Komparative Studien zum Fundamentalismus
Die Apokalyptische Matrix
Ursache
im Krieg der Religionen
© Victor
und Victoria Trimondi
Ein kurzer Blick auf die Schlagzeilen
seit Anfang des Jahres (2006) zeigt, wie weit sich Politik und Religion
schon miteinander verfilzt haben: Tony Blair erklärte im britischen
Fernsehen, er sei dem Weg Gottes gefolgt, als er sich für einen Krieg gegen
den Irak entschied; dort sprengen verschiedene muslimische Sekten gegenseitig
ihre Moscheen in die Luft; weltweit tobte ein aggressiver, massenhafter
Aufstand islamischer Extremisten gegen die im Westen veröffentlichten
Mohammed-Karikaturen; in Nigeria und der Türkei wurden Christen in diesem
Zusammenhang getötet und christliche Kirchen zerstört; die
fundamentalistische Hamas, deren Grundsatzerklärung die Vernichtung des
jüdischen Staates einfordert, übernahm die Regierungsbildung in den
palästinensischen Autonomiegebieten; der iranische Präsident Mahmoud
Ahmadinedschad spricht Israel das Existenzrecht ab und kündigt vor der UNO
Vollversammlung das Erscheinen des schiitischen Messias (12. Imams) an; die
extremistische jüdische Siedlerbewegung tritt unter der Führung Benjamin
Netanjahus in eine neue Phase der Radikalisierung; in Varanasi (Indien)
löst die tödliche Bombe in einem Hindu-Tempel den alten Konflikt zwischen
der religiösen Rechten des Landes und den Muslimen wieder auf; der
christliche Fundamentalismus ist in den USA zu einem politischen
Machtfaktor geworden, der bis hinein ins Oval Office reicht, und seine
Ideologien sind dabei, in Europa Fuß zu fassen; mehr oder weniger direkt
drohen religiöse Terroristen und westliche Staatschefs mit dem Einsatz von
Nuklearwaffen; ein Militärschlag gegen den Iran wird als letzte Option
nicht ausgeschlossen – all diese jüngsten Ereignisse dienen heute Hunderten
Millionen von Menschen aller Glaubensrichtungen als Indizien für einen
„Kampf der Kulturen“ bzw. einen „Krieg der Religionen“. Bisher wurden diese
beiden umstrittenen Begriffe von Politikern, Experten und
Religionsvertretern bewusst und mit guten Absichten heruntergespielt. Doch
die Vorkommnisse der letzten Wochen haben die Schleusen für eine Debatte
über den „Krieg der Religionen“ mit Gewalt aufgestoßen. Talkshows,
Politkommentare, TV-Dokumentationen und Print-Medien sprechen das Thema
heute unverhohlen an.
Zweifellos ist die Religion seit Ende des
20. Jahrhunderts entgegen allen Erwartungen zu einem planetaren
soziokulturellen Phänomen und zu einem mächtigen Mitspieler auf der Bühne
der Politik geworden. Parallel zur ökonomischen, kommunikativen und
politischen Globalisierung sind wir in allen Kulturen und Ländern mit einer
rasant sich ausbreitenden Hinwendung zur Glaubensinhalten konfrontiert. Für
diese globale Renaissance des religiösen Bewusstseins ist nicht zuletzt der
Zusammenbruch der kommunistischen und vorher der faschistischen Staaten
ursächlich. Beide totalitären Systeme waren aufs engste mit Visionen und
Utopien von (in ihrem Sinne) idealen Gesellschaften verbunden. An deren
Stelle sind nun die endzeitlichen Heilsversprechungen der Religionen von
einer vollkommenen Welt getreten: statt eines sozial-revolutionären Führers
erwarten nun Millionen das Erscheinen eines militanten Messias, der sie mit
Gewalt ins Paradies bombt. Mittlerweile hat dieser „moderne“, weltweit
agierende Fundamentalismus eine eigene „politische Theologie“ entwickelt,
die je nach religiöser Ausrichtung variiert, die aber im Kern sehr ähnliche
Ziele mit verblüffend ähnlichen Mitteln verfolgt.
Worin besteht nun das übergreifende Dogma dieser
„politischen Theologie“, welches Islamisten, fundamentalistische Christen,
religiöse Zionisten und radikalisierte Hindus miteinander teilen, obgleich
sie sich gegenseitig bekriegen? Sie alle machen keinen Unterschied mehr
zwischen Religion und Politik; sie alle glauben daran, dass ein Weltkrieg
zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen kurz bevorstehe oder schon im
Gange sei; sie alle haben ein eschatologisches Geschichtsverständnis. Man
kann ihre gemeinsame Vorstellungswelt als apokalyptische Matrix bezeichnete, denn es ist ein
messianisch-apokalyptisches Selbstverständnis, das in letzter Instanz
hinter dem militanten Fundamentalismus jeglicher Couleur wirksam ist. In
allen Religionen drückt sich diese apokalyptische
Matrix erst einmal in den Prophezeiungen ihrer Heiligen Texte vom Ende der Welt und dem Auftritt ihres
jeweiligen Erlösers aus. Bei den Juden vor allem in den Büchern der
Propheten, insbesondere im Buch Daniel, bei den Christen
insbesondere in der Offenbarung des Johannes, bei den Muslimen in
Passagen aus dem Koran und in zahlreichen Hadiths (Sprüchen
des Propheten Mohammed), bei den (lamaistischen) Buddhisten im Kalachakra-Tantra
und bei den Hindus in der Bhagavadgita, dem Vishnu Purana und
dem Ramayana.
