Ein Licht hat mich bis zum
Ende der Ansprache umhüllt
Der gemeingefährliche Messias-Komplex
des Mahmoud Ahmadinedschad
Seit Monaten provoziert und
erschreckt der in diesem Jahr neu gewählte iranische Präsident Mahmoud Amadinejad die Weltöffentlichkeit. Ihm ist es gelungen,
Osama bin Laden den ersten Platz auf der Bühne möglicher
Bedrohungsszenarien streitig zu machen. Amadinejad
leugnet den Holocaust, ruft zur totalen Vernichtung Israels auf, sucht ein
Militärbündnis mit Syrien, lässt sich nicht in sein Atomprogramm schauen,
fordert eine islamische Weltrevolution und beschwört die Erscheinung eines
Militanten Messias.
Dieser „Nobody“
im abgetragenen schwarzen Anzug, Sohn eines armen Schmiedes, hat sich schon
bald nach der Machtübernahme als ein weltweit gefürchteter, politischer
Apokalyptiker geoutet. Zum ersten Mal wird seit den Zeiten in der
westlichen Presse über die eschatologische Dimension des Islamismus in
breiter Ebene diskutiert. Das Magazin Newsweek
(12.1205) begann damit auf endzeitlich-messianischen Glauben des iranischen
Staatschefs hinzuweisen. „Schaurige Geschichten über Ahmadinedschads
mystische Obsessionen sind jüngst aus Teheran herausgedrungen, insbesondere
seine hohe Verehrung des sogenannten 12. Imams – des schiitischen Messias,
besser bekannt als der Mahdi, der angeblich zurückkehren und eine
apokalyptische Revolution der Unterdrückten gegen undefinierte Mächte der
Ungerechtigkeit anführen wird.“ – schrieb News Week.
Die Schiiten glauben, dass Abul-Qassam Mohammed, der 12 Imam, in direkter
Blutslinie von dem Propheten Mohammed abstammt. Im Jahre 941 n. Chr.
verschwand diese mystische Person in der Verdeckung („Okkultation“).
Unsterblich, nahm er aus der Verborgenheit heraus Einfluss auf die
Geschicke der Welt. Eines Tages, so berichten es die Prophezeiungen, wird
er zurückkehren, wie die Sonne, die sich hinter schwarzen Wolken verbirgt.
Nach einer Periode von schrecklichen Kriegen und gesellschaftlicher
Dekadenz erscheint er als der Erlöser von Ungerechtigkeit, Not und
Unterdrückung. Sayyed Ruhollah
Khomeini (1900-1989), der Gründer der islamischen Republik, hat diese
mystische Figur mit der Realpolitik verknüpft und aus ihr einem militanten
Messias gemacht. „Der Imam muss
wiederkommen [...], - damit das Recht seinen Platz auf dem Thron erhält, -
damit Bosheit, Verrat und Hass – vom Antlitz der Erde getilgt werden.“ –
schrieb unmittelbar vor Khomeinis triumphalen
Einzug in Teheran (1979) der iranische Dichter Taha Hedschazi
und drückte damit die Heilserwartungen aus, die damals von großen Teilen
der Bevölkerung geteilt wurden.
Khomeini hatte den
schiitischen Erlösungsglaubens (mahdaviat) mit der machtpolitischen Herrschaft der
Ayatollahs (welayat-e faghieh)
verknüpft. Er überwand damit den vorher weit verbreiteten Quietismus vieler
Schiiten, demzufolge das Erscheinen des Imam-Mahdi nicht durch
Menschenwerk (d. h. Politik) beschleunigt werden könne. „Die Behauptung, dass sich die Propheten
und Imame nur mit moralischen und spirituellen Angelegenheiten beschäftigt
hätten und dass die Regierungstätigkeit, die sich mit säkularen und temporären
Fragen beschäftigt, von ihnen zurückgewiesen worden seien, ist ein
verhängnisvoller Irrtum.“ – mahnte der Gründer der islamischen Republik
noch in seinem Testament. Unter den iranischen Reformern und
Pragmatikern der letzten Jahre ist dieses Erlösungspathos mehr und mehr in
den Hintergrund getreten.
