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Victor und Victoria Trimondi

 

Von Breivik bis Bannon Religiöse Kriegerideologien

 der extremen Rechten

 

Die sich in jüngster Zeit häufenden rechtsradikalen Attentate (in Hanau, Halle, Christchurch, El Paso, Dayton) verlangen eine kritische Auseinandersetzung mit den Ideologien, die solche Menschen dazu bewegen, ohne Hemmungen Mitmenschen in den Tod zu schicken. Für den islamistischen Terrorismus sind dergleichen ideologiekritische Analysen ausführlich durchgeführt worden und mittlerweile allgemein bekannt. Sie betreffen insbesondere Passagen aus dem Koran und den Hadits, die zur Gewalt aufrufen. Für den rechtsextremen Terrorismus gilt eine solche Aufarbeitung nur sehr eingeschränkt. Das hat mehrere Gründe: Zum einem wird die „Neue Rechte“ (in den USA das Alt-Right Movement) in der Öffentlichkeit weitgehend als rein säkulare Bewegung angesehen und man nimmt kaum wahr, dass sie um „religiöse“ Wurzeln und Legitimationen bemüht ist. Hinzukommt, dass sich hier die Passagen, die zur direkten Gewalt aufrufen, nicht aus einer einzigen Quelle speisen wie zum Beispiel im Fall des Korans, sondern aus verschiedenen traditionellen Texten und dazu noch aus unterschiedlichen Kulturen stammen – dem Christentum, dem Buddhismus, dem Hinduismus sowie aus der Antike und aus den europäischen Stammeskulturen wie den Germanen oder Kelten. Auch ist zwischen präzis ausformulierten Gewaltideologien auf der einen Seite und impulsiven emotionalen Ausbrüchen auf der anderen zu unterscheiden. Die Tatbegründungen der Attentäter von Hanau, Halle, Christchurch, El Paso und Dayton gehören alle der letzten Kategorie an, obgleich die Täter Dokumente hinterlassen hatten, die ihr Tun begründeten. Aber auch sie sahen sich als die Vollstrecker eines höheren Ideals und als „Krieger“, ohne sich jedoch in den religiösen Konstruktionen rechtsextremer Ideologen wirklich auszukennen. Das gilt nicht für den norwegischen Massenmörder Anders Breivik, der 2011 insgesamt 77 Menschen tötete. Er hat in einem Manifest umfangreich und klar den ideologischen Hintergrund dargestellt, der ihn zu seiner monströsen Tat motivierte. Seine Ausführungen wurden in den Medien selten hinterfragt sondern als ein marginales Phänomen wahrgenommen. Als sich aber im Jahr 2017 der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, den damaligen Herausgeber der rechtsextremen Plattform Breitbart News als Chefberater ins Weiße Haus holte, kann man nicht mehr davon sprechen, dass derartige rechtsextreme Gewaltideologien nur am Rande der Gesellschaft zu finden sind. Es gelang ihnen bis in das Zentrum der Macht vordringen, denn Bannon vertritt weitgehend dieselbe religiös-ideologische Kriegerphilosophie wie Anders Breivik und beruft sich auf dieselben Traditionen. Dem ehemaligen Trump-Berater reicht es jedoch nicht für seine Ideen mit einem Gewehr Amok zu laufen. Er will die Amerikaner und Europäer ideologisch auf einen baldigen apokalyptischen Heiligen Krieg vorbereiten, bei dem sich in einem endzeitlichen Gemetzel die Mächte des Guten und die Mächte des Bösen gegenüberstehen. Dass solche Vorstellungen bis in Weiße Haus vordringen konnten, zeigt ihre Gefährlichkeit. Ein Glück, dass Donald Trump seinen Berater nach sieben Monaten entlassen hat und dass er aufgrund seiner intellektuellen Bedürftigkeit ziemlich immun gegenüber Philosophien irgendwelcher Art ist. Aber Bannon hat sich nicht zurückzogen. Er ist seither mit seinen apokalyptischen Kriegsvisionen insbesondere in Europa unterwegs und versucht sie im dortigen rechtsradikalen Milieu zu verbreiten und zu verankern. Falls er nicht gestoppt wird, kann er weit gefährlicher werden als Breivik oder der Mörder von Hanau.  

 

Anders Breivik

Wenn sich der Massenmörder Anders Breivik einmal als „nichtreligiöser Mensch“ bezeichnete, muss man diese Aussage als eine Art Koketterie werten, in der erklärten Absicht, auch Agnostiker und Atheisten an Bord einer fiktiven, von ihm imaginierten Terrororganisation zu ziehen. Nach einer Analyse seines ideologischen Hintergrundes kommt man jedenfalls zu dem Schluss, dass der Attentäter von Utøya aus religiösen Motiven handelte. Dabei steht seine Orientierung an einem von ihm selbst konstruierten Christentum an erster Stelle. Schon der Fahndungschef der norwegischen Polizei hatte bei den ersten Ermittlungen „eine rechtsextreme, christlich-fundamentalistische Haltung“ des Täters angenommen. Die Bezeichnung „christlicher Fundamentalist“ oder „christlicher Terrorist“ für Breivik tauchte seither in den westlichen Medien immer wieder auf.

 

Von Seiten der Kirchen gab es verständlicher Weise Proteste dagegen, den Massenmörder mit dem Christentum in irgendeinen Kontext zu stellen. So konstatierte der Fundamentalismus-Experte der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen Reinhard Hempelmann in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): Er könne im „Pamphlet“ Breiviks keine Charakteristika erkennen, die auf einen christlichen Fundamentalismus hindeuteten, bei dem Massenmörder spiele, „die religiöse Überzeugung als Motivation ‚für die monströse und menschenverachtende Tat‘ offenbar keine Rolle. Der Bezug des Attentäters auf die Religion sei ideologisches und eklektisches Beiwerk.“ 

 

Mit diesem „Pamphlet“ ist das das 1500seitige „Manifest“ gemeint, das Breivik vor dem Massaker von 69 Menschen, meist Jugendliche, auf einer norwegischen Ferieninsel Utøya und von 8 Opfern in Oslo durch ein Bombenattentat ins Netz stellte. In der programmatischen Schrift unternimmt er den Versuch, seine Ideen und Handlungen metaphysisch und spirituell zu begründen, gleich ob das von christlichen Theologen einfach weggeleugnet wird. Dennoch wäre es verkürzt, Breivik nur als „christlichen Fundamentalisten“ zu bezeichnen. Auch wenn er seine Bluttaten aus der Bibel legitimiert, auch wenn er sich als bewaffneter Arm Christi versteht und sich in das Erbe des Kreuzritter stellt, ist das Christentum nicht der einzige Bezugpunkt seines religiösen Weltbildes.

 

Der Attentäter orientierte sich an einem ideologisch-metaphysischen Mix aus Fragmenten verschiedener Religionen. Dazu rechnen neben einem militanten Christentum, Inhalte des muslimischen Djihadismus, der Kodex japanischer Samurai-Krieger, die Philosophie der Kshatriya, der indischen Kriegerkaste, und Geschichten aus der germanischen Mythologie. Aus diesem Kultur-Konglomerat hat er nicht nur metaphysische Ideen, mythische Bilder und historische Events übernommen, sondern auch konkrete religiöse Techniken, um sich mit deren Hilfe in einen Zustand der Ekstase zu versetzen, der seine Bluttat erst ermöglichte. Er glaubte fest an eine Religion des Heiligen Krieges, deren Dogmen nicht nur aus einer einzigen Glaubensrichtung abgeleitet werden, sondern die sich ebenfalls bei „Andersgläubigen“ finden, einschließlich bei den religiösen Gegnern, sprich den Muslimen.

 

Da sich der Attentäter mit seiner Theorie des marxistischen Multikulturalismus eine ziemlich originelle Konstruktion ausgedacht hat, könnte man meinen, seine Kriegerreligion sei auch etwas von ihm selbst Erdachtes. Das ist aber nicht der Fall. Die Idee von einem Heiligen Krieger, der sein Eigenverständnis aus verschiedenen Glaubenssystemen ableitet, ist eine seit den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Kreisen der extremen Rechten debattiertes Dauerthema, das in der letzten Zeit eine erschreckende Renaissance erlebte. Federführend hierbei war der italienische Baron Julius Evola (1898 – 1974), der Mussolini beriet, der in der SS Vorträge hielt und der heute in der Neuen Rechten dasselbe hohe Ansehen genießt wie früher Karl Marx in der alten Linken. Die Idee vom Heiligen Krieg, die Mystifizierung des Kriegers, die Vorbereitung auf Kriegshandlungen durch spirituelle Übungen, die Aufgabe des eigenen Ichs, um als Instrument Gottes oder eines höheren Prinzips zu handeln, das Martyrium als Erfüllung religiöser Hingabe, die erbarmungslose Vernichtung des Gegners – all das das findet sich bei Evola aber auch in Breiviks Weltbild, obgleich er den Namen des Barons nicht nennt.

 

Evola dachte und agierte keinesfalls außerhalb der Weltreligionen oder sogar gegen sie. Nein, der faschistische Philosoph ist geradezu davon besessen, die von ihm dargestellte Kriegerphilosophie als die eigentliche Essenz der verschiedenen Glaubensrichtungen nachzuweisen. Er versuchte, durchaus theologisch gekonnt, diesen Nachweis sowohl aus den Heiligen Texten der Monotheisten wie aus den Heiligen Schriften der asiatischen Religionen zu führen. Bei seiner exegetischen Arbeit kommt er sogar zu dem Schluss, der Buddhismus sei von Beginn an eine ausgemachte Kriegerreligion gewesen. Genau dieselbe Vorgehensweise wendet Breivik in seinem „Manifest“ an. Auch er legitimiert den Heiligen Krieg, den er vorgibt, entfesselt zu haben, aus Heiligen Texten, auch er sieht den Heiligen Krieger als die ultimative Figur des Christentums, des Islams, des Judentums, des Hinduismus und des japanischen Buddhismus.  

 

Gerade seine Metaphysik der Guerra Santa  macht den Fall Breivik so gefährlich, weil sie überkonfessionell das Morden zu einer heiligen Sache erklärt und ein ideologisch in sich geschlossenes Modell anbietet, welches für Nachahmer attraktiv ist. Dabei kann sich diese Metaphysik mit Recht auf ein archaisches Erbe der Menschheitsgeschichte berufen, das in den blutigen Mythen- und Heroen-Geschichten aller Völker nachzulesen ist, das dann in den Heiligen Texten der verschiedenen Weltreligionen weiterhin aufbewahrt wurde und das seit Beginn des vorigen Jahrhunderts von Denkern der Extremen Rechten zu einem integrierten System zusammengefasst wurde.

 

In dieser Welt gibt es schreckliche Phantasmen, die für ein rationales Bewusstsein überhaupt nicht mehr nachvollziehbar sind und deswegen als „verrückt“ erscheinen. Zum Beispiel die Idee, dass durch exzessive Blutopfer militante Bewegungen erst in Gang gesetzt werden. Das sind Vorstellungen aus der mythischen Vergangenheit von Kriegerkulturen, die davon überzeugt waren, durch vergossenes Blut könnten Bruderschaften, Gemeinwesen, ja Staaten gegründet und zusammengeschweißt werden. Man kann wohl davon ausgehen, dass auch Breivik sein Massaker als solch ein Gründungsopfer verstanden hat. Das vergossene Blut auf der Insel Utøya sollte auf jeden Fall ein Fanal setzen, aus dem dann eine neue Bewegung von Heiligen Kriegern entsteht.

 

Der Versuch der Staatsanwaltschaft, den Massenmörder als unzurechnungsfähig zu erklären, um ihn lebenslänglich in eine psychiatrische Klinik einzusperren, mag zwar verständlich sein, ist aber kaum haltbar. Da juristisch die Unzurechungsfähigkeit eines Täters danach beurteilt wird, ob er bei der Durchführung seiner Tat bei klarem Bewusstsein handelt, ist zu sagen, dass Breivik genau das gewesen ist: er war hell wach, klar, kalkulierend, reflektiert, konsequent, zielgerichtet – ja er hatte sein Bewusstsein sogar trainiert, um bei der Durchführung seiner Morde, einen Zustand zu erreichen, den man im Buddhismus als „höchste Achtsamkeit“ bezeichnet. Er ging also bei der Exekution seiner Tat mit einem weit klarerem Bewusstsein vor als ein Normalmensch bei seinen Alltagsverrichtungen.   

 

Die Kreuzritter: „Von Kopf bis Fuß mit Blut bedeckt“

Breivik erklärte vor Gericht und in seinem „Manifest“, er sei Mitglied einer Untergrundorganisation, die er als „Justiciar Knights“ (Vollstrecker Ritter) oder als PCCTS bezeichnet. Der Prozess gegen ihn hat gezeigt, dass die Gruppierung der PCCTS nur in der seiner Phantasie existierte, doch historisch gesehen, hat es sie einmal gegeben. Es handelt sich dabei um die Pauperes Commilitones Christi Templique Solomonici, ins Deutsche übersetzt, die „Armen
Gefährten Christi des Tempels Salomons“. In der europäischen Geschichte sind sie als die „Templerritter“ bekannt, sie werden auch kurz „Templer“ genannt. Dieser ursprünglich aus dem Mittelalter stammende Verbund von Kriegermönchen verschiedener Länder des christlichen Abendlandes (von 1118 bis 1312) hatte das Gelübde getan, die Pilgerwege ins Heilige Land zu schützen. Sie bildeten eine effektive Gruppe innerhalb der Kreuzritter und kämpften gegen die Muslime als ihre Hauptgegner. In nur kurzer Zeit gelang es ihnen ein schlagkräftiger, gut durchorganisierter, im ganzen Abendland verbreiteter Militärorden zu werden, dessen zahlreiche Mitglieder nicht nur das Schwert zu führen wussten, sondern auch den mediterranen Handel kontrollierten. Kampfesmut, Askese, Bereitschaft zum Martyrium, Verachtung des Todes werden als besondere Qualitäten der Templer herausgestellt. Der damalige Papst Clemens V. und der französische König Philipp IV. fürchteten so sehr ihre ökonomische, spirituelle, militärische und politische Macht als bedrohende Konkurrenz, dass sie den Orden in einer Blitzaktion zerschlugen und sich an seinem legendären Vermögen bereicherten. Das konnte jedoch nicht verhindern, dass seither der „Tempelritter“ zu einer machtvollen sagenumwobenen Symbolfigur des Heiligen Kriegers christlicher Prägung wurde und im Laufe der Jahrhunderte immer wieder mythologische Belebungen erfuhr. So zum Beispiel bei Faschisten und Nationalsozialisten, die sich genauso wie Breivik, auf die Templer als ein großes abendländische Vorbild vom Heiligen Krieger bezogen. Auch bei Julius Evola finden wir diesen Bezug.

