ISLAM
Die Konstruktion, Zündung und Verbreitung von Nuklear-Waffen hatte
von Beginn an einen bestimmenden Einfluss auf das apokalyptische Denken. So
ist der Einsatz von A-Waffen ein Szenario, das in keiner „modernen“
Apokalyptik mehr fehlt. In diesem Segment sammeln wir die Newsletter, die
sich mit der Verbindung von nuklearen Destruktionsphantasien und dem
religiösen Doomsday-Wahn in den verschiedenen
Religionen auseinandersetzen.
Datum des Newsletters: 24. April 2006
Orte des Geschehens: Iran, Pakistan
Protagonisten:
Mahmoud Ahmadenidschad
In
dem apokalyptischen Szenarios fundamentalistischer Gruppierungen gleich
welcher Couleur spielt die A-Bombe seit ihrer ersten Zündung eine zentrale
Rolle - ist doch in den meisten endzeitlichen Heiligen Texten von alles
vernichtenden Superwaffen die Rede, die in den Doomsday-Kriegen
zum Einsatz kommen sollen. Unter diesem Aspekt muss auch die „nukleare
Obsession“ des Irans interpretiert werden. Die Verbissenheit, mit der
Mahmud Ahmadenidschad sein Atomprogramm gegen die
UNO und die meisten Staaten der Welt weiterverfolgt, ist vor allem wegen
des messianischen Auftrags, dem er sich verpflichtet fühlt, so Furcht
erregend. Erfolge im Atomprogramm gelten ihm als Pflastersteine, auf denen
der 12. Imam nach mehr als Tausend Jahren
Verborgenheit Teheran betreten wird, um dann den letzten aller Krieg gegen
Ungerechtigkeit und Unglaube zu entfesseln. Vor zwei Wochen kündigte Expräsident Haschemi Rafsandschani an: "Der Iran
hat die erste Einheit von 164 Zentrifugen zum Einsatz gebracht, hat Gas (Uranhexafluorid) zugeführt und die industrielle
Produktion erreicht". Danach erklärte Mahmud Ahmadinedschad,
das Land sei jetzt "dem Club der Atomstaaten beigetreten". Wenig
später sprach er vor Vertretern des Militärs: „Heute befinden wir
uns in der Gemeinschaft mit den mächtigsten Armeen der Welt, weil wir uns
auf Gott verlassen. Irans Feinde kennen euren Mut, euren Glauben und eure
Hingabe an den Islam. Unser Land hat eine mächtige Armee geschaffen, die
mit großer Macht unsere politischen Grenzen […] verteidigt, und den
Aggressoren die Hände abschlagen und ihnen das Zeichen der Ungnade auf
ihrer Stirn einbrennen wird.“ Am 28. April läuft das Ultimatum ab, dass der
UNO-Sicherheitsrat dem Iran gestellt hat. Dass die Ayatollahs die „Bombe“
bauen wollen, das steht außer Zweifel - ist doch die „islamische Bombe“
eine der suggestivsten Integrationsmythen des muslimischen
Fundamentalismus. Bisher aber gibt es nur die „Sunni-Bombe“
Pakistans. Eine offizielle Präsentation der „Schia-Bombe“ steht noch aus.
Wie entstand dieser Mythos
von der „Islamischen Bombe“? 1979 hatte ein ehemaliger Ministerpräsident
Pakistans folgende Prophezeiung gemacht: „Wir wissen, dass Israel und
Südafrika über eine volle nukleare Kapazität verfügen. Die christlichen,
jüdischen und Hindu- Zivilisationen haben eine solche Kapazität. Die
kommunistischen Mächte besitzen sie auch. Nur die islamische Zivilisation
hat sie nicht. Aber diese Situation ist dabei, sich zu verändern.“ Damit
war der Begriff von der „Islamischen Bombe“ aus der Taufe gehoben.
