Bei diesem Artikel
handelt es sich um das Nachwort zu unserem Buch
Hitler-Buddha-Krishna
Die
Gefahr einer globalen Kriegerkultur
Themenbereiche, die in diesem
Buch („Hitler-Buddha-Krishna“) zur Sprache gekommen sind, haben einen hohen
Aktualitätswert:
- Der
weltweite Aufstieg des Rechtsextremismus und des religiösen
Rechtsokkultismus
- Der
unkritische Import von östlichen Religionssystemen und Glaubenslehren
in den Westen
- Die globale
Aktivierung aggressiver Kriegermythen und Kriegerlehren als
Inspirationsquelle für den religiösen Fundamentalismus und für eine
weltweite Kshatriya-Kultur
Alle drei »kulturellen«
Sachverhalte, das haben wir gezeigt, können in einen engen Zusammenhang
miteinander treten und zu einer äußerst aggressiven Ideologiebildung
führen.
Der
weltweite Aufstieg des religiösen Rechtsokkultismus
Seit den 1990er-Jahren haben
nicht nur die »politischen« Bewegungen des Rechtsextremismus auf der ganzen
Welt eine Renaissance erlebt, sondern in der selben
Zeit konnte das rechtsradikale »Okkultmilieu«
unter dem Zeichen der »Schwarzen Sonne« eine internationale Subkultur
aufbauen. Der britische Historiker Nicholas Goodrick-Clarke
zeigt in seinem neuesten Buch Black
Sun – Aryan Cults, Esoteric Fascism and the Politics of Identity, wie effektiv sich Hitler-Kulte,
arische Mystiker, rassistische »Kshatriya-Gruppen«
(unter Skinheads), Nazi-Satanisten und Nazi-Heavy-Metal-Musikgruppen
in Europa ebenso wie in Nord- und Südamerika verbreitet haben – sie wurden
von den in unserem Buch vorgestellten NS-Visionären und ihren Erben
inspiriert. Hinzu kommt – unabhängig von diesem Milieu – ein eminent großes
Leserpublikum, welches an Themen der »Nazi-Mysterien« interessiert ist und
so dazu beigetragen hat, dass die entsprechende Literatur zu einem
»Dauerrenner« wurde.
Weil das »Nazi-Okkultmilieu« von seinen Inhalten her »phantasmatisch« ist, kann sein Einfluss auf die
»realpolitische« Seite des Rechtsextremismus nur indirekt sein. Aber das
macht es nicht weniger gefährlich: Ein sehr ähnliches »Phantasma« lieferte
am Anfang des 20. Jahrhunderts auch bei der Ideologiebildung des
historischen Nationalsozialismus den geistigen Nährboden. »Solche
Menschen«, so Goodrick-Clarke über die ariosophischen Sektenführer, Okkultisten und Schwärmer,
von denen sich Nazi-Größen bis hinauf zu Hitler und Himmler vor der
Machtübernahme beeinflussen ließen, »besaßen oft die Vorstellungskraft und
Fähigkeit, eine Traumwelt zu beschreiben, die den Gefühlen und Handlungen
der realitätsnäher eingestellten Männer, die sich in Positionen der Macht
und Verantwortung befanden, zugrunde lag. Tatsächlich haben ihre abstrusen
Ideen und seltsamen Kulte die politischen Doktrinen und Institutionen des
Dritten Reiches vorweggenommen.«
Umgekehrt findet der weltweit
feststellbare Aufstieg des realpolitischen Rechtsextremismus in den
subkulturellen Milieus der »Nazi-Okkulten« eine ideologisch stark
motivierte Anhängerschaft, die sich in ihrem »Nazi-Glauben« gerade durch
die offensichtlichen Erfolge der rechtsextremen Parteien bestätigt fühlt
und darin die unaufhaltsame Entstehung eines »Vierten Reiches« sieht.
