterten Kampf der Männerbünde Jahwes gegen die ursprüngliche Paar-Religion von „Logos“ und „Sophia“ schildert. Zahlreiche Stellen weisen seiner Ansicht nach darauf hin. „Alle Bücher der Bibel sind Abwehrschriften gegen die unterirdische Gefahr einer Wiederherstellung der androgynen Kirche von Sophia und Logos durch die hebräischen Frauenbünde; und wenn man diesen Gegner nicht überall zwischen den Zeilen sieht, hat man den dialektischen Zweck des Kanons nicht verstanden.“ (291, 292)

 

„Jahwe“ – schreibt Eberz – „ist ein ‚furchtbarer Gott’, El Schaddai, der Gott des magischen Terrors“ (322) Die Einführung der Beschneidung seien eine der vielen Machtdemonstrationen der Jahwe-Anhänger über den männlichen Nachwuchs des Stammes gewesen, ebenso wie das Sakrifizium der Erstgeburt, das im Alten Testament erwähnt wird. Beides sind nach Eberz ritualisierte Formen der Schreckensherrschaft, um die Männer durch Blutriten zusammenzuschweißen. Letztlich aber richten sie sich gegen die alten kanaanäisch-hebräischen Frauenmysterien. „Denn dieser Terror gegen das weibliche Geschlecht war notwendig, um das gnostische Matriarchat durch das agnostische Patriarchat zu ersetzen, indem durch ihn der antignostische Vatergott, d. h. der Väterbund, auf die grausamste und eindruckvollste Weise das alleinige Eigentumsrecht des männlichen Geschlechts über das Kind symbolisch proklamierte. Auf diesen beiden Institutionen, Beschneidung und Erstgeburtsopfer, beruhte der Sieg des hoministischen Jahweorden.“ (194)

 

Das Menschenopfer als Gründungsmythos des Patriarchats

Alle Mythen, die vom Untergang des getöteten Gottes und dessen Wiederauferstehung erzählen (Tammuz, Adonis, Attis, Osiris, Dionysos, Christus), erklärt Eberz so: Es handele sich bei den Geopferten um Männer bzw. personifizierte „Männerbünde“ aus dem Zeitalter des „gnostischen Matriarchats“, die von den späteren, machtbesessenen „agnostischen Männerbünden“ rituell ermordet worden seien. „Die grausam tückischen Vatergötter rotten auf jede Art, die ihnen ihre fanatisch-sadistische Phantasie eingibt, die gnostisch-gynäkokratischen Männerbünde aus: Attis wird entmannt, Osiris in Stücke zerschnitten, Adonis von Ares, dem Eber, zerfleischt.“ (45) Ebenfalls der zerstückelte Dionysos, der gefesselte Prometheus und der ans Kreuz geschlagene Ur-Christus seien ursprünglich Vertreter der friedliebenden mit den „Frauenbünden“ kooperierenden „gnostischen Männerbünde“ gewesen. (113)

 

Mit großer Trauer und mit Wehklagen beweinen, wie es die genannten Mythen erzählen, die gnostischen Frauen bzw. die gnostischen Göttinnen ihre getöteten Männer. Aber es gibt in all diesen Fällen eine Wiederauferstehung von den Toten. Entweder steigt die Göttin in die Unterwelt und holt ihren geopferten Gatten erneut ans Tageslicht (Ishtar-Tammuz) oder sie setzt dessen zerstückelten Leib wieder zusammen (Isis-Osiris). Dieses Drama vom gewaltsamen Tode und der Wiederauferstehung (resurrectio) des gnostischen Mannes hat für Eberz eine prophetische Bedeutung. Es weise darauf hin, dass in Zukunft das „dritte Äon von Logos und Sophia“ wieder entstehen wird, um so ein Gesetz der Universalgeschichte, die Wiederherstellung des Weltenfriedens“ zu erfüllen. So beinhalten alle die genannten Opfermythen eine „Offenbarung“ über die „Letzten Dinge“ der Zukunft, die da kommen werden. Eberz nennt sie deswegen „Apokalypsen [Offenbarungen] der gnostischen Wiederherstellung“. (46) Er findet sie auch in vielen anderen Kulturkreisen.

 

Der Autor spricht über das japanischen Schöpfungspaar Izanami und Izanagi; über Krishna und Radha aus der indischen Mythologie; den germanischen Balder-Nanna-Mythos; den finnischen Mythos von Lemminkäinen; den toltekischen Mythos von Quetzalcoatl. In diesen und anderen Mythen entdeckt er die Opferung oder Entmachtung des „gnostischen Gottes“ durch einen „agnostischen Männergott“. Also künden alle diese Geschichten von der Passion des „Ordens von Logos und Sophia“. Auch in der symbolischen Tötung eines Narren- oder Winterkönigs, die wir aus vielen Volksbräuchen kennen, sieht Eberz einen simulierten Ritualmord. „Durch den periodischen Ritualmord wurde dieser Frauengott von dem monotheistischen Urhominismus dem Vatergott zu Ehren massakriert, um als Sühneopfer von ihm Verzeihung für die gnostisch-gynäkokratische Vergangenheit des Menschengeschlechts zu erkaufen; denn die neue Männerreligion war gegründet auf dem Opfer des gnostischen Frauengottes in einem ihn repräsentierenden menschlichen Vertreter.“ (355) 

 

Ebenso verberge sich in vielen Märchen das „gnostische Urwissen“ vom kommenden „Erlösungsreich“. Märchen waren die Mittel, mit dem die Vision der Vereinigung von „Logos“ und „Sophia“, von Mann und Frau, vom Prinzen und der Prinzessin, vom König und der Königin über Generationen hinweg bewahrt und weitergegeben werden konnten. Das gilt natürlich nicht für alle, sondern nur für sehr spezifische Geschichten. „Denn diese Märchen sind ihrem Wesen nach gnostisch-gynäkokratische Erlösungsmystik. Auch sie kennen das gnostisch-gynäkokratische Friedensreich der Urzeit; sie wissen von seinem Untergang, seiner Passio, und verkünden seine Wiederherstellung seine Resurrectio.“  (362) Zum Beispiel Rotkäppchen: Der agnostische Wolf verschlingt die Priesterinnen des gnostischen Frauenordens (die Großmutter und die Enkelin). Diese werden durch den Jäger, Vertreter des neuen gnostischen Männerordens, der den Wolf überlistet, aus dessen Herrschaft (Bauch) befreit. Die alte hoministische Staatsordnung wird qua Wolf in den Abgrund gestürzt. Oder im Falle Dornröschen werde gezeigt, wie die matriarchale Weltordnung in einen betäubenden Schlaf gefallen ist, bis sie dann durch den Kuss des gnostischen Prinzen wieder zu Leben erweckt wird. Auch Aschenputtel und Schneewittchen erhalten von Eberz eine ähnliche Deutung.