Ebenfalls im Jahre 1979 strahlte BBC eine Fernsehdokumentation aus mit dem Eyecatcher „Die islamische Bombe“ und ein Buch von
Herbert Krosney und Steven Weismann erschien damals
mit demselben Titel: „The Islamic Bomb“.
Am 28.Mai 1998, im selben
Jahr, als Indien seine A-Tests durchführte, detonierten zwei oder fünf
A-Bomben im Südwesten Pakistans. Anschließend war die Weltpresse voll mit
Berichten über eine Bedrohung durch die „Islamische Bombe“. Zwar
protestierte der damalige pakistanische Außenminister entschieden gegen
diese Bezeichnung: „Nichts beleidigt mich mehr, als die Benutzung des
Begriffs ‚islamische Bombe’. So etwas wie eine islamische Bombe gibt es
nicht.“ – erklärte Tariq Ataf. Aber in der
muslimischen Öffentlichkeit waren ganz andere Stimmen zu hören. In
Pakistans Städten tanzten die Massen frenetisch um Attrappen von nuklearen
Trägerakten, auf denen in großen Lettern „Islamische Bombe“ zu lesen war
und schrieen „Allahu Akbar!“ (Allah ist groß). Ein Universitätsprofessor aus
Islamabad fragte bigott: „Es gibt schon eine jüdische Bombe, und eine
christliche Bombe. Weshalb keine islamische Bombe?“. Und einer seiner
Studenten antwortete: „Dies ist eine islamische Bombe. Sie hat uns
Selbstvertrauen aufgebaut, und wird die Solidarität aller Muslime die mit
einem sie zurückweisenden und verachtenden Westen konfrontiert sind
stärken. Muslime vereinigt euch hinter der Atom-Bombe!“ Heute verfügt
Pakistan über 25-50 Nuklearsprengsätze.
Es ist noch nicht lange her,
als der Westen darauf aufmerksam wurde, dass der pakistanische
Atomwissenschaftler Abdul Qader Khan, der seiner
Heimat die „Bombe“ bescherte, an andere Länder wie den Iran und Nordkorea
spaltbares Material und technisches Know-how zur Herstellung von Atombomben
verkaufte und in einigen Fällen sogar verschenkte. Der „Vater der
islamischen Bombe“, wie Khan heute in der Weltpresse genannt wird, war
nicht nur ein Wissenschaftler, sondern er war von dem brennenden Glauben
besessen, der Besitz von Atomwaffen verschaffe dem Islam die Rückkehr zu
seiner einstigen Größe.
Pakistans militantes
Atomprogramm genießt in der gesamten islamischen Welt eine große
Popularität und wird als nachahmenswertes Vorbild hingestellt. 1999 forderte
Scheich Muhammad Sayyed al-Tantawi
von der al-Azhar Universität in Kairo den ägyptischen Besitz von atomaren
Waffen, um sich gegen Israel verteidigen zu können. Als theologische
Legitimation hierzu gab er einen Satz des ersten Kalifen Abu Bakr an, der
lautete: „Wenn sie dich mit dem
Schwert bekämpfen, dann bekämpfe auch du sie mit dem Schwert; wenn sie dich
mit dem Speer bekämpfen, dann bekämpfe du sie mit dem Speer.“ Daraus
zog der Scheich den folgenden Schluss: „Wenn Abu Bakr heute leben würde, dann
würde er sagen: ‚Wenn sie dich mit einer Atombombe bekämpfen, dann musst du
sie ebenfalls mit einer Atombombe bekämpfen.’“ Auch war in einem am 23.
Dezember 2003 verfassten Communiqué von Gelehrtem des al-Azhar Universität
zu lesen, dass die Beschaffung nuklearer Waffen eine religiöse
Verpflichtung sei. Das Schreiben war eine Reaktion auf die Debatte, die der
Scheich Ala A-Shanawi mit der Behauptung
ausgelöst hatte, Mohammed hätte sich sehr wahrscheinlich Nuklearwaffen
besorgt, um seine Feinde zu bekämpfen.