Die phantasmatische Mischung aus
»Dichtung und Wahrheit« in der Nazi-Okkultliteratur
der Nachkriegszeit ist keinesfalls eine Schwachstelle im Prozess der
Mythenbildung, sondern umgekehrt, sie führt erst zu deren vollen
Entfaltung: Das Mysteriöse, das Geheimnisvolle, das Schreckliche, das
Irrationale, das Verborgene und das Religiöse erweisen sich als äußerst fruchtbarer
Humus für einen neuen »Hitler-Kult«. Dennoch kann das Phänomen »Hitler«
erst dann zu einem »Mythos« im eigentlichen Sinne werden, wenn es in der
»Transzendenz«, jenseits der Geschichte, verankert ist, d. h. wenn es eine
archetypische Qualität erlangt hat; um es direkt anzusprechen, wenn Hitler
zur Inkarnation eines »Gottes« oder eines »Dämons« erklärt wird oder wenn
er als Held »vergöttlicht« wird. Die »Apotheose« des deutschen Diktators
irgendwie zu bewerkstelligen, dem galt und gilt die Anstrengung der
NS-Mythenmacher, angefangen vom SS-Ahnenerbe bis hin zum »esoterischen
Hitlerismus«.
Bei der Entwicklung und Verankerung einer internationalen,
faschistischen »Kshatriya-Philosophie« spielen
die Ideen Julius Evolas und seiner Schüler eine
Königsrolle. Der italienische Faschist lehnt zwar eine Mythisierung Hitlers
strikt ab, betont aber wie kein anderer die machtpolitische und
metaphysische Bedeutung einer »sakralen Kriegerkaste« als
gesellschaftspolitisches Zukunftsmodell. Seine Philosophie ist weitgehend
vom »Phantasma« des eigentlichen Nazi-Okkultismus befreit und erlaubt es
deswegen, als weltanschauliches Fundament einer viel breiteren,
internationalen »Neuen Rechten« zu dienen. Obgleich Evola
selbst ein Okkultist und ein Ritualist war, hat
sein Ideengebäude eine in den östlichen Religionen verankerte metaphysische
Klarheit und professionelle Stringenz. Es ist gerade dieses
geisteswissenschaftliche Niveau, das es erlaubt, die »Krieger-Philosophie«
des »höchstgeachteten faschistischen Gurus« (Umberto Eco) an staatlichen
Universitäten, in rechtsextremen Akademien und in hochkarätigen
Intellektuellenkreisen der Neuen Rechten zu diskutieren und zu befürworten.
Der unkritische Import von östlichen Glaubenslehren in den Westen
Für ein System wie den religiösen Faschismus, das sich dogmatisch
aus »urarischen« Wurzeln abzuleiten versucht, musste der »Hitler-Mythos«
folgerichtig mit »urarischen« Mythen aus »grauer Vorzeit«, was immer man
darunter verstand, verknüpft werden. Dazu zählten für die Nazi-Visionäre
und ihre Erben neben der Edda und
dem Grals-Mythos der Vishnu/Kalki-Mythos,
der Krishna-Mythos und der Shambhala-Mythos. Es
sind vor allem indische Texte (die Bhagavadgita, der Vishnu Purana und die Shambhala-Vision des Kalachakra-Tantra), die das hoch explosive
philosophische und visionäre Material von aggressiven, morbiden und
menschenverachtenden Kriegs- und Zerstörungsmustern beinhalten und die es
entsprechend motivierten, rechtsextremen Schriftstellern ziemlich leicht
machen, den »Hitler-Mythos« aus dieser Bilder- und Ideenwelt heraus
abzuleiten.
