TRIMONDI ONLINE MAGAZIN

Kritische und Kreative Kultur Debatte

 

HOME | INHALT | FRONT

 

 

 

Texte zur 68er Bewegung

 


Victor Trimondi

 

Eine Politik der Emotionen

Die „Gefühlsrevolution“ der 68er Bewegung

(Rezension des Buches von Joachim C. HäberlenThe emotional Politics of the alternative Left – West Germany 1968 – 1984 – Cambridge 2018

 

Revolutionäre Bewegungen werden nicht nur bestimmt von Philosophien, Theorien, Ideologien, Programmen, Strategien, Forderungen, Inhalten, Visionen sondern auch von starken Emotionen: Freude, Freiheit, Sehnsucht, Lust, Ekstase, Glück, Enttäuschung, Solidarität, Machtrausch und anderes. Das gilt im besonderen Maße auch für die 68er Bewegung. Dennoch wurden auf dem Höhepunkt des Protestes Gefühle von den Studenten selber nur selten thematisiert. Das änderte sich aber radikal in den frühen 70er Jahren. Ursache hierfür war die Herauslösung des Feminismus direkt aus der Revolte. Die rebellischen Frauen begannen von Anfang an, das Persönliche, Subjektive, Körperliche, Emotionale als etwas Politisches zu erklären. Mit Parolen wie „Das Politische ist das Private“, „Unser Körper gehört uns“, „Wir müssen von den eigenen Bedürfnissen ausgehen“, „Schaut euch an und kümmert euch um euch selbst“, „Sich aus den eigenen Bedürfnissen heraus mit der Umwelt kämpferisch auseinandersetzen!“ hatten sie eine entscheidende Auswirkung auf die gesamte linksradikale und später alternative Szene. Gefühle traten dann in den 70er Jahre ins Zentrum der Diskussion und der Politik. Genau diese „Gefühlsrevolution“ wird in dem Buch von Joachim C. HäberlenThe emotional Politics of the alternative Left – West Germany 1968 – 1984 dargestellt und untersucht. Ich würde das zeitlich etwas einschränken und schreiben: „West Germany 1972 – 1980“. In der ersten Phase von 68 bis 72 waren nämlich Emotionen vorherrschend, die sich ab 72 immer weiter abschwächten oder ganz verschwanden: zum Beispiel das Pathos des Heroismus, welches sich etwa an der Figur Che Guevaras festmachte, und die damit verbundene Entschlossenheit und Opferbereitschaft des Revolutionärs bis hin zum Martyrium. Erst nachdem sich die alternative Gegenkultur entwickelt hatte, kam es zu einer Art „hedonistischer“ Welle. Der Zorn über die soziale Ungerechtigkeit, die Wut über Ausbeutung und Entmündigung, der Hass gegen die Unterdrücker standen nicht mehr im Zentrum der Gefühle.

 

Das „Private“ der bürgerlichen Gesellschaft wie Liebe, Angst, Lust, Einsamkeit und so weiter wurde politisiert. Das hieß einmal, die Ursachen hierfür wurden nicht allein im Individuum und in der Familie gesehen, sondern in der Gesamtgesellschaft. Zum anderen aber gingen die Studenten jetzt nicht mehr wie linientreue Marxisten davon aus, dass erst durch eine revolutionäre Umgestaltung der sozialen Verhältnisse eine neue nicht repressive Gefühlswelt hervorgebracht werden könne, sondern sie stellten sich umgekehrt vor, allein schon die „Revolutionierung“ der persönlichen Gefühle und Wünsche werde zu einer „Revolutionierung“ der Gesamtgesellschaft führen. Das ist der Themenbereich, den Häberlen in seinem Buch historisch untersucht. Er hat eine sehr wichtige Arbeit geleistet, der den gesamten Komplex anhand von zahlreichen Fallbeispielen vor unseren Augen erscheinen lässt.