Immer wieder tauchen Presse-Artikel auf, in denen zu lesen ist,
auch Saudi Arabien strebe nach Nuklearwaffen. Zuweilen werden solche
Wünsche von saudischer Seite damit begründet, man müsse sich nicht nur vor
einem Angriff aus Israel, sondern auch aus dem schiitischen Iran schützen.
Hinter dem Wunsch nach der „Bombe“ dürfte jedoch ebenfalls die Überlegung
stehen, einer möglichen amerikanischen Besetzung des Ölstaates vorzubeugen.
Als erwiesen gilt, dass Saudis das pakistanische Nuklear-Programm mitfinanziert
haben.
Pakistans Bombe wird auch als
„Sunni-Bombe“ bezeichnet, weil die Einwohner des
Landes vorwiegend Sunniten sind. Jetzt soll die „Sunni-Bombe“
eine Schwester, die „Schia-Bombe“, erhalten. Unklar ist bis heute, ob
schiitische Mullahs die Konstruktion nuklearer Sprengkörper anstreben oder
sich vielleicht schon (dank dem Nuklearhandel Abdul Qader
Khans) im Besitz davon befinden. Schon 1992 hatte der damalige iranische
Vizepräsident Sayed Ayatollah Mohajerani
angekündigt: „Da Israel damit fortfährt, nukleare Waffen zu besitzen,
müssen wir, die Muslime, zusammenarbeiten, um eine Atombombe zu
produzieren, unabhängig von einer Anstrengung UNO, der Verbreitung [von
A-Waffen] zuvorzukommen.“
Fraglos ist die „Islamische Bombe“ zu einem beliebten und provokanten
Symbol der Ummah, der Gemeinschaft aller Muslime,
geworden: „Die Bombe spielt eine große Rolle im Volksbewusstsein der
Muslime als Symbol der Einheit, der Entschlossenheit und des
Selbstrespekts. Sie wird von vielen als eine Garantie gegen weitere erniedrigende
Niederlagen angesehen, als sicheres Zeichen für ein Umschlagen des
Schicksals, und als ein Allheilmittel gegen die Krankheiten von der die
Muslime seit dem Goldenen Zeitalter des Islams befallen wurden. Solche
Gefühle finden ihr Echo bei Muslimen von Algerien bis Syrien und vom Irak
bis Pakistan.“ – schrieb Pervez Hoodbhoy schon 1993 im Bulletin of
the Atomic Scientists. Dies trifft heute mehr denn je zuvor
zu.
Der Atomare Deal zwischenIndien und den USA
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Datum des Newsletters: 03. März 2006
Orte des Geschehens: Indien, USA
Protagonisten: George W. Bush, Manmohan
Singh, Robert Oppenheimer
Am 2. März haben der
US-Präsident George W. Bush und der indische Ministerpräsident Manmohan Singh einen Vertrag zur zivilen Nutzung der
Atomenergie geschlossen. Dem Atomwaffensperrvertrag ist Indien, das seine
eigenen A-Bomben produziert, niemals beigetreten. Damit durchbricht dieser
Deal die bisher geltenden internationalen Regelungen zur Begrenzung des
atomaren Wettrüstens, auch wenn nach außen hin betont wird, es handele sich
um eine rein zivile Nutzung der A-Energie, die zur Verhandlung stehe. Da
Indien nur einen Teil seiner atomaren Anlagen international kontrollieren
lässt, ist eine militärische Nutzung aber mehr als wahrscheinlich - zumal
die USA den Subkontinent als Gegengewicht zur Nuklearmacht China
unterstützen.