 

Das Ritualopfer des „gnostischen Mannes“ ist also für den Autor ein hervorstechendes Charaktermerkmal des Patriarchats und zwar bis heute noch: „Die Menschenopfer sind aber nicht nur einmal in einer begrenzten Periode die historische Basis des zweiten Äons gewesen. Dieser negative Äon kann sich nach dem Gesetz, nach dem er angetreten, nur durch die Permanenz der Menschenopfer erhalten.“ (406) Diese würden zwar in unseren Tagen auf dem Altar nur noch symbolisch vollzogen, aber in den Schlachten und Kriegen, in denen sich die einzelnen patriarchalen Götter und die Vertreter agnostischen Männerbünde als Feinde gegenüberstünden, gehe das Opfern weiter. Auch die „profanen“ Kriege sind für Eberz in der Tiefe groß angelegte Opferrituale: „Die modernen Politiker aber hören nicht gern, dass sie die Epigonen und Erben jener großen Opferer der Vorzeit sind, welche die hoministische Urreligion gegründet haben. Denn die abstrakt-konventionellen und suggestiven Schlagworte ersparen dem Menschen das Nachdenken über das Wesen der Dinge. [...] Sachlich bleibt es sich gleich, ob die Männerbünde der Staaten ihre teleologische Idee zu Göttern hypostasieren oder beim bildlosen Begriff der Ideologien stehen bleiben, als sozusagen mit einem Gott in cognito zufrieden sind; denn die alten theistischen Staaten und die modernen atheistischen sind nur wesensgleiche Varietäten.“ (407) 

 

Kritische Anmerkung: Alle vier genannten Märchen (Rotkäppchen, Aschenputtel, Dornröschen und Schneewittchen) zeigen, dass es ein Mann (Jäger oder Königssohn) ist, der durch eine gute oder erotische Tat die alte harmonische Ordnung wieder entstehen lässt und die Frau aus der Gefangenschaft bzw. dem Todesschlaf oder der Erniedrigung befreit. Dieser Handlungsablauf steht in einem gewissen Widerspruch zu der von Eberz ansonsten strikt durchgehaltenen Behauptung, der kommende Befreiungsakt aus der patriarchalen Diktatur könne nur durch eine Frau, durch eine charismatische Vertreterin des gnostischen Frauenordens, vollzogen werden. In den erwähnten Märchen zeigt der „erlösende Mann“ seinen eigenen „spirituellen“ Willen, seine Verantwortung und seine Selbständigkeit. Das stellt ihn auf die gleiche Ebene mit der von Eberz als „Retterin der Welt“ angesehenen „gnostischen Frau“.

 

Die zwei Christus-Mysterien

Als sich am Beginn unserer Zeitrechung die agnostische Religion Jahwes unter dem Druck neu erwachter jüdisch-gnostischer Schulen und Sekten in „völliger Auflösung“ befand, entwickelte diese nach Eberz das „agnostische Christentum“ (den patriarchalen Männerbund der 12 Apostel), um seine patriarchale Herrschaft in einer neuen Form zu festigen. Die „Christus-Figur“ hat für den Autor erst einmal einen matriarchalen Ursprung. Sie sei eine Variante des geopferten „gnostischen Gottes“ gewesen, der von dem entmachteten „gnostischen Frauenorden“ beweint wurde und der dann wieder aufersteht, um die Errichtung des „dritten gnostischen Äons“ einzuleiten. „Messias“ oder „Christus“ bedeutet „der Gesalbte“. Dieser war ursprünglich der von den Frauen gesalbte „Priester-König“ des „gnostischen Männerordens“.

 

Interessant ist jedoch, dass der Autor von zwei Christus Mysterien, einem „gnostischen“ und einem „agnostischen“, ausgeht: „Es gab einmal einen gekreuzigten prähistorischen Christus, den Sohn der Sophia und einen in der später historischen Zeit gekreuzigten Sohn des Vaters: den gekreuzigten weiblichen Urmessias und seinen gekreuzigten hoministischen Gegenmessias.“ (299) Für Eberz war es der alttestamentarische Gott Jahwe, der den „gnostischen (prähistorischen) Christus“ ermorden ließ, um damit entscheidend die „Religion von Logos und Sophia“ zu treffen. Jahwe „war der Schlächter des hebräischen Messias, also der hebräische Ur-Antichrist; so wie auch Set, der den Messias der ägyptischen gnostischen Frauenreligion, den guten und friedliebenden Osiris, zerstückelte, der ägyptische Ur-Antichrist war.“ (296)

 

Die Christus-Mysterien der Evangelien sind deswegen – so der Autor – ein Betrug, weil sie den Kultmythos vom getöteten und wieder auferstandenen Gott für die Zwecke einer patriarchalen Männerreligion benutzten. Der historische Christus vertrat nach Eberz ebenso wie sein Vater Jahwe die Interessen des Patriarchats: „Doch der revolutionäre Einzug des Propheten [gemeint ist Christus] in Jerusalem, das Hinaustreiben der Händler aus dem Tempel, seine Erklärung, nicht den Frieden zu bringen, sondern das Schwert, sein Wille, die Welt in Brand zu setzen und sein Bedauern, dass sie nicht schon brennt, damit das Reich Jahwes erscheinen kann“ – das alles seien Proklamationen gegen die „gnostische Kirche von Logos und Sophia“ gewesen. (300)

 

Und an anderer Stelle schreibt der Autor: „Ich bin gekommen, die Werke des Weibes aufzulösen, lautet ein berühmtes, bei Clemens von Alexandrien erhaltenes Logion Jeschuas [ein heiliges Wort des Jesus] aus dem Ägypterevangelium; es formuliert in lapidarer Einfachheit und Präzision den letzten Sinn seines prophetischen Hominismus. [...] Dieses Jeschuawort spricht das Todesurteil über den gnostisch-gynäkokratischen Doppelorden von Sophia und Logos.“ (205) Im Falle Christi habe der patriarchale Vatergott also ein „gnostisches Mysterium“ instrumentalisiert, um seine gefährdete Machtstellung zu festigen und auszubauen, was ihm auch gelungen sei. Der Christus der patriarchalen Evangelien ist nach Eberz „ein vollkommenes, sich in freudigen und freiwilligem Gehorsam darbietendes menschliches Sühneopfer.“ (200) Im Christuswort „Ich und der Vater sind eins“ verdichte sich die patriarchale Ideologie der agnostischen Gegenkirche zur „gnostischen Ur-Kirche von Sophia und Logos“.