 

Zwar gab es neben den Frauen auch andere Vorläufer für die „Gefühlsrevolution“. Die Mitglieder der Kommune 1 in Berlin zum Beispiel diskutierten schon 1968 über Sexualität, Lust, Frustrationen, Befreiung oder einen neuen gefühlvollen Umgang miteinander. Auch hatte die revolutionäre Gruppe der Situationisten darauf hingewiesen, dass das „private Leben“ vom „eigentlichen Leben“ selber abgeschnitten sei und sprach sich für die Aktivierung echter Emotionen aus. Häberlen geht historisch sogar noch früher zurück und nennt etwa die anarchistische Bewegung vom Monte Verità vor dem ersten Weltkrieg, wo ein kollektiver, alternativer Lebensstil kultiviert wurde oder verweist auf die matriarchalen Phantasmen des österreichischen Psychologen Otto Gross – und natürlich auf Wilhelm Reich mit seiner Theorie vom Charakterpanzer, der in der kapitalistischen Gesellschaft das Ausleben von Emotionen schlichtweg verhindern soll oder sogar zu einer politisch rechtsextremen Gesinnung führen könne. In den USA war durch die Beatnik Bewegung und die Hippies die bewusst wahrgenommene „Gefühlsrevolution“ von Anfang an Teil des Protestes und in Frankreich stand während der Mairevolte folgender Spruch auf Häuserwänden: „Jede Idee geht von einer gelebten Emotion aus“. In Deutschland aber sind es die Frauen, die bei sich selber und bei großen Teilen der Männer aus der alternativen Szene eine Beschäftigung mit Gefühlen erst richtig zum Durchbruch brachten. So habe ich es jedenfalls erlebt.

 

Dabei lassen sich im Groben zwei Umgangsweisen mit Emotionen feststellen: Einmal ein Plädoyer für den Gefühlsausbruch, für eine Entfesselung der Gefühle, für eine Gefühlsexplosion. Diese hatte sich schon spontan in der 68er Mairevolte Ausdruck verschafft und fand dann im Werk von Félix Guattari und Gilles Deleuze zwei französische Theoretiker, die Ende der 70er größere Resonanz in der deutschen Szene hatten. Beide waren der Meinung, dass die bestehende Gesellschaft ein Begrenzungssystem darstelle, welches unsere Wünsche und Bedürfnisse schlichtweg an ihrer Entfaltung hindere. Es käme nur darauf an, den Damm, der gegen den freien Fluss unserer Gefühle aufgebaut wurde, niederzureißen und dann würde diese Freisetzung von sich aus eine neue befreite Gesellschaft hervorbringen. „Die Gesellschaft des Begehrens, der Wünsche, wird keine Gesellschaft der Unordnung, des rein brutalen Ausdrucks sein. Im Gegenteil. Betrachten wir genau die neue Sensibilität der Leute, die große Zärtlichkeit, die neue Sanftheit, die nichts mit der phallokratischen Brutalität anderer Epochen zu tun hat.“ – erklärte Guattari auf dem Tunix Kongress von 1978 in Berlin. Eine Wunsch- und Gefühlsexplosion würde alles revolutionieren. Diese Position war, wie sich bei Häberlen nachlesen lässt, ziemlich weit in der Szene verbreitet und wurde auch von mir in verschiedenen Artikeln und meinem Buch „Vulkantänze – Linke und alternative Ausgänge“ vertreten. Es entstand eine Philosophie der Verausgabung, der Intensität, der Transgression, des Fließenlassens, der Wunsch-Explosionen.

 

Die zweite Form, mit Gefühlen umzugehen, war deren Psychologisierung und der kollektive Diskurs darüber. Dabei spielten Überlegungen von Sigmund Freud, Karl Marx (Entfremdung), Wilhelm Reich und Herbert Marcuse eine zentrale Rolle. Es kam zu einem regelrechten „Psychoboom“. Ihre Gefühle und ihre Körper waren es, mit denen sich jetzt viele ausschließlich beschäftigten. Therapien und neue Verhaltensmuster wurden ausprobiert. Diese Bewegung wies einen äußerst mannigfaltigen experimentalen Charakter auf. Es war viel von Selbstverwirklichung, Selbstmodellierung und Lebenspolitik die Rede. Im Zentrum stand das entfremdete, isolierte und vereinsamte Individuum, ein Opfer der repressiven Erziehung, das als „geschädigt“ angesehen wurde. Ausgehend von Freuds Theorie des Über-Ichs war man der Meinung, dass die Repression nicht nur von außen kam, sondern dass sie ebenso (als Selbstrepression) Teil des eigenen entfremdeten Bewusstseins sei. Joschka Fischer sprach zum Beispiel vom „Bullen in uns“, den es zu bekämpfen gelte. Der Klassenkampf wurde sozusagen in die eigene Seele verlagert.