Die apokalyptischen
Matrix hat die Form eines „Dramas“ vom Untergang der Welt und ihrer
Neuerstehung. Sie weist in allen Glaubensrichtungen die folgenden gleichen
Inhalte, Handlungsabläufe und Zielrichtungen auf:
1.
Die
Geschichte der Menschheit ist der irdische Ausdruck eines kosmischen
Krieges zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis. In diesem
universellen Kampf stehen sich Gott und Satan, Engel und Teufel, Oberwelt
und Unterwelt als unversöhnliche Feinde gegenüber. Wenn sich die
Weltgeschichte der apokalyptischen Entscheidungsschlacht nähert, ist jeder
Mensch gezwungen, sich für oder gegen Gott zu entscheiden.
2.
Die
gegenwärtige Periode in der Menschheitsgeschichte ist gekennzeichnet durch
die zunehmende Herrschaft des Bösen, die sich ausdrückt im sittlichem
Verfall und sexuellen Exzessen, in Ungläubigkeit, Korruption, Krieg,
Gewalt, Ungerechtigkeiten, Verbrechen, Seuchen, Naturkatastrophen und Wirtschaftskrisen. Die Gegenwart, so wie
sie ist, wird radikal abgelehnt.
3.
Ein
Dämon, der Satan oder dessen Stellvertreter, ergreift die Gewaltherrschaft
über diese Welt der Niedertracht. Mit Vorspiegelungen, Betrug,
Hinterhältigkeit, Manipulation, Terror und Mord zwingt er einen Großteil
der Menschheit unter sein Kommando und wird zum Weltenherrscher. Dann
versucht er nach dem Throne Gottes zu greifen.
4.
Kurz
bevor der satanische Welt-Imperator alle seine Ziele erreichen kann,
inkarniert sich im letzten Augenblick das Gute in der Gestalt eines
„Militanten Messias“, der als Anführer einer „kosmischen Armee“ aus
Menschen und Überwesen (Engeln, Göttern, Heroen) mit extremer Härte, mit
Zorn und mit gnadenloser Grausamkeit gegen die „Koalition des Bösen“, den
Teufel und sein Pandämonium antritt und diese dann endgültig vernichtet.
Beide Parteien kämpfen mit allen Arten von Massenvernichtungswaffen und
setzen auch Naturkatastrophen und Seuchen als Kampfmittel gegeneinander
ein.
5.
Die
Anhänger des „Militanten Messias“ bezeichnen sich als „Gotteskrieger“, die
bereitwillig das Martyrium auf sich nehmen, um dadurch sofortige „Erlösung“
zu erlangen.
6.
Vernichtet
werden am Ende alle, die nicht den „wahren“ Glauben haben, erlöst werden
dagegen alle Rechtgläubigen. Diejenigen, welche die apokalyptischen Kriege
überleben, müssen sich einem Gericht stellen, das die restlichen Rebellen
und Ungläubigen zu unsäglichen Höllenqualen verurteilt.
7.
Nach
seinem triumphalen Sieg über das Böse errichtet der „Militante Messias“
einen weltweiten, autoritativen „Gottesstaat“ (eine Theokratie oder eine
Buddhokratie) mit dem eigenen Glauben als einziger Religion. Ein
totalitärer Staat, in dem alle Gesetze von „Gott“ und nicht von den
Menschen erlassen werden, in dem die absolute Macht durch ein militantes
Priesterkönigtum ausgeübt wird und in dem die Frauen eine untergeordnete
Rolle spielen, ist das Ziel jeder traditionellen Endzeitvision. Dieser
religiöse Machtstaat wird in den apokalyptischen Schriften als das
„Paradies auf Erden“ beschrieben.
8.
1000
Jahre (ein Millennium) lang dauert dieses paradiesische „Reich des Guten“.
Danach geht es ebenfalls unter und der gesamte Planet Erde wird vernichtet.
