Der Dalai Lama und die Kinder
Kindermönche,
Waisenkinder, missbrauchte Kinder, verbrannte Kinder
Während seiner Deutschlandreise 2013 kam der Dalai Lama
auch nach Hannover. Schwerpunkte seines Besuches waren der „ethischen Dialog“ und das Treffen mit
Schülern und Schülerinnen der „Weltethos Schulen“, eine Diskussion vor mehr
als 1000 Heranwachsenden und die Werbung für neue Patenschaften und Spenden
zur Unterstützung tibetischer Kinder.
Kurz vorher waren zwei brisante
Enthüllungsartikel in der „Neuen Züricher
Zeitung“ vom 11.09.2013 erschienen: Die-tibetischen-Waisenkinder-die-keine-Waisen-waren
und
Eine-Entschuldigung-des-Dalai-Lama-wäre-enorm-wichtig
sowie eine bewegende Dokumentation des Schweizer Filmemachers Ueli Meier
„Tibi und seine Mütter“, welche die
hohe moralische Integrität des Dalai Lamas als makelloses Vorbild
für eine bessere Jugend der Zukunft
in Frage stellt.
In erschütternder Weise
bringen beide NZZ Berichte ein bis dato noch nicht aufgearbeitetes dunkles Kapitel
der Schweizer exiltibetischen Diaspora zum Vorschein, dessen
Hauptprotagonisten 200 tibetische Pflegekinder sind. Sie alle kamen vor 50
Jahren auf einer Privatinitiative des Industriellen Charles Aeschimann und des Dalai Lamas als tibetische „Waisenkinder“
in der Schweiz, obwohl sie zumeist beide Eltern oder wenigstens ein
Elternteil hatten, denen sie ohne
deren Einverständnis entrissen wurden. Nur 19 Kinder waren Vollweise.
Mehrere davon stammten
von politisch einflussreichen tibetischen Adelsfamilien. Sie sollten auf
Wunsch des Religionsführers im Schweizer Exil zur neuen tibetischen
Kaderelite mit westlicher Erziehung ausgebildet werden. Keines dieser
inzwischen erwachsenen Kinder, die schlecht oder überhaupt nicht tibetisch
sprechen, ist jedoch nach Indien oder Tibet zurückgekehrt. Die erzwungene
Trennung von ihren leiblichen Eltern, von denen sie sich als abgestoßen und
ausgesetzt fühlen und die neue Schweizer Familienstruktur haben aus vielen
von ihnen doppelte Fremde in zwei Kulturwelten gemacht. Die Wunden ihres
persönlichen und kulturellen Identitätsverlustes sitzen bis heute tief.
Eine Studie der Universität Zürich aus dem Jahre 1982 zeigt, dass von den
in der Schweiz aufgewachsenen Tibetern Suizide nur aus der Dalai Lama –
Charles Aeschimann Gruppe bekannt geworden sind.
Der Dalai Lama hat sich
bis dato weder zu der durch ihn persönlich mit verursachten Tragödie dieser
200 tibetischen Kinder geäußert, noch hat er sie um Verzeihung gebeten,
noch hat er zu Ueli Meiers Dokumentation, die ihm vorgelegt wurde, Stellung
bezogen. Als (ex) politisches und religiöses Oberhaupt der Exiltibeter, als
Jahrzehnte lang aufs wärmste empfangener Gast schuldet er zudem dem
Schweizer Staat, der wie kein anderes westliches Land die größte tibetische
Flüchtlingsdiaspora aufnahm und ihr eine neue Heimat gab, eine
diplomatische Entschuldigung für seine in den 60ern zusammen mit seinem
„Agreement Partner“ Charles Aeschimann bewusst
betriebene politische Manipulation, denn
der damalige Schweizer Bundesrat hatte offiziell nur die Aufnahme
von tausend tibetischen Flüchtlingen beschlossen, die aber vom Roten Kreuz
als „ganze“ Familien ausgewählt wurden. Die Aufnahme der so genannten
„tibetischen Waisenkinder“ konnte so nur am Rande der Bundesbehörden vorbei
realisiert werden. In der damaligen Briefkorrespondenz zwischen den Dalai Lama und Aeschimann
wird die Transaktion als „Dealings with the Children“
bezeichnet.