 

Durch das agnostisch gedeutete Christusopfer gelang es jedoch den patriarchalen Priestern, die tief im Bewusstsein der Frauen verankerte „gnostische Vision“ für ihre Zwecke dienstbar zu machen. Sie gaukelten ihnen mit dem historischen, agnostischen Christus die Rückkehr des mythisch gnostischen Christus vor. „Die Frauen sollten ihren Christus vergessen, indem sie ihn in dem ‚Anderen’ zu erkennen glaubten; ohne diese propagandistische Täuschung aber wäre das weibliche Geschlecht nie gewonnen worden und ohne dies hätte es keine christliche Kirche gegeben.“ (300) Der Erfolg blieb nicht aus. „Denn der jeschuanische, im Kreuz verbundene Männerorden unterwarf überall das weibliche Geschlecht dem Männersymbol des Kreuzes und damit dem christianisierten männlichen Geschlecht selbst.“ (205)

 

Eberz kommt auch auf die „Verfälschung“ des Christlichen Abendmahls zu sprechen. Er ist entsetzt darüber, dass „Brot und Wein in dem hominiserten Abendmahl dem wirklichen Fleisch und Blut einer bestimmten Person gleichgesetzt [werden] und als deren wirkliches Fleisch und Blut genossen werden [sollen]. Diese Vorstellung ist unnatürlich und abstoßend.“ (462) Ursprünglich seien Brot und Wein die Symbole von „Sophia“ und „Logos“ gewesen: „Der rituelle Genuss des gnostischen Weines, der das besondere Sakrament der Ordenshälfte des Logos war, sollte bezeugen, dass das Eine in allen an diesem gnostischen Symposion beteiligten Individuationen seine Identität im ganzen männlichen Geschlecht erkannt hatte. Ebenso bezeigte der rituelle Genuss des gnostischen Brotes, welches das spezielle Sakrament der weiblichen Ordenshälfte der Sophia war, dass das Eine in allen dasselbe genießenden Frauen sich der metaphysischen Identität aller weiblichen Individuationen bewusst war. Jedes der beiden Geschlechter war also für sich durch ein spezielles Sakrament symbolisch in Sophia oder in dem Logos geeinigt.“ (462)

 

Kritische Anmerkungen: Die Unterscheidung des Autors zwischen einem mythischen und einem historischen Christus und Christusopfer wird nicht überzeugend und logisch dargestellt. Abgesehen davon, dass es keinerlei Quellenmaterial dafür gibt, das Jahwe in „prähistorischer Zeit“ einen „gnostischen Mann“ namens Christus schlachten ließ, ist die Passion des historischen Christus als die reine Propagandainszenierung eines machtbesessenen Vatergottes aus vielen Gründen nicht schlüssig, vor allem auch deswegen, weil die (nach Eberz) damals noch existierenden „gnostischen Frauenbünde“, das nicht gemerkt haben sollen.

 

Ausgehend von einschlägigen Bibelzitaten, ließe sich sowohl ein „gnostisch-frauenfreundlicher“ wie ein „agnostisch-frauenfeindlicher“ Christus „nachweisen“. Die biblische Christus Gestalt ist also ambivalent. Vieles weist daraufhin, dass der Mann aus Nazareth gegen die patriarchale Kirche der Jahwe Religion rebellierte, insbesondere auch seine Beziehung zu Frauen (Maria Magdalena, die Samariterin etc.). Tatsache bleibt dennoch, dass dieser „revolutionäre“ Kult später für eine „agnostische Männerkirche“ (im Sinne von Eberz) aufbereitet wurde. In diesem Falle hätten wir es mit einem „gnostischen Christus“ zu tun, dessen religiösen Lehren von patriarchalen Priestern verfälscht und funktionalisiert worden sind. Diese Version würde die Trauer der „gnostischen Frauen“ über den Tod ihres geliebten Gottes (Jesus Christus) verständlich machen und würde auch ihre mystische Hingabe erklären, welche Frauen seit Jahrhunderten dem ans Kreuz Geschlagenen entgegenbrachten und immer noch entgegenbringen.  

 

Maria: Die patriarchale Aneignung des „Mysterium der Jungfräulichkeit“

Auch der offizielle Marienmythos ist nach Eberz ein Betrug. Im Kult von der Jungfrau Maria kam die Kirche dem „unzerstörbaren Virginitätsbedürfnis der geistigen Frauen“ anscheinend entgegen, um dieses zur Erreichung ihrer kirchenpolitischen Zwecke zu missbrauchen. „Der Marienmythos der Kirche ist der eindeutige und vollkommene Gegenmythos zu dem der gnostisch-gynäkokratischen Mutter- und Liebesgöttin, die Goethe Mater Gloriosa nennt und die in der Tat als Jungfrau, Mutter, Königin und Göttin verehrt wird. Es wäre absurd, Maria eine Göttin zu nennen.“ (210)

 

Denn für die Kirche sei Maria „geschaffen“ und repräsentiere „kein kosmisches und kein metaphysisches Prinzip“. Sie wird als das Geschöpf des eigenen Sohnes angesehen, als die „Tochter ihres Sohnes“ (figlia del tuo figlio), eine „begnadete Kreatur“ aber immer noch ein „Menschenweib“. Sie ist eine Variante von Adams Rippengeburt Eva. „Das Wesen Marias als Nichtgöttin ist daher gegen alle schwärmerische Sophistik eindeutig fixiert, und ihre Verehrung, ihre Latrie [Götzenverehrung], - ein adorierender Kultus ist ihr versagt – dient eigentlich nur der Verherrlichung ihres Sohnes, der sie geschaffen hat“ und dem sie wiederum nur als irdischer Geburtskanal diente. (211)

 

Die Trauer der Dea Dolorosa (Schmerzensgöttin) über den gewaltsamen Tod des Geliebten in den altorientalischen Mythen (Isis und Osiris, Ischtar und Tammuz) steht  nach Eberz die Trauer der Mater Dolorosa (Schmerzensmutter) in den patriarchalen Kulten gegenüber. Mit dem Marienmythos soll demonstriert werden, dass Maria Jahwe ihren Sohn geschenkt hat und dessen Opferung in Demut akzeptiert.