Die allgemeine Gültigkeit der apokalyptischen Matrix für alle
Glaubensrichtungen zeigt jedoch die ganze Absurdität des messianischen
Endzeit-Wahns. Obgleich sie sich in einen gegenseitigen „Heiligen Krieg“
verstricken und sich in einer Konkurrenz um die Erlangung der
Weltenherrschaft befinden, teilen die Apokalyptiker aller Religionen sehr
ähnliche traditionalistische Wertvorstellungen insbesondere in ihrer
konservativen Haltung gegenüber der Geschlechterfrage. Auch in ihren
politischen Visionen ähneln sie sich. Vertreter der amerikanischen Christlichen Rechte, religiöse
Zionisten, revolutionäre Islamisten, Hindu-Fundamentalisten und Dalai Lama
Anhänger alle träumen von einer globalen Theokratie (bzw. Buddhokratie)
ihres jeweiligen Höchsten Wesens. Insofern ist es im eigentlichen Sinne
falsch vom „Kampf der Kulturen“ zu sprechen, denn die sich gegenseitig bekriegende
„Kultur-Muster“ decken sich inhaltlich, strukturell und programmatisch in
vielen Punkten. Die „Guten“ und die „Bösen“ im apokalyptischen Welttheater
sind einander sich bekämpfende „Brüder“, die vom selben zerstörerischen
dualistischen Geist, wenn auch jeweils mit umgekehrtem Vorzeichen,
getrieben werden.
Jede religiöse Gruppe, die einen apokalyptischen Krieg
befürwortet, ein großes Interesse daran, dass die andere Seite ebenfalls in
das apokalyptische Delirium hineingezogen wird und sich durch dualistische
Reizwörter wie Gut und Böse, Gott und Satan, Heilig und Unheilig
artikuliert. Die daraus resultierende gegenseitige Dämonisierung führt
notwendigerweise dazu, dass sich die apokalyptische
Matrix parteiübergreifend durchsetzen kann, um den messianischen
Endzeit-Wahn erst richtig anzuheizen.
Als zum Beispiel der amerikanische Präsident
George W. Bush erklärte, einen Krieg gegen die „Achse des Bösen“ zu führen,
ist er nolens volens in die
apokalyptische Falle getreten, die ihm von Osama bin Laden gestellt wurde.
„Den ‚Heiligen Krieg’ zu beschwören ist ein Kurs voller Gefahren“ – warnt
der amerikanische Soziologie-Professor John R. Hall von der University of California – „denn
seine Rahmenbedingungen geraten mit Begriffen in Konflikt, welche diejenigen
von al-Qaida widerspiegeln. In der Tat, insoweit die USA und ihre
Verbündeten es zulassen, dass al-Qaida die Auseinandersetzung als eine
‚apokalyptische’ definiert, helfen sie al-Qaida in ihren Anstrengungen,
ihren Kampf unter den muslimischen Anhängern als ‚Heiligen Krieg’ zu
definieren.“ Die Apokalypse der einen Partei potenziert die Apokalypse der
anderen. Der Endzeit-Wahn, der Hass auf das bestehende Leben und auf die
Erde kann zu einer self fullfilling
prophecy werden.
Jetzt schon ist die Zahl der US-Bürger, die Geschichte und
Politik aus der Sicht biblischer Prophezeiungen interpretieren, gigantisch.
Nach einer Umfrage von TIME/CNN spekulieren mehr als ein Drittel aller
Amerikaner darüber, in welchem Zusammenhang aktuelle Nachrichten mit den
Weissagungen der Heiligen Schrift
stehen. 59 Prozent (!) sind davon überzeugt, dass wir in einer Zeit leben,
in der sich die Ereignisse der Johannesoffenbarung realisieren und
ein Viertel glaubt, der 11. September sei in der Bibel vorausgesagt.
Die beiden prominentesten Zeitschriften der Welt Time Magazine und Newsweek widmeten dem Thema
Titelgeschichten: „Apocalypse Now“ (Time
Magazine 2002) und „Die neuen Propheten der Offenbarung“ (Newsweek 2004). Auch die ehrenwerte Washington
Post vom 02. Februar 2003 spricht von einem „aufkommenden Zeitalter der
Apokalypse“ und resümiert: „Vor zehn Jahren lasen wir Professor Francis
Fukuyama’s Essay und toasteten auf das Ende der Geschichte. Dann
folgte Professor Samuel Huntingtons Nachdenken über den Kampf der
Kulturen. Jetzt ist es schlimmer: Wir werden gewarnt, uns nicht nur
Sorgen über den Kampf der Kulturen zu machen, sondern über das Ende der
Zivilisation, wie wir sie kennen, über das Ende, vielleicht, der Welt
selber.“
Sogar die deutsche Presse zeigte sich angesichts des
Doomsday-Trends besorgt. So berichtete der Spiegel im Jahre 2003: „Seit den Anschlägen vom 11. September
hat die Apokalypse des Johannes, das Buch der Offenbarung,
wieder einmal Hochkonjunktur bei den fundamentalistischen Kirchen
Amerikas.“ Mittlerweile aber ist dieser Apokalypsen-Wahn erfolgreich dabei,
in Europa, insbesondere auch in Deutschland, Fuß zu fassen. Abgelesen
werden kann das unter anderem an den Verlagsprogrammen. Bertelsmann/Random
House setzt seit neuesten explizit auf christliche Schriftsteller, darunter
auch den extremistischen Doomsday-Autor Tim LaHaye, der mit seinen
messianisch-apokalyptischen Thrillern Millionen von US-Bürger mit dem
Endzeit-Virus infiziert hat. Für viele Kulturkritiker gilt er deswegen als
der „mächtigste [christliche] Fundamentalist im heutigen Amerika“: 2002
unterschrieb LaHaye mit der amerikanischen Sektion von Random House (Bertelsmann) einen 42 Millionen Dollar Vertrag
für eine Serie mit dem Titel „Babylon steht auf“ (Babylon Rising)
und kassierte damit den größten Vorschuss, den je ein Schreiber in der
Geschichte des modernen Verlagswesens erhalten hat. Hier in Deutschland
vertreiben Blanvalet und Gerth-Medien die LaHaye Bücher. Beide Häuser
zählen zu Bertelsmann.