Alte Mythen können, das zeigt die Geschichte, immer aufs Neue
aktiviert werden, um dann als Instrumente der Machtpolitik zu dienen. Das
entbindet sie letzten Endes von konkreten Personen oder von rassistischen
Fixierungen. Der »historische« Hitler gilt unter dem Aspekt der auf ihn von
den Nazi-Visionären und ihren Erben angewandten östlichen Ursprungsmythen (Vishnu/Kalki/Krishna)
nur als der »Erscheinungskörper« oder, wie es das Kalachakra-Tantra ausdrücken würde, als das
»Gefäß« einer dahinter stehenden »Gottheit«. Deswegen bilden die mit den
asiatischen Religionen in den Westen importierten Kriegermythen – ganz
unabhängig davon, ob sie innere Affinitäten zum »religiösen Faschismus« im
eigentlichen Sinne aufweisen – an sich schon ein kulturelles Problemfeld.
Denn sie aktivieren Bilder und legitimieren gesellschaftliche
Ordnungssysteme, die mit den humanistischen, demokratischen und
freiheitlichen Idealen des Westens nicht ohne weiteres kompatibel sind. Eine
besonders hohe Aufmerksamkeit sollte in diesem Zusammenhang dem Shambhala-Mythos des Kalachakra-Tantra zukommen:
1. weil sich dieser Mythos von einem
»Heiligen Shambhala-Reich« und einem »Heiligen Shambhala-Krieg« schon weltweit verbreitet hat;
2. weil in diesem Mythos die kriegerische
Auseinandersetzung mit dem Islam im Zentrum steht und dadurch ein möglicher
Kulturkampf zwischen der islamischen und der westlichen Welt forciert wird;
3. weil der kriegerische Shambhala-Mythos des Kalachakra-Tantra
durch die expansive Ritualpolitik des XIV. Dalai Lama als vorgebliche
Friedensaktivität das Vertrauen friedfertig und ökumenisch eingestellter
Menschen missbraucht; und
4. weil der Shambhala-Mythos eine hohe Akzeptanz in Kreisen des religiösen
Faschismus genießt.
Die globale Aktivierung aggressiver
Kriegermythen und Kriegerlehren
Der israelische
Militärhistoriker Martin van Creveld schrieb 1991
in seinem Buch Die Zukunft des
Krieges: »Die Konventionen für die Kriegsführung werden sich ganz
offenkundig noch auf andere Weise verändern, weil die Religion als Grund
für einen bewaffneten Konflikt wieder an Attraktivität gewinnt. Sollte die
hohe Militanz einer Religion anhalten, dann werden die anderen
höchstwahrscheinlich gezwungen sein nachzufolgen. Die Menschen werden dazu
getrieben, ihre Ideale, ihre Lebensweise und ihre nackte Existenz zu
verteidigen, und das werden sie unter dem Banner einer großen und mächtigen
Idee tun können.«
Tatsächlich hat sich in den
letzten zehn Jahren die Weltlage rasant in diese Richtung hin entwickelt.
Alles begann mit der Radikalisierung islamistischer Gruppen. Die von ihnen
propagierte und durchgeführte Idee des Djihad (Heiliger Krieg)
machte die »Sakralisierung des Krieges und des Kriegers« zu einem
hochbrisanten Thema, mit dem sich die gesamte westliche Intelligenzija und
Politik auseinandersetzen musste und muss. Durch den mit dem Blut der
islamischen »Märtyrer« besiegelten Begriff des »Gotteskriegers« wurde der
Keim gesetzt, der nach van Creveld die Gefahr in
sich birgt, dass es zu einer christlich-fundamentalistischen Gegenreaktion
kommt: »Folglich kann das gegenwärtige Wiederaufleben von Mohammed ein
Wiederaufleben des Gottes der Christen nach sich ziehen; das wird dann kein
Gott der Liebe sein, sondern ein Gott der Schlachten«, so der israelische
Militärexperte.