Mit dieser fortschreitenden
„Profanisierung“ des Politischen in der Ära Rafsanjani
und Chatami will Ahmandinejad jetzt Schluss
machen. Er revitalisiert das messianisch-apokalyptisches Weltbild Khomeinis, - mehr noch, er sieht sich selber als der
Erfüllungsgehilfe des 12. Imams auf Erden. Das wurde der Welt klar, nachdem
er am 17. September eine Rede vor dem Plenum der Vereinten Nationen in New Yorck gehalten hatte. Was die heikle Nuklearfrage
anbelangt, so brachte seine Ansprache nichts Neues, sondern er wiederholte
das unantastbare Recht des Irans auf „friedliche“ Nutzung von
Nuklearenergien. Religionspolitisch aber war diese „Predigt“ eine
Sensation, denn der iranische Präsident
proklamierte schlichtweg das Ende des agnostischen, säkularen
Zeitalters und stellte das Primat der Aufklärung in Frage. Heute kultiviere
die gesamte Menschheit wieder den Glauben an einen einzigen Schöpfergott,
sagte Ahmadinedschad. Der Monotheismus sei das
Band, das alle Völker zusammenschließe, Glaube und Religion seien auch die
einzigen Mittel, um die anstehenden Weltprobleme zu lösen, denn die
Aufklärung und die (westliche) Wissenschaft hätten endgültig versagt. Sie
müssten durch „das Wissen, basierend auf der göttlichen Offenbarung“
ergänzt werden, bzw. sich in deren Dienst stellen. Die Propheten Noah,
Abraham, Moses, Jesus und Mohammed hätten dieses „göttliche Wissen“ auf
Erden zum Wohle aller Menschen verkündet. Der allgemein feststellbare Trend
hin zur Religion, das sei, so Ahmadinedschad, die
gute Nachricht.
Rede Ahmadinedschads vor der UNO Vollversammlung am 17. Sep.
2005
Die schlechte Nachricht sei,
dass die Welt weiterhin von Kriegen, Armut, Gewalt, Verbrechen, Terror,
Staatsterror und Massenvernichtungswaffen bedroht sei. Immer mehr A-Bomben
würden produziert. Dies sei das schreckliche Erbe des agnostischen
Zeitalters. Der Westen, der die Schuld hierfür trage, gebärde sich jedoch arroganterweise als Richter über andere Völker und
versuche diese durch Einschüchterungen und Ungerechtigkeiten willfährig zu
machen. Nur durch eine wachsende Verbreitung von Spiritualität und
Gläubigkeit könnten Gerechtigkeit und Frieden hergestellt und dauerhaft
garantiert werden. Die islamische Republik im Iran sei ein solcher Hort des
spirituellen Friedens und der Gottesfurcht, Manifestation der wahren
Demokratie in der Region, Garant der Menschenrechte, eine Festung
politischer Stabilität im Mittleren Osten. Sie sehe eine ihrer Aufgaben
darin, den Völkern Afghanistans, Iraks und Palästinas bei der Errichtung
ihrer Demokratien zu helfen.
Den eigentlichen Höhepunkt
der Rede bildeten jedoch die Schlusssätze, in denen Ahmadinedschad
die Epiphanie des muslimischen Welterlösers beschwört: „Wenn dieser Tag
[des Friedens] kommt, wird das letzte Versprechen aller Religionen erfüllt
werden durch die Erscheinung eines perfekten menschlichen Wesens, das der Erbe aller Propheten und frommen Männer ist.“
Mit einem Bittgebet beendete der Präsidenten seine Predigt: „Oh
allmächtiger Gott, ich bete zu dir, das Hervortreten deines letzten
Triumphes zu beschleunigen, [durch das Hervortreten] des Vorhergesagten,
des perfekten und reinen menschlichen Wesens, das diese Welt mit
Gerechtigkeit und Frieden erfüllen wird.“ Jeder, der den religiösen
Background Ahmadinedschads kennt, weiß, dass mit
diesem „perfekten Wesen“ der 12. Imam, der Imam-Mahdi, der prophezeite
schiitische Messias gemeint ist.
