REZENZIONEN
Die Tagespost 12. August 2006-11-06
Der Gott des Einen ist der Teufel des Anderen
Religiöse Apokalyptik als neues „Zeichen der Zeit“
– Kulturwissenschaftler
Trimondi befassen sich in ihren neuen Buch mit dem
„Krieg der Religionen“
von Heinz
Eberhard Maul
Man setzt sich wohl kaum dem
Vorwurf der Übertreibung oder Fehleinschätzung aus, wenn man bei der
Wahrnehmung des aktuellen Kriegsgeschehens im Nahen Osten feststellt, man befindet
sich in einem apokalyptischen Welttheater, in dem die jeweils „Guten“ und
die „Bösen“ partout nicht vom selbst-zerstörerischen Geist ihres
Zwangsdualismus ablassen können und auch nicht wollen.
Hat damit nach Vorstellung
der Apokalyptiker und Endzeitpropheten der letzte Akt der
Menschheitsgeschichte begonnen? Die Washington Post kommentierte jüngst zu
dieser Frage: „Jetzt ist es schlimmer: wir werden gewarnt, uns nicht nur
Sorgen um den Kampf der Kulturen zu machen, sondern über das Ende der Zivilisation,
wie wir sie kennen, über das Ende vielleicht der Welt selber.“
Diesem hoch brisanten Thema
haben sich die Kulturwissenschaftler Victor und Victoria Trimondi in ihrem
neuesten Buch „Krieg der Religionen – Politik, Glaube und Terror im Zeichen
der Apokalypse“ angenommen. Mit ihrem nahezu sechshundert Seiten starken
Standardwerk haben die Autoren eine umfassende Analyse über den globalen
apokalyptischen Wahn verfasst, den sie nach einen gründlichen Prüfung in
seiner Gewaltbereitschaft, Demagogie und dem totalitären Anspruchsdenken
der ideologischen Kategorie und Faschismus und Kommunismus zuordnen.
Die derzeitige Phase des
israelisch-palästinensichen Konflikts ist im Bereich der Weltpolitik
gleichsam die Katastase einer Vielzahl von Ereignissen, Prozessen und
Entwicklungen mit gefährlichen Grundströmungen in der sich Politik und
Religion auf unsägliche Weise verfilzen. Dafür gibt es zahlreiche
Beispiele: der britische Premier verwies auf den Weg Gottes, dem er gefolgt
sei, als er sich zur Teilnahme am Irak-Krieg entscheid. Ein aggressiver
Massenaufschrei islamische Extremisten in aller Welt wütete gegen den
Westen wegen veröffentlichter Mohammed Karikaturen. Die Verfolgung von
Christen in der Türkei und in Nigeria und die Zerstörung ihrer Gotteshäuser
aus diesem Grunde entlarven den religiösen Fanatismus. Der Fundamentalismus
der so genannten Christlichen Rechten
in den USA hat sich zu einem politischen Machtfaktor entwickelt, der
den Weg in das Weiße Haus in Washington gefunden hat. Die von ihm inspirierte
Ideologie des amerikanischen Präsidenten, der „Macht des Bösen“ in dieser
Welt den Garaus machen zu müssen, hat ideologische Gegenbewegungen in der
islamischen Welt auf den Plan gerufen. Der Revolutionäre Islamismus mit
seinem als „Krönung des Kampfes“ verklärten Terrorismus hat längst
begonnen, die moralisch verpflichtende Struktur westlicher Kultur
auszuhöhlen und abendländischen Denkens zu spalten. Doch es will dem Westen
nicht gelingen, diesen Terror zu beherrschen.