In keinem Land der Welt wurden und werden der Atom-Bombe so viele
mythologische und apokalyptische Bedeutungsinhalte unterstellt wie in
Indien. Das mag mit der Gründungsgeschichte dieser Superwaffe zusammen
hängen, denn als die erste A-Bombe am 16. Juni 1945 in der Wüste von
Los Alamos explodierte, ließ sich Robert
Oppenheimer (1904 - 1967), der „Vater der Bombe“, aus dem indischen
Kulturkreis „poetisch“ inspirieren. Zwei Tage vor der Explosion hatte er,
selber des Sanskrits mächtig, einige Zeilen aus dem Original der Bhagavadgita übersetzt. Als er dann den ersten
atomaren Pilz erblickte, kam ihm erneut das indische Kriegsgedicht ins
Gedächtnis: „Ich erinnerte mich einer Zeile aus der Hindu Schrift, der Bhagavadgita. Vishnu
[...] verwandelt sich in eine vielarmige Gestalt und sagt: ‚Jetzt bin
ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welt.’ Wir dachten wohl alle
etwas ähnliches.“ – berichtet Oppenheimer später. Bei der Explosion
klammerte er sich an den Pfosten im Kontrollstand und deklamierte laut aus
dem Heiligen Text: „Wenn das Licht von Tausend
Sonnen – Am Himmel plötzlich bräch’ hervor – Zu gleicher Zeit, das wäre –
Gleich dem Glanz dieses Herrlichen.“
Häufig benutzen
Hindu-Ideologen der Religiösen
Rechten diese Bhagavadgita-Sätze
Oppenheimers, um zu „beweisen“, dass die Atombombe ursprünglich aus dem
indischen Kulturkreis stamme. Sie behaupten, die traditionelle
Hindu-Gesellschaft habe schon in Urzeiten über modernste Waffen-Techniken
verfügt. „In Indien werden Oppenheimers Worte zunehmend durch einem neuen
Typus von Hindu-Aktivisten zitiert. Für sie zeigt sein Gebrauch ihrer Heiligen Texte, dass die Hindu-Ideen
von der Göttlichkeit mit der modernen Zeit verknüpft sind. Feuer und
Feuerrituale sind ein wesentliches Element des Hinduismus. Sie sagen, dass
das Antlitz des Schöpfergottes Vishnu wie ein
nuklearer Blitz aufleuchtet.“ – schreibt der französische Journalist Robert
Marquand.
Im Sanskrit bedeutet Schrift
„shastra“ und Waffe „shaastra“.
Es ist ein tiefeingesessenes religiöses Bild in der indischen Kultur, dass
man die Schrift in der einen und die Waffe in der anderen Hand hält.
Tatsächlich wimmelt es in den Heiligen Texten des Landes nur so von
Superwaffen. Im Nationalepos Mahabharata
ist von Sprengsätzen die Rede, die einen Zerstörungseffekt wie „fallende Sonnen“ haben, die als „gigantische Boten des Todes“
erscheinen und die „alles zu Asche
verbrennen“. Ein Held des Epos, Arjuna, muss
versprechen, von einer Waffe mit dem Namen Brahmasira
keinen Gebrauch gegen Menschen zu machen, weil sie ansonsten die Erde
vernichten werde. Auch im Ramayana kommt eine Waffe zum Einsatz, von der es heißt,
sie sei „stärker als die Hitze von Tausend Sonnen.“
In den rechts-religiösen
Kreisen der Hindutva gilt es heute als eine
„Binsenwahrheit“, dass die A-Bombe mit der in mehreren indischen Mythen
erwähnten ultimativen Waffe, die den Namen brahmastra
trägt, identisch sei: „Wenn eine Nuklearwaffe freigesetzt wird, dann
entsteht eine Strahlung, gleich der, die beschrieben wird, als Asvatthama [ein Held aus der Bhagavdgita] seine brahmastra zündet. Da kam es zu einer großen
Strahlung und die Leute fühlten eine schreckliche Hitze.“ – erklärt zum Beispiel
Swami Prabhupada von der Hare Krishna Bewegung.