 

Dennoch – so glaubt der Autor – konnte insbesondere im Mittelalter die christliche Maria zu einer Bezugsfigur der untergründigen „gnostischen Frauenorden“ werden. Dies lasse sich insbesondere in Kunstwerken erkennen. So mache es die Rolle der Frau als „spirituelle Lehrerin“ des Mannes möglich, die Darstellung von „Mutter und Kind“, wie wir sie insbesondere von den christlichen Marienbildnissen her kennen, als eine „gnostische Beziehung“ zwischen Sophia und Logos zu deuten: „Es sind Darstellungen der gnostischen Sophia, der ewigen Frau, und ihres geistigen Sohnes, des gnostischen Logos, des ewigen Mannes.“ (33)

 

Das frühe Christentum

Nachdem die „gnostischen Matriarchate“ durch die „patriarchalen Männerhorden“ vernichtet worden waren, haben die zerschlagenen, aber nicht völlig ausgerotteten „gnostischen Frauenorden“, sozusagen im Untergrund, die Erinnerung an das „goldene Zeitalter“ in den Mythen vom „irdischen Paradies“ aufbewahrt. Diese sind Zeugnisse für eine Urkultur der ganzen Menschheit, welche ihr religiöses Zentrum in der „Vereinigung von Logos und Sophia“ hatte.

 

In der Zeit des Frühchristentums gab es nach Eberz eine Renaissance dieser ursprünglichen „gnostischen Religion“ in den vielen christlich-gnostischen Schulen, die sich im Römischen Reich verbreiteten. „Der alte gnostische Frauen- und Liebesgott, die männliche Hälfte des gnostischen Androgyns Sophia und Logos, entfesselte unter dem neuen Namen des Christos im ganzen Imperium Romanum eine geistige Frauenbewegung, die vom Sturm zum Orkan anzuwachsen drohte.“ (209) Als Repräsentantinnen dieser „gnostischen Frauenbewegung“ nennt Eberz die Heilige Agnes, die Heilige Lucia, die Heilige Cäcilia, die Heilige Paula und andere „gnostische Bräute“. (455)

 

Um diesen Sturm einzudämmen und um die „gnostische Frauenbewegung“ unter die Leitung und Kontrolle der Männer-Kirche zu zwingen, wurde von den „agnostischen Priestern“ immer wieder das Christus-Mysterium vom getöteten und wiedererstandenen Gott eingesetzt. Dadurch gelang es ihr, die Frauen in die Irre zu führen: „War denn dieser sanftmütige und liebende Christos, der getötet wurde und wieder auferstand, nicht die neue Gestalt des alten Adon, des alten Osiris, des alten Tammuz, die alle ihre Passio und Resurrectio erlebten? War er nicht der von den gnostischen Frauen erwartete Liebesgott, das Gottessymbol des wiederauferstehenden gnostisch-gynäkokratischen Männerodens, das sie früher unter anderem Namen verehrt hatten?“ – hätten sich die Frauen gefragt. (208) Er war es natürlich nicht! Das Mysterium war ein Betrug mit dem die „gnostische Frauenbewegung“ erfolgreich bis heute „integriert“ und in den Dienst der patriarchalen Kirchen gestellt werden konnte.

 

Die Nonnenklöster des Mittelalters

Erneut meldeten sich die im Untergrund fortexistierenden „gnostischen Frauenorden“ in den Nonnenklöstern des Hohen Mittelalters zu Wort. „Dem hoministischen Wahnsinn, der religiös und politisch die abendländische Existenz der Vernichtung entgegen trieb, antwortete eine neue Virginitätsbewegung des weiblichen Geschlechts, die an Ausbreitung, Ernst und Energie derjenigen der ersten christlichen Jahrhunderte ebenbürtig waren.“ (215) Die in „unio mystica mit ihrem Gott lebende Mädchenbünde“ (gemeint sind insbesondere die Mystikerinnen des 13. und 14. Jahrhunderts. Eberz nennt: Hildegrad von Bingen, Mechthild von Magdeburg, Caterina von Siena, Teresa von Avila und andere) waren damals eine Herausforderung des gesamten patriarchalen Äons. Da sie das „Hohe Lied“ aus dem Alten Testament in den Mittelpunkt ihres Kultlebens stellten, nahmen die mittelalterlichen Frauenklöster die Tradition der alten, verschütteten „gnostisch-hebräischen“ Frauenorden wieder auf, denn das „Hohe Lied“ ist für Eberz eine Heilige Schrift des „gnostischen Doppelordens von Logos und Sophia“ aus einer Zeit als Jahwe noch nicht seine absolute Herrschaft etabliert hatte. Eine weitere Bewegung, die die patriarchale Kirche im XIII. Jahrhundert herausgefordert habe, seien die Beghinen, die „Schwestern und Brüder vom freien Geiste“, gewesen.

 

Die Hexenbewegung: gnostischer und agnostischer Satanismus

Eine interessante, aber nicht ungefährliche, da leicht wegen der Wahl seiner Begriffe missverständliche Position nimmt Eberz gegenüber der so genannten Hexenbewegung ein, die er als „feministischen Satanismus“ bezeichnet, was er durchaus in einem positiven Sinne versteht. Neben den Frauenklöstern und den Beghinen sei „die dritte große mystisch-gnostizistische Auflehnung des weiblichen Geschlechts im Mittelalter die des feministischen Satanismus [gewesen]. Er ist seine kühnste und radikalste, nicht lokal beschränkte, sondern über das ganze Abendland verbreitete Empörung gegen den christlichen Hominismus.“ (224, 225)

 

Unter „Satanismus“ versteht Eberz das „antithetische, widersprechende, nein-sagende Prinzip im Prozess der gnostischen Bewusstwerdung des Einen.“ (179) Damit ist natürlich erst einmal die gesamte patriarchale Weltordnung angesprochen bzw. deren Götter, Riten, Kulte, Mysterien und „Universitäten“, die zu der „Einheit von Logos und Sophia“ nein sagen. Unser Planet wird also schon seit vielen Jahrhunderten von einem „patriarchalen Satanismus“ beherrscht: „Die sichtbare Schöpfung dieses hoministischen Satanismus ist die Menschheitshölle.“ (180) Entsprechend der Tradition antiker gnostischen Schulen hat auch Eberz den alttestamentarischen Gott Jahwe als das „satanistische Prinzip“ par excellence ausfindig gemacht. Jahwe ist die bekannteste Antithese zur ursprünglich matriarchalen, gnostischen Weltordnung. Er festigte seine Herrschaft durch symbolische und reale Opfer.

 

Aber auch der von den im Untergrund agierenden, mittelalterlichen „gnostischen Frauenorden“ (den sogenannten „Hexen“) verehrte „Gott“ trug nach Eberz den Namen „Satan“. Er war ein „Verneiner“, weil er die bestehende herrschende Männerreligion des Christentums „verneinte“. Dieser „feministische Satan“ ist nach Meinung des Autors kein anderer als der ursprüngliche „gnostische Frauengott“, der zuerst von Jahwe und dann von dessen Sohn, dem „patriarchalen Christus“ gestürzt wurde. Die aufrührerischen Frauen des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit hätten dies erkannt: „Es ist zum Erstaunen, mit welcher instinktiven Hellsichtigkeit das Unterbewusstsein des weiblichen Geschlechts hinter der aufgestülpten Teufelsfratze das wahre Gesicht seines guten, sanften und friedliebenden Gottes wiedererkannte.“ (225) Satan, der Verneiner der hoministischen Weltordnung, sei nur der Beiname.