Ebenso wie der Buddhismus und
Hinduismus, so haben alle drei monotheistischen Religionen ihre Friedens-
und Liebesbotschaften: »Schalom« – »Pax« – »as-Salam
'alaykum« – »Der Friede sei mit Euch«. Ob jedoch
mit diesem Gruß auch Andersgläubige gemeint sind, ist für einige Anhänger
der jeweiligen Glaubensrichtung nicht immer selbstverständlich. Auch haben
alle drei abrahamitischen Religionen – ebenso wie
der Buddhismus und Hinduismus – ihre »Schwertverse«, die es den »Extremisten«
unter ihnen Jahrhunderte lang erlaubt hat und noch immer erlaubt, »Kshatriya-Philosophien«, »Kshatriya-Leitbilder«
und »Kshatriya-Organisationen« zu entwickeln.
Immer wieder sind es die »Heiligen Texte« und die »Uralten Mythen«, aus
denen die »Gotteskrieger« ihre Handlungen legitimieren:
Im
»Heiligen Buch« des Islam, dem Koran,
und in den Hadiths
lässt sich eine beachtliche Anzahl von Zitaten finden, die
unmissverständlich zum »Heiligen Krieg« gegen die Ungläubigen aufrufen.
Auch wenn der Islam als eine friedfertige Religion begonnen hat, so änderte
sich das nach der Hidjra,
der Auswanderung des Propheten nach Medina im Jahre 622 n. Chr. Mohammed
nahm jetzt gegen seine Feinde, die ihn verfolgt, ihn seit Jahren gedemütigt
und ihm den Zugang in die heilige Stadt Mekka verwehrt hatten, eine
aggressive Haltung ein. Der erste militante Vers aus dieser Zeit findet
sich in der 22. Sure des Korans:
»Den Gläubigen wurde erlaubt, die Ungläubigen, welche sie ungerechterweise
verfolgen, zu bekämpfen, und Allah ist wahrlich mächtig genug, ihnen
beizustehen«, heißt es dort. (Sure 22: 40) Von nun an werden immer
mehr kriegerische »Offenbarungen Allahs« in den Koran aufgenommen. Diese steigern sich dann bis zu der
martialischen Auforderung, den totalen Krieg
gegen alle Ungläubigen zu entfesseln, in dem berüchtigten »Schwertvers« aus der neunten Sure: »Sind aber die
heiligen Monate, in welchen jeder Kampf verboten ist, verflossen, dann
tötet die Götzenddiener, wo ihr sie auch finden möget; oder nehmt sie
gefangen und belagert sie und lauert ihnen auf allen Wegen auf.« (Sure
9:5) Die Geschichte des Islam ist derart häufig von religiös begründeten
Eroberungskriegen geprägt, dass man den Eindruck hat, dass in dieser
Glaubensrichtung Religion und Krieg zu einer Einheit verschmelzen können.
In der ganzen Welt gibt es heute wieder zahlreiche islamistische
Gruppierungen, für die der Djihad zur ersten aller religiösen Pflichten geworden
ist. Da mehrere davon mit exzessiver Gewalt den gesamten Westen angreifen,
führen – zumindest seit den Ereignissen vom 11. September 2001 – einige
glaubwürdige Kulturologen und Journalisten eine offene Debatte über die
problematischen Textinhalte in den islamischen Schriften.