Krishna (Vishnu),
Shiva und Rama sind Indiens Nukleargötter. Aber nicht nur die „Bombe“,
sondern ebenso ihr gesamtes militärisches Umfeld wurde mythologisiert: Der
Name der Mittelstreckenrakete „Agni“ leitete sich von dem indischen
Feuergott gleichen Namens ab. „Trishul“, eine
andere Raketengattung, bedeutet „Dreizack“ und verweist wiederum auf Lord
Shiva und seine tödliche Waffe. Auch die verschiedenen indischen Atom-Tests
tragen religiöse Namen wie „das Lächeln des Buddha“ (1974) und „Shakti“ (1998).
Sollte die religiöse Rechte
(BJP) in Indien wieder an die Macht
kommen (was nicht ausgeschlossen ist), dann wird sie auch „mythologisch“
über das von den USA gelieferte nukleare Material und Know How verfügen können.
Apokalyptischer
Nuklearismus
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Datum des Newsletters: 15. Februar 2006
Orte des Geschehens: der gesamte Planet
Protagonisten: Apokalyptiker aller Glaubensrichtungen
Die Konstruktion, Zündung und
Verbreitung von Nuklear-Waffen hatte von Beginn an einen bestimmenden
Einfluss auf das apokalyptische Denken. Der Einsatz von A-Waffen ist ein
Szenario, das in keiner „modernen“ Apokalyptik mehr fehlt. Seit den
Explosionen der Bomben von Los Alamos, Hiroshima
und Nagasaki werden Zerstörungs-Passagen aus den traditionellen
Endzeit-Texten der Religionen als Beschreibungen eines atomaren Holocausts
gedeutet. In der Tat ist in fast allen Heiligen
Schriften (in der Hebräischen Bibel,
in der Offenbarung des Johannes,
im Koran und in den Hadiths, in
der Bhagavadgita,
im Ramayana
und im Kalachakra-Tantra) von „übermenschlichen“
Waffen die Rede, die eine ungeheuerliche Zerstörungswirkung haben sollen.
Diese Passagen werden von den Apokalyptikern als göttliche Legitimation für
einen Atom-Krieg herangezogen.
Seit der Existenz der Bombe
sind solche atomaren Doomsday-Prophezeiungen mehr
als ein religiöses Phantasma: „Die Existenz dieser Waffen verwischt […] die
Jahrtausende alten Unterscheidungen zwischen der Phantasie einer
Weltvernichtung (ob von paranoiden Schizophrenen, religiösen Visionären
oder auch von ganz normalen Menschen in ihren Träumen) und der Fähigkeit,
diese Phantasie Wirklichkeit werden zu lassen.“ – schreibt der
amerikanische Gewaltforscher Robert Lifton.
Heute, nach dem 9/11, sprechen auch viele säkular eingestellte Kulturologen
von der Gefahr eines „apokalyptischen Nuklearismus“.
Der Begriff hat sich mittlerweile eingebürgert.