 

Im „ersten matriarchalen Äon“ war – so der Autor – der „gnostische Luzifer“ der Herrscher des Himmels, eine Lichtgestalt. Im zweiten „patriarchalen Äon“ wurde er dagegen von einem machtbesessenen, „agnostischen Jahwe“ gestürzt und „verteufelt“. In diesem Augenblick beginnt die passio (Leidensgeschichte) des Satan-Luzifer, die immer noch andauert. „Der dritte Äon wird dann die Auferstehung der gnostischen Liebesgötter und die Befreiung Satans bringen, der Jahwe stürzen wird.“ (226) Die Sponsae Satanae (die Bräute Satans) sind für Eberz keine anderen als die Virgines Mysticae (mystischen Jungfrauen) des restaurierten „gnostischen Frauenordens“. „Ich betrachte den Satanismus überhaupt als die wiedererstandene Religion des Hohen Liedes; er ist die darauf gegründete androgyne Frauenkirche, die den wahren Geist des Buches [gemeint ist das Hohe Lied] besser verstand als die Theologen der christlichen Männerkirche.“ (227) Deswegen war der „feministische Satanismus“ (nach Eberz) die „letzte große Mysterienreligion des weiblichen Geschlechts“ und diese war „den antiken weiblichen Mysterienreligionen“ ebenbürtig. (229) Zuerst habe der „feministische Satanismus“ ohne Hexen existiert. Er sei zu Beginn ein elitärer Orden aus Mitgliedern der gebildeten Schichten gewesen. Als „Hexen“ wurden dort die Frauen bezeichnet, die sich als Laien dieser „gnostischen Bewegung“ anschließen wollten, vor allem die „unterdrückten Frauen der ungebildeten Schichten“. (229)

 

Die Kirche aber deutete den Begriff „Hexen“ negativ um und betrieb eine erfolgreiche Diffamierung die untergründigen, „gnostischen Frauenbünde“, die sie grundsätzlich als „Hexenzirkel“ bezeichnete und einer grausamen und brutalen Verfolgung aussetzte. Die schwarzmagischen Praktiken, weswegen man die „gnostisch-denkenden Hexen“ anklagte, waren nach Eberz eine bewusste Unterstellung. Wo so etwas vorkam, habe es sich um Blutriten des „patriarchalen Satanismus“ gehandelt, die man den „gnostischen Hexen“ in die Schuhe schob. „Dieser hoministische Satanismus hat mit dem feministischen nichts zu tun; man kann die Verschiedenheit beider nicht stark genug betonen. [...] Der hoministische Satan ist der Teufel des kirchlichen Dogmas. Man dient ihm, aber mit bösem Gewissen, in ständiger Furcht vor der Höllenstrafe des Kirchengottes, seines Herrn. Er ist der Gott der Magie und man dient ihm, um durch die Magie irdische Macht zu gewinnen. Die hoministische Magie ist [...] im Gegensatz zur gnostischen, die Methode durch psychischen Terror die Geister der dualistisch gedachten Dinge und Menschen zu zwingen, dem stärkeren Willen des Zauberers zu gehorchen.“ (229)

 

Das radikale und hysterische Vorgehen der patriarchalen Kirchen gegen die „Hexen“ sei nur verständlich, weil sie dahinter „eine geheime Frauenkirche“ vermuteten, „ohne sie greifen zu können“. (230) Denn der eigentliche „Geheimbund“ des „gnostischen Satanismus“ konnte von der Inquisition nicht entdeckt werden. Er entging dem Scheiterhaufen. Verbrannt wurden vor allem die Laienfrauen, die sich den Bünden angeschlossen hatten. In den Hexenverbrennungen sieht Eberz einen groß angelegten Ritualmord. „Denn alle hoministischen Götter leben von Menschenopfern“ (231) Die Hexen waren „Märtyrinnen für die gnostisch gynäkokratische Idee“. (230)

 

Kritische Anmerkung: Mit der positiv gemeinten Verwendung des Begriffes „gnostischer Satanismus“ begibt sich Eberz sprachlich auf ein gefährliches Terrain, obgleich er inhaltlich klar und ausführlich herausarbeitet, dass er damit eine friedfertige und ethisch hoch stehende frauenfreundliche Religion meint. Dennoch wird ein solcher Begriff gerne von der Gegnern aufgegriffen und gibt leicht zu Unterstellungen Anlass, die den Autor als einen „Satanisten“ diffamieren könnten. Im Übrigen ist dieser Terminus von dem Sexualmagier Aleister Crowley und dessen zahlreichen Anhängern und Plagiatoren unter Beschlag genommen worden, eine okkultistische Richtung, die derjenigen Eberz konträr entgegenstehen dürfte. Auch das führt erneut zu unnötigen Missverständnissen.

 

In der mittlerweile sehr fortgeschrittenen, modernen Hexenforschung geht keiner der uns bekannten Experten und Expertinnen davon aus, dass es sich bei dieser wesentlich von Frauen getragenen Bewegung um eine rein „gnostische Kirche“ in Sinne von Eberz gehandelt habe. Sie wird vor allem als eine Wiederbelebung alter heidnischer Fruchtbarkeitskulte und orgiastischer Riten gedeutet, in denen insbesondere die Sexualität (nach Eberz die „animalischen Liebe“) einen hervorragenden Platz einnahm.