 

Es war kein geringerer als der durch seine extreme Marienmystik bekannte Zisterzienser Abt Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153), der als „Chefideologe“ der Tempelritter bezeichnet werden kann. In seiner berühmten „Lobrede auf das neue Rittertum“ (De Laude Novae Militiae auf Lateinisch) setzt er sie glorifizierend von den weltlichen Rittern ab, da es ihnen gelungen sei, durch die Vereinigung von Religion und Krieg eine Mönchsmiliz zu kreieren, die das Abendland mit Kreuz und Schwert gegen die Ungläubigen verteidige und die heiligen Stätten der Christenheit, insbesondere Jerusalem, zurückerobere. Das kriegerische Pamphlet Clairvaux’s ist nicht nur zur Gänze in Breiviks „Manifest“ abgedruckt, sondern der Attentäter hat den Titel dieser mittelalterlichen Schrift als Untertitel für seine eigene, „moderne“ Kriegervision in Anspruch genommen und das sogar in Latein. Auf dem Deckblatt seines „Manifests“ ist zu lesen: „2083 –  A European Declaration of Independence –  De Laude Novae Militiae  Pauperes Commilitones Christi Templique Solomoniciby Andrew Berwick, London 2011“ Außerdem ist darauf in roter Farbe das Templerkreuz abgedruckt. Im Jahre 2082 – so Breivik – soll die von ihm eingeleitete „konservative Revolution“ abgeschlossen sein, die multikulturellen Eliten sind dann endgültig besiegt und die Muslime aus Europa verbannt. Das „Manifest“ versteht sich also ebenso wie Clairvaux’s Pamphlet als „Lobrede auf das neue Rittertum“. Aber nicht nur das, der militante Abt aus dem 12. Jahrhundert wird von Breivik neben dem letzten Großmeister der Tempelritter, Jacques de Molay, auch noch als „Patron und Protektor“ seiner neuen „Juticiar Knights“ in Anspruch genommen. Clairvaux‘s Verbindung von Krieg und Glauben ist deswegen für das Weltbild des norwegischen Massenmörders und selbsternannten Neo-Ritters die zentrale Leitidee.

 

Unbekümmert von allen christlichen Friedensbekenntnissen, lobt Clairvaux das „neue, der Welt noch unbekannte Rittertum“ gerade deswegen, weil es kriegerisch, aggressiv und brutal im Namen Gottes vorgeht. Die Todesgefahr, der sich jeder Templer zu stellen hat, wird als besondere Tugend, ja als höchstes spirituelles Ziel herausgestellt: „Freue dich, starker Kämpfer, wenn du im Herrn lebst und siegst! Aber noch mehr frohlocke und rühme dich, wenn du stirbst und dich mit dem Herrn vereinst. Das Leben ist fruchtbringend an Werken, und der Sieg ist ruhmvoll. Beiden aber wird ein seliges Sterben zu Recht vorgezogen.“ – jubelte der leidenschaftliche Marienverehrer in seiner „Lobrede“ und hinterlässt damit einige Jahrhunderte später einen fatalen Brandstempel in Breiviks verwirrter Seele.

 

In allen Religionskriegen findet sich die Vorstellung, dass auf der Feindesseite nicht nur Menschen, sondern Dämonen kämpfen – auch  Bernhard von Clairvaux vertritt diese Sicht. Da die Templer gegen die Muslime antreten, gelten die Söhne Allahs als vom Teufel besessen. Deswegen gibt es auch kein Pardon für sie, mehr noch, ihre Tötung muss als moralische Pflicht angesehen werden. „Die Ritter Christi“ – so der Marienmystiker – „aber kämpfen mit gutem Gewissen die Kämpfe des Herrn und fürchten niemals weder eine Sünde, weil sie Feinde erschlagen, noch die eigene Todesgefahr. Denn der Tod, den man für Christus erleidet oder verursacht, trägt keine Schuld an sich und verdient größten Ruhm.“ Töten im Namen des Glaubens lässt keine Schuld aufkommen. Denn, so fährt Bernhard von Clairvaux fort: „Ein Ritter Christi, sage ich, tötet mit gutem Gewissen, noch ruhiger stirbt er. Wenn er stirbt, nützt er sich selber; wenn er tötet, nützt er Christus. […] Ja, wenn er einen Übeltäter umbringt, ist er nicht ein Menschenmörder, sondern sozusagen ein Mörder der Bosheit, und mit Recht wird er als Christi Rächer gegen die Missetäter und als Verteidiger der Christenheit angesehen.“ Diesen Satz seines Patrons muss sich Breivik besonders eingeprägt haben, sein ganzes Verhalten während des Prozesses lässt keinen anderen Schluss zu. Vor dem weltlichen Richter erklärt er sich zwar selber als „schuldig“, aber vor Gott glaubt er sich exkulpiert, denn auch er versteht sich wie seine Vorbilder aus dem Mittelalter als ein „Mörder der Bosheit“, als „Christi Rächer gegen die Missetäter“, der im Namen des himmlischen Vaters kämpft und tötet.

 

Gebet, asketische Übungen, ethische Rechtfertigung für das Töten, Durchführung von Massakern im Namen Gottes, kein Pardon für Frauen und Kinder, theologische Exkulpation für das Abschlachten Andersgläubiger – all das suchte und fand der Massenmörder bei den Kreuz- und Tempelrittern. Explizit lobt er deren „Strenge und Ehre, Mut und Martyrium“, die ihn bewegt hätten, an dieser abendländischen Tradition anzuknüpfen: „Die gegenwärtige Notwendigkeit dieser Prinzipien hat zur Neugründung dieses alt-christlichen europäischen Militärordens geführt.“ – gibt er bekannt und dies sei im Jahre 2002 in London geschehen, wo er (wahrscheinlich in seiner Phantasie) mit Gleichgesinnten den neuen Tempelritter Orden der „Justiciar Knights“ oder PCCTS ins Leben rief. Den Kandidaten des Geheimbundes verspricht Breivik das ewige Leben, wenn sie sich völlig hingeben: „Du schenkst ihnen [den Justiciar Knights] einen zentralen Teil deines Wesens und erhältst als Gegengeschenk die Untersterblichkeit und einen Platz im ewigen Reich [Gottes]“.

 

Sein „Manifest“ versteht Breivik als Déclaration de Guerre: „Die PCCTS erklären hiermit im Namen der freien Völker Europas einen vorbeugenden Krieg gegen die kulturell-marxistischen und multikulturellen Regime West-Europas.“ Ziel des Ordens sei die Verbreitung von Terror und zu einem späteren Zeitpunkt ein militärischer Staatsstreich, um die muslimische Überwanderung des Kontinents zu verhindern. Mord und die Benutzung von Massenvernichtungsmitteln werden als legitime und notwendige Mittel gefordert. Auch wenn die reale Existenz eines solchen Geheimbundes der PCCTS von Oslos Behörden bezweifelt wird, bieten Breiviks Ideen Modelle, die jederzeit kopiert werden können. 

 

Blutrausch und religiöse Ekstase

Und als Heiliger Krieger handelt Breivik effizient, er tötet gezielt und verfehlt niemals seine „Feinde“, von denen er so viele wie möglich niederstrecken will, während er sich bei der Ausführung seines blutigen Handwerks durch Musikklänge von den verzweifelten Schreien seiner Opfern abschirmt und in eine Tötungsekstase gerät. Auch hier kann er auf Inspirationsbilder aus der Geschichte zurückgreifen. Denn das Töten des Feindes ist für einen Kreuzritter nicht nur ein ethischer, von Gott legitimierter Akt, sondern kann sich, wie im Mittelalter geschehen, zu einem mystischen Blutrausch steigern. Eine kollektive Tötungsekstase erfasste beispielsweise am 13. Juli 1099 die Heiligen Krieger des Abendlandes, als sie Jerusalem zu eroberten. Der Chronist Wilhelm von Tyrus berichtet, an diesem Tage seien Ströme von Blut über die Straßen der Stadt geflossen. Auf dem Tempelberg, wohin sich Männer, Frauen und Kinder verschanzt hatten, fand ein grauenhaftes Massaker statt: „Schauerlich war es anzusehen, wie überall Erschlagene und Teile von menschlichen Gliedern umher lagen, und wie der Boden mit dem vergossenen Blut ganz überdeckt war. Und nicht nur die verstümmelten Leichname und die abgeschnittenen Köpfe waren ein furchtbarer Anblick, den größten Schauder musste das erregen, dass die Sieger selbst von Kopf bis Fuß mit Blut bedeckt waren. Im Umfang des Tempels sollen an die zehntausend Feinde umgekommen sein, wobei also die, welche da und dort in der Stadt niedergemacht wurden und deren Leichen in den Straßen und auf den Plätzen umher lagen, noch nicht mitgerechnet sind, denn die Zahl dieser soll nicht geringer gewesen sein. Der übrige Teil des Heeres zerstreute sich in der Stadt und zog die, welche sich in engen und verborgenen Gassen, um dem Tode zu entkommen, verborgen hatten, wie das Vieh hervor und stieß sie nieder. Andere taten sich in Scharen zusammen und gingen in die Häuser, wo sie die Familienväter mit Weibern und Kindern und dem ganzen Gesinde herausrissen und entweder mit den Schwertern durchbohrten oder von den Dächern hinabstürzten, dass sie sich den Hals brachen.“ 70.000 Juden und Muslime wurden gleich welchen Alters und gleich welchen Geschlechts von den damaligen christlichen Gotteskriegern ermordet. Durch Leichenberge watend gingen die von Blut triefenden Ritter „vor Freude weinend … hin, um das Grab des Erlösers zu verehren, und entledigten ihm gegenüber ihre Dankesschuld.“

 

Die enge Beziehung zwischen mystischer Ekstase und Blutorgie ist ein Phänomen, das in Religionskriegen immer wieder festzustellen ist. Eine ekstatische Schau Gottes entstanden aus einem Meer von Blut und Tränen kennt man als ein in allen drei monotheistischen Glaubensrichtungen auftretendes Ereignis. Sie ist ein besonders beliebtes Motiv im letzten Buch des Neuen Testaments, in der Offenbarung des Johannes, kurz „Apokalypse“ genannt. Obgleich der französische Philosoph Georges Bataille ausführlich über die enge  Verflechtung von Blutrausch, Mord, Mystik, religiöser Ekstase und Sexualität geschrieben hat, spielen seine Gedanken hierzu in der öffentlichen Debatte über den religiösen Terrorismus kaum eine Rolle. Auch über den Attentäter von Utøya wurde bisher nicht unter diesem Aspekt diskutiert. Vielleicht deshalb, weil Bataille’s Erkenntnisse zeigen, wie die Seelen von Djihadisten und „Vollstreckerrittern“, gleich welcher kulturellen Prägung, einen Pakt mit jenen verborgenen schauerlichen Unterwelten geschlossen haben, die sich im Judentum, im Christentum und im Islam ebenso wie im Hinduismus und Buddhismus auftun, wenn man hinter die friedvolle Fassade des ökumenischen Lächelns blickt. Erst ein solcher Blick in die Abgründe der Religionsgeschichte und der Heiligen Schriften offenbart, dass Breiviks Amoklauf zutiefst religiös motiviert war und weshalb er auf schon vorhandenen Beispiele, Inhalte und Muster zurückgreifen konnte.

 

Die Bibel als Vademecum und Vollstrecker-Engel als Mitstreiter

Breivik lässt Agnostiker und Atheisten in den Reihen der „Justiciar Knights“ zu, aber diese tragen immer das Adjektiv „christlich“ in ihrer Bezeichnung. Allerdings es sind nicht die „christlichen Atheisten“ und „christlichen Agnostiker“, die das Gros seiner PCCTS ausmachen, sondern militante, ultrakonservative Vollblutchristen, die geschworen haben, die christlich abendländischen Werte gegen die marxistische, multikulturelle und islamische Invasion zu verteidigen und den – nach Breivik  moralisch schon verwüsteten Kontinent zurück zu erobern. Deswegen fehlt es im „Manifest“ des Massenmörders auch nicht an markanten Bibelzitaten.