 

Als Reaktion auf den Feminismus entstanden die so genannten „Männergruppen“. Dort trafen sich Männer, die ihre Gefühle und Verhaltensweisen neu bestimmen wollten, indem sie die klassischen männlichen Gefühlscodes, die auch in der Linken weit verbreitet waren, zu überwinden suchten. An die Stelle von körperlicher Stärke, Abstraktion, Härte, Ehrgeiz, Ausdauer, Zielgerichtetheit sollten Gefühlswelten treten, die früher als unmännlich beziehungsweise weiblich angesehen wurden: Wärme, Geborgenheit, Körpererfahrung, Zusammengehörigkeit, Zärtlichkeit. Die Thesen von der neuen Männlichkeit standen aber in einem krassen Gegensatz zur Typologie des „Politrockers“, die sich vorher in der linken Szene insbesondere auch im Frankfurter Häuserkampf herausgebildet hatte und dessen militantes Gehabe und Image (Lederjacke, Kampfhelm, Schlagring) ganz und gar nicht der „neuen Sensibilität“ entsprach.

 

Ein weiteres Thema war die Enterotisierung des Körpers. Während nicht zuletzt unter dem Einfluss von Wilhelm Reichs Orgasmus-Theorie die Sexualität als etwas Orgiastisches und Genitales angesehen wurde, zeigt Häberlen anhand vieler Beispiele wie weit verbreitet dennoch das Bestreben war, von einer rein genitalen Sexualität abzugehen, um den Körper als erotisches Ganzes zu erfahren. Da dieser zu dergleichen sinnlichen Selbstwahrnehmungen nicht mehr fähig sei, wurde er manchmal als geschädigt, ja „verkrüppelt“ beschrieben. Ich verfasste damals hierzu einen Artikel in der Zeitschrift Blatt mit dem Titel „Die Entdeckung des Körpers und der neuen Sexualität“. Eine Erotisierung des gesamten Leibes glaubte man auch bei den Kindern zu entdecken und erklärte diese deswegen schlichtweg zum „revolutionären Subjekt“. Die Revolution sollte von den Kindern ausgehen, da bei ihnen die Gefühle noch frei und natürlich fließen und nicht durch Verbote, Reglementierungen und Unterdrückungsmechanismen geregelt seien. Diese Vision von einer „Kinderrevolution“ stellte auch in Aussicht, dass die Arbeit durch das Spiel ersetzt werden könne.

 

Um noch weitere Gefühle zu nennen, die thematisiert wurden und sich bei Häberlen dargestellt finden: Liebe, Angst, Furcht, Intimität, Selbstvertrauen, Misstrauen, obsessive Fixierungen, Güte, Tränen, Freude, Sorgen, Wut, Intuition, Enttäuschung. Es war in allen Fällen die Gruppe, die im Zentrum dieses Gefühlsaufstandes stand. Immer wieder ist von Gruppendynamik, Gruppenbewusstsein, Gruppenexistenz, Selbsterfahrungsgruppen die Rede.