Über das messianische Selbstverständnis des amerikanischen
Präsidenten George W. Bush und neuestens auch über das polit-religiöse
Outfit des britischen Premiers Tony Blair hat die internationale Presse
ausführlich berichtet. In Europa wird jedoch kaum zur Kenntnis genommen,
dass in den USA schon seit vielen Jahren eine intensive, öffentliche und
verbissen geführte Theokratie-Bewegung im Vormarsch ist, welche die
Schaffung eines totalitären christlichen „Gottesstaates“ zum Ziel hat.
Langfristig versucht die Christliche Rechte die säkulare US-Gesellschaft
über das Bildungswesen zu Fall zu bringen. Dabei soll ein amerikanischer
„Gottesstaat“ nur der Anfang eines zukünftigen, weltweiten christlichen
Imperiums sein. Sozusagen als Vorgeplänkel des kommenden
inner-amerikanischen Kulturkrieges wird von den Fundamentalisten die
sogenannte „Darwin-Debatte“ angesehen, die dabei ist, ebenfalls nach Europa
überzugreifen. Diese Attacke auf die Evolutionslehre ist nur die Spitze
eines Eisberges. Daniel Dennet, engagiertester Sprecher der Darwin-Zunft,
fasst deswegen in einem Spiegel-Interview die Intentionen seiner Gegner mit
den folgenden zwei Sätzen zusammen: „Sie wollen in Amerika einen
Gottesstaat errichten. Es ist erschreckend, dass viele von ihnen überzeugt
sind, das Jüngste Gericht stehe bevor.“ Sogar traditionell eingestellte
Theologen wie Jürgen Moltmann sehen im christlichen Fundamentalismus der
USA eine Gefahr, die unseren ganze Planeten in den Abgrund ziehen mag: „Das
amerikanische Millennium kann der Untergang der Welt sein. Wie dem
amerikanischen Traum der amerikanische Alptraum und dem amerikanischen
Messianismus die amerikanische Apokalyptik auf den Fuß folgen kann.“ –
meint Moltmann.
Auch der
fundamentalistische Islam orientiert sich an der apokalyptischen Matrix. Der Bericht eines israelischen
Geheimdienst-Beobachters aus dem Jahre 2004 sieht die derzeitige gespannte
Lage im Irak als einen „gefährlichen islamisch-messianischen Strudel“. Die
Auseinandersetzung mit den Koalitionskräften sowie zwischen Sunniten und
Schiiten werde von militanten Irakern zunehmend „apokalyptisch“ gedeutet,
sagte der Mann. Es seien auch endzeitliche Prophezeiungen, die
islamistische Terroristen aus anderen Ländern dazu veranlassten, in das
Land zu gehen, um von dort aus den „Kampf gegen das Böse“ aufzunehmen.
Seit Jahren ist
die apokalyptische Obsession der Islamisten bekannt, dennoch wird in der
Öffentlichkeit kaum darüber diskutiert: Osama bin Laden, Ayman al-Zawahiri,
Abu Musab al-Zarqawi, Muqtada al Sadr, die Führer der Hamas und der
Hisbollah, sie und viele andere sind Endzeit-Fanatiker, die sich als
Erfüllungsgehilfen bei der Errichtung eines weltweiten Kalifats oder sogar
des Jüngsten Gerichts verstehen. „Gott sandte mich mit einem
Schwert, um die Stunde des
Jüngsten Gerichts vorzubereiten, dann wenn Gott allein verehrt wird ohne
einen anderen neben ihm.“ Dieser Spruch des Propheten Mohammeds (in
westlicher Sprache meist falsch übersetzt) wird von Osama bin Laden und
anderen Terroristen in ihren „Kriegserklärungen“ immer wieder bemüht. Aber
auch die große Masse der Muslime ist für Endzeit-Ideologien empfänglich.