 

Mit Schriftstellen aus dem Heiligen Buch will der Massenmörder seiner Bluttat einen sakralen Charakter verleihen und es ist ihm sicher nicht schwer gefallen, die von ihm zusammengestellten aggressiven Passagen zu finden, denn die Bibel ist voll davon. Der folgende, von ihm zitierte Aufruf zum Krieg aus dem Alten Testament leitet eine ganze Reihe von Sätzen ein, mit denen Breivik die Durchführung seines Massakers als Beschluss Gottes präsentiert: „Da sagte David zu seinen Männern: Jeder hänge sein Schwert um. Alle hängten ihr Schwert um. Auch David hängte sein Schwert um.” (1. Samuel 25: 13) Für Breivik ist Gott selber der größte Kriegsherr. So versteht er, indem er den Text wörtlich nimmt, das Kriegslied Jahwes aus dem Buch Exodus: „Der Herr ist ein Krieger, Jahwe ist sein Name. […] Deine Rechte Herr, ist herrlich an Stärke; deine Rechte Herr, zerschmettert den Feind. In erhabener Größe wirfst du die Gegner zu Boden. Du endest deinen Zorn, er frisst sie wie Stoppeln.“ (Exodus 15: 3,6) In den auf der Erde stattfindenden Schlachten, d. h. nach Breivik in den kommenden Kriegen der PCCTS, kämpft dieser Gott selber mit: „Der Herr zieht in den Kampf wie ein Held, er entfacht seine Leidenschaft wie ein Krieger. Er erhebt den Schlachtruf und schreit, er zeigt sich als Held gegenüber den Feinden.“ (Jesaja 42: 13) Mehr noch, Gott, der Herr, treibt persönlich seine Feinde mit Feuer aus: „Heute wirst du erkennen, dass der Herr, Dein Gott, wie ein verzehrendes Feuer selbst vor dir hinüberzieht. Er wird sie vernichten, und er wird sie dir unterwerfen, so dass du sie unverzüglich vertreiben und austilgen kannst.“ – lässt Breivik die Bibel sprechen. (Deuteronomium 9:3) Ebenfalls beruft er sich darauf, dass der Herr kein Erbarmen mit seinen Gegnern kennt: „Er trieb den Feind vor dir her, er sagte (zu dir): Vernichte.” (Deuteronomium 33: 27)

 

Immer wieder werden Zitate im „Manifest“ aufgeführt, die Jahwe als Richter präsentieren: „Wer gegen den Herrn streitet, wird zerbrechen, der Höchste lässt es donnern am Himmel. Der Herr hält Gericht bis an die Grenzen der Erde. Seinem König gebe er Kraft und erhöhe die Macht seines Gesalbten.“ (1 Samuel 2:10) Und so ruft der Massenmörder weiter mit biblischen Sprüchen zum Krieg, zur Feindvernichtung, zur Gewalt, zum Gericht auf. Zitiert werden im Manifest unter anderem die Passagen: Genesis 12: 3; 2. Chronik 20: 12-17; Psalm 7: 11, 35: 1, 144: 1; Isaiah 52:12, 41: 11; Habakuk 3: 12. Breivik kommentiert diese, wie er sie nennt, biblischen „Schlachten-Verse“ (battles verses) als göttliche Direktiven: „Es ist ganz klar kein pazifistischer Gott, dem wir dienen. Es ist ein Gott, der unsere Hände lehrt, Krieg zu führen, und unsere Finger, zu kämpfen. Immer und immer wieder im Alten Testament, wird sein Volk aufgefordert, mit den besten Waffen, die ihm zu seiner Zeit zur Verfügung standen, zu kämpfen.“ – lesen wir im „Manifest“.

 

Auch die wenigen explizit militanten Stellen aus den Evangelien fehlen nicht in der biblischen Spruchsammlung des modernen Tempelritters: „Wer aber kein Geld hat, der soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen.“ (Luke 22:36) Und: „Denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen. Oder glaubst du nicht, mein Vater würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken, wenn ich ihn darum bitte?“ (Matthäus 26: 52)

 

Breivik scheint darum gebeten zu haben, denn er ist offensichtlich davon überzeugt, dass sein blutiges Anliegen von Vollstrecker-Engeln, die das göttliche Gericht an den Menschen vollziehen, begleitet wird. Auch das leitet er aus Bibelzitaten ab: „Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe.“ – liest er in Exodus 23:20. Man muss wohl davon ausgehen, dass er glaubt, Engel seien ihm schützend bei der Vollstreckung seines Massakers auf der Insel Utøya zur Seite gestanden. Die folgenden beiden von  ihm erwähnten Psalmverse dürfte er so interpretiert haben: „Der Engel des Herrn umschirmt alle, die ihn fürchten und ehren und er befreit sie.“ (Psalm 34:8);  „Denn er befiehlt seinen Engeln dich zu behüten auf all Deinen Wegen.“ (Psalm 91:11) Engel sind in Breiviks Vorstellungswelt jedoch keineswegs nur Geistwesen, sondern können, – wie er sagt: „manchmal im wahrsten Sinne des Wortes als normale menschliche Wesen erscheinen, normalerweise mit der Absicht, dir aus etwas heraus zu helfen. Es gibt unzählige Zeugnisse von Leuten, denen in Momenten einer Krise von Engeln geholfen wurde – und dann plötzlich sind sie verschwunden, ebenso schnell wie sie erschienen sind.“ In der Grenzwelt zwischen Imagination, Virtualität und Realität, in der sich heute nicht nur Breivik sondern viele junge Menschen bewegen, ist es durchaus möglich, dass er sich selbst als eine Art in menschlicher Gestalt agierender Vollstrecker-Engel, der im Namen Gottes die „Bösen“ richtet, sieht.   

 

Die Vorstellung, dass die individuelle Verantwortung für eine Handlung aufgehoben wird, wenn sie im Namen Gottes geschieht, ist in allen Religionen weit verbreitet. Dies gilt insbesondere im Fall eines Heiligen Krieges. Denn in letzter Instanz ist es Gott selber,  der die Aktionen eines Holy Warriors steuert. So heißt es auch in der 8. Sure des Koran: „Nicht ihr habt sie getötet, sondern Gott hat sie getötet. Und nicht du hast geworfen, als du geworfen hast, sondern Gott hat geworfen.“ Dieser Satz und die durch ihn bewirkte Selbst-Transzendierung sind konstitutiv für das Bewusstsein jedweden islamistischen Terroristen, wenn er wirklich aus religiösen Motiven handelt. Und das tun die meisten, selbst wenn sie das mit politischen Zielen verbinden. Doch erhalten auf Grund der Sakralisierung der Handlung  und der Legitimation, die sie sich aus den Kriegspassagen der Heiligen Texte holen, diese politischen Ziele eine neue, diesmal meta-politische Dimension, so dass man von einer Meta-Politik des „Heiligen Krieges“, unabhängig von welcher religiösen und kulturellen Fraktion er  geführt wird, sprechen kann.

 

Auch Breivik sieht sich, wie seine muslimischen Gegner, als ein Instrument in der Hand Gottes, auch er führt einen Heiligen Krieg gegen die Feinde seines Glaubens, auch er hat ein meta-politisches Programm in der Tasche, das er als 1500 Seiten starkes „Manifest“ im Internet veröffentlichte, auch er ist bereit, für sein meta-politisches Phantasma grausam zu töten und sich töten zu lassen, auch er findet in Heiligen Texten die Legitimation für seine unheiligen Taten. Als christlicher Ritter sucht er an erster Stelle Bestätigung durch die Bibel und er ist dort ausgiebig fündig geworden. Indem er die Verse wörtlich nimmt und – wie es jeder Fundamentalist tut – auf sich selber bezieht, treibt ihn die Heilige Schrift geradezu in sein Blutgericht: „Alle die oben genannten Zitate aus der Heiligen Schrift sagen dir klar, dass Gott dich mit seiner Macht ausstatten kann, wenn immer diese Macht benötigt wird, um jeglichen Feind und jegliche Herausforderung zu meistern.“ – versicherte der Massenmörder. Gott kann ihn vor dem Feind schützen oder er kann auch direkt auf den Feind einschlagen. „Manchmal“ – so Breivik – „wird Gott den aktuellen Kampf durch dich ausfechten – manchmal wird er dir nur sagen, fest auf dem Grund zu stehen, die Position zu halten und absolut nichts zu tun – und dann wird er sich selber in Bewegung setzen, um vollständig die Attacke abzuwehren, die gegen Dich aufkommt. So zeigt dir Gott wie machtvoll und schrecklich er ist, wenn Er persönlich in die Schlacht eintritt, um dich zu schützen.“  

 

Breivik hat alle von ihm in seinem „Manifest“ aufgeführten Bibelpassagen als Freibrief für seine Morde und als Vademecum benutzt: „Wenn Du diese Verse in einem Kontext liest, unterstützen sie die Position der Selbstverteidigung.“  – lässt er seine Leser wissen und an anderer Stelle fährt er mit gesteigertem theologischem Eifer fort: „Wenn du in der vollen Hingabe an Gott, den Vater, operierst und all die Wege Gottes gehst und jede gravierende Sünde und jede Verfehlung ihm gegenüber vermeidest – dann ist es der nächste Schritt, sich völlig klar darüber zu werden, dass dich Gott jetzt salbt mit seiner Macht, wenn du gezwungen bist, in die Schlacht gegen deinen Feind einzutreten. Die Bibel sagt uns, dass wir jetzt gute Soldaten Christi sind. Ob wir uns nun empören oder nicht, wir alle leben in einer Kriegszone, die das Resultat der Verfluchung von Adam und Eva ist, die immer noch voll auf der Erde ihre Wirkung zeigt. Jeder von uns kann in jedem Augenblick einer untermenschlichen oder dämonischen Attacke ausgesetzt sein.“

 

Es stimmt zwar, dass sich Breivik selber, wie er sagt, „in keinem gegenwärtig bestehenden Zweig der Christenheit wieder finden“ kann, aber es ist ebenso eine Tatsache, dass er die Restauration des mittelalterlichen Christentums und der Kreuzzüge als Kulturmodell für die Zukunft fordert: „Wir benötigen christliche Führer,“ – so der Attentäter – „die Willens sind zu einem Verteidigungskreuzzug aufzurufen, wenn jeder unserer christlichen Brüder in der Zukunft durch den Djihad bedroht ist. Europäische Kirchenführer müssen keine Angst davor haben, die Medien, die politischen und militärischen Führer zu kontaktieren und zur Tat zu schreiten.“ Auf einem kommenden großen Kongress der europäischen Christenheit soll die Strategie der offensiven „Selbstverteidigung“ von allen aufrechten Christen beschlossen werden, um das Christentum wieder ins Mittelalter zurück zu katapultieren. Patriarchat, Militanz und Dogmatismus müssen – nach Breivik – wieder das Gesellschaftsleben der kommenden Generationen bestimmen. Heute steht – seiner Meinung nach – jeder Christ vor einer grundsätzlichen Entscheidung: „Du kannst entweder wählen, zu lernen, wie du aufstehst in der Macht deines Herrn und Heilands, zu lernen wie du ein wahrer Krieger des Herrn wirst, oder du kannst damit fortfahren, deinen Kopf in den Sand zu stecken und es zulassen, dass ein Unterdrücker nach dem anderen dich niederschlägt. Du hast die Wahl!“

 

Die zahlreichen Aussagen zum Christentum aus dem „Manifest“ und die vielen von Breivik getätigten Bibelzitate scheinen bei etablierten Theologen einen Verdrängungsmechanismus in Gang zu setzen, der nach der Devise arbeitet, was nicht sein darf, kann nicht sein. Zum Beispiel versichert der schon oben zitierte Experte der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen Reinhard Hempelmann, Breivik habe mit dem christlichem Fundamentalismus überhaupt nichts zu schaffen, denn ein Fundamentalist berufe sich pointiert auf bestimmte Passagen der Heiligen Schrift und verstehe diese wortwörtlich. Das sei bei Breivik nicht der Fall. Man muss sich schon Scheuklappen aufsetzen, um so etwas zu behaupten. Breivik nimmt die von ihm benutzten Bibelsprüche nicht nur wörtlich, sondern glaubt darüber hinaus noch fest daran, dass Gott und dessen Engel bei der Durchführung seiner Schreckenstat mitgemacht haben. Ebenso bizarr erscheint die Reaktion von Prof. Thomas Schirrmacher, Vorsitzender der Theologischen Kommission der Weltweiten Evangelischen Allianz, die global etwa 600 Mio. evangelische Christen vertritt, worunter sich auch die christlichen Fundamentalisten der USA befinden. Schirrmacher erklärt uns, „Fachleute [hätten] längst offen gelegt, dass es keine christlichen und keine fundamentalistischen Elemente in Breiviks Pamphlet gibt“. Nach seiner angeblich genauen Lektüre des „Manifests“ kommt der evangelikale Theologe zu dem Schluss: „Fakt ist: Eine Beauftragung oder Legitimierung durch Gott oder eine existierende Religion, geschweige denn die christliche, spielt bei Breivik überhaupt keine Rolle. Gott kommt bei ihm praktisch überhaupt nicht vor…!“ Angesichts solch einer christlichen Verblendung scheint es sinnvoll, noch einmal Breivik mit einem Zitat zu Wort kommen zu lassen, in dem er sich als Gesalbter des Herrn vorstellt: „Wenn du in der vollen Hingabe an Gott, den Vater, operierst und all die Wege Gottes gehst und jede gravierende Sünde und jede Verfehlung ihm gegenüber vermeidest – dann ist es der nächste Schritt, sich völlig klar darüber zu werden, dass dich Gott jetzt salbt mit seiner Macht, wenn du gezwungen bist, in die Schlacht gegen deinen Feind einzutreten.“

 

Odinisten und germanische Recken unter dem Zeichen des Kreuzes

Die traditionelle europäischen Ritterschaft und damit auch die Kreuzritter haben ihre Ursprünge nicht nur im Christentum, sondern auch in der germanischen und keltischen Kriegerkaste, die im frühen Mittelalter sukzessiv zum christlichen Glauben konvertierte. Heroentum, Ehre, Mut, Todesverachtung, Kampfeswut waren Tugenden bei den Germanen und Kelten und wurden nach ihrer Konvertierung nicht abgelegt, sondern mit dem neuen Glauben verschmolzen. In der rechts-extremen Vision vom Heiligen Krieger spielen diese vor-christlichen Völkergruppen eine exponierte Rolle. So auch bei Julius Evola. Für ihn wie für die Nationalsozialisten sind die „nordischen Stämme“ hervorragende Krieger, aber im Gegensatz zu den Nazis hat für Evola ihre rassische Zugehörigkeit keine primäre Bedeutung. Ihre kompromisslose Hingabe an den Gott des Krieges ist für den „Marx der Neuen Rechten“ das Entscheidende und nicht die Hautfarbe.