Ausgehend
von bestimmten, prägnanten Textstellen des Neuen Testaments müsste das Christentum eigentlich als die
friedlichste aller monotheistischen Religionen angesehen werden. Die Bergpredigt und die Aufforderung
»Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst!«
beinhalten bemerkenswerte humanistische Wertvorstellungen. Aber bedauerlicherweise
ist auch in den »Heiligen Büchern« der
Christen jener verhängnisvolle »Schwertspruch« zu finden, der Ritterorden,
brutalen Kreuzzüglern, Konquistadoren,
Inquisitoren, Katholiken wie Protestanten als »Kshatriya-Philosophie«
gedient hat: »Glaubet nicht, ich sei gekommen, Frieden auf die Erde zu
bringen. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert«,
verkündet Christus seinen Anhängern (Matthäus 10: 34). Katastrophale
Folgen in der Glaubensgeschichte des Christentums hatte insbesondere die Offenbarung des Johannes, in deren
Name zahlreiche Religionskriege des Abendlandes bis hin zu den jüngsten
Balkanmassakern geführt wurden. Das apokalyptische Szenario vom »Kampf des
Guten gegen das Böse«, vom gewaltsamen »Untergang der alten verkommenen
Welt«, von der »Vernichtung der Andersgläubigen« und der anschließenden
Wiederauferstehung in einem »Tausendjährigen Reich« forderte Hekatomben von
Toten im »Namen Gottes«. Auch in der Johannes-Offenbarung
ist jener verhängnisvolle »Schwertvers« zu
lesen: »Aus seinem Mund kam ein scharfes Schwert; mit ihm wird er die
Völker schlagen«, heißt es dort von dem Reiter auf dem weißen Pferd, dessen
Name Wort Gottes ist. »Und er herrscht über sie mit eisernem Szepter, und er tritt die Kelter des Weines, des
rächenden Zornes Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung.« (Ap. 19: 15)
Wenn
der zutiefst an christlichen Wertvorstellungen orientierte amerikanische
Präsident George W. Bush seine aktuelle Antiterrorpolitik zu einem »Krieg
der Guten gegen die Achse des Bösen« erklärt, dann gerät er verbal in
gefährliche apokalyptische Fahrwasser, ganz besonders durch die Verwendung
des Wortes »Kreuzzug«. Dennoch ist heute von den drei monotheistischen
Religionen das Christentum am sichtbarsten bereit, mit Kritik umzugehen und
sich einer öffentlichen Debatte über seine Religionsinhalte und über seine
Geschichte zu stellen. In diesem Sinne sind die Entschuldigungen Papst
Johannes Pauls II. für Formen des katholischen Fanatismus in der
Vergangenheit menschlich und theologisch gesehen ein bemerkenswerter und
würdevoller Akt, bei allen Vorbehalten, die man diesem Kirchenfürst
gegenüber haben mag.
Auch
der jüdische Fundamentalismus beruft sich auf ein »Heiliges Buch«, das Alte Testament. Yahwe
ist fürwahr kein mildtätiger Gott. »Auge um Auge, Zahn um Zahn« lautet der
wohl berühmteste Rachespruch der Welt aus dem Buch Exodus (2. Moses
21, 24), der heute wesentlich die israelische Nahost-Politik unter Ariel
Sharon mitbestimmt. Im Buch Josua
steht geschrieben, wie Yahwe seinen
»Schwertboten« sendet. Als sich Josua in der Nähe von Jericho aufhielt,
»sah er plötzlich einen Mann mit einem gezückten Schwert vor sich stehen.« Auf seine Frage, wer er sei, antwortete der Fremde:
»Ich bin der Anführer des Heeres des Herrn.« (Josua 5: 14) Zwar werden die Mauern
Jerichos nicht durch Waffengewalt, sondern durch lautes »Kriegsgeschrei«
und mit Hilfe der Bundeslade zum Einsturz gebracht. Aber danach beginnt ein
abstoßendes Gemetzel: »Mit scharfem Schwert weihten sie [die Israeliten]
alles, was in der Stadt war, dem Untergang, Männer und Frauen, Kinder und
Greise, Rinder, Schafe und Esel.« (Josua 6: 21) Auch bei der
anschließenden Eroberung der Stadt Ai ließ Josua »seine Hand mit dem
Sichelschwert nicht sinken, bis er alle Einwohner von Ai dem Untergang
geweiht hatte« – »Es gab an jenem Tag insgesamt zwölftausend Gefallene,
Männer und Frauen, alle Einwohner von Ai.« (Josua 8: 26/25) Zeloten, Makkabäer, Konvertiten – die aus den
anderen Religionen bekannten Kriegszenarien von
rivalisierenden religiösen Gruppen, »Gotteskriegern« und Suizid-Märtyrern (Massada)
entdeckt man ebenfalls in der Historie Israels. »Schon seit den Königen
David und Salomon strotzt die Geschichte der Israeliten von Krieg, Mord und
Totschlag«, lesen wir am Ende des Jahres 2001 in einem Leitartikel des
Nachrichtenmagazins Der Spiegel
mit dem Titel »Der religiöse Wahn – Die Rückkehr des Mittelalters«.