Solch ein herzloser
Umgang mit Kindern ist nichts Atypisches für eine theokratische oder besser
buddhokratische Gesellschaft wie die tibetische,
die sich schon seit Jahrhunderten bis hinein in unsere Zeit durch die
Rekrutierung von Mönchskindern reproduziert. Diese werden im jüngsten Alter
aus ihrem Familienzusammenhang gerissen und einer reinen Männergesellschaft
unter striktem Reglement und mit einer extrem autoritativen Erziehung
eingegliedert. Im alten, monastischen Tibet blieb den Eltern gar nichts
übrig, als einen Teil ihrer Kinder an die herrschende klerikale Elite
abzuliefern, sei es aus Zwang, sei es aus finanziellen Gründen, sei es um
ihnen eine Ausbildung oder einen Karriereweg in der Politik des Landes zu
garantieren. Wenn auch in viel geringerem Maße als früher, gelten solche
Gründe sogar heute noch für viele Exiltibeter-Familen
in Indien, insbesondere wenn sie gerade als Flüchtlinge aus China gekommen
sind.
Nicht nur die drastische Erziehung in den Klöstern und
die völlige Entfremdung von den leiblichen Eltern muss nach westlichen
Standards als inhuman bezeichnet werden, sondern auch die Päderastie ist
ein in der Mongolei und Tibet häufig auftretendes und weit verbreitetes
Phänomen, das selbst vor Hohen Lama-Inkarnationen nicht Halt macht, wie in
jüngster Zeit aus einem Video
des jungen Kalu Rinpoche
zu hören ist: „Als ich neun war starb mein Vater und ich hatte ein sehr
schweres Leben. […] Ich wurde zu verschiedenen Klöstern transportiert und
als ich 12 und 13 war, wurde ich sexuell von anderen Mönchen missbraucht.
[…] Mein eigener Lehrer versuchte mich zu töten, das ist
die Wahrheit und das zu einer Zeit, wo ich wirklich noch traditionell war.
[…] Sie versuchten mich zu töten, weil ich nicht tun wollte was sie von mir
verlangten.“ Kalu Rinpoche
ist einer der ranghöchsten Lamas der so genannten Kagyü-Schule.
Während mehr und mehr in den internationalen Medien über
den Missbrauch von Kindern durch buddhistische Mönche berichtet wird,
schweigt bisher die offizielle deutsche Presse. Man muss deswegen dem
Publizisten Matthias Mala danken, dass er das
Thema aufgegriffen und in einem anteilnehmenden Artikel auf seinem Blog
dargestellt hat: Kindermoenche – die Schande der Mönche. Mala hat auch eine sachlich kommentierte Linkliste mit
Presseberichten zusammengestellt, die wir mit seinem Einverständnis
übernehmen. Die dort erwähnten Fälle betreffen nicht nur
tibetisch-buddhistische Klöster, sondern die buddhistische Mönchkultur
insgesamt, soweit sie Kinder rekrutiert.
The Washington Post, 28. Juni. 2013: „Buthans buddhistische Mönche des sexuellen Missbrauchs
von Jungen beschuldigt“: … Buthan wird
von einem Missbrauchsskandal erschüttert. Kindermönche wurden von
erwachsenen Mönchen missbraucht und flohen aus ihrem Kloster … Bereits 2009
hält ein Report fest, dass heranwachsende Mönche zu Oberschenkelsex
gezwungen werden … Ein 11jähriger Junge berichtet, wie er von einem
20jährigen Mönche vergewaltigt wurde: Jedesmal
wenn ich versuchte, zu schreien oder mich zu wehren, hielt er mich mit
seinem Leib fest und drückte seine Hand fest auf meinen Mund.
The Raven, 4. Juni 2013: „Nichts ist unrein, nichts ist
rein – Herz-Sutra“: Religion vermag das
kritische Denken zu ersticken und viele Menschen mit Blindheit zu schlagen.
Sie kann den Geist ihrer Anhänger so vollkommen besetzen, dass selbst
ungeheuerliche sexuelle Gewalttaten gegen Kinder über Jahrhunderte
unwidersprochen hingenommen werden. (Darrel
Ray)
Thinley
ein Kindermönch, flieht mit Penjore, ebenfalls
ein Kindermönch aus einem Kloster, in dem sie über ein Jahr Nacht für Nacht
von Mönchen vergewaltigt wurden. Als er sich beschweren wollte, drohte ihm
ein Mönch, ihm alle Zähne auszuschlagen.
Fälle sexueller Gewalt gegen
Kindermönche werden in Buthan nicht von der
Polizei verfolgt. Sie ist dazu nicht authorisiert.
Sie leitet die Anzeigen allenfalls an die Mönchsbehörde weiter.
Liberty Voice, 23. Juni 2013
„Buddhistische Mönche in Buthan brechen ihr
Zölibat mit Schenkelsex“: Der Bericht bezieht sich auf das
Interview in The Raven, mit einem der vergewaltigten und entflohenen
Kindermönche.