 

Auch wenn es bei Breivik einige rassistische Spekulationen gibt, so setzt er sich doch mehrmals und entschieden von der NS-Ideologie und von neo-nazistischen Gruppen ab. Diese Ablehnung betrifft aber nicht die Mythologie der Germanen und die daraus entstandene „moderne“ Ideologie, die Breivik als Odinismus bezeichnet, ausgehend von dem germanischen Göttervater Odin. „Ich habe nordische Mythologie studiert und habe eine Menge Respekt vor den odinistischen Traditionen.“ – schreibt der Attentäter und fährt fort – „Ich betrachte mich selbst als Christ, aber Odininismus ist immer noch und wird immer ein wichtiger Teil meiner Kultur und Identität sein.“ Auf den Grabsteinen der getöteten PCTTS dürfen deswegen Runen eingraviert werden, aber keine Hakenkreuze, da es sich dabei um ein politisches NS-Symbol handelt, das er strikt ablehnt.

 

In der Zeit, als sich Breivik noch im rechtextremen Milieu herumtrieb, hatte er offensichtlich  mehrere Kontakte zu Odinisten. Soweit sich diese mit den Nazis und deren Rassismus, den er als „Hassideologie“ bezeichnet,  identifizierten, setzt er sich strikt von ihnen ab. Andererseits ist er aufrichtig darum bemüht, den Anhängern Odins seinen fiktiven Templerorden schmackhaft zu machen. Bedingung hierfür sei aber, dass sie das Kreuz als übergeordnetes Symbol anerkennen, denn nur die Signatur Christi habe das Potential alle in Frage kommenden revolutionären Kräfte im gemeinsamen Kampf zu vereinigen. Die Kritik der Odinisten an den christlichen Kirchen sei zwar berechtigt, aber „die Kirche, die sie hassen, ist die kulturell-marxistische Kirche und nicht die wirkliche Kirche.“ Deswegen –  so Breivik weiter – „Wenn du wählst, unter dem Banner des Kreuzes zu kämpfen, bedeutet das nicht, dass du dein odinistisches Erbe in irgendeiner Art und Weise zurückweisen musst.“

 

Idealfiguren für den, wie er sich selbst bezeichnet, „Commander“ der Tempelritter, sind also Odinisten und germanische Recken, die unter dem Zeichen Christi gegen den Islam und die multikulturelle Gesellschaft in den Krieg ziehen. Auch dafür kann Breivik Vorbilder in der Geschichte finden, an erster Stelle den dänischen Fürsten Holger Danske, den er als „mythischen odinistischen Heros der Skandinavier“ bezeichnet. Dieser germanische Nationalheld der Dänen, dessen finster dreinblickende Kriegerskulptur sich in einer Gruft von Schloss Kronberg bei Helsingør befindet, kämpfte an der Seite des fränkischen Königs Karl Martell in der Schlacht von Poitiers (736) gegen die Sarazenen (Moslems). Im „Manifest“ ist ihm ein glorifizierender Artikel gewidmet.

 

Wie Friedrich Barbarossa aus dem Kyffhäuser wird Holger Danske in Dänemark, insbesondere auch von den Odinisten,  als ein mythischer „König im Berg“ verehrt. Dort sitzt er erstarrt und sein langer Bart ist durch den steinernen Tisch gewachsen. An jedem Weihnachten kommt ein Engel vorbei und sagt ihm, dass für das Land keine Gefahr bestehe. Aber wenn jemals eine solche Gefahr naht, „dann wird sich der alte Holger Danske erheben, und der Tisch wird auseinander brechen, wenn er seinen Bart herauszieht. Dann wird er hervorkommen, und einen Donnerschlag auslösen, der in allen Ländern der Welt zu hören ist.“ Anschließend fährt der in Breiviks „Manifest“ abgedruckte Artikel mit folgenden Sätzen fort: „Jetzt, wenn nur eine winzige Menge vom Blut der Nordmänner in deinen Adern fließt, oder wenn du lange genug bei ihnen gelebt hast, um etwas von ihrem Geist zu erfassen, dann werden sich die Haare in deinem Nacken zu Berge stellen und du wirst diese Worte lesen und sagen: ‚Ja, das ist der Held, der Mann, der uns während der Wirren verteidigen wird, die sicher kommen werden.’“ Mit seiner Verehrung des Holger Danske betritt Breivik wiederum ein mythologisches Terrain der odinistischen Rechten, aus deren Milieu viele darauf warten, dass bald ein kriegerischer Heilsbringer aus der Vergangenheit (Barbarossa, Karl der Große, Holger Danske) aufersteht, um Volk und Land in einer letzten Schlacht gegen die Invasoren, sprich die Muslime, zu verteidigen.

 

Al-Kaida – Glorifizierung des Martyriums

Aber nicht nur das Christentum oder germanische Heldensagen, sondern auch die Religion seines Erzfeindes, den Islam nutzt Breivik als Lehrmeister für seine Taten. Er habe das Terror-Netzwerk al-Kaida und dessen Ideologie seit 2006 ausführlich studiert und viel davon gelernt. Dabei sei er zu dem Schluss gekommen: „Al Kaida ist die erfolgreichste, revolutionäre Bewegung in der Welt.” Die Organisation habe deswegen so viel Erfolg, weil sie Märtyrerattentate durchführe. Ein Problem sei es nur, dass sie zu sehr auf Sprengstoff und nicht auf Amokläufe mit Schusswaffen setze. Jedenfalls verlangten die islamistischen Terrorristen dem Massenmörder so viel Respekt ab, dass er beabsichtigte, eine Art, wie er es selber nennt, „al-Kaida für Christen“ aufzubauen. Er habe auch andere Terrororganisationen erforscht, darunter die baskische Untergrundorganisation ETA. „Die Schwäche der ETA ist“ – so Breivik – „dass sie den Tod fürchten und nicht an das Leben nach dem Tod glauben. Das ist die Schwäche von Marxisten-Bewegungen. Der Vorteil von al-Kaida ist, dass sie das Märtyrertum glorifizieren.“ Auch mit diesem Zitat will der Attentäter klar machen, dass sein „Krieg gegen den Kulturmarxismus“, in dem er die Hauptursache für die Schwächung des christlichen Wertesystems und für die fortschreitende Islamisierung Europas sieht, eine metaphysische Dimension hat.

 

Mit seinem Interesse und seiner Bewunderung für die Methoden und Ideen des muslimischen Feindes, reiht sich Breivik erneut in der Tradition der von ihm erwählten christlichen „Rittervorfahren“. Die Faszination für die Ideologie und Kampftechnik ihrer Gegner waren nämlich auch den Kreuz- und Tempelrittern nicht fremd. Auf der muslimischen Seite kämpften im Mittelalter ebenfalls Angehörige einer traditionellen Kriegerkaste, natürlich unter dem Zeichen des Halbmonds. Die bekanntesten unter ihnen waren die berüchtigten Assassinen, historische Vorläufer des modernen islamistischen-Terrorismus und Djihadismus. Es gehörte geradezu zum guten Ton der damaligen Zeit, dass sich die verfeindeten Heiligen Krieger jenseits aller religiösen Schranken gegenseitig bewunderten, voneinander lernten, sich kopierten, bevor sie sich anschließend im Namen ihres jeweiligen Gottes abschlachteten. Ein Kapitel in Breiviks „Manifest“ lautet entsprechend: „Von den Muslimen lernen“.

 

Was konnte der christliche Terrorist Breivik nun von Al- Kaida lernen? An die erste Stelle setzt er die islamistische Märtyrerphilosophie. Diese ist mittlerweile so häufig dargestellt worden, dass wir sie nicht mehr dokumentieren müssen. Selbstopfer und Martyrium sind zwei hervorragende Eigenschaften der PCTTS und ihr „Commander“ bewundert die Muslime, wegen ihrer Bereitschaft kompromisslos für Gott ihr Leben hinzugeben. Wie die Söhne Allahs erlangen die Tempelritter Breiviks nach ihrem Martyrium metaphysische Wonnen: „Ein Individuum, das Martyrium und Tod auf sich genommen hat, um das Christentum zu schützen, dem ist ein Platz im Himmel garantiert.“ – versichert das „Manifest“.

 

Nach dem Vorbild islamistischer Entführungen, bei denen Geiseln enthauptet wurden, plante Breivik auch, die frühere norwegische Ministerpräsidentin Brundtland zu kidnappen und ihr den Kopf abzuschlagen. Er legte jedoch Wert auf die Feststellung, die Enthauptung sei ursprünglich eine traditionelle „europäische“ Strafe gewesen, die als mächtige psychologische Waffe eingesetzt wurde.

 

Ebenso wie die für die „Al-Kaida Söhne“ Osama bin Laden stellt sich ihm der moderne Westen als das „Reich des Bösen“ dar. Seine Attacken gegen den liberalen Stadt, den er wegen seines „Multikulturalismus“ als „Kulturmarxismus“ verdammt, insbesondere auch seine Ausführungen gegen die Emanzipation der Frau gleichen in vielen Punkten den Ansichten der Islamisten. Es kann deswegen seiner Meinung nach sogar zu partiellen, temporär begrenzten Zweckbündnissen mit ihnen kommen, denn die Militäraktionen der „Justiciar Knights“ sollen sich ja nicht primär gegen den Islam als solchen richten. Nach Breivik geht es letztlich darum, die Muslime in ihre Ursprungsländer zurückzudrängen, damit das christliche Abendland von ihnen gereinigt wird. Dort kann sich der Attentäter sogar die Etablierung eines Kalifats vorstellen. Eine partielle Kooperationen mit den Djihadisten ist dann für ihn sinnvoll, wenn dabei Personen und Institutionen des „kulturellen Marxismus“ zu Schaden kommen, das heißt nach Breiviks Verständnis, de facto alle bürgerlichen politischen Parteien Europas und deren Leader.

 

Obgleich nicht explizit von Breivik angesprochen, sollte man sich kurz einen Aspekt der Djihad-Ideologie näher ansehen, weil er weitere Aufschlüsse über die Geisteshaltung des Massenmörders geben kann. In der islamischen Debatte zum Heiligen Krieg wird der Unterschied zwischen einem inneren und äußeren Djihad gemacht. Unter der Internalisierung des Djihad ist zu verstehen, dass Kriege gegen das Böse nicht nur gegen einen externen Feind ausgefochten werden, sondern auch gegen die Dämonen, die man in sich trägt und die nichts anderes sind als die Begierden, unheiligen Emotionen und seelischen Verunreinigungen in der Seele eines Menschen. Üblicherweise wird dieser Krieg „in der eigenen Brust“ mit strengen asketischen Übungen durchgeführt, der sich ein Krieger zu unterziehen hat.

 

Diese Verinnerlichung des Krieges, die es in allen religiösen Traditionen gibt, darf und wird keineswegs als eine Abstinenz vom äußeren Krieg angesehen. Im Gegenteil, der erfolgreich geführte „innere“ Krieg soll ja geradezu die psychischen, moralischen und disziplinären Voraussetzungen dafür schaffen, dass jetzt die „äußeren“ Kriege weit effektiver, konsequenter und grausamer realisiert werden können. Ja, es ist der „innere Djihad“ der nun aus dem bewaffneten „äußeren Kampf“ (Qital) durch seine Verknüpfung mit der Mystik und der Seele erst einem „Heiligen Krieger“ und einen „Heiligen Krieg“ ausmacht. Sayyid Qutb (1906 – 1966), der ideologische Übervater der Muslimbrüder in den arabischen Ländern, hat diese Wechselbeziehung zwischen „innerer“ und „äußerer“ Djihad sehr klar beschrieben: „Bevor sich ein Muslim auf das Schlachtfeld begibt [d. h. mit dem bewaffneten Kampf beginnt], hat er eine große Schlacht in sich selbst gegen Satan, gegen seine eigenen Wünsche und Ambitionen, seine persönlichen Interessen und Neigungen, gegen die Interessen seiner Familie und seiner Nation; gegen alles, was nicht vom Islam ausgeht; gegen jedes Hindernis, dass der Verehrung Gottes und der Verankerung der göttlichen Autorität auf Erden im Wege steht, zu führen.“

 

Solche Vorstellungen kennen wir auch aus dem Christentum. Der italienische Historiker Dag Tessore konnte deswegen auch einen Vergleich von Sayyid Qutb mit Bernhard von Clairvaux wagen: Qutb, so Tessore, „befindet sich außerdem in erstaunlichem Einklang mit der christlichen Doktrin, wie sie einem vor allem bei Bernhard von Clairvaux begegnet, wenn er vom mystischen und spirituellen Aspekt des Krieges spricht: der Krieg im Dienst Gottes und zur Befreiung des Menschen, der Krieg als Askese und moralische Prüfung, als eine Form der Kontemplation und Vorbereitung auf den Tod, der Krieg als Martyrium des Glaubens.“

 

Zusammen gefasst heißt das: Nur einer, der seine innere Gefühlswelt völlig beherrscht und sie ganz und gar in den Dienst seines Gottes stellt, kann, ohne sich zu beschmutzen und ohne jegliche Skrupel, sein blutiges Handwerk in der Außenwelt ausüben. Breivik erwähnt in seinem Manifest zwar nicht direkt diese muslimische Vorstellung vom inneren Djihad, aber wenn er die Ideologie von al-Kaida sechs Jahre lang ausführlich studiert hat, muss er darauf gestoßen sein, insbesondere deswegen, weil es diese Debatte auch in einer anderen religiösen Kriegertradition gibt, auf die er sich explizit bezieht: die japanischen Samurai. 

 

Die Samurai ­­– Entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns

Der Massenmörder berichtet, er habe bei seinen mehrjährigen intensiven mentalen, emotionalen und spirituellen Vorbereitungen auf den „Großen Tag“ verschiedene Formen von Meditations – und Bewusstseinsübungen praktiziert. Insbesondere habe er sich durch den „Bushido Krieger Kodex“, wie er von den japanischen Samurai Kämpfern benutzt wurde, für sein Attentat fitt gemacht. Bushido bedeutet der „Weg des Kriegers“. Im feudalen System Japans war dieser Weg durch zwei Charaktermerkmale gekennzeichnet: der absoluten Kontrolle über die eigenen Gefühle und der absoluten Loyalität gegenüber dem Lehnsherrn. Wenn dieser sagte, „geh und töte diese Leute“, dann ging der ihm verpflichtete Samurai und tötete  „diese Leute“. Wenn der Lehnsherr sagte „töte deine Familie“, dann tötete er auch seine eigene Familie. Wenn von ihm verlangt wurde, sich selbst zu töten, dann tötete er sich selbst durch einen rituell vollzogenen Selbstmord (seppuko). Dabei galt es als höchst unehrenhaft, den Befehl des Lehnsherrn zu hinterfragen. Noch bis in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert bestimmte dieses Ideal des absoluten Gehorsams das Selbstverständnis der japanischen Armee und machte aus Tausenden von treu ergebenen Soldaten und Kamikaze Piloten gefürchtete Todesmaschinen.     