Der
Terror jüdischer Fundamentalisten erreichte seinen vorläufigen Höhepunkt im
Mord an Jizchak Rabin durch den Fanatiker Jigal Amin, der vorgab, in Namen Yahwes als Scharfrichter über den zum Friedensdialog
bereiten Ex-General zu handeln. Militante Gruppen wie Gusch Emunim (»Block der Getreuen«) und Machteret
(»Untergrund«) orientieren sich an einer aus dem Alten Testament abgeleiteten Kriegerphilosophie »mit Gewehr und
Thora« in der Hand. Das Ziel dieser israelischen Fundamentalisten ist die
Rückeroberung des gesamten »Heiligen Landes«, die Restauration des alten
jüdischen Tempels auf dem Moira-Berg in Jerusalem und (in manchen Gruppen)
die Errichtung eines theokratischen Großisraels (Erez Israel) – womöglich vom Mittelmeer bis zum Euphrat und Tigris.
Dieser Eroberungsprozess soll das »Kommen des Messias« auslösen. Es ist
eine Tatsache, dass solche religiös-fundamentalistischen Vorstellungen
heute schon in der »Realpolitik« des Landes Einfluss gewonnen haben.
Eingedenk der grauenhaften Vernichtungsstrategien der Nazis gegen das
gesamte jüdische Volk stößt eine öffentliche und freimütige Debatte über
die problematischen Religionsinhalte des Judentums hierzulande
bedauerlicher- aber verständlicherweise auf größte Zurückhaltung.
Fundamentalisten
aus allen drei monotheistischen Religionen beschwören die »Rache Gottes«
und träumen von einem Staatswesen, in dem ihr jeweiliger Gott das absolute
Sagen hat. Das ist weitgehend bekannt. Dagegen hat sich der »liberale«
Westen im Falle der östlichen Lehren, speziell des Buddhismus, der Illusion
hingegeben, es handele sich hierbei um
die friedlichste und menschenfreundlichste aller Weltreligionen. Selbst
Atheisten und Agnostiker pflegen heute – bar jeglicher Geschichtskenntnis –
die Buddha-Lehre als »sanfte Religion« den »aggressiven« monotheistischen
Glaubensrichtungen gegenüber zustellen. So kann sich der Buddhismus im
Schatten der drei abrahamitischen Bekenntnisse,
die – zumindest aus der Sicht der Fundamentalisten und einiger
laizistischer Kulturologen wie Samuel P. Huntington – in gegenseitige
Kriege verwickelt sind, voll entfalten. Weitgehend unbehelligt bietet er
sich unter hochgehaltener »Friedensflagge« weltweit als die bessere
Alternative an.