 

Die emanzipierte Frau der Moderne

Die „emanzipierte Frau“ unserer Zeit hat nach Eberz nichts mit den aufständischen Hexen des 15. und 16. Jahrhunderts zu tun. Diese dachten „gnostisch“, jene denkt „agnostisch“ und lebt nach den Prinzipien und Gesetzen eines „agnostischen Patriarchats“. Sie ist eine Sklavin der „agnostischen Androkratie“ (Männerherrschaft). Einer der Methoden, um sie einzufangen, war der Primat der modernen Wissenschaft. Dabei handele es sich „um die wissenschaftliche Zerstörung des geistigen Wesens der weiblichen Natur, um sie sicherer beherrschen zu können.“ (235) Unter die wissenschaftlichen Disziplinierungs- und Kontrollinstrumente zählt Eberz auch die Psychoanalyse, deren Aufgabe er darin sieht, die Frau über ihren wahren (gnostischen) Charakter zu täuschen und die „vollkommen hominisierte Frau zu schaffen“ (238) Die „emanzipierte Frau“ habe zwar gelernt zu philosophieren, sei jedoch einer hoministischen Verführung verfallen, weil sie sich das agnostische Wissen der Männerbünde angeeignet habe und das zudem noch sehr stümperhaft. „So entstand ein agnostisch-idealistischer Feminismus, eine Art weibliche idealisierte Populärphilosophie, der an Substanz und Originalität tief unter jedem agnostischen Hominismus stand; er diente nicht der Erkenntnis, sondern der Agitation.“ (163)

 

Die modernen Demokratien und die mit ihnen einhergehende Frauenemanzipation hätten keine Befreiung der Frau aus der „agnostischen Männerherrschaft“ gebracht. Sie hätten vielmehr den Typus der „vermännlichten Frau“ geschaffen, die ebenso wie ihre Schwestern unter der Herrschaft der Kirchen und des Adels von der Metaphysik abgeschnitten werden und deswegen nicht ihrem geschichtlichen Auftrag, die Wiederherstellung der „Einheit von Logos und Sophia“ nachkommen können. Dabei geht Eberz mit der „emanzipierten Frau“ sehr hart ins Gericht: „Doch an dem Nieder- und Untergange der Menschheit, dem Ziele des Totentanzes der beiden Geschlechter, trägt nicht der Mann die Hauptschuld, sondern die Frau, die sich hominisieren ließ und die gnostische Bestimmung ihres Geschlechtes vergessen hat.“ (66)

 

Kritische Anmerkung: Es stimmt zwar, dass die moderne, gesellschaftspolitische „Frauenbefreiung“ den Frauen keinen wirklichen Zugang zu Metaphysik verschaffen konnte. Die Tempel der patriarchalen Religionen bleiben für das weibliche Geschlecht weiterhin geschlossen. Aber seine „begrenzte“ Befreiung in der profanen Gesellschaft muss deswegen nicht nur negativ und als Betrug gesehen werden, wie das Eberz tut. Ein liberales Gemeinwesen schafft ja im gewissen Sinne erst die Voraussetzungen dafür, dass die Frauen ihr ursprünglich „gnostisches Wissen“ wiederentdecken und entfalten können. In früheren Zeiten wurden sie deswegen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

 

Außerdem hat der weltweit diskutierte „theologische Feminismus“ der 70er und 80er Jahre, den Eberz nicht miterleben durfte, durchaus eine Diskussion über die Frau als Göttin, als Schöpferin und als Hüterin des Ur-Wissens entfacht und bei den patriarchalen Religion eine große Verwirrung ausgelöst. Nur war diese neue „feministische Theologie“ von einem einseitigen Machtanspruch der Frauen nicht frei. Bei einer unparteiischen Betrachtung muss der Eindruck entstehen, dass es sich hierbei nicht selten um die direkte Umkehr der patriarchalen in eine matriarchale Theologie handelt: Die Göttin wird zur alleinigen Schöpferin; die feministische „Trinität“ besteht in der „weisen Alten“ (Crone), der Frau als Mutter und der Jungfrau (Kore); das Bild von der „allmächtigen Großen Mutter“ ersetzt das Bild von Gott als „Allmachtsvater“; von einer Initiation des Mannes in die „Mysterien von Sophia und Logos“ als Hauptaufgabe der (gnostischen) Frau ist nirgendwo die Rede. Insofern lässt sich Eberz gnostische Philosophie nicht ohne weiteres als Vorläufer der feministischen Metaphysik, wie diese vor 30 Jahren kreiert wurde, bezeichnen. 

 

Die Wiederherstellung

Es sind nach Eberz „gnostische Jungfrauen“, die den ursprünglichen „Doppelorden von Sophia und Logos“, wieder herstellen werden, denn „die gnostische Virginität [ist] die einzige, aber unwiderstehliche Waffe des weiblichen Geschlechts in seinem Kampfe gegen den staatlichen und kirchlichen Hominismus“ (210) Eberz glaubt offensichtlich daran, dass ein entschlossener „Bund aus Mädchen“, die sich dem „gnostischen Weg“ geweiht haben, die gesamte korrupte Männergesellschaft in die Knie zwingen kann. „Die Welle einer neuen gnostischen Virginitätsbewegung wird die einzige und unausbleibliche Antwort sein, die das weibliche Geschlecht, wenn das Eine wieder in ihm zu einem teleologischen Selbstbewusstsein erwacht ist, zu geben hat.“ (241)

 

In diesem Kontext prophezeit der Autor das Erscheinen eines weiblichen Messias: „Unter jenen gnostischen Jungfrauen aber, deren geistige Existenz durch die hoministischen Männer und die hominisierten Frauen gleichmäßig bedroht ist, wird einmal die ‚vollkommene Erwachte’ sein, die Frau, in der das Eine zum vollendeten gnostischen Selbstbewusstsein, zu vollendeten intellektuellen Anschauung seiner selbst gekommen ist. Sie wird in einem hohen Grade jene numinosen Kräfte wieder besitzen, die mit der gnostischen Bewusstseinskonzentration verbunden sind und die der Menschheit durch ihre einseitige Extrovertierung verloren gingen. Mag sie im Orient oder Okzident erscheinen, sie wird mythisch gesprochen, an der Grenze zweier Zeitalter stehen.“ (242) Ihr Werk wird die Restauration der „gnostischen Weltordnung“ sein. „Ihr Orden ist der der Urzeit und doch ein anderer. Denn jener beruhte auf dem noch instinktiven und unreflektierten gnostischen Ichbewusstsein des Einen; dieser beruht auf seiner reflektierten, am Gegensatz zum agnostischen Ichbewusstsein sich ihrer bewusst gewordenen Gnosis.“ (242)

 

Am Ende triumphiert das Gute über das Schlechte: „Die weibliche Liebeskirche der sich wieder offenbarenden Sophia gloriosa bleibt die Siegerin über die egoistisch-hoministische Satanskirche, die als Negation der geistigen Liebe in Lächerlichkeit und Ohnmacht untergeht.“ (437) Mit der Wiederherstellung der „gnostischen Urkirche von Logos und Sophia“ beginnt das „dritte Äon“ der Menschheitsgeschichte mit seiner globalen harmonischen und friedvollen Gesellschaftsordnung.