Von New Yorck
in den Iran zurückgekehrt erklärte der Präsident, während seiner Ansprache
vor der UNO-Vollversammlung habe sich ein heiliges Licht auf ihn hinabgesenkt, dass sei ihm
auch durch seine Umgebung bestätigt worden: „Mein Berater sagte mir,“ – so Ahmandinejad – „Als du mit diesen Worten ‚Im Namen
Gottes’ deine Rede begonnen hast, da hat dich ein Licht bis zum Ende der
Ansprache umhüllt.“ Wahrscheinlich waren seine Zuhörer, unter denen sich
auch viele Agnostiker, Nicht-Monotheisten und Säkularisten
befunden haben mögen, durch sein religiöses Pathos peinlich berührt und
hörten mit erstarrten Mienen zu. Ahmadinedschad
aber deutete das anders: „Das Klima hat sich geändert.“ – sagte er später –
„Während meiner 27 bis 28 Minuten langen Rede hat niemand der Anwesenden
einen Laut von sich gegeben. Die Anwesenden im UNO-Saal waren sprachlos,
als wären sie von einer Hand am Stuhl gefesselt. Eine Kraft hat ihnen Augen
und Ohren für die Botschaft der islamischen Republik geöffnet.“
Ahmadinedschad
sieht sich selber als der Erfüllungsgehilfe des 12. Imams Daran besteht
kein Zweifel. Bei seinen öffentlichen Reden erwähnte er immer wieder die
Formel: „Die Anhänger dieser von Gott gegeben islamischen Geistesschule tun
gut daran den Weg für sein [des 12. Imam] dringendes Erscheinen zu
pflastern.“ – und in einer Freitags-Predigt verkündete er: „Heute sollten
wir unsere ökonomischen, kulturellen und politischen Maßnahmen neu
definieren auf der Basis einer Politik, welche die Rückkehr des Imam Mahdi
zum Inhalt hat. Wir sollten es vermeiden, die Politik und das System des
Westens nachzuahmen.“ (Agentur Reuter).
Als er noch Bürgermeister von Teheran war, ließ er einen Boulevard
renovieren, weil der Imam-Mahdi
dereinst darüber in die Hauptstadt einmarschieren werde. Kurz nach seinem
Amtsantritt kam eine Verordnung heraus, die religiösen Schulbücher in eine
„für die Jugend verständlichere Sprache“ umzuschreiben, „insbesondere die
Passagen, die sich auf den Imam-Mahdi (Gott möge sein
Wiedererscheinen beschleunigen), den 12. Imam aus dem unfehlbaren
Haushalt des Propheten Mohammed, beziehen.“
Seither brodelt es in der
mystischen Gerüchteküche des Landes: Der erste Stellvertreter des
Präsidenten, Parvis Davoudi, soll während eines
formalen Treffens alle Kabinettsmitglieder aufgefordert haben, in einem
unterschriebenen Brief ein Gefolgschafts-Bekenntnis (misagh) gegenüber dem
Imam-Mahdi abzugeben. In diesem Schreiben gelobe das Kabinett, die
„Rahmenbedingungen für die Wiederkehr des Mahdis zu ebnen“. Nach weiteren
Berichten soll dieser Brief in Jamkaran, einen
Ort in der Nähe der heiligen Stadt Qom hinterlegt
worden sein, wo Tausende von Pilger jede Woche beten und von ihnen
verfasste Bittschriften an den 12. Imam deponieren. In Jamkaran
befindet sich eine Quelle, aus der einer Legende nach der erwartete
schiitische Erlöser in die Welt tritt, um die säkulare und religiöse Macht
in seiner Person zu vereinen. Kurz nach seiner Wahl habe Ahmadinedschad mehrere Millionen Dollar Staatsgelder
zur Verschönerung dieses Heiligtums bereitgestellt. Auch wenn das nicht
offiziell bestätigt wurde, kommen dem Präsidenten solche Gerüchte
keineswegs ungelegen: Er selber verbreite solche Geschichten, „um vor dem
Volk einen charismatischen, dogmatischen und heiligen Status zu gewinnen.“
– kommentiert der in Paris lebende iranische Ex-Journalist Hossein Bassani.