„Eine Milliarde Muslime werden letztendlich in ein Millennium Szenario
hineingezogen, in dem sie die Welt erobern. […] Je gewaltsamer und aktiver
das apokalyptische Szenario ist, je destruktiver können seine Konsequenzen
sein, gleichgültig wie unrealistisch die Ziele sind. Der Westen kann es
sich nicht leisten, diese Phantasien einfach nicht zu beachten, weil er sie
für nicht realistisch hält.“ – erklärt der amerikanische Historiker Richard
Landes über den Doomsday-Glauben in der islamischen Welt.
Erst in der
letzten Zeit als der iranische Präsident Ahmadinedschad seine Politik damit
begründete, sie werde die Rückkehr des militanten schiitischen Messias, des
12. Imam (Imam-Mahdi) beschleunigen, berichtete die Weltpresse eingehender
über den islamischen Apokalypsen-Wahn. Auslöser hierfür war vor
allem die Rede, die Ahmadinedschad am 17. September vor dem Plenum der
Vereinten Nationen in New Yorck hielt. Was die heikle Nuklearfrage
anbelangt, so brachte seine Ansprache nichts Neues, sondern er wiederholte
das unantastbare Recht des Irans auf „friedliche“ Nutzung von
Nuklearenergien. Religionspolitisch muss diese „Predigt“ als eine Sensation
angesehen werden, denn der iranische Präsident proklamierte schlichtweg das
Ende des agnostischen, säkularen Zeitalters und stellte das Primat der
Aufklärung in Frage. Heute kultiviere die gesamte Menschheit wieder den
Glauben an einen einzigen Schöpfergott, sagte Ahmadinedschad. Der
Monotheismus sei das Band, das alle Völker zusammenschließe, Glaube und
Religion seien auch die einzigen Mittel, um die anstehenden Weltprobleme zu
lösen, denn die Aufklärung und die (westliche) Wissenschaft hätten
endgültig versagt. Sie müssten durch „das Wissen, basierend auf der
göttlichen Offenbarung“ ergänzt werden, bzw. sich in deren Dienst stellen.
Die Propheten Noah, Abraham, Moses, Jesus und Mohammed hätten dieses
„göttliche Wissen“ auf Erden zum Wohle aller Menschen verkündet. Der
allgemein feststellbare Trend hin zur Religion, das sei, so Ahmadinedschad,
die gute Nachricht. Am Ende seiner Rede kündigte er das Erscheinen des
Imam-Mahdis, des schiitischen Erlösers an.
Mittlerweile ist die iranische Gesellschaft völlig
apokalyptisch durchseucht. In der jüngsten Ausgabe des deutschen Magazins Spiegel heißt es über den populären
Radiosender Dschawan: „Schon um Viertel nach acht, gleich nach den
Frühmachrichten, geht es um die Apokalypse, um das Ende der Welt. […] ‚Das
Ende der Zeiten ist nah’, sagt [der Sprecher]. 50 Zeichen, so stehe es geschrieben,
würden auf das bevorstehende Weltende hindeuten, 33 habe er bereits
erkannt. Die Männer werden sich kleiden wie Frauen, heiße es in den
Büchern. ‚Und? Versinkt diese Stadt nicht in Sittenlosigkeit?’ Der Fluss
durch die Heilige Stadt werde austrocknen. ‚Ist nicht der Fluss durch Ghom
inzwischen völlig versiegt?’ Genau dazu passe es, dass nun plötzlich alle
über die Atombombe redeten – auch ein Zeichen für ‚aschar-esamam’, das Ende der Zeiten und die Wiederkehr des
Mahdi, des zwölften, des verborgenen Imam.“ So wird Ahmadinedschad auch von
westlichen Säkularisten als Endzeitfanatiker wahrgenommen: „Momentan tritt
dieser fromme Apokalyptiker fast Tag für Tag irgendwo in seinem Land auf,
immer triumphal, immer umgeben von religiösen Würdenträgern, hohen
Offizieren und nationalen Symbolen, immer enthusiastisch gefeiert […] Er
meldet vor der Geschichte, ‚dass wir den nuklearen Kreislauf durch die
Gnade des allmächtigen Gottes und dank der Anstrengungen unserer
Wissenschaftler gemeistert haben.’“ – heißt es im Spiegel.