 

Beide Strömungen (die Gefühlsexplosion und der Diskurs über die Gefühle) verstanden sich als politisch und hatten zwei Gegner: die bestehende kapitalistische Gesellschaft und den Rationalismus. Der Kapitalismus wurde jetzt nicht nur als ein System verstanden, das die Arbeit ausbeutete, sondern das ebenso die Entfaltung der Emotionen verhinderte. Da man Gefühl und Rationalität in Gegensatz zueinander sah, verstand sich die Gefühlsexplosion auch als eine Rebellion gegen das Diktat der Vernunft und des Geistes und als ein „Ja“ zu den Wünschen und zur Sinnlichkeit. Diese Ausrichtung beinhaltete notwendigerweise eine Kritik an der alten Linken, die unter Bezug auf Georg Lukács’ Buch „Die Zerstörung der Vernunft“ im „Irrationalismus“ die Hauptursache des Faschismus entdeckt zu haben glaubte. Für die jungen Rebellen der 70er Jahre aber war dieser „Irrationalismus“ ein Bekenntnis zu den Hippies, den Traumparolen des Pariser Mai, zur Liebesbotschaft der Beatles, zur Vorstellung, dass die Revolution ein Fest sein muss.

 

Doch geriet die Gefühlsexplosion mit dem psychologischen Diskurs über die Gefühle in einen gewissen Widerspruch. So wurde die nie enden wollende Rhetorik in den Gruppen, die kollektive Psychologisierung von allem und jedem von vielen als ein Engpass verstanden: „Wir reden wie Fremde zueinander und bringen eine Grausamkeit auf, in der nur noch einigermaßen stabile Dauerredner, die meistens nur die Karikatur ihrer selbst sind, repräsentativ sich streiten können, eingefahren, blockiert meist unproduktiv.“ – zitiert Häberlen aus einem Zeitdokument. Irgendwie schien das Reden über Gefühle diese nicht unbedingt zum Fließen zu bringen. Im Gegenteil: der Redefluss verhinderte den Gefühlsfluss.

 

Gegen Ende des Jahrzehnts wurden deswegen Auswege gesucht. Zum Beispiel wanderten viele ehemalige „Genossen“ und „Genossinnen“ zu dem indischen Guru Bhagwan ab und emigrierten massenhaft nach Poona (Indien) wie zum Beispiel der Philosoph Peter Sloterdijk, der sich an das München der damaligen Zeit zurückerinnert: „München, wo ich lebte, war in den siebziger Jahren die Hauptstadt der Therapierepublik Deutschland. Hier wimmelte es nur so von Angeboten der Bewusstseinserweiterung. Es war zu dieser Zeit fast nicht möglich, als junger Intellektueller nicht in diese Kraftströme mit einbezogen zu werden. Ich war auf diesem Feld ziemlich expansiv tätig. Ende der siebziger Jahre breitete sich der Eindruck aus, dass das Kochen im eigenen psychologischen Sud auf die Dauer eine perspektivlose Unternehmung ist. Damals wurde eine ganze Generation von dieser neuen Evidenz, oder scheinbaren Evidenz, ergriffen, die besagte, man müsse aus der Psychotherapie heraus einen nächsten Schritt tun. Der Psychodiskurs drehte sich im Kreis, der Psychomarxismus wurde mit der Zeit schal. Vor diesem Hintergrund tauchte die neohinduistische Stimmung im Westen auf. Da gab es die Hare-Krishna-Leute, die in München herumzogen mit ihren Trance-induzierten Wiederholungen. Wir fanden das langweilig. Dann kam die Nachricht, dass in Mumbai ein Super-Guru aufgetaucht sei, der von den Upanishaden bis zum deutschen Idealismus und Wittgenstein sozusagen alles auf der Festplatte habe.“

 

Der Ausbruch aus dem Psychodiskurs nahm verschiedene Formen an. Einige suchten diesen durch ekstatische Verausgabungen indem sie ihre Gefühle, Wünsche und ihre Erotik auf den gesamten Kosmos ausdehnten, eben wie im Fall von Baghwan (und die dann Opfer eines Guru Kultes wurden); wieder andere vernichteten alle Gefühle und meditierten über die Leere wie im Zen-Buddhismus; oder sie versuchten schlechte Gefühle in Glücksgefühle umzuwandeln wie im Neo-Tantrismus; oder sie übten sich in der Harmonisierung der Gefühle wie im Daoismus; oder sie begannen damit, ihre von schmerzhaften Gefühlen geplagte Seelen durch schamanistische Rituale zu heilen; oder sie vereinigten sich mit Gott wie bei den Sufis; oder sie betraten durch das Experimentieren mit Drogen eine andere Welt voller Wunder und oft auch voller Schrecken. Diese Phase, die seit Ende der 70er Jahre einsetzte und die Der Spiegel als den „Marsch der Linken in die Mystik“ bezeichnete, wird von Häberlen nicht behandelt.

