REZENSIONEN
Wiesbadener
Tagblatt
vom 13.10.2006
Die Äußerungen des Papstes während seines Deutschland-Besuchs zum Islam und
zum Verhältnis der Religionen beschäftigen immer noch die Leser.
Weltethos in den
Zeiten des Terrors?
Die Morddrohungen gegen Papst
Benedikt XVI. belegen eindeutig, dass gerade heute Religion immer wieder im
Gewand von Gewalt daherkommt. Damit ist auch ein grundlegendes Projekt des
neuen Papstfreundes Hans Küng grundsätzlich in Frage gestellt.
Um des friedlichen
Zusammenlebens der Menschheit willen ist nach Küng die Besinnung auf das
allen Religionen Gemeinsame im Ethos mehr denn je geboten. Küngs Weltethos
meint nicht eine ethische Weltreligion jenseits aller bestehenden
Religionen oder die Herrschaft einer Religion über alle anderen, sondern in
erster Linie eine Übereinkunft bezüglich unverrückbarer gemeinsamer
Werthaltungen. Küng kennt keinen Konflikt zwischen Religion und Ethik. Nach
ihm vermag Religion ein Ethos unbedingt und allgemein zu begründen und
zugleich zu konkretisieren.
Gerade an dieser Stelle hat
Küngs Projekt Weltethos die schärfste Kritik erfahren. Angesichts der
Dominanz von Terror, Gewalt und Aggression scheint das Weltethos mit seinem
appellativen Charakter wirkungslos zu sein.
Das theologische Postulat
eines kleinsten gemeinsamen Nenners der Religionen ist aber noch in ganz
anderer Hinsicht fragwürdig. Folgt man Victor und Victoria Trimondis Studie
"Krieg der Religionen" (München 2006), dann ist der Glaube, die
drei großen monotheistischen Religionen würden zum Frieden raten, eine
Illusion. Die Studie präsentiert eine Fülle an Zitaten, die belegen sollen,
welche Orgien aus Feuer und Blut in den Heiligen Schriften der
Weltreligionen zu entdecken sind. Diese werden, so die Autoren, von ihren
modernen Verfechtern mit Genugtuung gefeiert und zur Nachahmung empfohlen.
Victor und Victoria Trimondi fordern, man solle sich gerade mit den Texten
auseinandersetzen, die von Hass und Mord sprechen. Es sei unredlich, das
Gewaltpotential in den drei Heiligen Schriften zu übergehen oder
umzuinterpretieren.
Das, was die Autoren als die
apokalyptische Matrix der drei monotheistischen Religionen aufspüren, ist
mit Küngs Weltethos unvereinbar. Wenn sich alle drei Religionen
unversöhnlich gegenüberstehen, wenn religiöse Kompromisslosigkeit
vorherrscht, kann die von Küng angestrebte Erneuerung der Menschheit aus
der Kraft der Vernunft letztlich nur appellativ umgesetzt werden. Papst
Benedikts Hinweis, dass Religion grundsätzlich das Potential hat, sich mit
Gewalt zu verbünden, ist in diesem Zusammenhang realistischer.
Elisabeth Hurth
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