 

Schlussbemerkung

Das große Verdienst von Otfried Eberz Buch Sophia und Logos ist es, jenseits der patriarchalen Glaubensrichtungen und auch jenseits der Spekulationen des modernen theologischen Feminismus auf die Existenz einer apokryphen „Ur-Religion“ aufmerksam gemacht zu haben, in der die Gleichwertigkeit, Kooperation und Vereinigung der Geschlechter das zentrale Kultmysterium darstellen und die Grundlage für eine paarorientierte Metaphysik, Kosmologie und Eschatologie bilden. Das hierfür als „Beweis“ gelieferte „Material“ reicht auf jeden Fall aus, um über seine Thesen eine ernsthafte theologische, kulturologische, tiefenpsychologische und philosophische Debatte zu eröffnen.

 

Eine der Eberz’schen Hauptaussagen besteht in der Hypothese, dass Krieg und Opfer das Resultat groß angelegter, ritueller Handlungen der patriarchalen Kulturen sind, die sich letztlich gegen eine Partizipation der Frau an der spirituellen Macht richten. Damit geht er klar auf Distanz zur religiös legitimierten Gewalt. Seine theologische Philosophie ist aber ebenso eine Herausforderung für die moderne (Friedens)-Ökumene und deren Vertreter wie Hans Küng. Denn die von Eberz angeführten Argumente entlarven den ökumenischen Zusammenschluss der androzentrischen Religionen als globalen, transkulturellen, „agnostischen Männerbund“, welcher an der Oberfläche von einem gemeinsamen „Weltethos“ spricht, der aber im Kern die Frau weiterhin vom Kultgeschehen der einzelnen Glaubensrichtungen ausschließt und der deswegen die Zerstörung einer paritätischen „Ur-Religion von Logos und Sophia“ betreibt bzw. deren Wiederbelebung verhindern will.  

 

Trotzdem ergeben sich beim Verständnis von Eberz’ Buch Sophia und Logos einige grundsätzliche Schwierigkeiten. Ersten handelt es sich nicht um einen einheitlichen Text, sondern um mehrere Aufsätze, die zwar von dem Autor nach dem Krieg verfasst, aber nicht von ihm endgültig bearbeitet und als Gesamtwerk eines von ihm konzipierten Buches herausgegeben wurden. Denn sein plötzlicher Tod unterbrach den Prozess seiner Arbeit, so dass erst einige Jahre später seine Frau Lucia die einzelnen Aufsätze in der Form eines Buches zusammengetragen hat. Diese berichtet in ihrem Vorwort, dass der Autor mit seinen Texten in der vorliegenden Form nicht zufrieden war und diese noch verbessern wollte. Dadurch kommt es in dem Buch, das eigentlich ein Sammelband einzelner Schriften ist und kein einheitliches Werk, zu vielen Wiederholungen und einigen ungelösten Widersprüchen.

 

Außerdem ist Eberz Text als eine „Dogmatik“, der sehr wahrscheinlich ein tiefes, sein ganzes Leben bestimmendes religiöses Erlebnis zugrunde liegt, verfasst worden und deswegen in einem dogmatischen (und nicht diskursiven) Stil geschrieben. Dennoch wird das Buch keineswegs als eine „göttliche Offenbarung“ präsentiert, sondern als eine theologisch-philosophische Abhandlung. Dieser Widerspruch zwischen „klerikalem Stil“ und „mystischer Schau“ auf der einen Seite und „universitärem Anspruch“ auf der anderen Seite macht es für den Leser und die Leserin nicht immer leicht, mit dem Text in einen „Dialog“ zu treten. Viele von Eberz Thesen sind keineswegs selbstverständlich nachvollziehbar, bedürfen einer weiteren Hinterfragung, einer Untermauerung mit Beispielen und erweisen sich nach unserem heutigen Kenntnisstand der „Materie“ als verkürzt, unvollständig, einseitig und manchmal sogar als falsch.

 

Hier zusätzlich zu den schon am Ende der einzelnen Abschnitte von uns aufgeschriebenen kritischen Notizen einige andere Beispiele: Es ist schwierig von Eberz eine wirklich klare Antwort darauf zu erhalten, in welcher Form sich das „Eine“ überhaupt nach seiner Wiederherstellung gestaltet. Manchmal hat man den Eindruck, dass das „Eine“ die beiden Pole (männlich und weiblich) in sich vernichtet, manchmal dass das Bewusstsein des „Einen“ in beiden Geschlechterpolen gleichzeitig zur Erkenntnis kommt. Wenn der Autor zum Beispiel sagt, dass sich das „Eine“ am Ende nur noch selber wahrnimmt, „denn  neben dem Absoluten ist seinem Begriff nach kein Platz für ein zweites“ (140), dann gipfelt auch sein System im Solipsimus eines sich absolut setzenden „kosmischen Ichbewusstseins des Einen“, welches er ansonsten so vehement in den „agnostischen Religionen“ anprangert.

 

Da das „Eine“ ein Mysterium sein soll, kann man darüber – wie es bei vielen Theologen heißt – keine Aussagen machen. Nur halten sich weder die Theologen, noch die Mystiker, noch die Priester, noch die Philosophen in den meisten Fällen daran, sondern beginnen damit, langwierig über das „Eine“ zu spekulieren. Dabei versuchen sie das „Unfassbare“ nach den Gesetzen der aristotelischen Logik fassbar zu machen und zerstören damit das unfassbare Geheimnis des Mysteriums. Auch Otfried Eberz verfällt nicht selten dieser Versuchung und kommt dann zu Trugschlüssen. Der Schöpfungsvorgang verläuft bei ihm nach dem folgenden Schema: Das „absolute Eine“ teilt sich in eine männliche und eine weibliche Potenz, um sich selbst reflektieren und lieben zu können und kehrt anschließend in der Liebe der beiden Potenzen in sich selbst als Absolutes zurück. Das ursprüngliche „Eine“ wird somit von Eberz als ein „Subjekt“ gedacht, das keinerlei „Objekt“ kennt und dann plötzlich auf den Gedanken kommt, sich in zwei Potenzen (männlich und weiblich) zu „verobjektivieren“. Am Anfang war demnach das „Eine“ ein auf Null reduzierter absoluter Solipsimus und am Ende ist das „Eine“ ein die gesamte Schöpfung (d. h. „alles“) umfassender Solipsimus.

 

Zu fragen wäre deswegen, ob das „Eine“, gerade weil es ein Mysterium ist, nur als ein „Paradoxon“ erfasst werden kann. Vielleicht war ja das „Eine“ schon von Beginn an ein Zusammenfall der Gegensätze (coincidentia oppositorum)? Dann hätte nie eine ursprüngliche Teilung des „Einen“ stattgefunden, es wäre von Anfang an ein, um sich eine neue Wortschöpfung zu erlauben, „Paaradoxon“ gewesen, ein Hieros Gamos (eine mystische Hochzeit) zwischen einer männlichen und einer weiblichen Potenz.