Die traditionelle jüdische Apokalyptik wird an erster
Stelle durch radikale Rabbiner der Siedlerbewegung „kultiviert“ und sehr
geschickt und suggestiv mit der Geschichte Israels zu einem „modernen“
Endzeit-Wahn verwoben. Während sich der säkulare Zionismus historisch gegen
die „religiöse“ Interpretation einer jüdischen Besiedlung Palästinas
stellte, entwickelte sich seit dem 6 Tage Krieg eine religiöse Variante des
Zionismus mit messianischen Zielvorgaben. „Die religiösen Zionisten der
neuen Sorte sind davon überzeugt, dass sie den Willen Gottes erfüllen und
das Kommen des Messias vorbereiten. Die ‚national-religiösen’
Kabinettsminister, die immer zum moderaten Flügel der Regierung gehörten,
machten einer neuen extremistischen Führung Platz, mit Tendenzen zum
religiösen Faschismus.“ – schreibt der israelische Friedensaktivist Uri
Avnery. Zuerst förderte der jetzt im Koma liegende Ariel Scharon diese
Bewegung, dann distanzierte er sich davon und begann damit einige jüdische
Siedlungen, insbesondere im Gaza-Streifen, zu schließen. Seine Krankheit,
derzeit ohne Hoffnung auf Genesung, wird heute von jüdischen
Fundamentalisten als Gottesgericht über einen Mann angesehen, der das
Heilige Land an die Muslime herschenken wollte. Bei den kurz bevorstehenden
Wahlen gruppiert sich die jüdische Rechte um den Populisten Benjamin
Netanjahu, der wiederum von der christlichen Rechten Amerikas unterstützt
wird. „Wie wir gesehen haben, beschäftigen wir uns hier nicht mit einer
Bande verrückter Propheten oder mit einer extremen Minorität am Rande der
Gesellschaft, sondern mit einer dogmatischen Denkschule und einer
methodischen Doktrin, die unweigerlich zu einer Politik führt, welche die
Konzepte der Menschen- und Bürgerrechte nicht tolerieren kann, weil ihre
Vorstellungen von der [religiösen] Totalität von Zeit und Raum keinen Platz
für Toleranz zulassen.“ – schreibt der israelische Historiker Uriel Tal
über die radikalen jüdischen Siedler.
Es scheint so, als würde sich der ganze apokalyptische
Wahn in einer Stadt und auf einem Platz verdichten: in Jerusalem und auf
dem Tempelberg. In den Endzeit-Prophezeiungen aller drei monotheistischen
Religionen bilden sie die Hauptbühne und sind der Erscheinungsort ihres
jeweiligen Messias. Aber nicht nur Fundamentalisten sondern auch säkular
eingestellte Politologen und Politiker bezeichnen den Tempelberg als die
Akupunkturstelle, von der möglicherweise ein Weltenbrand ausgehen mag. „Der
Tempelberg ist wie ein rauchender Vulkan, der ständig Blasen entlässt und
der auszubrechen droht. […] Wenn der Heilige Ort beschädigt wird, fällt die
ganze Schande auf Israel zurück und apokalyptisch zerstörerische Kräfte
könnten entfesselt werden.“ -
schreibt die israelische Gruppe Keshev, ein Zentrum zur Verteidigung
der Demokratie. Jedenfalls ist das religiöse Weltbild islamischer,
christlicher und jüdischer Fundamentalisten mittlerweile so ausschließlich
auf diesen Ort fixiert, dass eine endgültige Befriedung von Jerusalem der
Doomsday-Obsession die Zielvorgabe nähme und das Wahngebilde zum Einsturz
bringen würde.
Als Indiens größte Rechtpartei (BJP) im Mai 2004 die Wahl
verlor und die Macht an die Kongresspartei abgeben musste, sahen ihre
meisten Funktionäre in der Abkehr von den tradierten Werten und den
religiösen Inhalten des klassischen Indiens die Ursache für die Niederlage.
Der Ruf „Zurück zur Basis! Zurück zur Hindutva!“
ist seither zu einem Slogan geworden, unter dem sich heute die Religiöse Rechte Indiens neu
gruppieren will.
Die Hindutva ist
eine kulturpolitische Bewegung, in der sich die traditionalistischen und
militanten Ströme des Landes sammeln. Sie entstand Ende des 19.
Jahrhunderts als Widerstand gegen den britischen Kolonialismus. Ihre Anhänger orientieren sich an den
Heiligen Texten des indischen Kulturkreises, die endzeitliche
Visionen zum Inhalt haben. Dazu rechnet unter anderem der Vishnu Purana.
Diese Prophezeiung verkündet, dass der Gott Vishnu als Militanter Messias
inkarnieren wird, um die Welt von den Mächten des Bösen zu befreien. Ein
mörderisches Endzeitgemetzel ist die Folge. Auch das populäre Epos Ramayana
enthält apokalyptische Elemente. Die dort beschriebenen Kriege des Gottes Rama gegen den Dämonen Ravana dienen der Religiösen Rechten Indiens in den
derzeitigen Religionskonflikten mit den einheimischen Muslimen als
ideologische Orientierung. Eine weitere, klassische Schrift der indischen
Endzeit-Literatur ist die Mahabharata, insbesondere die darin
enthaltende Bhagavadgita. Dieses monumentale Epos behandelt an
zentraler Stelle das „Kshatriya-Ideal“, den Kult vom „Heiligen Krieger“,
das Hindu-Pendant zum muslimischen „Mujaheddin“ und zum christlichen
„Gotteskrieger“.