 

Der von Breivik erwähnte „Bushido Krieger Kodex“ war sehr wahrscheinlich das „Hagakure“, ein Heiliger Text, der zwischen 1710 und 1716 in Japan von Yamamoto Tsunetomo verfasst wurde und der auch als „Ehrenkodex der Samurai“ bekannt ist. Das „Hagakure“ ist heute im Westen weit verbreitet und genießt unter der großen Zahl westlicher Samurai-Bewunderer, und das nicht nur in der rechtsextremen Szene, eine besondere Hochschätzung. Der Text greift grundsätzliche Positionen des Humanismus an und erklärt diese mit dem Bushido als unvereinbar. Gefordert werden neben dem schon erwähnten absoluten Gehorsam gegenüber dem Herrscherfürsten, die ständige Bereitschaft zu töten.

Obgleich das „Hagakure“ aus dem japanischen Zen-Buddhismus entstanden ist, schreckt es nicht davor zurück, die pazifistische Ausrichtung des ursprünglichen Buddhismus direkt in Frage zu stellen: „Sei darum voll entschlossen, diese Ziele zu erreichen, ohne im mindesten zu schwanken, selbst wenn die Lehren Buddhas oder der Götter dem entgegenstehen.“ Krieg, Töten und Selbsttötung sind nicht nur erlaubt, sondern werden geradezu zum Sinn des Lebens. Das heißt im Klartext, die Essenz des Lebens ist der Tod. Der Weg des Samurai ist der Weg des Todes“ – heißt es im Hagakure und „Die geheime Formel lautet daher, stets auf den Tod lauern und entschlossen zu sein, in jedem Moment sterben zu können.“

Der Text fordert die Todesverachtung als Ideal vollendeter Männlichkeit: „Ein Mann von großer Tapferkeit denkt nicht an das Ende eines Kampfes; er stürzt sich leidenschaftlich in den Rachen des Todes, wobei sein wahres Selbst sich in seiner Geisteshaltung offenbart.“ Vorsicht und Bedachtsamkeit auf dieser heroischen Bühne spielen keine Rolle: „Der Weg des Samurai verlangt, dass er kopfüber in seinen Feind hineinstürmt, sogar blindlings.“ – lehrt das „Hagakure“. Aber es kommt noch schlimmer: „Wenn euer Schwert in einer Schlacht zerbricht, kämpft mit euren Armen; wenn eure Arme abgeschlagen werden, ringt euren Gegner mit euren Schultern nieder; wenn eure Schultern verletzt sind, könnt ihr immer noch mit euren Zähnen kämpfen.“ Töten und sich selber töten werden hier als ekstatischer Zustand erfahren und glorifiziert: „Wenn es dazu kommt, einen anderen zu erschlagen, dann stelle keine rationalen Überlegungen an. [....]  So etwas vernichtet den rechten Zeitpunkt, schwächt Deine Entschlusskraft  und endet wahrscheinlich damit, dass du den Gegner gar nicht erschlägst. Der Weg des Samurai erfordert sogar, dass du verzweifelt und blind vorpreschst.“ Die philosophische Essenz des „Hagakure wird im Text selber durch einen weiteren schrecklichen Satz zusammengefasst, der lautet: „Entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns“. Doch für den Samurai ebenso wie für Breivik wird dieser „Wahnsinn“ zu einer   Selbstverständlichkeit:  „Es ist leicht zu denken, das ist Wahnsinn.“ – sagte der Attentäter während des Prozess über seine grauenvolle Tat – „Aber es gibt einen Unterschied zwischen politischer Gewalt und Wahnsinn im medizinischen Sinne.“

 

Andere Aussagen Breiviks könnten ebenfalls aus dem“ Hagakure“ stammen. Zum Beispiel: „Es gibt Situationen, wo Grausamkeit notwendig ist und die Weigerung, die notwendige Grausamkeit anzuwenden, betrügt die Menschen, die du zu schützen vorgibst.“ – „Wenn du erst einmal losschlagen willst, ist es besser zu viele zu töten als zu wenige.“ Bei der aufkommenden Frage, was faszinierte Breivik an den Samurai, lautet die Antwort: Die absolute Gefühlskontrolle, die kompromisslose Härte gegen sich selbst, die vollkommene Kaltblütigkeit gegenüber anderen, der Ehrenkodex und das Standesethos, der Krieg als Selbstzweck, die Verachtung des Lebens und die Verherrlichung des Todes um nur einige der vielen Beispiele zu nennen.

 

Gebet und Meditation als Vorbereitung zum Mord

Am fünften Tag der Gerichtsverhandlung sprach Breivik über seine Innenwelt und sein Bewusstsein. Er habe eine eigene Meditationstechnik entwickelt, eine Mischung aus „christlichem Gebet“ und dem „Bushido Krieger Kodex“. Es ist bekannt, dass sich die Kreuzritter durch ständige Gebete auf ihren Kampf vorbereiteten und auch während der Kriegshandlungen beteten. Ebenfalls setzen die Djihadisten das Gebet als spirituelle Vorbereitung für den Kampf ein. Das weiß Breivik und er bewundert sie deswegen: „Eine der Gründe weshalb die Muslime so aktiv im Guerilla-Krieg sind, besteht darin, dass sie sich dadurch motiviert halten, dass sie fünfmal am Tag beten und anspornende Suren aus dem Koran rezitieren.“ – schreibt er in seinem „Manifest“. Aber keine religiöse Überlieferung Heiliger Krieger hat sich so detailliert Gedanken über ihre Geisteshaltung gemacht wie die Tradition der Samurai. In diesem Fall steht jedoch nicht das Gebet im Zentrum, sondern die Kontrolle des Bewusstseins durch Meditation. Entscheidend für die Kriegermentalität der japanischen Ritter ist die absolute Beherrschung der eigenen Gefühle und das hat Breivik von ihnen gelernt.

 

Ihre mentalen Techniken haben die Samurai-Krieger aus dem Zen Buddhismus übernommen. So beschreibt der im Westen bekannteste Zen-Philosoph Daisetz Teitaro Suzuki (1870-1966) die enge Beziehung von Zen und Bushido mit folgenden Worten: „Die Lebensanschauung des Bushido ist mit der des Zen identisch. Die Ruhe und sogar die Herzensfreude im Augenblick des Todes, die bei den Japanern deutlich zu erkennen ist, die Furchtlosigkeit, die die japanische Soldaten angesichts eines übermächtigen Feindes gewöhnlich zeigen [....] all dies entspringt dem Geist der Zen-Schulung“. Als Kommentar zu dem Bushido Klassiker Hagakure lesen wir bei Suzuki: „Diese Kräfte [des Kriegers] können manchmal teuflisch sein; jedenfalls aber gehen sie über das hinaus, was man gemeinhin für menschenmöglich hält, und wirken Wunder. [....] Der Tod verliert seinen Stachel, und hier treffen sich die Schulung des Samurai und des Zen.“

 

Zen ist eine Methode des Bewusstseinstrainings und deswegen mit jeder Philosophie und jeder Ideologie kompatibel. „Er kann verheiratet werden mit Anarchismus oder Faschismus, Kommunismus oder Demokratie, Atheismus oder Idealismus, oder jeglichen politischen oder ökonomischen Dogmatismus.“ – schreibt Suzuki. Zen-Meditation potenziert also Dogmen jedweder Natur, er ermöglicht es sie „cool“ und „ohne Gefühlsduselei“ durchzusetzen. Durch Zen-Meditation werden heute Sportler, Börsenmanager ebenso wie konservative Strömungen innerhalb der Katholischen Kirche wieder fit gemacht.

 

Mit Meditationstechniken hat auch Breivik sein Bewusstsein geschult. „Mentale Strenge, das ist der Schlüssel!“ – sagt er an einer Stelle des „Manifests“. Um seine Attentate durchzustehen, habe er sich emotional total abgekapselt: „Man muss gefühlsmäßig abgestumpft sein, das muss man trainieren.“ Diesen Vorgang bezeichnet er als „Entemotionalisierung“. Das Training habe mehrere Jahre gedauert. Bis 2006 sei er „normal“ gewesen, von da an habe er sich durch Meditation „desensibilisiert“, täglich mindestens 40 Minuten. Auch seine „technische“ Sprache während der Prozessverhöre sei ein Werkzeug, um keine Emotionen aufkommen zu lassen: „Freude, Angst und Hoffnungslosigkeit spüre ich nicht mehr.“ Und an anderer Stelle sagt er auf eine Frage der Staatsanwaltschaft, durch Meditation habe er alle Gefühle vom „Glück bis zum Kummer, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Angst und Furcht“ ausgeschaltet.

 

All das beschreibt ziemlich exakt die östliche Meditationstechnik des Zens, bei der, um einen Zustand des Gleichmuts zu erlangen, auch die Freude wegmeditiert werden muss. Wie im Zen-Buddhismus fordert Breivik immer wieder ein „ausbalanciertes“ „stabilisiertes“ „motiviertes“ und „fokussiertes Bewusstsein“, welches erst den gewünschten Erfolg bei militärischen Aktionen verspreche. Wenn es um das Mitgefühl für die Opfer geht, dann tritt der meditative Mechanismus der „Desensibilisierung“ in Kraft. Er gibt ihm Schutz und Unerschütterlichkeit. Eine Anwältin der Opfer fragte den Angeklagten: „Weißt Du, dass in ganz Norwegen etwa tausend Hinterbliebene in 17 Sälen deine Aussage hören?“ Dieser antwortet: „Ja. Was ich getan habe, war grausam.“ – „Kannst Du darüber reflektieren?“ – „Ich würde zusammenbrechen, wenn ich meinen Schutzpanzer fallen lassen würde.“ Es ist eine strikte Forderung in der Zen-Meditation, das reflektierende Bewusstsein zum Stillstand zu bringen.

 

Die Kshatriya – Der Töter ist „das ausführende Organ des Geschehens im Weltlauf.“

Eine ähnliche mentale Haltung wie die japanischen Samurai kennen die Kshatriya, die Angehörigen der indischen Kriegerkaste. Auch zu ihnen stellt Bereivik eine Beziehung her. Das Hauptanliegen des Massenmörders ist es, Europa vor der islamischen Invasion zu schützen. In diesem Kampf sieht er die religiöse Rechte Indiens als Verbündeten. In Sektion 3.158 des Manifestes erfährt der Leser, dass die indischen Nationalisten unter „derselben Verfolgung von Seiten der Kultur-Marxisten leiden wie ihre europäischen Cousins.“ Sozialisten, Linke und Liberale hätten sich darauf eingeschworen, gegenüber der drohenden Islamisierung des Landes eine Beschwichtigungspolitik zu verfolgen.

 

Mehrmals kommt Breivik auf die islamische Invasion des Subkontinents zu sprechen und schildert diese als einen andauernden Genozid an der Hindu-Bevölkerung. Der Islam gehe heute zusammen mit dem Kommunismus zum Generalangriff auf die indische Gesellschaft und Kultur über und die liberalen Kräfte würden dem tatenlos zusehen: „Wenn sich die Entwicklung in Indien so fortsetzt und unsere nationalistischen Hindu-Brüder nicht bald aufstehen, werden wir eine indische Muslim-Mehrheit in den Jahren 2035-2040 haben.“ – erklärt Breivik.

 

Deswegen werden seine „Justiciar Knights“ (Vollstrecker-Ritter) „die Sanatana Dharma Bewegungen und die indischen Nationalisten im allgemeinen unterstützen.“ Sanatana Dharma (der ewige, unveränderliche Dharma) bezeichnet ursprünglich die kosmische Ordnung, die das gesamte Universum bestimmt. Von der religiösen Rechten des Landes wird der Begriff jedoch als „Hindu Dharma“ verstanden, als die Zusammenfassung aller Normen, welche die Hindu-Kultur (Hindutva) ausmachen. Es sei die vordringlichste Aufgabe unserer Zeit, mit allen Mitteln der ursprünglichen Lebensanschauung der Hindus wieder allgemeine Gültigkeit zu verschaffen, das Dharma (göttliche Gesetz) wieder herzustellen. Breivik bezieht sich explizit auf mehrere radikale Gruppierungen, die sich der Hindutva zugehörig fühlen. Sie alle fordern letztlich die Errichtung eines monokulturellen Hindu-Staates, von dem die Muslime ausgeschlossen sind. Ihnen verspricht Breivik militärischen Support „im indischen Bürgerkrieg und für die Deportation aller Muslime aus Indien.“ Seine Tempelritter, die auf indischem Terrain gegen die islamische Unterdrückung kämpfen, sollen für ihre Verdienste mit einer speziellen Medaille ausgezeichnet werden, der „Liberation of India Service Medal”.

 

Die Angehörigen der traditionellen indischen Kriegerkaste nennen sich Kshatriya (Sanskrit: Krieger, Ritter). In der politischen Philosophie der Hindutva spielen sie die zentrale Rolle. Auch die Kshatriya kennen, wie die japanischen Samurai, ein mentales Bewusstseinstraining, das eine totale „Desensibilisierung“ zum Ziel hat und das Karma-Yoga genannt wird. Breivik bezieht sich zwar nicht explizit auf die indischen Ritter, aber auch deren Geist hat ihn durchdrungen, nicht nur weil er die Hindutva allgemein bewundert, sondern weil ein Satz von ihm „Man kann niemanden töten, wenn man mental nicht vorbereitet ist“ aus einem Text stammen könnte, der den  Kshatriya heilig ist.