 

Um es etwas anschaulicher auszudrücken, was wir meinen, möchten wir die Begriffe des „Wir“, des „Ich“ und des „Du“ in die Debatte einführen. Diese kommen bei Eberz weder in ihrer humanen Bedeutung, noch in ihrer metaphysischen Dimension vor. Vieles löst sich bei ihm allzu luftig in philosophische Abstraktionen auf. Anstatt wie er zu sagen pflegt, das „Eine“ teile sich auf in Subjekt und Objekt und kehre am Ende in die Subjekt-Objekt-Identität zurück, könnte man auch sagen: Das „Eine“ beinhaltet von Anfang an eine „Ich und Du Beziehung“ (als männliche und weibliche Potenz, als Gott und Göttin, als Mann und Frau), die sich im „Wir“ als Einheit erfährt. In den patriarchalen Religionen dagegen ist dieses „Wir“ nicht mehr erfahrbar und damit ist die Einheit zwischen „Ich“ und „Du“ zerschnitten. Durch die mystische Vereinigung des „Ich“ mit dem „Du“ kann jedoch das ursprüngliche „Wir“ und damit die „Einheit“ wieder hergestellt werden.

 

Eberz ist geradezu versessen darauf, die Subjekt-Objekt-Identität nachzuweisen, und vergisst darüber die Tatsache, dass in einer gleichwertigen Paarkonstellation das Objekt selber ein Subjekt ist, welches mich (d. h. mein Subjekt) als Objekt wahrnimmt und umgekehrt. Um diese ganze Objekt-Subjekt-Spielerei zu überwinden, bräuchte er also nur als dritte Instanz das „Wir“ einführen. Denn das kosmische „Wir“ wäre dann die Einheit, welche „Subjekt“ und „Objekt“ nicht nur miteinander verbindet und identifiziert, sondern geradezu übersteigt. Das „Wir“ lässt das Ichbewusstsein des Partners und von einem selbst bestehen und macht dennoch für die beiden Liebenden das „Eine“ erfahrbar. Das „Wir“ ist demnach das Absolute. Die gnostische Trinität des „Ich und Du im Wir“ wäre das „Eine in der Zwei“ bzw. die „Zwei im Einen“, sozusagen das mystische Paaradoxon.

 

Der Autor zeigt übrigens eine große Abneigung gegenüber der Bedeutung von Individuen im Prozess der „Wiederherstellung des Einen“. Es sind die „Männer- und Frauen-Bünde“, also organisierte „gnostische Priester- und Priesterinnengruppen“, in deren Hand die Durchführung der „gnostischen Einweihung“ liegt und nicht einzelne Männer und einzelne Frauen. Vorstellbar wäre aber auch, dass Mann und Frau als Individuen in der gemeinsam gelebten mystischen Liebe das „Eine“, besser das „einende Wir“ erleben und wiederherstellen können. 

 

Ob es stimmt, dass es ein „philosophisch-gnostisches Primat“ des weiblichen Geschlechts gibt, wie das Eberz behauptet, mag dahingestellt sein. Es wäre ja auch möglich, dass die Frau den Mann einweiht und dass der Mann die Frau einweiht. Einer solchen Parität im Initiationsprozess geht der Autor nicht nach. Das steht aber in einem gewissen Widerspruch dazu, dass sich das „Eine“, wie er schreibt, zuerst in zwei „gleichwertige“ Teile aufspaltete. Wenn aber beide gleichwertig sind, wieso soll dann nur die Frau Zugang zum Urwissen des „Einen“ haben und dessen alleinige „Hüterin“ sein und der Mann nicht? Was ist mit seinem „Urwissen“ in der anfänglichen gleichwertigen Polarität geschehen? Wieso initiiert er nicht ebenfalls die Frau in die „Ur-Einheit“? Wieso initiieren sich nicht beide, Mann und Frau, gegenseitig in die „Ur-Einheit“? Immerhin sagt Eberz, dass sie nur zusammen zurück in das „Ur-Eine“ finden können und sie nur gemeinsam das „Ur-Eine“ wiederherstellen können. Außerdem, wenn sich das „Eine“ gleichwertig in ein männliches und ein weibliches Prinzip aufgeteilt haben sollte, wieso steht am Anfang als paradiesische Ur-Religion und Gesellschaftsordnung eine von der Frau dominierte Gesellschaft, eine Gynäkokratie? Und nicht eine zwischen der männlichen und weiblichen Potenz gleichwertig aufgeteilte soziale Macht, also eine „Gyn-andro-kratie“?

 

Auch wenn der Autor das weibliche Geschlecht mit der Ursünde belastet, weil es seine Aufgabe, die Männer in das gnostische Bewusstsein zu initiieren, vernachlässigt habe, so wird  die spirituelle Rolle der Frauen ansonsten so hoch von ihm eingeschätzt, dass sie jenseits jeglicher Kritik steht. Zum Archetyp der „dunklen Schreckensmutter“ und der nach Menschenopfern verlangenden Göttinnen, dem Erich Neumann in seinem Klassiker „Die Große Mutter“ in allen Kulturen nachgegangen ist, nimmt Eberz überhaupt keine Stellung. Die „Dämonie des Weiblichen“ ist für ihn im Gegensatz zur „Dämonie des Männlichen“ kein Thema, sondern allein eine Projektion der „agnostischen Männerbünde“. Ob die matriarchalen Gesellschaften immer frei von Repressionen und Opferkulten gewesen sind, kann aber keineswegs als nachgewiesen gelten. Auch die Behauptung, dass die Schreckensgöttinnen alleine Imaginationen eines machtbesessenen Patriarchats sein sollen, und nicht aus einem eigenen Impetus heraus handeln, überzeugt nicht. Viel mehr zeigen neue archäologische Forschungen, dass die matriarchalen Kulte der alten Kreter und Phönizier (letztere verehrten die Göttin Tanit) durchaus kriegerisch waren und das rituelle Menschenopfer kannten.

 

Dies und vieles andere noch sind Fragen, die Eberz in seinen Aufsätzen nicht befriedigend beantwortet, die sich aber der Leser und die Leserin ausgehend von Eberz’schen Logik stellen können. Gerade deswegen halten wir das Buch Sophia und Logos für einen fundamentalen, wertvollen, inspirierenden und erkenntnisreichen Beitrag zum Thema „Metaphysik der Geschlechter“ und haben es als eine strikte Absage an jegliche Form von Krieg, Opfergnosis und Geschlechterdiskriminierung in den Religionen schätzen gelernt. Hier wird ein schier unerschöpfliches Material vorgelegt, das in dieser in unserer Zeit immer noch hochaktuellen Kulturdebatte über die Religionen und deren Zukunft nicht vernachlässigt werden darf.

 

© Victor & Victoria Trimondi