Weiter berichtet Liberty Voice, das 4.000 der ärmsten Kinder Buthans, deren Eltern, das Schulgeld nicht aufbringen
in 388 Klosterschulen unterrichtet werden. Insgesamt leben 5.149 Mädchen
und 7.240 Jungs als Nonnen und Mönche in den Klöstern.
Für die Kinder sind die
Klöster Orte des Schreckens, in denen sie schlecht ernährt und nicht
umsorgt werden. Die Kinder schlafen auf dünnen Matten auf dem Boden und
sind häufig von Krätze und Läusen befallen.
In einem verlinkten Video
berichtet Kalu Rinpoche
von seiner multiplen Vergewaltigung als Teenager im Kloster durch ältere
Mönche. Diese Vergewaltigungen fanden wöchentlich statt.
Tibet Telegraph, Juni 2013: „In den Roben stecken
Buddhisten“: Bhutans Gesundheitsbehörden verteilen Kondome an
buddhistische Klosterschulen, um Geschlechtskrankheiten unter den angeblich
zölibatär lebenden Schülern einzudämmen.
Kalu
Rinpoche berichtet, dass er in seiner frühen
Jugend von einer Gruppe älterer Mönche regelmäßig jede Woche missbraucht
wurde. Machte er sie, um geschont zu werden, auf die buddhistischen
Grundsätze aufmerksam, lachten sie nur sarkastisch. Die Mönche
vergewaltigten ihn auch einzeln anal. Sie klopften an seine Türe und er
musste öffnen.
Als Kalu
nach einer dreijährigen Pause in das Kloster zurückkam, sah er, dass der
Missbrauch weiterging; nur waren jetzt jüngere Mönche die Opfer. Erst als
er ein Video des ehemaligen Mönchen Lodoe Senge
sah, in dem dieser berichtete, wie er als 5-jähriger von seinem Erzieher,
einem 20jährigen Mönch, missbraucht wurde, fasste er den Mut, selbst von
seinem Missbrauch zu erzählen.
Kalu
Rinpoches Geschichte und die anderer Opfer wurde
von den tibetanischen Autoritäten mit Schweigen beantwortet. Es gibt keine
Stellungsnahmen dazu.
New America Media, 5. Okt.
2011, berichtet von den zunehmenden Selbstverbrennungen
buddhistischer Mönche in Tibet und wirft dabei auch einen Blick auf das
Ende der Kindheit von Jungen in den Klöstern: Eine quälende Frage betrifft
auch das Alter der Selbstmordopfer; sie sind allesamt jung und manche von
ihnen sind noch Teenager. Warum werfen die jungen Männer ihr Leben und ihre
Zukunft so weg? Ein Tibetischer Ermittler berichtet von einer Razzia im
Kloster Kirti. Man fand dort Waffen und Munition
und jede Menge pornografischer DVDs. In dem Kloster mit 2.000 Mönchen waren
pädophile Praktiken alltäglich.
Tibetische Familien lachen
nur verlegen, wenn das Thema Kindesmissbrauch in den Klöstern angeschnitten
wird. Die Opfer der sexuellen Gewalt sind einem lebenslänglichen Trauma
ausgesetzt, ebenso wie die Jungen, die von katholischen Priestern
missbraucht wurden. Gewalt gegen Minderjährige zerstört ihr
Selbstwertgefühl, stürzt sie in Depressionen und macht sie anfällig für die
Manipulation zum Selbstmordkandidaten.
BBC,
1. Juni 2012: „Sri Lanka heimliche Heimsuchung religiöser
Kinderschänder“: Der jüngste, verstörende Fall bezieht sich auf
einen Tempel, in dem Jungen trotz mehrfacher Beschwerden der Eltern fortwährend
in dem dazugehörigen Kloster sexuell geschändet wurden.
Die Jugendministerin spricht
von sich ausbreitender sexueller Gewalt gegenüber Kindern in buddhistischen
und christlichen Einrichtungen. In den letzten 10 Jahren wurden etwa 110
buddhistische Mönche wegen sexueller oder körperlicher Gewalt gegenüber
Minderjährigen angezeigt. Nur drei wurden verurteilt.
IBN Live, 28. Mai 2014: Die thailändische
Polizei hat fünf ehemalige buddhistische Äbte verhaftet, die in Klöstern um
die Stadt Chang Mai im Norden des Landes acht Jungen sexuell missbraucht
hatten.
Der Missbrauch wurde
entdeckt, nachdem die Polizei im Jahr zuvor einen Jungen aus dem Kinderschänderring befreite. Alle Jungen waren keine 15
Jahre alt.
The Telegraph, 19. Juni 2013: Die Polizei von
Chang Mai hat zwei Mönche verhaftet, die einen 14-jährigen Jungen einem Abt
zum Beischlaf zugeführt hatten.