Ahmandinejad,
der einer Vereinigung mit dem Namen „Die sich für die Revolution
Aufopfernden“ angehört, ist auch ein fanatischer Verfechter von
Märtyrer-Operationen und Propagandist einer islamischen Weltrevolution, ja
er versteht es, beides miteinander zu verbinden. Auf einer Versammlung von
Opfern und Hinterbliebenen eines Bombenanschlages erklärte er kurz nach
seiner Wahl: „Eine neue islamische Revolution ist geboren dank des Blutes
der Märtyrer [...] und wenn Gott es will, wird sie alle Ungerechtigkeiten
in der Welt ausrotten. Die Ära der Unterdrückung, der Hegemonie, der
Tyrannei und der Ungerechtigkeit kommen zu einem Ende und eine Welle
islamischer Revolutionen wird bald über die ganze Welt hinwegfegen. In
einer Nacht legen die Märtyrer eine Wegstrecke zurück, die im Normalfall
100 Jahre dauern würde.“ Die Website des arabischen Fernsehsenders al-Jazeera
berichtete darüber mit der Überschrift: „Ahmadinedschad
ist dabei, eine neue islamische Revolution zu verbreiten“.
Damit verhält sich der
Präsident durchaus verfassungskonform, denn selbst die Konstitution der
islamischen Republik Iran von der Rückkehr des Imam-Mahdis. In einer der
Präambel beigefügten Fußnote wird vermerkt, unter dem Begriff „Herrschaft
des Klerus und seine andauernde Führerschaft“ sei zu verstehen, dass nur
„bis zur Erscheinung des Imam-Madhi oder
Messias [„Messiah“ steht der offiziellen
englischen Übersetzung] die Führerschaft der Muslime in den Händen der
Repräsentanten des Imams oder des
Klerus liegt.“ Der Wächterrat von 12 Mitgliedern, das höchste politische
Gremium des Landes, und der Präsident handeln deswegen nicht nur in spirito
sondern auch de jure im Auftrag des Verborgenen Imams.
In der Präambel ist zudem die
Idee einer islamischen Weltrevolution angedeutet, mit dem Ziel „eine
einzige Welt-Ordnung (Ommat)“ zu schaffen
und einen „andauernden Kampf“ zu führen, „um die entrechteten und die
unterdrückten Nationen der Welt zu befreien.“ Auch die Vision von der Welteroberung durch den
„Heiligen Krieg“ ist ein uralter Gedanke Khomeinis,
den er schon 1942 aufs Papier brachte: „Diejenigen, die den Djihad studieren, werden verstehen,
weshalb der Islam die gesamte Welt erobern will. Alle durch den Islam
eroberte Länder oder Länder, die von ihm in Zukunft erobert werden, werden
das Zeichen immerwährender Rettung tragen.“ – schrieb er damals. Seinen
Traum von einem islamischen Imperium Mundi hat er nie aufgekündet. Dabei setzte er sich
bewusst von anderen Konzepten der Welteroberung ab: „Die weltweite
öffentliche Meinung sollte verstehen, dass die islamische Eroberung nicht
dieselbe ist, wie die Eroberung, die von anderen Weltherrschern angestrebt
wird. Die letzteren wollen die Welt aus eigenem Profitinteresse heraus
erobern, während die islamische Eroberung das Ziel hat, den Interessen der
Einwohner des ganzen Globus zu dienen. [Nicht-islamische] Eroberer wollen
die Welt beherrschen, so dass sie dort jegliche Ungerechtigkeit und
sexuelles Missverhalten verbreiten können,
während der Islam die Welt erobern will, um spirituelle Werte zu verbreiten
und um die Menschheit auf die Gerechtigkeit und das göttliche Gesetz
vorzubereiten.“
Der spirituelle Meister des Ahmandineyad ist der Ayatollah Mesbah-Yazdi
(Jahrgang 1934) aus der Stadt Yazd, der ebenfalls
die Vision von der Rückkehr des Imam
Mahdi ins Zentrum einer radikalen, politischen Theologie gestellt hat. Er
ist der Gründer der ultra-islamischen Haghani-Schule
und firmiert zurzeit als der Chefideologe der Islamischen Republik. In der
„heiligen Stadt“ Ghom leitet er das Imam-Khomeini-Institut für Lehre und
Forschung. Kürzlich gab das Institut ein 400-seitiges, politisches
Grundlagenwerk von Mesbah heraus mit dem Titel:
„Die islamische Revolution: Ein Sprung vorwärts in den politischen
Wechselfällen der Geschichte.“ Eine (bisher nicht vorliegende) Übersetzung
des Textes in eine westliche Sprache dürfte zahlreiche
Hintergrundinformationen über das religionspolitische Selbstverständnis des
amtierenden iranischen Präsidenten geben. Die extreme Betonung des
Spirituellen in der Politik, die Ahmadineyad in
seiner UNO Ansprache herausstellte, stammt mit großer Wahrscheinlichkeit
aus Mesbahs letztem Buch, wie sich aus der auf
seiner Homepage ins Englische übersetzten Inhaltsangabe ergibt.