Warten auf einen Messias,
der mit Gewalt ins Paradies bombt
Der iranische Staatspräsident
beendete seine Rede vor der UNO-Vollversammlung im vergangenen Jahr mit der
Beschwörung des Erscheinens des 12. Imams, des schiitischen Messias. Er
rechtfertigt damit seine apokalyptisch durchsetzte Politik nuklearer
Machtgier und epochaler Zerstörungsvisionen, die an Absurdität kaum zu
überbieten ist. Weitere prominente islamische Erfüllungsgehilfen:
(Al-KAIDA-Chef Osma bin Laden, dessen Stellvertreter Ayman al-Zawahiri, der
irakische Möchtegern Mullah Muqtatda al-Sadr, Hamas Führer Khaled Meschal
und Hisbollah-Chef Sayyid Hassan Nasrallah), Sunniten wir Schiiten, sind
sich bei der popagierten Errichtung eines globalen Kalifats als neuen
„Weltgottesstaat“ darin einig, im Kampf gegen die neuen „Kreuzzügler“ und
die sonstigen Feinde des Islam die „ganze Welt als das Schlachtfeld“ zu
bezeichnen. Traditionell jüdische Apokalyptiker wie radikale Rabbis und
Siedler gerieren sich immer wieder als Endzeit-Apostel, die in Israel den
religiösen Zionismus mit messianischen Visionen zur alleinigen Grundlage
einer aggressiven national-religiösen Politik geadelt wissen wollen.
In ihrem Buch, dem man bei
seiner Güte wissenschaftlicher Präzision durchaus ein personen- und
Sachregister gewünscht hätte, thematisieren Victor und Victoria Trimondi
derlei Erscheinungen neuzeitlicher Apokalypse mit umfangreichen belegen und
stellen die führenden Protagonisten militanter Endzeitideologen in den drei
monotheistischen Weltreligionen vor. Nach Meinung der Autoren ist „die Religion
seit dem Ende des 20. Jahrhunderts entgegen allen Erwartungen zu einem
planetaren soziokulturellen Phänomen und zu einem mächtigen Mitspieler auf
der Bühne der Politik geworden.“ An die Stelle der zuvor faschistischen und
kommunistischen Systeme sind nach Trimondi endzeitliche Heilsversprechungen
im Christentum, Judentum und Islam getreten. In den Ländern ihrer
Verbreitung erwarten längst Millionen statt eines sozial-revolutionären
Führers das Erscheinen eines militanten Messias, „der sie mit Gewalt ins
Paradies bombt“. Die beiden Kulturwissenschaftler sehen in dem weltweit
agierenden Glaubensfundamentalismus eine eigene „politische Theologie“, die
verblüffend ähnlichen Mitteln gleichartige Ziele verfolgt. Angesichts
dieser Übereinstimmung im Dogma erstaunt die Absurdität, mit der
fundamentalistische Vertreter der drei Religionen und ihre Millionen
zählende Gefolgsleute sich gegenseitig bekriegen. In dieser
Auseinandersetzung ist der Gott des Einen der Teufel des jeweils Anderen.
Die Trimondis belegen
umfassend und punktgenau, dass fundamentalistische Christen in den
Vereinigten Staaten, revolutionäre Islamisten in der muslimischen Welt und
ihre Anhänger weltweit so wie radikal religiöse Zionisten in Nahost kraft
ihres gemeinsamen eschatologischen Geschichtsverständnisses in einer
endzeitlichen Vorstellungswelt von messianischer Dimension leben, die die
Autoren mit „apokalyptischer Matrix“ bezeichnen.
Diese Matrix ist in allen
Religionen gleichsam als Skript der Kernbestand eines Drehbuchs vom Untergang
der Welt und ihrer Wiedererstehung dank des Erscheinens eines überirdischen
Heilsbringers. Es ist ein Drama der Menschheitsgeschichte, das bereist
angelaufen ist. Vorherrschend in ihm sind antagonistische Merkmale: Gott –
Satan, Gut – Böse, Licht – Finsternis, Engel - Teufel und Oberwelt –
Unterwelt. Wesentliche Einzelelemente der apokalyptischen Matrix sind der
„kosmische Krieg zwischen Gut und Böse“, die „zunehmende Herrschaft des
Bösen“ in der derzeitigen Phase der Menschheitsgeschichte, markiert durch
sittlichen Verfall, Korruption, Krieg, Gewalt und Naturkatastrophen, der
„Sieg des Messias über den Anti-Christen und die Errichtung eines
„weltweiten, autoritativen Gottesstaates“. Gerade er soll einst in das
„paradiesische Reich des Guten“ münden, das ein Millennium andauern soll
und in dem alle Gesetze Gottes und nicht des Menschen Werk sein werden.