Die Polizei erklärte, die
Verhaftung erfolgte aufgrund des Fahrtenbuches des Fahrers und der Aussage
des Jungen, den die beiden Mönche im Februar mehrmals zu dem Abt brachten.
Secular Sri Lanka: „Die
Zeit ist reif, die Sexsklaverei von Kindermönchen zu beenden – Pädophile
unter dem buddhistischen Klerus“: Pädophilie ist nicht länger ein
verbotenes Vergnügen, dass sich auf katholische Priester beschränkt.
Sprechen wir aufrichtig und offen darüber, was in den buddhistischen
Tempeln in Sri Lanka geschieht. Lassen Sie uns auch nach der Verantwortung
und Durchsetzungskraft der nationalen Kinderschutzbehörde (NCPA) fragen.
Die NCPA muss sich dafür
einsetzen, dass ein gesetzliches Verbot der Kinderordination (unter 18
Jahren) auf den Weg gebracht wird. Die Kinderrechte müssen eins der
höchsten Prinzipien einer fortschrittlichen Nation sein. Das Wohlergehen
der Kinder und ihr Recht auf Schutz und Sicherheit spiegeln die ethischen
Werte der gesamten Gesellschaft.
Der sexuelle Missbrauch von
Kindern innerhalb buddhistischer Klöster ist allgegenwärtig, aber er ist
auch ein Verbrechen, das schwer zu verfolgen ist. Denn die Verbrechen, die
hinter den Klostermauern geschehen, werden in den meisten Fällen ein
Geheimnis bleiben und nur selten vor Gericht verhandelt werden. Selbst wenn
sie vor Gericht landen, wird es für die Richter meist schwer sein, die
Anklagen wegen Kindesmissbrauches stichhaltig zu beweisen. Andernfalls
müssen sie im Zweifel zugunsten der Angeklagten urteilen und sie laufen
lassen.
Chicago Tribune, 24. Juni
2011: Ein des sexuellen Missbrauchs beschuldigter Mönch wird
freigesprochen, da sein Tempel die Ermittlungen vereitelt. – Der Bericht
befasst sich zudem mit einer Reihe weiterer Fälle des sexuellen Missbrauchs
in buddhistischen Zentren in den USA.
Weitere Links zum Thema
sexuelle Gewalt gegen Jungen und auch Mädchen in buddhistischen Klöstern:
Encoutering the Shadow in Buddhist America
Child abuse in Tibetan Buddhist
Monasteries
Sale of
Children Rampant in Bodh Gaya
Child Abuse by
Buddhist Clergy
Sexueller Missbrauch buddhistischer Kindermönche wird nur
selten aufgedeckt
Buddhistische
Kindermönche – der verkannte Misbrauch
Im weitesten Sinne zählen auch die „Selbstverbrennungen“
in Tibet der letzten Monate zur Frage „Kindesmissbrauch“, denn viele der
„Märtyrer“ waren junge Mönche. Mit ihrem Selbstmord protestierten sie nicht
nur für ein freies Tibet, sondern ebenso für die Rückkehr des Dalai Lama.
Auch in diesem Fall hat sich der Religionsführer ethisch nicht korrekt
verhalten. Zwar gab es kurz vor seinen Deutschlandbesuch eine Distanzierung
von den „Märtyrer-Aktionen“ in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vom 13.06.2013.
„Was diese jungen Leute tun, hilft nicht.“ – sagte der Dalai Lama dort in
einem Interview. Aber Monate lang hatte er, trotz internationaler
Aufforderungen und obgleich der Buddhismus nicht nur das Töten sondern auch
den Suizid verbietet, die Selbstverbrennungen keineswegs verurteilt,
sondern erklärt, er könne nichts dazu sagen, um nicht die Familien der
Opfer zu beleidigen. Dutzende junger Mönche kamen so auf schreckliche Weise
um. Dabei hätte ein einziges, klares Wort die Tragik vermeiden lassen, denn
der Dalai Lama gilt für seine tibetischen Anhänger als Lebender Gott auf
Erden. Erst als es keinen Erfolg hatte, den Westen durch die spektakulären
Selbstmorde zu mobilisieren, sondern im Gegenteil, als die Kritik daran
immer lauter wurde, kam die Distanzierung von Seiten des Religionsführers.
Danach hörten die Selbstverbrennungen sofort auf.
„Missbrauchte
Kindermönche“, das ist ein Thema, dem sich der tibetische Buddhismus noch
wird stellen müssen. Dabei sollte es der Dalai Lama eigentlich besser
wissen. In seiner Autobiographie und auf vielen Vorträgen erzählt er immer
wieder wie sehr er seine Mutter geliebt und wie sehr er unter der Trennung
von ihr gelitten habe.
Juli 2016
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