Der Ayatollah aus Ghom ist Befürworter eines rein muslimischen
Gottesstaates, ein Verfechter selbstmörderischer Märtyreroperationen und
ein fanatischer Gegner des Westens. Eine seiner vordringlichen Aufgaben
sieht er darin, die islamische Republik von allen Reformströmungen zu
reinigen und wieder in ein apokalyptisch-messianisches Fahrwasser zu
treiben, aus dem sie einmal entstanden ist. Die 22 Millionen Iraner, die
früher den Reformpräsidenten Khatami gewählt
haben, nannte Mesbah einen „Haufen Schnaps
trinkender Lumpen“.
International bekannt wurde er
zum erstenmal unter dem Namen das „Krokodil“. Der
iranische Karikaturist Nikahang Kosar hatte den
Ayatollah, einen entschiedenen Gegner der Pressefreiheit, als eine mit
Tränen überströmte Echse gezeichnet, die wehklagend ausruft „Warum hilft
mir denn keiner gegen diesen gedungen Schreiberling.“ Der Schreiberling war
der Karikaturist selber, der mit der Feder in der Hand, vom Schwanz der
Echse erwürgt wird, und der seither größte Schwierigkeiten bei der Ausübung
seines Berufes hat. Als in dem liberalen iranischen Zeitschrift Neshat ein
Artikel erschien, der für die Abschaffung der Todesstrafe plädierte,
forderte Mesbah-Yazdi, dass jeder, der die
Grundgesetze des Islams in Frage stellt oder die islamischen Heiligtümer
beleidigt, auf der Stelle, ohne Verzögerung und ohne Gerichtsverfahren
getötet werden müsse.
Iranische
Karikatur des Ayatollah Mesbah-Yazdi
Der radikale Ayatollah Mesbah-Yazdi gilt als der große Hintergrundspieler der iranischen
Politik. Er war der erste religiöse Führer, den Ahmadinedschad
nach seiner Wahl (in Ghom) aufsuchte und von dem
er sich absegnen ließ. Mesbah präsentierte sich
danach selbstbewusst als Königsmacher und ebenfalls als ein
Erfüllungsgehilfe des Imam-Mahdi:
„Wir haben für unseren Bruder [Ahmadinedschad]
gebetet, und der verborgene Imam hat unsere Gebete erhört und ihm zum Sieg verholfen.“ – sagte er nach dem
Sieg seines Schützlings. Das neue Kabinett des Präsidenten aus Militärs und
Geheimdienstlern soll unter seinem religions-politischen Einfluss stehen.
Ayatollah Khomeini hatte
seine Landsleute dazu aufgefordert, alle Anstrengungen zu unternehmen, um
das Kommen des Imam-Mahdi
sozusagen „herbeizuarbeiten“, aber er warnte
gleichzeitig vor militanten Aktivisten, die unsere Welt in ein Chaos
versetzen wollten, um das Erscheinen des Imam-Mahdi zu beschleunigen: „Und wenn der Große Erneuerer [der
Imam-Mahdi] erscheint, glaubt
nicht daran, dass ein Wunder geschieht und dass die ganze Welt in einem
einzigen Tag in Ordnung gebracht wird. Nein, es erfordert [auch dann] harte
Arbeit und Opfer, bevor die Unterdrücker verjagt sind. Und wenn ihr glaubt,
wie es einige missgeleitete Laien tun, dass es
zur Erscheinung des Mahdi
notwendig ist, dass vorher die Welt gänzlich mit Grausamkeiten und
Ungerechtigkeiten überzogen werden muss, und dass, damit er früher
erscheint, die Grausamkeit noch potenziert werden muss, dann werden wir
wirklich unsere eigenen Totenglocken läuten hören.“ – schrieb der Ayatollah
in seinem Testament.