Der „Heilige Krieg“ gegen den Islam wird von der Hindutva seit Jahren „kosmisch“
geführt. So gilt die Religion Mohammeds als das „Böse“ schlechthin und die
mittelalterliche Eroberung Indiens durch die islamischen Reiterheere wird
als eine Invasion von „Dämonen“ angesehen. Erst die Bekehrung oder
Vertreibung der Muslime kann der Hindutva
mit Hilfe der indischen Götter den Endsieg verschaffen und das Land in ein
„irdisches Paradies“ verwandeln. Im schlimmsten Fall bedeutet das jedoch
den Genozid an der gesamten islamischen Bevölkerung Indiens und in der Tat
werden solche Möglichkeiten eines islamischen Holocausts in ultra-rechten
Kreisen der Hindutva offen
ausgesprochen.
Die Ambition der
Hindutva-Anhänger ist es, das Ahimsa-Prinzip, die Gewaltlosigkeit eines
Mahatma Gandhi, durch das Himsa-Prinzip, die Bejahung von Gewalt, ersetzt.
Die Nähe zum europäischen Faschismus ist in diesem Fall nicht nur
metaphorisch zu verstehen. Die religiöse Rechte Indiens hat in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts direkte Kontakte zu den Achsenmächten unterhalten
und sich ideologisch aus dem italienischen Faschismus und
Nationalsozialismus inspirieren lassen – ebenso wie umgekehrt. Heute noch
gibt es in Indien eine latente, weit verbreitete Hitlerbewunderung, die
sich bis zu dessen Verehrung als göttlicher Avatar hinaufsteigern kann.
Obgleich der
Buddhismus im Westen als eine Religion des Friedens und der Gewaltlosigkeit
glorifiziert wird, weist auch er seine kriegerisch-apokalyptischen
Ideologien auf. Das prominenteste Beispiel hierfür ist das weltweit
durchgeführte endzeitliche Kalachakra-Tantra-Ritual des Dalai Lama. Der
heilige Text (das Kalachakra-Tantra), der diesem Ritual zu Grunde
liegt, prophezeit eine Letzte Schlacht zwischen Buddhisten und Muslimen,
einen militanten buddhistischen Messias, den Einsatz ultimativer
Waffensysteme, und die Schaffung einer buddhokratischen Weltordnung. Als
Gegner des Buddhismus nennt das Kalachakra-Tantra explizit die
"Führer" aller drei
monotheistischen Religionen: "Adam, Henoch, Abraham, Moses, Jesus,
der im weißen Gewand [Mani], Mohammed und Mathani [der
Mahdi]". Der Text bezeichnet sie als "die Familie der
dämonischen Schlangen". Er beschreibt einen Einweihungsweg, der
die Initianten vorbereitet in einem späteren Leben als „Shambhala-Krieger“
im Endzeit-Krieg mitzukämpfen. Unter modernen Orientalisten, wie den
amerikanischen Tibetologen Alexander Berzin und Donald S. Lopez ist deswegen
von einem „buddhistischen Djihad“ bzw. einem „buddhistischen Armageddon“ die Rede.
Selbst Buddhisten beginnen zunehmend zu fragen, was dieses Ritual des Dalai
Lama denn mit der Ursprungslehre des Buddha zu schaffen hat: „Je mehr ich
über das Kalachakra Tantra gelernt habe, umso mehr finde ich es abstoßend
und umso entfernter scheint es mir von den ursprünglichen buddhistischen
Lehren sein. Diese Art apokalyptischer Lehre scheint mehr zu bestimmten
Formen des fundamentalistischen Christentums zu passen, die auf der
Johannesapokalypse basieren. Sorry, ich kann das nicht ernst nehmen.“ -
meint Dharmajim, ein orthodoxer Anhänger der Buddha-Lehre.
Es waren ebenfalls
buddhistische „Armageddon-Mythen“, die zur bisher extravagantesten
Ideologie des religiösen Terrors geführt haben, zum „apokalyptischen
Terrorismus“ des japanischen Sekten-Gurus Shoko Asahara. Kaum in der
europäischen Öffentlichkeit wahrgenommen wird, dass in Sri Lanka, in Nepal,
in Kaschmir, in Bangladesh, in Birma, in Kambodscha und in Thailand schon
seit einigen Jahren ein „Religionskrieg“ zwischen Buddhisten und Muslimen
ausgebrochen ist.
