APOKALYPTIK
2012: Weshalb Roland Emmerich die
Kaaba vor dem Weltuntergang rettet
Durch
Roland Emmerichs Desaster-Film „2012“ ist die Apokalypse wieder in aller
Munde. Zwar handelt es sich hier um eine ultimative Naturkatastrophe, aber
dennoch lassen sich leicht dahinter verborgene religiöse Muster erkennen,
die wir als die Apokalyptische Matrix aller
Religionen bezeichnet haben. Auch Emmerichs Weltuntergang wird, wie die
traditionellen religiösen Doomsday-Phantasmen,
durch eine Prophezeiung angekündigt. In diesem Fall stammt sie aus der
alten, von Menschenopferriten geprägten, theokratischen Kultur der
Mayaindianer. Es gibt in „2012“ ebenso wie in der Johannesoffenbarung eine geringe Anzahl Auserwählter, die das
Desaster überleben. Sind es in der christlichen und islamischen Apokalyptik
die „Rechtgläubigen“, denen Rettung geschenkt wird, so sind es bei Emmerich
die Reichen, die auserwählt werden (survival of the richest)
und das ist in der Tat eine Erneuerung. Das Rettungsschiff trägt den Namen
„Arche“. Auch im Film wird wie in den traditionellen Texten eine alte Welt
zerstört, um dann eine neue zu schaffen. Was jedoch bei Emmerich fehlt, ist
ein militanter Messias, der die Menschheit wegen ihrer Bosheit mit
flammendem Schwert bestraft. Weshalb hat er diese klassische Figur in
seinem Doomsday-Theater ausgespart? Nein – er hat
es nicht! Er selber spielt sie in seiner Rolle als strafender Moviemaker, denn nicht die Natur, sondern das Böse im
Menschen führt seiner Ansicht nach zur Vernichtung: „Wir zerstören uns wohl
eher selber, durch Kriege, die Atombombe oder die Umweltzerstörung.
Manchmal denke ich, es ist alles schon zu spät.“
Eine
solche Aussage mag so falsch nicht sein, aber anstatt politisch oder mit Mitteln
der Kunst und der Aufklärung dagegen zu steuern, potenziert Emmerich diesen
Selbstzerstörungstrieb ins Gigantische durch eine orgiastische Lust am
Untergang. Das wirklich krankhafte daran war, dass der Regisseur im Vorfeld
der Filmpremiere Weltuntergangsgerüchte in Websites, die einen angeblich
wissenschaftlichen Hintergrund vortäuschten, über das Internet verstreuen
ließ, um das Thema richtig anzuheizen. Der Spiegel bezeichnet den Film deswegen zu Recht als
„bildmächtigen Untergangsporno“. Auch diese pornographische Zerstörungswut
hat „2012“ mit der Johannesoffenbarung
gemein.
Die „Lust
am Untergang“ ist zudem schon oft als eine „deutsche“ Krankheit
diagnostiziert worden. Der Schwabe Roland Emmerich steht da im Ahnenerbe
eines Künstlers, dessen Götterdämmerungs-Opern sich apokalyptisch auf die
Geschichte der Deutschen auswirkten, denn Hitler sah sich als Vollstrecker
Richard Wagners. Was motiviert solche Leute wie den Komponisten aus
Bayreuth oder den Filmregisseur aus LA, den Untergang der Welt mit Lust zu
besetzen? Nietzsche liefert in seinem Aphorismus über den „Weltvernichter“, gemeint ist damit auch Wagner, eine
psychologisch interessante Erklärung: „Diesem gelingt etwas nicht:
Schließlich ruft er empört aus, so möge die ganze Welt zugrunde gehen! Dies
abscheuliche Gefühl ist der Gipfel des Neides, welcher folgert, weil ich
nicht etwas haben kann, soll die Welt nichts haben! Soll alle Welt nichts
sein!“
Man kann es kaum glauben,
aber das Perfide des Films wird noch gesteigert. Emmerich entfesselt einen
virtuellen Religionskrieg, wenn er den Petersdom und die Sixtinische
Kapelle mit Michelangelos Schöpfungsbild pulversiert,
die Christus-Statue auf dem Zuckerhut in Rio zerbröselt und in einem
Über-Tsunami das höchste tibetische Kloster des Himalajas ersäuft, - aber
eine Moschee, die in Myriaden von Stücken explodiert, bietet er dem nach
Angstlust gierenden Zuschauer nicht. Es sei zu riskant gewesen und die zu
erwartende Aufregung nicht wert, meint der Regisseur. „Du kannst jederzeit christliche Symbole zusammenfallen
lassen, aber wenn du das mit (einem) arabischen Symbol machen willst, [...]