Das nukleare Potential, das
auf unserem Planeten gelagert ist, reicht hin, um die Welt in die Luft zu
sprengen. Insofern ist es als „apokalyptisch“ zu bezeichnen. Aber es ist
nicht Gott, sondern es sind die Menschen, in deren Entscheidung es liegt,
ob ein nuklearer Holocaust entfesselt wird. Dank der Nuklearwaffen und des
kaum mehr begrenzten waffentechnischen Erfindergeistes kann der Mensch
heute zum potentiellen Vollstrecker der Apokalypse werden, und zwar einer
„kupierten Apokalypse“ im Sinne des Religionssoziologen Klaus Vondung: „Wenn wir dennoch von einer Apokalypse eines
Atomkrieges sprechen, so haben wir es mit einer ‚kupierten’ Apokalypse zu
tun. Wir können nur die erste Hälfte der herkömmlichen apokalyptischen
Vision meinen; die zweite Hälfte, die Errichtung der neuen, vollkommenen
Welt, die früher dem Untergang Sinn und Ziel verlieh, hat sich
verflüchtigt.“
Die Christliche Rechte
prophezeit
die atomare Vernichtung des Irans
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Datum des Newsletters: 15. Februar 2006
Orte des Geschehens: USA, Iran
Protagonisten: christliche Apokalyptiker
Prophezeiungen aus ihren Heiligen Büchern werden von
religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen je nach Betonung
folgendermaßen verstanden: Sie gelten als Gottes Fahrplan für die
Geschichte; sie sollen eine fromme Akzeptanz kommender schrecklicher
Ereignisse bewirken; sie geben eine ethisch-theologische Legitimation für
humane Katastrophen als Ausdruck von Gottes Strafgericht; sie verlangen
eine aktive Beteiligung an Heiligen Kriegen. Passive Schicksalsergebenheit
und aktive Teilnahme können durchaus miteinander kombiniert werden, wobei
sich jedoch in den letzten Jahren die Beteiligung an den Kämpfen zwischen
Gut und Böse immer mehr als ein religiöser Imperativ durchgesetzt hat.
Allen Richtungen geht es dabei um dasselbe Ziel: die Ankunft ihres
jeweiligen militanten Messias zu beschleunigen. Auch die derzeitige
Iran-Krise wird unter diesem Aspekt von radikalen Mullahs ebenso wie von
radikalen christlichen Predigern als Vorzeichen eines in der Region des
Mittleren- und Nahen Ostens ausbrechenden Endzeit-Krieges angesehen.
So sagen zeitgenössische,
christliche Bibelpropheten die nukleare Vernichtung des Irans voraus. Als
„Beweis“ dienen ihnen dabei unter anderem „Prophezeiungen“ aus dem Buch Jeremia (49:
34-38). Dort heißt es: „So spricht der Herr der Heere: Seht ich zerbreche
den Bogen Elams, seine stärkste Waffe. Ich bringe
über Elam vier Winde von den vier Enden des
Himmels. In all diese Winde zerstreue ich sie, so dass es kein Volk gibt,
zu dem nicht versprengte aus Elam kommen. Ich
jage den Elamitern Schrecken ein vor ihren
Feinden. […] Unheil lasse ich über sie kommen, meinen glühenden Zorn. […]
Ich schicke das Schwert hinter ihnen her, bis ich sie vernichtet habe. Ich
stelle meinen Thron in Elam auf und vernichte
dort König und Fürsten. […] Aber in ferner Zukunft wende ich Elams Geschick – Spruch des Herrn.“ Mit diesen Sätzen
soll eine atomare Intervention gegen das Mullah-Regime durch göttliche
Instanz abgesegnet werden. Mit dem alttestamentarischen Elam
sei der Südwesten des heutigen Irans gemeint - schreibt der Schweizer
„Prophetie-Experte“ Roger Liebi. Mit den zerbrochen Bögen Elams spreche die Bibel die Raketenabschuss-Basen des
Landes an. Nach einem westlichen Nuklearschlag müssten die Elamer (sprich: Iraner) das Land verlassen und würden
über die ganze Erde zerstreut. Danach werde ein „Thron des Herrn“ (sprich:
des christlichen Gottes) in Elam (sprich: Iran)
errichtet.
Diese und viele ähnliche
Weissagungen aus der Bibel haben schon in den Irak-Kriegen als religiöse
Legitimation gedient. Sie werden jetzt erneut aus der Propheten-Schublade
gezogen und auf eine aktuelle Realität angewandt, die nichts Gutes
verheißt: Israelis und Amerikaner haben ihre Angriffspläne gegen den Iran
schon seit Jahren ausgearbeitet. Dabei gilt der Einsatz von atomaren Waffen
durchaus als Option.
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