Besonders beunruhigend ist die Faszination für
Massenvernichtungsmittel in allen Lagern des Fundamentalismus. Schon von
Beginn an hat die Konstruktion, Zündung und Verbreitung von Nuklear-Bomben
einen berauschenden Einfluss auf das apokalyptische Denken religiöser
Gruppierungen gehabt. Der Einsatz von A-Waffen ist ein Szenario, das in
keiner „modernen“ Apokalyptik mehr fehlt. Seit den Explosionen der Bomben
von Los Alamos, Hiroshima und Nagasaki werden Zerstörungs-Passagen aus den
traditionellen Endzeit-Texten der Religionen als Beschreibungen eines
atomaren Holocausts gedeutet. In der Tat ist in fast allen Heiligen Schriften (in der Hebräischen Bibel, in der Offenbarung des Johannes, im Koran und in den Hadiths, in der Bhagavadgita, im Ramayana
und im Kalachakra-Tantra) von
„übermenschlichen“ Waffen die Rede, die eine ungeheuerliche
Zerstörungswirkung haben sollen. Diese Passagen werden von den Apokalyptikern
als göttliche Legitimation für einen Atom-Krieg herangezogen. Solche
atomaren Doomsday-Prophezeiungen sind mehr als ein religiöses Phantasma:
„Die Existenz dieser Waffen verwischt […] die Jahrtausende alten
Unterscheidungen zwischen der Phantasie einer Weltvernichtung (ob von
paranoiden Schizophrenen, religiösen Visionären oder auch von ganz normalen
Menschen in ihren Träumen) und der Fähigkeit, diese Phantasie Wirklichkeit
werden zu lassen.“ – schreibt der amerikanische Gewaltforscher Robert
Lifton. Heute, nach dem 9/11, sprechen auch viele säkular eingestellte
Kulturologen von der Gefahr eines „apokalyptischen Nuklearismus“. Der
Begriff hat sich mittlerweile eingebürgert.
Die apokalyptische Matrix ist ein reiner
Wahn, denn obgleich sich die einzelnen fundamentalistischen
Religionsströmungen in ihren Endzeitvisionen und ihrem Absolutheitsanspruch
als unversöhnliche Todfeinde gegenüber stehen, weisen sie doch verwandte
Strukturen, Bilder, Szenarien, Dramaturgien, Wertvorstellungen und
Sehnsüchte auf. Jedoch ein Wahnsinn kann durchaus höchst destruktive
Realitäten hervorrufen. „Im
schlimmsten Szenario, das keineswegs unwahrscheinlich ist, könnten sich die
biblischen Prophezeiungen aus sich selbst heraus erfüllen. Eiferer von
jeder der drei monotheistischen Religionen könnten eine Reaktion von
Schlag, Gegenschlag und Massenvernichtung in Gang setzen.“ – schrieb die Washington Post im Jahre 2003.
Trotz der Gefahr, die vom dieser weltweiten
apokalyptischen Obsession ausgeht, weigern sich die etablierten Glaubensrichtungen
bisher dieses „heiße Eisen“ adäquat zu diskutieren. Das religiöse
Establishment trifft sich auf zahlreichen interreligiösen Konferenzen, um
edle und erbauliche, aber unverbindlicher Worthülsen auszutauschen, die
nicht zu den ideologischen Ursachen vorstoßen, aus denen ein „Krieg der
Religionen“, (bzw. ein „Kampf der Kulturen“) und der „religiöse
Terrorismus“ entstehen und gerechtfertigt werden. Diese
Vogel-Strauss-Politik kann jedoch nicht mehr lange andauern. Die
Mainstream-Religionen werden schon sehr bald gezwungen sein, zu den
Gewaltstellen in ihren Heiligen
Schriften, zu ihren katastrophalen Endzeit-Prophezeiungen, zum
militanten Messianismus, zum Heiligen Krieg und zum Gottesstaat offen
Stellung zu beziehen - spätestens dann, wenn die ihre Machtstellung durch
den Fundamentalismus aus den eigenen Reihen selber in Frage gestellt wird.
Nicht nur die offiziellen Kirchen, sondern auch der
Säkularismus steckt den Kopf in den Sand. Einstmals aus der Religionskritik
entstanden, sucht er heute - konträr zu seiner rebellisch-aufklärerischen
Tradition - ständig in den etablierten Religionen Gesprächspartner und
Verbündete gegen den Glaubens-Fanatismus. Dieser Dialog zwischen
Religionsvertretern und Säkularisten (meist sind es Politiker und Medienvertreter)
wird von beiden Parteien in der Sprache des Humanismus geführt, was zur
Folge hat, dass sich die Säkularisten in den von ihnen propagierten,
humanpolitischen Werten bestätigt sehen und sich beruhigt in die
Institutionen ihres bis jetzt noch laizistischen Staates zurückziehen, ohne
überhaupt mit den eigentlichen Problemfeldern, aus denen die religiöse
Gewaltbereitschaft entsteht, konfrontiert worden zu sein. Irgendwie hat
sich unter ihnen der naive Glaube verbreitet, die offiziellen Kirchen
hätten das Fundamentalismus- und Terror-Syndrom theologisch, dogmatisch und
organisatorisch voll im Griff. Die Gefahr religiöser Gewalt stammt aber,
wir wiederholen es zum Schluss noch einmal, aus den Religionen selbst, aus
ihrer blutigen Vergangenheit, insbesondere jedoch aus ihren Heiligen Texten. Dies aufzuzeigen,
zu analysieren und zu bewerten ist eine vordringliche Aufgabe des
Humanismus. Dieser muss sich heute, will er überhaupt überleben, als ein
Kulturentwurf präsentieren, der das Erlösungsbedürfnis der Menschen von
einer verkehrten Welt befriedigen kann.
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