 

Gemeint ist die Bhagavadgita, eine zentrale Schrift des Hinduismus aus dem fünften Jahrhundert v. Chr.. Man kann sie wohl als das „Hagakure“ der indischen Kshatriya bezeichnen. Wesentlicher Inhalt dieses spirituellen Gedichts in der Form eines Gesprächs ist folgender: Der Feldherr Arjuna steht den Angehörigen seiner Sippe, seinen Brüdern und Verwandten in einer Schlachtreihe gegenüber. Die beiden verfeindeten Heere sind groß und stark. Arjuna zögert, mit dem Gemetzel zu beginnen, weil er dadurch gezwungen wäre, diejenigen, die er einstmals liebte und immer noch liebt, töten zu müssen. Aber da spricht Krishna, die Inkarnation des Gottes Vishnu, zu ihm und ermahnt ihn, dass es seine metaphysische Pflicht sei, als Krieger in den Kampf zu ziehen. Da die Welt eine Illusion sei, sei auch der Tod seiner Verwandten in Wahrheit nur Schein. Arjuna ist zwischen Emotionen und Mitgefühl auf der einen Seite und kriegerischem Pflichtauftrag auf der anderen hin und her gerissen und entscheidet sich schließlich für den Bruderkrieg.

 

Das Töten des Gegners wird in der Bhagvadgita als Yoga-Übung verstanden, wobei auch in diesem Fall die volle Gefühlskontrolle keinerlei Mitleid und Mitgefühl zu den Opfern, selbst wenn es sich dabei um Familienengehörige handelt, aufkommen lässt. Krieg und Töten werden zum Selbstzweck, zur absoluten Pflicht, zum summum bonum einer ganzen Kaste: „Behalt im Auge Deine Pflicht und wanke nicht. Nichts gibt es Höheres für den Krieger als den Kampf, der ihm als Pflicht ist auferlegt. Glücklich sind die Krieger, denen das Schicksal einen solchen Kampf beschert. Es ist das Tor zum Himmel, weit geöffnet.“ – erklärt Krishna dem Arjuna

 

Indem der Kshatriya erkennt, dass die zerstückelten Leiber der von ihm Erschlagenen nur die endlichen Ausstrahlungen der Materie sind, hinter der sich der ewige unzerstörbare „Seinsgrund“ (purusha) verbirgt, muss er alle irdischen Schlachtfelder als reine Illusion ansehen. „Wer meint, dass Jener [der purusha] töte oder getötet werde, der ist im Irrtum beiderseits. Denn Jener tötet nicht, noch wird er je getötet.“ Getötet werden „nur“ die Leiber, und diese sind vom Krieger zu vernichten, damit er höhere Erkenntnis erlangen kann. „Der Kämpfer, der töten muss, wird also dadurch nicht zum Zerstörer des Menschen, er ist nur das ausführende Organ des Geschehens im Weltlauf.“ Auch vor der Vernichtung des eigenen Leibes, darf der Kshatriya nicht Halt machen, auch diesen muss er auf dem Altar der Götter darbringen: „Unrecht ist es für den Krieger, zu Hause zu sterben; in der Schlacht zu sterben ist des Kriegers ewige Pflicht.“

 

Auf dem Zenit des Gemetzels erblickt der Krieger in ekstatischer Schau die Gottheit. Die Zerstückelung und Vernichtung der Körper wird als Eucharistie, als sakramentale Vereinigung mit Krishna erfahren. Wenn sich das eigene Blut mit dem der Feinde mischt, findet eine unio mystica statt. Alles versinkt in einer gnadenlosen Lichtflut: „Ich schaue dich mit der Krone, mit der Keule und dem Diskus als eine Glanzenergiemasse, die nach allen Seiten hinstrahlt, dich, den schwer zu Schauenden, den Glanz von Feuerflammen und von Sonnen, den Unermesslichen.“ – ruft Arjuna aus als ihm Krishna erscheint. Aber das Sonnenantlitz, in das er blickt, gehört keinem anderem als dem gnadenlosen Tod: „Ich bin der mächtige Tod“ – antwortet Krishna – „hierhergekommen zur Vernichtung. Darum auf, erwirb dir Ruhm, besiege deine Feinde und tritt die hohe Herrschaft an. Von mir sind diese alle schon im Voraus getötet. Du sei das Werkzeug nur, du Linkshändiger.“

 

Schon 1925 hatte ein anderer Massenmörder, Heinrich Himmler, gefordert: „Kshatriya Kaste, das müssen wir sein. Das ist die Rettung!“ Während des Krieges soll er ein Exemplar der Bhagavadgita immer bei sich getragen und aus ihrem Geist die Endlösung der Judenfrage begründet haben. Breivik nennt die Bhagavadgita nicht, aber für seine Verbündeten aus dem Sanatana Dharma ist sie der heiligste aller Texte. 

 

Shambhala-Warriors – „äußerst wilde Krieger“

Ein Artikel aus dem „Manifest“ geht auf die historische Vernichtung und Vertreibung der buddhistischen Gemeinschaften durch die Muslime in Indien und Afghanistan ein. Auch die Buddhisten werden von Breivik zum Bürgerkrieg gegen die islamische Okkupation aufgerufen. Sie sind einer der „vier Arme des Dharma“, worunter er den politisch-militärischen Zusammenschluss von Hindus, Sikhs, Buddhisten und Jains versteht. Es handele sich dabei – so Breivik – um verschiedene Strömungen desselben „Sanatana Dharma“, die willkürlich von Säkularisten als einzelne Religionen gegeneinander ausgespielt würden.

 

Viel mehr erfahren wir im „Manifest“ nicht über den Buddhismus. Breivik geht aber offensichtlich davon aus, dass auch andere Buddhisten als die Samurai Ritter keine Pazifisten sind, sondern durchaus zur Waffe greifen. In der Tat kennt der tibetische Buddhismus ebenfalls einen Heiligen Text, in dem zum Krieg aufgerufen wird. Da sich dieser explizit gegen den Islam richtet, ist es nahe liegend, auch diese religiöse Tradition zu reflektieren, obgleich sie von Breivik nicht erwähnt wird.

 

Ausgerechnet in einem Ritual des Dalai Lama, dem so genannten Kalachakra-Tantra ist die buddhistische Kshatriya-Philosophie thematisiert. „Kalachakra“ bedeutet „Rad der Zeit“ und „Tantra“ bezeichnet einen Heiligen Text. Zwar wird das Kalachakra der westlichen Öffentlichkeit als ein Beitrag zum Weltenfrieden präsentiert, aber es enthält im Widerspruch hierzu eine Prophezeiung, die den apokalyptischen Endzeitkrieg zwischen den Kräften des Guten und des Bösen voraussagt. Schon 1986 hatte der deutsche Schriftsteller Tilman Spengler in der Zeitschrift GEO anlässlich einer Kalachakra-Einweihung Bedenken gegenüber der falschen Friedenspropaganda angemeldet, mit der das Tantra vorgestellt wird: „Dabei hat der Ursprung des Kalachakra zunächst wenig mit Frieden zu tun.“ – schreibt Spengler. Im Kalachakra-Tantra gehe es „um die Überwindung negativer Kräfte und die Errichtung des mythischen Reiches Shambhala – wozu allerdings auch die Vertreibung der Muslime, der Erzfeinde der Buddhisten, gehört.“

 

Das Kalachakra-Tantra, entstanden in Indien in der Zeit der muslimischen Invasion, beinhaltet deswegen eine ins Kosmische ausgedehnte Rachephantasie wegen des erlittenen Unrechts. Es gibt im Text selber mehrere direkte Bezüge auf die Religion Mohammeds. Als Erzfeinde der Buddhisten werden expressis verbis genannt: „Adam, Noah, Abraham und die fünf anderen – Moses, Jesus, der im weißen Gewand, Mohammed und der Mahdi“, die – so der Text – der „Familie der dämonischen Schlangen“ angehören. Nicht nur bezeichnen die ersten sechs Namen Religionsführer, die im Islam den Status eines Propheten innehaben, sondern der Mahdi, ist der muslimische Messias, der am Ende der Zeiten einen Krieg gegen die „Ungläubigen“, darunter auch die Buddhisten, entfesselt.

 

Buddhisten kämpfen in der Shambhala-Prophezeiung gegen Muslime, die das Kalachakra-Tantra als „mleccha“ bezeichnet. Der Sanskrit-Begriff stammt zwar aus vor-islamischer Zeit und bedeutet „Barbaren“, doch nach der islamischen Eroberung wird daraus „Einwohner Mekkas“. In „Mekka“ – sagt das Tantra – lebt das „machtvolle, gnadenlose Idol der Barbaren, die dämonische Inkarnation“. Verstreut über den ganzen Text werden immer wieder Verweise auf den Islam gemacht wie zum Beispiel die Beschneidung der Männer, der Schleier der Frauen, die rituelle Schlachtung von Tieren und so weiter.  

 

Das Kalachakra-Tantra kennt nicht nur diese klare Ausrichtung gegen den Islam als Erzfeind, sondern auch die Typologie des Heiligen Kriegers, eines buddhistischen Ritters, den so genannten Shambhala-Warrior. Die äußerst wilden [buddhistischen] Krieger werden die barbarische Horde niederwerfen“ und „eliminieren.“ – heißt es im Original. Ein Gedicht des III. Panchen Lama hebt den martialischen Charakter des kommenden militanten Messias, Rudra Chakrin, Anführer der Shambala-Warriors, besonders hervor: „Die gewaltige Schar Deiner Krieger“ – lesen wir dort – „wird in vielen Farben erscheinen – […] – Deine Streitwagen werden andere Streitwagen zu Staub zermalmen. – Deine Fürsten werden die anderen Fürsten vernichten. – Wenn all dies geschehen ist, wird das Geschlecht der Barbaren [sprich die Muslime] für immer ausgerottet sein.“

 

Ebenso wie in den anderen, schon dargestellten Kriegertraditionen, unterscheidet auch das Kalachakra Tantra zwischen der äußeren Kriegshandlung und der durch meditative Praktiken hergestellten inneren Kriegermentalität des Shambhala-Warriors. Alexander Berzin, Kalachakra-Experte des Dalai Lama, der sich ausführlich damit auseinandergesetzt hat, kommt deswegen zu dem Schluss: „Eine sorgfältige Untersuchung der buddhistischen Texte, insbesondere der Kalachakra Tantra Literatur, zeigt, dass in der Tat beide Schlachtenebenen, die externe und die interne, leicht als Heilige Kriege angesehen werden können. Eine unbefangene Studie des Islams zeigt dasselbe. In beiden Religionen, mögen Führer die externen Dimensionen des Heiligen Krieges für ihren politischen, ökonomischen und persönlichen Gewinn ausbeuten und dazu benutzen ihre Truppen in die Schlacht zu führen. Historische Beispiele für den Islam sind gut dokumentiert; aber man sollte sich keine rosarote Brille im Fall des Buddhismus aufsetzen und glauben, dass er diesem Phänomen gegenüber immun sei.“ An anderer Stelle wird Berzin noch deutlicher: „Die Kalachakra Darstellung des Shambhala Krieges und die islamische Diskussion über den Djihad zeigen bemerkenswerte Ähnlichkeiten.“

 

Es gibt zudem keinen uns bekannten Heiligen Text der traditionellen sakralen Weltliteratur, der so von der Beschreibung von Super-Waffen-Systemen fasziniert ist, wie das Kalachakra-Tantra. Auch das erinnert an die krankhaften Waffen-Obsessionen Breiviks, wenn er seitenlang über den Einsatz von allen nur denkbaren Vernichtungsmitteln phantasiert, angefangen vom Schwert bis hin zum Nuklearschlag. Explizit wird im Kalachakra Tantra ein Militärpakt mit der Hindutva als dem Hauptverbündeten gegen den Islam erwähnt. Die Kalachakra-Prophezeiung sagt die gute Kooperation des kommenden Shambhala-Königs mit den indischen Göttern und Armeeführern voraus. Auch dass passt zu Breiviks Bündnisvision des Santana Dharma.

 

Nach der Aussage des amerikanischen Religions-Historikers Andrei Zanmenski beinhaltet das Kalachakra-Tantra eine „totalitäre Versuchung“. Weshalb kann so etwas für den heiligsten Text des Dalai Lama überhaupt gesagt werden? Ein Grund hierfür ist, dass, historisch gesehen, die kriegerische Shambhala-Prophezeiung des Tantras für totalitäre Systeme unterschiedlichster Orientierung besonders attraktiv gewesen ist. Im 20. Jahrhundert wurde der Shambhala-Mythos in Inner Asiens, insbesondere in der Mongolei, von verschiedenen Kampfparteien als Kriegerideologie eingesetzt. Nazis, Bolschewiki, italienische Faschisten, japanische Militaristen, Neo-Nazis, Neo-Faschisten, autoritative okkulte Gruppierungen sind der „totalitären Versuchung“ dieses Tantras erlegen. Breivik wäre es auch, hätte er den Text nur gekannt. 

 

Christen, Juden, Hindus, Buddhisten – die neue Allianz gegen den Islam

Dem Tiefenpsychologen Erich Neumann war Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts aufgefallen, dass es eine „germanisch-christliche“ Bewegung gab, die sich mit den „indisch-brahmanischen und buddhistischen Völkern“ zusammenschließen wollte. Wobei unter „christlich-germanisch“ solch militante rechts-gerichtete Gruppierungen zu verstehen waren, die entweder den Protestantismus als ein germanisches Phänomen ansahen oder – wie bei Breivik – die „Tempelritter“ oder den „deutsche Ritterorden“ als Vorbild hatten. Die Beziehung zu den „indisch-brahmanischen und buddhistischen Völkern“ wurde deswegen gesucht, weil die Kultur der Hindutva und der Buddha-Lehre aus demselben indo-arischen Kulturkreis stammen sollten, aus dem auch die nordischen Völker, insbesondere die Germanen hervorgegangen seien. Dieser ost-westliche Schulterschluss, der damals unter dem Zeichen des Hakenkreuzes vollzogen wurde (der Swastika ist auch ein buddhistisch-hinduistisches Symbol), war unter den Nazis klar gegen die Juden als Rasse gerichtet.