 

Ausführlich geht er jedoch auf den Diskurs ein, den ich mit meinem Buch „Vulkantänze“ über den Mythos angestoßen hatte. Es stimmt, dass ich, ausgehend von Guattari, Deleuze und Nietzsche, in diesem Text für das „Aufplatzen“ einer Wunsch- und Gefühlsrevolution plädiere. In die Debatte brachte ich jedoch auch ein Plädoyer für den Mythos und die Poesie. Beide standen – nach meiner damaligen Sicht – im Gegensatz zum Rationalismus. Das hat Häberlen auch sehr gut herausgearbeitet. Dennoch stellte für mich der Mythos eine Art Ordnungssystem dar, das den Gefühlen eine Form, eine Gestalt geben sollte: „Der Körper des Mythos ist bildliches Denken: er macht etwas sichtbar, plastisch, vorstellbar. Er ist nicht auf der Suche nach Gesetzen, eher schon nach Erklärungen, mehr noch ist er Darstellung vielfältiger menschlicher Leidenschaften. Das Bildhafte, Schillernde, Bunte und Fassliche macht ihn anziehend für die Libido, den Wunsch, dessen Produkt er ist.“ Die Emotionen sollten sich an Bildern, an Narrativen, Figuren, an Szenen, an Stories eben an Mythen orientieren. Es waren Bilder des Eros, der Freude, der Freiheit, des Lachens, der Zwanglosigkeit und Tanzes, die mir vorschwebten und die jetzt an die Stelle der alten repressiven Mythen des Opfers, der Gewalt,  des Hasses, des Kampfes treten. Der Krieger, auch der revolutionäre Krieger wie Che Guevara, wurde durch den „Tänzer“ ersetzt. Die Revolution sollte getanzt werden.

 

Häberlens Buch ist ein wichtiger Beitrag zur historischen Aufarbeitung der 68er Bewegung. Es gibt überhaupt keine Revolutionen oder Revolte, die nicht wesentlich durch die Gefühle der Revoltierenden charakterisiert ist und für den größten Teil von ihnen sind die erlebten Emotionen und nicht die Theorien, Strategien und Taktiken das Entscheidende für ihre Rebellion gewesen. Aber im Gegensatz zu anderen „Revolutionen“ haben die 68er und die aus ihr entstandene Frauenbewegung die Welt der Gefühle nicht nur thematisiert sondern auch politisiert. Sie haben das Gefühl als solches zu einem Politikum gemacht und das ist in der Geschichte der Aufstände ziemlich einzigartig.

 

Jedenfalls wurde es vielen damals klar, dass eine gesellschaftliche Veränderung nur dann stattfinden kann, wenn sich auch die Gefühle und das Bewusstsein ändern. Letzteres ist keineswegs, wie die Marxisten sagen, nur ein Resultat aus den sozialen und ökonomischen Verhältnissen, sondern birgt in sich die Kraft, die Dinge anders wahrzunehmen. Etwas Ähnliches hatte schon Herbert Marcuse in seinem Essay „Versuch über die Befreiung“ (1968) gefordert: „Die heutigen Rebellen wollen neue Dinge in einer neuen Weise sehen, hören und fühlen; sie verbinden Befreiung mit dem Auflösen der gewöhnlichen und geregelten Art des Wahrnehmens.“ Der Philosoph folgerte: „Die Revolution muss gleichzeitig eine Revolution der Wahrnehmung sein, welche den materiellen und geistigen Umbau der Gesellschaft begleitet und die neue Umwelt hervorbringt.“

 

© Victor Trimondi

© Victor & Victoria Trimondi