hast du eine Fatwa, und das sagt uns ein klein wenig darüber, wie es um
diese Welt bestellt ist.“ Weitgehend unbekannt ist, dass es in der
islamischen Welt eine Debatte über den ersten Katastrophenfilm des
Regisseurs „Independence Day“ gab, der dort als zionistisches
Propagandastück „entlarvt“ wurde. Auf der in deutscher Sprache verfassten
Website des offiziellen Nachrichtensenders der iranischen Republik I.R.I.B
lesen wir unter der Überschrift „Erlöserbild im westlichen Kino“: „Der Film
Independence Day legt viele Wünsche der Potentaten der USA und des
zionistischen Regimes offen. Dieser Streifen ist voller zionistischer
Sinnbilder. Darin wird unterstrichen, dass der Erlöser ein Jude ist und
ausdrücklich darauf hingewiesen, die Apokalypse sei bald da und die Juden
hätten ihr gegenüber ein gutes Gefühl.“ Dass Emmerich ganz normale Angst
vor islamistischen Terrorakten hat, mag man sehr gut verstehen, dass er
sich aber so dem Diktat religiöser Willkür unterwirft, indem er das höchste
Symbol des Islams, die Kaaba, demonstrativ im Gegensatz zu den
Machtsymbolen der anderen Religionen die Katastrophe überstehen lässt, ist
wohl die größte Überraschung des Films.
Nicht einmal apokalyptische
Hardliner des islamischen Fundamentalismus sehen eine solch glorreiche
Zukunft für ihr höchstes Heiligtum. Nach muslimischen, dem Propheten
Mohammed zugeschriebenen Endzeitprophezeiungen kündigt sich das Jüngste
Gericht (Qimayah),
dem der Untergang der Welt vorausgeht, in acht Zeichen der Zerstörung an.
Das siebte Zeichen prophezeit die Zerstörung der Kaaba durch eine
nichtmuslimische Gruppe, die aus Afrika kommt. Wie auch immer – auf jeden
Fall wird das ebenfalls an Endzeit- und Untergangsszenarien brennend
interessierte islamistische Milieu „2012“ sehr schätzen. Gäbe es ein
Filmfestival der al Kaida in Kandahar, dann würde
die „Mutter aller Katastrophenfilme“ (so einer der offiziellen Werbetitel)
sicher den September-Eleven-Award erhalten.
In ihrem
Essay die Apokalyptische Matrix und ihrem Buch Krieg der Religionen zeigen Victor und
Victoria Trimondi wie alle Weltreligionen in
ihren heiligen Endzeittexten einem gemeinsamen Muster folgen und das dieses
Muster der Kern des religiösen Fundamentalismus ausmacht.
© Victor & Victoria Trimondi
(2010)
»Krieg der Religionen«
Der
grassierende apokalyptische Wahn ist zu einer globalen Kulturströmung geworden.
Anhand einer Fülle von Faktenmaterial weisen Victor und Victoria Trimondi nach, wie Fanatiker ihre Legitimation für
einen ‚Krieg der Religionen’ aus den Heiligen Texten ihres jeweiligen
Glaubens ableiten. Das Buch liefert grundsätzliche und hochaktuelle
Hintergrund-Informationen zu den Kriegen im Nahen und Mittleren Osten
und zu einem tieferen Verständnis
des religiösen Terrorismus überhaupt. „Die bisher ausführlichste
Dokumentation zu diesem Thema im deutschen Sprachbereich.“ (Deutschland
Funk)
Trimondi, Victor und Victoria: Krieg der
Religionen: Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse - Fink
Verlag, München 2006, 597 Seiten (ISBN 3-7705-4188-X)
|