 

Breivik dagegen lehnt expressis verbis jede Form des Nazismus und Rassismus ab. Er ist nicht antisemitisch, sondern unterscheidet zwischen „liberalen“ Juden, deren Elite als eine besondere Spezies des weltweiten Kultur-Marxismus auszurotten ist, und „konservativen“ Juden: „So lasst uns zusammen kämpfen mit Israel, mit unseren zionistischen Brüdern gegen alle anti-Zionisten, gegen alle Kultur-Marxisten und Multikulturalisten. Konservative Juden sind loyal zu Europa und sollten belohnt werden.“ – ruft er aus. Radikale Zionisten verehrt Breivik als Frontkämpfer im globalen Krieg gegen den islamischen Djihad. Eine von ihm beschworene Allianz mit den „Justiciar Knights“ ist die „militärische Kooperation mit nationalistischen hinduistischen, buddhistischen, jüdischen und/oder atheistischen (nicht-europäischen) Kräften auf hinduistischem, buddhistischen oder jüdischen Territorium.“

 

Neben Breivik gibt es auch andere Ideologen, die eine solche Allianz zwischen Christen, Hindus, Buddhisten und Juden gegen den Islam gutheißen. Einer davon ist der mehrmals in das Kalachakra-Tantra initiierte Däne Ole Nydahl, ein designierter Guru des so genannten Diamantenweg-Buddhismus. Früher stand er dem Christentum kritisch gegenüber, 2008 aber erklärte er in einem Online Interview: „Judaismus und Christentum sind okay. Es ist der Islam vor dem ich warne. Ich kenne den Koran, ich kenne die Lebensgeschichte Mohammeds und ich denke wir können das in unserer heutigen Gesellschaft nicht mehr brauchen.“ Nydahls anti-islamische Äußerungen mögen sich nicht besonders von denen anderer Islamkritiker unterscheiden, aber im Kontext mit der Kriegerideologie des Kalachakra-Tantra erhalten sie eine größere politische Brisanz. Von ihm wird jedenfalls dasselbe Bündnis angesprochen, das auch Breivik vorschwebt: Christen, Juden, Buddhisten und Hindus vereint gegen den Islam.

 

Die Kriegerphilosophie des Anders Breivik ist eine von Ideologen, Philosophen und Religionswissenschaftlern der extremen Rechten schon seit Jahren zusammengestellte und immer wieder neu gemischte Ideenmixtur, die schon mehrmals als geistige Grundlage radikaler politischer Bewegungen gedient hat. An erster Stelle sind hier die Werke des italienischen Barons Julius Evola (1898 – 1974) zu nennen, der Mussolini beriet, der in der SS Vorträge hielt und der heute in der Neuen Rechten dasselbe hohe Ansehen genießt wie früher Karl Marx in der alten Linken. Aber die prima causa für die Kriegertheologie eines Breivik ist nicht in den Philosophien der Faschisten und Nazis zu suchen, sie liegt in den Heiligen Texten der Weltreligionen selbst: im Alten und Neuen Testament, im Koran, im Hagakure, in der Bhagavadgita und im Kalachakra Tantra. All diesen Schriften beinhalten, wörtlich gelesen, klare Aufforderungen zum Heiligen Krieg gegen Andersgläubige und in allen Weltreligionen werden immer noch mentale und meditative Techniken angeboten, um den Gefühlshaushalt eines Mannes so zu konditionieren, so dass er im Namen seines Gottes oder eines Höchsten Prinzips mit Begeisterung und Todesverachtung seine Feinde tötet und sich selber von ihnen töten lässt. 

 

Steve Bannon

Der US-Amerikaner Steve Bannon, führender Ideologe der „Alt-Right“ (Alternative Rechte) war früher Herausgeber des ultrarechten Nachrichtenportal Breitbart News mit Sitz in Los Angeles, später ideologischer Berater des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, bis er von diesem entlassen wurde, und ist heute geschätzter Vortragreisender in der rechtsextremen Szene, insbesondere in Europa.

 

Während er in den späten 70er Jahren als Offizier in der Navy diente, interessierte er sich leidenschaftlich für, wie er es später beschrieb, „ein systematisches Studium der Weltreligionen“ und betrieb dieses ein ganzes Jahrzehnt lang. Er begann mit der römisch-katholischen Kirche, wechselte dann über zum christlichen Mystizismus bevor er sich den östlichen Religionssystemen (Veden, Hinduismus, Daoismus, Buddhismus) widmete, Während seines Militärdienstes praktizierte er für kurze Zeit Zen-buddhistische Übungen, bevor er seinen Weg zurück zum Katholizismus fand.

 

Aus dieser Mischung der verschiedenen Weltreligionen sammelt er mehrere problematische Inhalte und konstruiert aus ihnen, wie es auch Breivik getan hat, eine Philosophie des Krieges. Nach Bannon befindet sich die Menschheit in einer Zeit des Niedergangs und der Dekadenz. Die Folge davon ist ein ständiger Kriegszustand, der sich zunehmend verschlimmert. Der Kampf findet, ebenso wie bei Breivik, an zwei Fronten statt, zwischen der Tradition des Patriarchats und der modernen Gesellschaft, die unter anderem durch den Machtanspruch des Feminismus geprägt ist, und andererseits zwischen Islam und Christentum. Und auch wie bei Anders Breivik kämpfen die östlichen Religionen dabei mit dem Abendland Seite an Seite. Dieses ganze ideologische Konstrukt beherrscht die extreme Rechte schon seit den Zeiten des frühen Faschismus im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts, auch wenn damals der Islam noch nicht der Hauptgegner war, sondern neben der Modernen vor allem der Bolschewismus. Es ist also nichts Originelles, an dem sich Bannon orientiert. Zu dieser Ideologie zählen ein apokalyptisches Denken, die Vergöttlichung des Kriegers, die absolute Vorherrschaft der Tat, die Dämonisierung des Gegners als das Böse, die Verherrlichung patriarchaler Standards, eine extreme Angst vor der aufsteigenden Frauen Power und vor der Etablierung einer Frauenherrschaft. All das findet sich wieder bei Steve Bannon.

 

Die östlichen Lehren haben tiefe Spuren in seiner Ideologie hinterlassen. Nach Aussage eines seiner Freunde „sprach er viel über das Dharma – er fühlte sich dem Dharma sehr verbunden – Was eines der stärksten Prinzipien in der Bhagavadgita ist.“ Dharma bedeutet allgemein Rechtschaffenheit, aber im Zusammenhang mit dem indischen Nationalepos bedeutet es die Pflicht des Kriegers, ohne Empathie zu kämpfen und zu töten. Das Mitgefühl, das den Krieger Arjûna davon abhält, gegen den Feind ins Feld zu ziehen, wird von dem Gott Krishna, der in das Geschehen eingreift, „Feigheit, unwürdig eines Edlen und vom Himmel entfernend" genannt. Die Verheißung dagegen lautet: „Getötet, – wirst Du das Paradies haben, siegreich, – wirst Du die Erde haben. Deshalb stehe entschlossen auf zur Schlacht.“ Hier sei noch einmal auf Heinrich Himmler verwiesen, der die Bhagavadgita in den Kriegsjahren immer bei sich trug und daraus die Vernichtung der Juden ableitete. Nach Bannon befindet sich der Westen in einem Zustand des „adharma“ und ist deswegen gekennzeichnet von dem Zerfall traditioneller Werte und von Amoralität.

 

Darüber hinaus hat das Dharma in der Baghavadgita eine kosmische Bedeutung. Es geht in dem dort geschilderten Großen Krieg nicht nur um einen Krieg zwischen Stämmen, sondern um einen apokalyptischen Heiligen Krieg, der ein altes Zeitalter beendet, damit ein neues entstehen kann. Diese metaphysische Bedeutung wird  dharma yuddham” oder Krieg für das Dharma genannt. Deswegen greifen die Götter direkt in das Geschehen ein. So sagt Krishna: „immer wenn ein Niedergang des Dharma (Rechtschaffenheit, Tugend) und ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe ich mich selbst unter den Kreaturen. So verkörpere ich mich von Periode zu Periode für die Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung der Boshaften und die Aufrichtung des Dharma.“

 

Bannon zählt auch ein weiteres bekanntes asiatisches Schriftwerk zu seinen präferierten Büchern: „Die Kunst des Krieges“ von Su Tzi aus dem 5. Jahrhundert vor Christi Geburt. Der Verfasser, ein chinesischer General, empfiehlt zum Beispiel eine verdeckte Kriegsführung, die nach außen hin Chaos vortäuscht, aber sich im Verbogenen nach einer überlegten Strategie richtet: „Mitten im Toben und Wogen des Kampfes mag scheinbar Unordnung herrschen, wo doch keine Unordnung ist; mitten in Verwirrung und Chaos mag dein Gefolge kopflos oder ziellos erscheinen, und doch wird es vor der Niederlage geschützt sein. Vorgetäuschte Unordnung erfordert perfekte Disziplin.“ Ein Artikel in der Neuen Züricher Zeitung meint, dass dies genau die Methode sei, nach der Donald Trump mit seinem chaotisch scheinenden Regierungsstil vorgegangen sei, und vermutet, dass ihm diese Strategie von Bannon eingeredet wurde.

 

Im europäischen Kulturraum machte sich dieser mit religiösen Philosophien vertraut, die als Traditionalismus bezeichnet werden und deren Studium zur Standardausstattung rechtsextremer Intellektueller zählen. Neben dem Franzosen René Guénon (1886 – 1951) ist das vor allem der Italiener Julius Evola (1898 – 1974). Beide haben mit mehreren Schriften gegen die Moderne polemisiert, die sie als eine Ära der Dekadenz, der Auflösung, der Untergangs anprangerten. Beide waren davon überzeugt, dass die Menschheit in einer apokalyptischen Endzeit lebt. Evola gilt zudem als ein Theoretiker des Faschismus. Über seine Versuche bei der SS Fuß zu fassen, haben wir ausführlich in unserem Buch Hitler - Buddha- Krishna – Eine unheilige Allianz vom Dritten Reicht bis heute berichtet. Bannon teilt die Meinung Evolas und Guénons über den modernen Staat und sucht nach Möglichkeiten, diesen zu zerstören: „Ich will das System krachend kollabieren lassen und das ganze Establishment gleich mit“ Was dieses Anliegen anbelangt, so lässt er auf einmal alle ultra-konservativen Traditionalisten im Stich und erklärt sich zum Leninisten: „Lenin wollte den Staat zerstören, das ist auch mein Ziel.“

 

Dem entschiedenen Antikommunisten Evola hätte dieser Bezug zu Lenin sicher nicht gefallen, er forderte keine klassenlose Gesellschaft sondern die Wiedereinführung des indischen Kastensystems. In zahlreichen Schriften hat er eine Ableitung des Krieges als heilige Handlung entwickelt und den „heroischen Krieger“ als religiöses Idealbild herausgestellt. Was die Zen-Lehren des Bushido für den japanischen Samurai bedeuteten ist vergleichbar mit dem, was die Lehren Evolas für den rechtsextremen Kriegertypus bedeuten. Der „Krieger“ ist nach ihm archetypisch verankert und jeder Mann, der den „Weg des Kriegers“ geht, versucht sich diesem Archetyp anzugleichen. Das will auch Steve Bannon.

 

Krieg findet für Evola nicht nur hier auf Erden, sondern auch auf einer metaphysischen Ebene statt. Er ist „der Weg zu einer höheren Lebensform und die Prüfung der göttlichen Sendung eines Volkes. Für den alten Arier war übrigens jeder Krieg das Gleichnis eines ewig dauernden Kampfes zwischen metaphysischen Mächten: auf der einen Seite stand das olympische, arische Lichtprinzip, die uranische und sonnenhafte Wirklichkeit; auf der anderen Seite stand die rohe Gewalt, das Titanisch-Tellurische, das Barbarische im klassischen Sinne, das Weiblich-Dämonische..“ Evola schildert also den Krieg als einen Kampf zwischen dem Licht, das als männlich vorgestellt wird, und der Dunkelheit, die das Dämonisch-Weibliche repräsentiert. Auch diese Sicht zeigt Entsprechungen bei Steven Bannon, der (wie Anders Breivik) Frauen mit Verachtung gegenübertritt und den Feminismus (wie Evola) schon in den 30er Jahren, als eine der Hauptursachen für den „Untergang des Abendlandes“  ansieht.