Mit diesen „missgeleiteten Laien“ spricht Khomeini konkret die
sogenannte Hojjatieh Gesellschaft an, eine extrem
radikale theologischen Gruppierung, die in den 50er Jahren gegründet und
Anfang der 80er Jahre verboten wurde. Die Ideologie der Hojjatiehs
geht davon aus, dass die Schaffung von Chaos auf Erden, das Erscheinen des Imam-Mahdi begünstige. Je mehr sich
Terror und Unordnung die Welt verbreiten würden, umso wahrscheinlicher sei
das Eingreifen des militanten Erlösers. „Es scheint dass sie (die Hojjatich Mitglieder) kürzlich eine aktivere Rolle
übernommen haben und in der ganzen Regierung verstreut sind.“ – erklärte
ein politischer Beobachter aus dem Iran, der namentlich nicht genannt
werden wollte wie die Agentur Reuter
berichtet. Ob das stimmt und ob sich Ayatollah Mesbah,
wie überall im Internet zu lesen ist, an der Hojjatieh-Ideologie
orientiert, lässt sich nicht konkret nachweisen, aber es sind die Chaos
säenden Äußerungen Ahmadinedschads, die zu
solchen Spekulation Anlass geben.
Ayatollah Mesbah
steht aber mit seinen radikalen Ideen keineswegs isoliert da. Zurzeit ist
bei der gesamten klerikalen Intelligenzija des Landes die Beschäftigung mit
dem Madaviyat
(„der Glaube an den Mahdi und die Anstrengung sich auf sein Erscheinen
vorzubereiten“) en vogue. Die
„Reformer“, die unter Kathami für einen „Dialog
der Kulturen“ eingetreten sind, gelten als out und die sogenannten „Prinzipientreuen“, die Khomeinis Vision einer islamischen Weltrevolution
folgen, sind in. So erklärte
Hassan Abbasi, einer der prominenten Theoretiker des Landes, dass die Idee
von einer „messianischen Gesellschaft“ seit dem Beginn der iranischen
Revolution noch nie so aktuell und attraktiv gewesen sei wie heute.
„Endlich können jetzt die Führungskräfte des Systems verjüngt werden und
die Gesellschaft kann sich zukünftig weg von der Zivilgesellschaft in
Richtung einer messianischen Gesellschaft bewegen. Nicht mehr
humanistischen Parolen soll gefolgt werden, sondern Parolen, die sich am
Willen Gottes orientieren. Die Menschen sollen sich nicht mehr am
amerikanischen Lebensstil orientieren, sondern an göttlichen Prinzipien.“ -
meint Abbasi und ist davon überzeugt, die „Prinzipientreuen“ hätten die
Macht im Staat schon voll in ihren Händen: „Sie sind überall – in der
Regierung, im Majless
[Islamisches Parlament], in den Räten, im Wächterrat und in der Justiz. […]
Daher bin ich voller Hoffnung, dass mit Hilfe der neuen Regierung die
Gesellschaft sich in Richtung einer messianischen Gesellschaft entwickeln
kann.“ Ayatollah Nouri-Hamedani sieht
insbesondere durch die politischen Turbulenzen der Gegenwart bestätigt,
dass die Endzeit angebrochen sei: „Deswegen ist es klar, dass vor der
Rückkehr des Verborgenen Imams, Arroganz und Kolonialismus die Welt
beherrschen werden.“ – erklärt der Kleriker. Amir Mohebian,
Chefredakteur der konservativen Zeitung Resalat, empfiehlt deswegen
eine kompromisslose Politik der Härte: „Ich glaube der Mahdi wird in zwei,
drei oder vier Jahren kommen, weshalb sollte ich denn nachgiebig bleiben?