Aber der Buddhismus war und
ist keineswegs nur eine »sanfte Religion«. Auch Der Spiegel, der ihm noch
1998 euphorisch »zweieinhalbtausend Jahre Friedfertigkeit« zugestand, hat
jetzt seine Meinung geändert. Weit zurückhaltender heißt es in dem
Politmagazin nach den Ereignissen vom 11. September 2001 und angesichts des
Kaschmir-Konflikts: »Solcher [religiöser] Wahn, der sich meist in Gewalt
gegen Andersdenkende austobt, grassiert selbst in so ›sanften‹ Religionen
wie dem Hinduismus und dem Buddhismus.«
Selbst
wenn der Buddhismus nach dem Zweiten Weltkrieg (im Gegensatz zum
Hinduismus) kaum als »Kriegerreligion« in Erscheinung getreten ist, so
beinhaltet er doch zusammen mit der Bhagavadgita die klarsten, konsequentesten und
»coolsten« ideologischen und praktischen Lehrsätze für eine postmoderne »Kshatriya-Philosophie«. Die aus den monotheistischen
Religionen abgeleiteten »Krieger-Ideologien« sind allesamt »gefühlsbetont«
und zielen auf eine militante »Heroisierung der Seele«. Dagegen lässt sich
aus dem Buddhismus ein martialischer Existenzstil ableiten, der sich
besonders gut mit der »emotionslosen« Welt des Faschismus kombinieren
lässt. Ebenso bedrohlich ist seine mögliche Synthetisierung
und Wahlverwandtschaft mit dem »seelenlosen« Universum von
High-Tech-Systemen und Intelligenzmaschinen. Die buddhistische Auflösung
des Ichs, die Leugnung einer Seele, die absolute Gefühlskontrolle, die
zynischen Konsequenzen aus der Karmalehre, der
Erleuchtungsweg jenseits von Gut und Böse, Vorstellungen von absoluter
Macht und das Übermenschentum (Maha Siddha) aus dem tantrischen Buddhismus und dazu
noch das magische Weltbild des Lamaismus – all das könnte attraktive Dogmen
für eine weltweite »Kshatriya-Kultur« liefern.
Ein ganzes Paket von sakralen Techniken ließe sich aus bestimmten
Lehrinhalten der östlichen Religionen ableiten, die einen zunächst
gewöhnlichen Soldaten in eine »heilige Tötungsmaschine« verwandeln könnten.
Das ist auch der eigentliche Grund dafür, weshalb sich das SS-Ahnenerbe,
der »SS-Mystizismus« und Julius Evola so nah an
buddhistische Vorstellungen anzulehnen versuchten.
Doch der »Kriegsbuddhismus«
liefert nicht nur martialische Verhaltenscodices
wie im Hagakure,
dem Katechismus der Samurai-Krieger, sondern ebenso seine eigenen
Welteroberungsvisionen wie im Shambhala-Mythos
des Kalachakra-Tantra. Das Schlachtenbild der Shambhala-Prophezeiung reduziert den kommenden
religiösen Weltenkrieg auf zwei Hauptgegner: Buddhisten und Moslems, den Shambhala-Krieger und den Mujahedin.
Danach stehen sich in ca. 300 Jahren das »Schwert Allahs« und das »Schwert
Buddhas« gegenüber, während das Christen- und Judentum als
Glaubensbekenntnisse verschwunden sind. Solche Imaginationen sind
angesichts der gegenwärtigen Weltenlage ein äußerst gefährliches,
dualistisches Zukunftsszenario, welches hier im Westen durch die ständigen
Aufführungen des Kalachakra-Rituals ideologisch
und »magisch« verankert wird.
Gehört die Zukunft der
westlichen Welt den buddhistischen Shambhala-Kriegern?
Jedenfalls lässt sich so eine Spekulation aus dem Science-Fiction-Film Krieg der Sterne rückschließen. Die
in diesem Kassenschlager auftretenden Protagonisten sind allesamt
Repräsentanten sakraler Kriegerclans. Es dürfte jedoch nur wenigen
Besuchern und Besucherinnen aufgefallen sein, dass die in einigen
Filmszenen benutzte Sakralsprache »Tibetisch« ist – ein weiteres Indiz
dafür, wie tief sich der kriegerische Shambhala-Mythos schon Zugang in die Populärkultur des Westens
verschafft hat.