 

Aus den genannten metaphysischen Gründen ist der Krieg für Evola nicht nur heilig sondern auch apokalyptisch: „Sei dies das Losungswort des neuen ‚Heiligen Krieges‘, das Prinzip eines unwiderstehlichen, heldischen und gleichsam metaphysischen Schwunges. Vielleicht nie sind unsere alten Mythen der letzten Entscheidung und der letzten Schlacht, der neu erwachenden Heldenschar im Kampf gegen die einbrechende Dämonie der Massenwelt, die sonnenhafte Tradition der Tat und die Mystik des Sieges so intensiv gefühlt worden, wie sie es in den kommenden Zeiten sein werden.“ Der Krieg sei, so Evola, sei mit dem „Weg Gottes“ identisch: „Kein Opfer oder Kult [ist] dem höchsten Gott genehmer, keines trägt reichere überweltliche Früchte als dasjenige Opfer, welches der Held dadurch bringt, dass er kämpfend auf dem Schlachtfeld fällt.“

 

An Evolas Diktum, dass der Krieg „Weg Gottes“ sei,  mag sich Steve Bannon erinnert haben als er im Jahr 2014 im Palazzo der Päpstlichen Akademie für Wissenschaften in den vatikanischen Gärten über Skype zugeschaltet war. (Die Vatikan Connection – Eine ideologische Allianz) Die dort auf einer Konferenz versammelten Christen rief er pathetisch dazu auf, für Ihren Glauben in den Krieg zu ziehen: „Wir befinden uns in einem frühen Stadium eines sehr brutalen und blutigen Konflikts, der, wenn die Menschen hier in diesem Raum, die Menschen der Kirche, sich nicht fest zusammentun und etwas formen, das ich als einen Aspekt der Militanten Kirche bezeichnen möchte, und nicht wirklich in der Lage sind nicht nur für ihren Glauben einzugestehen, sondern für unseren Glauben zu kämpfen gegen diese sich herausbildende Barbarei, dann wird dieser Konflikt alles vernichten, was uns in den letzten 2.000, 2500 Jahren als Erbe vermacht wurde. […] Wir befinden uns in einem offenen Krieg gegen den jihadistisch islamischen Faschismus.  Und dieser Krieg, so denke ich, verbreitet seine Metastasen schnelle als dass die Regierungen darauf reagieren könnten.“ – sagte er. Eine „sehr, sehr, sehr aggressive Haltung“ sei gegen den radikalen Islam und zur Verteidigung der jüdisch-christlichen Kultur notwendig. Säkularisierung und Islam, suggerierte Bannon, seien die größten Bedrohungen der Gegenwart. Der Alt-Right Ideologe pflegt enge Kontakte mit dem US-Kardinal Raymond Leo Burke, Anführer des innerkirchlichen Widerstands gegen Papst Franziskus. Bannon ist auch ein Anhänger der Theorie von William Strauss und Neil Howe, wonach die Geschichte der USA in Zyklen von 70 bis 100 Jahren verlaufe: Diese würden stets in einem Krieg enden; auf diesen folge dann wieder ein gesellschaftlich-kultureller Aufschwung. Nach dem Unabhängigkeitskrieg, dem Sezessionskrieg und dem zweiten Weltkrieg stehe jetzt ein neuer reinigender Krieg unmittelbar bevor

 

Man muss nicht weiter ausführen wie gefährlich solche Ideologien sein könnten, wenn sich  Machtträger wie der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika danach richten würden. Donald Trump hat Bannon aus seinem unmittelbaren Umfeld verbannt. Es ist sicherlich ein großes Glück, dass Amerikas Staatsoberhaupt literarisch so ungebildet ist und sich deswegen nicht besonders um Ideologien schert, sondern um Deals. Aber so ganz frei von dem Faszinosum, das die Kombination von Politik und Religion auf Menschen ausüben kann, ist er nicht. Um sich die Wahlstimmen der christlichen Fundamentalisten zu sichern, hat er sich 2019 die sexy wirkende Predigerin Paula White in Weiße Haus geholt. Dieser soll er, nach einigen Presseberichten, ziemlich hörig sein. Wenn man sich Fotos der beiden im Internet anschaut, hat man den Eindruck, dass das stimmt. In einem Fernsehinterview erklärte White, Trump sei nach Gottes Plan in seine Führungsposition gelangt. Auswirkungen einer solchen Würdigung von höchster Stelle zeigten sich schon sehr bald.   2019 als Trump in einer Rede über die Handelskontakte mit China erklärte er: „I am the Chosen One“ – „Ich bin der Auserwählte“. Jedenfalls glauben das zahlreiche Evangelikale von ihm und versuchen ihn in ihre apokalyptischen Wahnideen hinein zu ziehen.

 

Nicht eingegangen wurde in diesem Essay auf einen Kontext, der mit der rechtsextremen Kriegerideologie aufs engste verbunden ist: Frauenhass, Frauenverachtung und Angst vor der Frau. Von Evola stammt schon aus dem Beginn der 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts ein engagiertes Pamphlet gegen den Feminismus – für ihn ein Fanal, das den Untergang des Abendlandes annonciert. Er hat sich ausführlich mit dem Frauenthema auseinandergesetzt. Alle Frauentypologien, die er positiv bewertet, dienen dem Mann. Darunter die Mutter, die dazu bestimmt ist, ihm einen Sohn zu gebären; dann die Geliebte, deren einzige Aufgabe darin besteht, sich ihm mit Leib und Seele hinzugeben. Sie hat den Mann nicht als Gatten oder Liebhaber anzusehen, sondern als ihren absoluten Herrn. Es gibt Passagen, in denen Evola Vergewaltigungen als Ausdruck einer starken Männlichkeit befürwortet. Auch verweist er immer wieder auf den indischen Sati-Kult als einen Höhepunkt weiblicher Hingabe, bei dem sich die noch lebende Witwe mit ihrem verstorbenen Gatten zusammen auf einem Scheiterhaufen verbrennen lässt. Außer ihrer beiden Rollen als Mutter und Liebhaberin sei die Frau „nichts anderes als ein Affe.“ – soll er gesagt haben. Nachdem Evola jedoch die tantrischen Lehren des Buddhismus und Hinduismus studiert hatte, wurden seine Vorstellungen über Frauen noch durch eine dritte Sicht ergänzt. Evola erkannte die im Tantrismus behauptete energetische Bedeutung der Sexualenergie und akzeptierte die tantrischen Techniken, die es erlauben, durch die sexuelle Vereinigung (Maithuna) die weibliche Energie von der  Frau zugunsten des Mannes abzusaugen, wenn dieser während des Rituals seinen Samen nach oben zieht und nicht ausstößt.

 

Die Täter von Hanau, Halle, Christchurch, El Paso und Dayton, sie alle hatten irgendwelche Probleme mit Frauen. (Siehe: Was hinter dem Frauenhass rechter Attentäter steckt) Wie Evola sieht auch der Massenmörder Anders Breivik den Feminismus als eine der Hauptursachen für den Untergang der abendländischen Kultur. In seinem Manifest spricht er dieses Thema immer wieder an. Er erwähnt häufig, wie sehr er unter der feministischen Einstellung seiner Mutter gelitten habe, ebenso weil er ohne Vater aufgewachsen sei. Als Höhepunkt seines Anschlags vom 22. Juli 2011, bei dem 77 Menschen ums Leben kamen, sollte die Enthauptung der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland, die er für die Immigrationspolitik verantwortlich machte, stattfinden. Auch dahinter standen anti-feministische Motive. Weil sie das Gelände zu einem früheren Zeitpunkt verlassen hatte, entging Brundtland dem von Breivik geplanten grausamen Mord. Nach der Revolution, unter der Ägide des restituierten Patriarchats, werde der Frau wieder „ihr Platz in der Gesellschaft“ zugewiesen, erklärte er, der Feminismus habe dazu beigetragen, dass die „Machtbalance“ zwischen Männern und Frauen zerfallen sei; 60 bis 70 Prozent der zu bekämpfenden Kulturmarxisten seien Frauen. Der Mann, der seinen versuchten Anschlag auf die Synagoge in Halle und den anschließenden Mord an zwei Menschen filmte, beginnt sein Video so: „Ich glaube nicht an den Holocaust, und Feminismus ist der Grund für die sinkende Geburtenrate in Europa.“

 

Steve Bannon ist da etwas zurückhaltender in seinen Aussagen über Frauen als sein Mentor Evola. Nach gerichtskundiger Aussage soll er seine frühere Gattin gewürgt und am Arm verletzt haben. Gegenüber dem Feminismus aber nimmt auch er kein Blatt vor den Mund. Von ihm ist folgendes Zitat im Umlauf. „Wenn man eine Guillotine in den Raum stellen würde, würden sie [die Feministinnen] allen die Eier abschneiden“ Unter seiner Herausgeberschaft erschienen bei Breitbart News Artikel mit folgenden Überschriften: „Die Pille macht Frauen unattraktiv und verrückt“, „Wäre es Ihnen lieber, dass Ihr Kind Feminismus oder Krebs hat?“ Ein patriarchales Frauenbild und die Heroisierung des Kriegers als männlicher Archetyp stehen zweifelslos in einem direkten Zusammenhang.

 

Einige Überlegungen zum Schluss

Was bringt es, sich mit derartigen rechtsextremen Ideologien so detailliert und kritisch auseinanderzusetzen? Wird das ihre gesellschaftliche Präsenz zurückdrängen? Zum einen können wir sie als ein Menetekel wahrnehmen, welches zeigt, wohin sich alles im schlimmsten Fall entwickeln könnte. Hätte man Hitlers Buch „Mein Kampf“ genau gelesen, dann hätte man schon sehr früh erkannt, wo der Weg des Nationalsozialismus hinführt. Deswegen ist die Kenntnis rechtsradikaler Ideologie wichtig! Bei der Analyse vieler seiner Schriften wird außerdem sichtbar, dass der extremistische Traditionalismus in der Tiefe eine religiöse Bewegung darstellt, und sich aus schon existierenden Heiligen Texten legitimiert. Im Christentum ist es vor allem die Apokalypse des Johannes, die den Friedenschristus durch einen zornigen Rächermessias ersetzt und die Anlass zu zahlreichen Religionskriegen gegeben hat. Aus dem indischen Kulturraum, den die Rechtsradikalen dem Ariertum zuschreiben, ist es vor allem die Bhagavadgita. Durch das weltweite Auftreten von extrem radikalen Strömungen in allen (!) Weltreligionen, wird es deswegen höchste Zeit, dass die gemäßigten Kräfte in ihnen ihre Heiligen Texte überdenken, korrigieren, verändern und nicht nur, wie es einem gerade passt, uminterpretieren. Textstellen die eindeutig zur Gewalt und zum Krieg aufrufen, können nicht durch allegorische Rabulistik als Friedensbotschaften durchgehen. Sie müssen eindeutig aus dem Kanon gestrichen werden. Das gilt nicht nur für den Islam, sondern ebenso für das Judentum, das Christentum und die asiatischen Religionen.

 

Aber es gibt auch etwas, was wir von den Rechten lernen können, nämlich den Einsatz von Symbolen, von Pathos und die Verbindung zum Transzendenten. All das geht einem landläufigen Humanismus ab. Er setzt sich nüchtern, wenn auch mit Empörung, gegen Ungerechtigkeiten ein und verfolgt dabei weitgehend eine rationale Argumentationslinie. In humanistischen Kreisen ist es nicht besonders opportun, Symbolfiguren ihrer Bewegung  pathetisch herauszustellen. Dabei können solche exponierten Träger humanistischer Ideen die Bezugspunkte für viele Tausende, ja Millionen von Menschen sein und diese dazu motivieren, sich politisch zu engagieren und gesellschaftliche Systeme zu verändern. Das jüngste Beispiel ist die Schwedin Greta Thunberg und die von ihr ausgelöste weltweite Klima-Bewegung. Alle von ihr angemahnten Inhalte sind schon seit vielen Jahren bekannt und haben dennoch nur wenige Menschen wachgerüttelt. Erst als dieses zarte Mädchen erschien ist der Klimawandel zu einem globalen Thema geworden, dem sich keiner mehr entziehen kann.

 

Auch Mahatma Gandhi oder Martin Luther King waren solche humanistischen Symbolfiguren und haben gerade deswegen viel bewirkt. Der schwarze, US-amerikanische Bürgerrechtskämpfer, wusste, dass humanistische Werte wie Respekt, Empathie und Liebe mit Pathos vorgetragen werden müssen. Er wusste ebenfalls, dass diese mit Macht verbunden werden müssen und dass die Machtfrage nicht nur dem Establishment oder gar dem rassistischen Rechtsradikalismus überlassen werden darf. In einer seiner Reden sagte er: „Eines der größten Probleme der Geschichte besteht darin dass das Konzept von Liebe und Macht üblicherweise als polare Gegenteile kontrastiert werden. Liebe wird mit dem Verlust von Macht und Macht mit der Leugnung von Liebe gleichgestellt. Was sich als notwendig erweist, ist die Vorstellung, dass Macht ohne Liebe rücksichtslos und missbräuchlich ist und dass Liebe ohne Macht sentimental und anämisch ist. Macht in ihrer besten Form besteht in der Liebe, welche die Forderungen der Gerechtigkeit umsetzt. Gerechtigkeit in ihrer besten Form ist Liebe, die alles korrigiert, was sich gegen die Liebe stellt.“ Es ist also zu hinterfragen, ob und wie sich Liebe mit Macht verbinden kann. Ist die Liebe nur mächtig, wenn sie einen Pakt mit der Gerechtigkeit eingeht, wie es Martin Luther King meint, oder gibt es eine Liebe, die schon aus sicher selber heraus mächtig ist und was sind deren Kriterien?

 

Noch weniger als die Glorifizierung von Symbolfiguren und der Pathos in der Darstellung findet sich im Humanismus der Versuch, seine „Heroen“ in der Transzendenz zu verankern, wie Julius Evola mit der Figur des Kriegers. Darüber sollten wir uns Gedanken machen, denn das würde Menschen, die sich besonders für ihre Mitmenschen einsetzen, die Aura des Sakralen geben, sie würden als Heilsbringer und als Boten einer kommenden Welt ohne Unterdrückung, ohne Krieg und ohne Hass angesehen und verehrt. Der Schritt zu solch einer pathetischen Erhöhung des Menschlichen ins Übermenschliche ist bisher in unserer Gesellschaft noch schwer nachzuvollziehen. Aber im Fall von Greta Thunberg zeigen sich erste Schritte in diese Richtung. Auf ihrer Reise durch die USA und Kanada besuchte sie 2019 auch mehrere Indianerreservate und traf mit Häuptlingen und Schamanen zusammen, die ihr großen Respekt entgegenbrachten. Jay Taken Alive, ein Stammesältester der Sioux, schlug spontan vor, die junge Schwedin mit einem Lakota-Namen zu ehren: „Du weckst die Welt.“ – sagte er zu ihr. Der Name lautete Mahpiya Etahan hi wi („Die Frau, die aus dem Himmel kam“). Das mag man allegorisch oder als einen religiösen Glauben deuten, in beiden Fällen erhält Greta die Zeugenschaft dafür, dass sie aus einer transzendenten Sphäre zu uns hinabgestiegen ist, um uns dazu aufzufordern, unser Schicksal endlich in die eigene Hand zu nehmen. Es ist Zeit, die Liebe als ein Politikum und das Göttliche im Menschlichen zu erkennen.

 

© Victor und Victoria Trimondi 

 

 

 

© Victor & Victoria Trimondi