Warnende Mahnungen an Politiker und Theologen
Die Trimondi Untersuchung
erstreckt sich über insgesamt achtzehn Kapitel, die zu etwa gleichen teilen
von jeweils knapp 200 Seiten, ausführlich und seriös belegt, überraschend
deutlich über die Apokalypse in Amerika und die islamische Weltrevolution
berichtet. Jüngste Erhebungen gehen davon aus, dass 59 Prozent der
US-Amerikaner daran glauben, bereits in der nach der Bibel verkündeten
Endzeit zu leben. Der zunehmende Einfluss der christlichen Rechten in den
USA in Geschichte und Gegenwart erstreckt sind von der Endzeit-Theologie
der so genannten Dispensationlisten (dispensations
= Aufteilung) mit ihrem siebenstufigen, eschatologischen Fahrplan der
Menschheitsgeschichte bis zu Amerikas modernen „Gotteskriegern“ und ihrem
„irakischen Kreuzzug“ gegen den Islam. Es ist der zu einer „globalen
Kulturströmung“ gesteigerte apokalyptische Wahn, der nach Meinung der Verfasser
aktuelle Politik und unverdächtigen Glauben immer mehr in den Strudel
apokalyptischer Armageddon-Phantasmagorien hineinzieht. Die Ziele der
islamischen Weltrevolution hingegen orientieren sich an den Werten des
Früh-Islam. Dem Revolutionären Islamismus geht es um die Wiederherstellung
der islamischen Urgemeinde.
Die Trimondis bezweifeln die
Argumente, nach denen als Ursache des erbarmungslosen Konfliktes von einer
Kluft zwischen dem modernen Westen und der rückständigen
arabisch-islamischen Welt gesprochen wird. Ihrer Meinung nach handelt es
sich auf beiden Seiten nicht länger um einen Kampf zwischen dem Heute und
dem Gestern, sondern wegen des religiös-fundamentalistischen Einflusses auf
die Politik um einen „Krieg der Religionen“ Gleiches gilt, erst recht
angesichts der jüngsten Nahost-Ereignisse, für den biblisch begründeten
Konflikt zwischen Israel und Palästina mit Jerusalem als dem
Streitgipfelpunkt. Nach Vorstellung der Apokalyptiker wird Jerusalem mit
dem Tempelberg ohnehin der Ort der letzten Entscheidungsschlacht.
Die Buchautoren richten
warnend Mahnungen an Politiker und Theologen, die Apokalypse in ihrer
eschatologischen Dimension aller drei monotheistischen Religionen nicht mit
den Lehren und Erkenntnissen der Aufklärung beschönigend beiseite zu
schieben oder zu unterschlagen. Schließlich bieten Bibel, Thora und Koran
sowie Hadith (Überlieferungen über Mohammed) neben Toleranz, Nächstenliebe,
Brüderlichkeit und Humanität auch unschöne, gewaltbereite und destruktive
Lehrinhalte, die nach den Offenbarungen und Prophezeiungen die Menschheit
insgesamt zu befürchten haben wird, so die Verfasser weiter.
Das Fazit in Trimondis „Krieg
der Religionen“ lautet: „Die offiziellen Religionen stehen heute mehr denn
je, vor einem höchst delikaten Problem. Sie sind früher oder später dazu
gezwungen, zu den Gewaltstellen in ihren Heiligen Schriften, zu ihren
katastrophalen Endzeit-Prophezeiungen, zum militanten Messianismus, zum
Heiligen krieg und zum Gottesstaat offen Stellung zu beziehen.“ Sie
fordern, dass eine diesbezügliche Ursachenanalyse „vordingliche Aufgabe der
Aufklärung und des Humanismus ist, um die Menschen vor der Destruktivität
des religiösen Wahns zu schützen.“
Wer bereit ist, an dieser
schwierigen Aufgabe mitzuwirken, dem sei dringend empfohlen, der
wissenschaftlich spannenden und überzeugenden Spurensuche der beiden
Trimondis zu folgen.
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