Die Abenteuer des in den
östlichen Kriegskünsten geschulten »Kämpfers« dürfte neben dem »Liebesfilm«
eines der häufigsten Genres der amerikanischen Filmindustrie sein und hat
den »Western« weit hinter sich gelassen. Auch wenn diese Filmhelden meist
als Verteidiger von Freiheit, Recht und Menschlichkeit auftreten,
verherrlichen sie dennoch eine auf der totalen Gefühlskontrolle basierende
Tötungskunst und gehen in fast allen Fällen davon aus, dass Konflikte nur
durch Gewalt gelöst werden können. In Fernsehserien wie Nikita und Mortal Combat und in Erfolgsfilmen wie Die Matrix oder Ghost Dog werden die Gefühlskälte des Samurai und die innere
Unbeteiligtheit des Shaolin-Kämpfers zu einem
faszinierenden, eiskalten Stilmittel. Es ist leicht festzustellen, dass
sich die populäre »Kriegertypologie« des Westens zunehmend an asiatischen
Vorbildern orientiert, in denen Meditation und die Disziplin des Geistes ebensoviel zählen wie der Umgang mit der Waffe. So ist
in Hollywood die imaginäre Bühne für den im Kalachakra-Tantra vorausgesagten Shambhala-Krieg schon vorbereitet: Nicht christliche »Kreuzzügler« oder jüdische »Makkabäer« bekämpfen auf
der amerikanischen Filmbühne islamistische Terroristen, sondern in den
asiatischen Kampfkünsten geschulte Geheimdienstagenten und Special Troops
jagen fanatisierte muslimische Gotteskrieger und Suizid-Attentäter. Wenn es
in der Zukunft des Westens zu einer »Kshatriya-Kultur«
kommen sollte, dann wird sich diese nach östlichen Vorbildern und nach
traditionellen asiatischen Texten wie dem Hagakure, der Bhagavadgita und dem Shambhala-Mythos richten.
Anbetracht der »Kshatriya-Schriften« und »Kshatriya-Mythen«
aus dem Osten erinnert man sich an einige Sätze Heinrich Heines, in denen
er die gesellschaftlichen und politischen Explosionen voraussah, die
hundert Jahre später im Dritten Reich Europa und die Welt verändern
sollten. Eingedenk der deutschen Romantik und des deutschen Idealismus »erträumte«
er damals, dass sich bestimmte deutsche Gedanken Zugang zur geschichtlichen
Wirklichkeit verschaffen werden: »Lächelt nicht über meinen Rat, den Rat
eines Träumers, der euch vor Kantianern, Fichteanern
und Naturphilosophen warnt«, so Heine um das Jahr 1830. »Lächelt nicht über
den Phantasten, der im Reiche der Erscheinungen dieselbe Revolution
erwartet, die im Gebiete des Geistes stattgefunden. Der Gedanke geht der
Tat voraus wie der Blitz dem Donner. Der deutsche Donner ist freilich auch
ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig, und kommt etwas langsam herbeigerollt; aber kommen wird er, und wenn Ihr es
einst Krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat,
so wisst: der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht … Es wird ein
Stück aufgeführt werden, wogegen die französische
Revolution nur als eine harmlose Idylle erscheinen möchte.«
Der deutsch-jüdische Dichter
war der Ansicht, dass auf dem Gebiet der Gedanken, der Kunst und der
Phantasie zuerst die »Schlachten« geschlagen werden, die sich dann später
in der realen Welt als machtpolitische Kämpfe zeigen. Damit sich Heines
Zukunftsvision im 21. Jahrhundert nicht noch einmal bewahrheitet, wo dann
der »östliche« Donner, der langsam herbeigerollt
kommt, zusammen mit dem Donner des internationalen Rechtsextremismus noch
lauter kracht als der »deutsche« Donner im 20. Jahrhundert – damit das
nicht passiert, ist eine offene und fundierte Kulturdebatte innerhalb und
außerhalb der verschiedenen Religionen und Glaubensrichtungen, insbesondere
aber eine freimütige und differenzierende Diskussion über die importierten
asiatischen Religionsinhalte ein Gebot der Stunde.
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