Jetzt ist es an der Zeit stark dazustehen und
hart zu sein.“ Selbst der höchste
spirituelle Führer des Landes, Ali Khamenei, beschwor 2005 in einer Rede
vor Hadsch-Pilgern. „Heute ist die Zeit gekommen, die günstigen Bedingungen
für eine Regierung des Imam-Mahdis zu schaffen, möge Allah bald sein nobles
Erscheinen bewirken.“ Es gibt auch Gegenstimmen: Groß-Ayatollah Hossein Ali
Motazari zum Beispiel kritisiert die Regierung,
sie missbrauche den Mahdi Kult für ihre politischen Interessen. Aber es
besteht kein Zweifel daran, dass das Messiasfieber
die ganze iranische Gesellschaft in Erregung versetzt hat.
Die endzeitlich-messianischen
Polit-Visionen des iranischen Präsidenten dürfen deswegen nicht als ein
Kuriosum abgetan werden. Ihre Gefährlichkeit erhöht sich noch aus den
folgenden Gründen: Erstens weil der Iran entweder eine A-Bombe bald bauen
kann oder wahrscheinlich schon besitzt und über die notwendigen
Trägerraketen verfügt, diese bis ins Zentrum Europas zu schicken. Dann weil
die Schiiten in der irakischen Bevölkerung über die absolute Mehrheit
verfügen. So kann es entweder zu einer Abspaltung des schiitischen,
ölreichen Südens und zur Errichtung eines Gottes-Staates mit Basra als
Hauptstadt kommen oder zu einem irakischen Gesamtstaat, in dem die
Schia-Anhänger de facto das Sagen
haben. In beiden Fällen stärkt das die politische und ideologische
Einflussnahme der iranischen Ayatollahs auf das Zweistromland eminent.
Zusammen verfügen die zwei Länder über Ölreserven, die nur mit denjenigen
Saudi-Arabiens vergleichbar sind. Die Verteidigungsminister der
provisorischen Irak-Regierung und des Irans haben sich schon vor Monaten
(unter den misstrauischen Blicken des Westens) getroffen, um über eine
robuste militärische Kooperation zu verhandeln. Drittens rufen Amandinejads „apokalyptische“ Erklärungen jetzt schon
die Christliche Rechte in den USA
und die jüdischen Fundamentalisten in Israel auf den Plan, die sich
ebenfalls an einer Endzeit-Ideologie orientieren, welche die Vernichtung
des Islams zur Vorraussetzung eines göttlichen
Heilsplans machen, an dessen Ende ebenfalls ein militanter Erlöser steht:
der schreckenerregende Christus der Johannesoffenbarung
bzw. der militante Messiah bin David bei den
Juden. Hier in Europa wird immer noch nicht wahrgenommen welch bedeutenden
Einfluss diese fundamentalistischen Gruppierungen auf die große Politik in
Amerika und Israel haben.
Es bleibt nur zu wünschen,
dass sich das iranische Trauma sehr schnell von selber löst. Ahmadinedschad hat mittlerweile nicht nur die
iranischen Reformer als Gegner, sondern auch viele Konservative, die ihn
auf den Thron gehievt haben, die aber jetzt vor der Radikalität ihres
Zöglings erschrecken.
© Victor und
Victoria Trimondi
»Krieg
der Religionen«
Der grassierende apokalyptische
Wahn ist zu einer globalen Kulturströmung geworden. Anhand einer Fülle von
Faktenmaterial weisen Victor und Victoria Trimondi
nach, wie Fanatiker ihre Legitimation für einen ‚Krieg der Religionen’ aus
den Heiligen Texten ihres jeweiligen Glaubens ableiten. Das Buch liefert
grundsätzliche und hochaktuelle Hintergrund-Informationen zu den Kriegen im
Nahen und Mittleren Osten und zu
einem tieferen Verständnis des religiösen Terrorismus überhaupt. „Die bisher
ausführlichste Dokumentation zu diesem Thema im deutschen Sprachbereich.“
(Deutschland Funk)
Trimondi,
Victor und Victoria: Krieg der Religionen: Politik, Glaube und Terror im
Zeichen der Apokalypse - Fink Verlag, München 2006, 597 Seiten (ISBN
3-7705-4188-X)
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