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Zen-Buddhismus und Faschismus


 

Wie Zen den Faschismus veränderte – Zu den Zen-Vorträgen von Willigis Jäger und Michael von Brück

 

Am 22. 01. 2003 fand im Audimax der Technischen Hochschule München  eine Podiumsdiskussion mit dem Thema „Wie Zen das Christentum verändert“ statt. Die beiden Referenten waren Prof. Dr. Michael von Brück, Institut für Religionswissenschaft, LMU München und Pater Willigis Jäger, OSB, Zen-Meister und Kontemplationslehrer. Veranstaltet wurde der Auftritt von der Evangelischen Stadtakademie München. Bei dieser gut besuchten Veranstaltung war, wie schon so oft bei früheren Auftritten von Michael von Brück, viel von der Begegnung und dem gemeinsamen Kern der Religionen die Rede, von den angeblichen Parallelen zwischen christlicher und zen-buddhistischer Meditation. Dagegen stellten die Referenten die Intoleranz der Katholischen (Amts-) Kirche, die den Benediktiner-Pater und Zen-Meister Willigis Jäger im Jahre 2001 aus theologischen Gründen mit einem Auftritts- und Publikationsverbot belegt hatte.

 

Nicht nur Theologen, sondern auch Humanisten und Demokraten haben zahlreiche Gründe, sich kritisch mit der Zen-Religion und ihrer Geschichte auseinander zu setzen. Kaum bekannt ist die enge Verflechtung des Zen und vieler Zen-Patriarchen aus dem vorigen Jahrhundert mit dem Shinto-Faschismus. Zen-Praktiken und Zen-Anschauungen bildeten die spirituelle Grundlage für eine der konsequentesten und grausamsten „Krieger-Religionen“ der Welt, den Samurai-Kult, der unter dem japanischen Militarismus eine spektakuläre Renaissance erlebte. Noch weniger weiß man, dass dieser vom Zen geprägte Krieger-Kult in Hitlers SS und in Himmlers SS-Ahnenerbe als ideologisches Vorbild diskutiert wurde.

 

Weshalb die enge „Zen-Faschismus-Connection“ von katholischer Seite in der „Willigis Jäger Kontroverse“ nicht aufgegriffen wird, dürfte unter anderem seine Gründe in der eigenen Vergangenheitsbewältigung mit dem Nationalsozialismus haben. Dennoch bestehen im Verhältnis der Katholischen und Evangelischen Kirche und der verschiedenen Zen-Sekten zum faschistischen Staat wesentliche Unterschiede. Die antikirchliche Orientierung des Nationalsozialismus lief letztlich auf eine Vernichtung bzw. „Arisierung“ des Christentums hinaus und es gab neben der Kollaboration einen bedeutenden christlichen Widerstand gegen das Nazi-Regime. Der Zen-Buddhismus ist dagegen, nachdem er die Göttlichkeit des Tennos anerkannt hatte, zu einer tragenden religiösen Säule des Shinto-Faschismus geworden. Alle 13 Schulrichtungen des japanischen Buddhismus (darunter die Soto-Schule, die Rinzai-Schule, die Shin-Schule und die Nichiren Schule) haben sich dem faschistischen System Japans nicht nur bedingungslos untergeordnet, sondern haben aktiv und effektiv zur Entwicklung des grausamen, todes- und lebensverachtenden japanischen Krieger-Codex beigetragen. Hinter den Kamikaze-Flügen 16jähriger Jugendlicher steht die Zen-Philosophie des Bushido.

 

Der Zen-Buddhismus besitzt die Fähigkeit, sich allen politischen und religiösen Systemen anzupassen. „Er kann sich“ – so der im Westen bekannteste Zen-Philosoph Daisetz Teitaro Suzuki – „mit anarchistischen oder faschistischen, kommunistischen oder demokratischen Idealen, mit Atheismus oder Idealismus, mit jedem politischen oder wirtschaftlichen Dogma befreunden.“ – also auch mit dem Christentum oder mit dem Kapitalismus. Diese Flexibilität komme daher, so westliche Vertreter der  östlichen Philosophie, dass es sich im Falle des Zens um eine „gegenstandslose Meditation“ handele. Suzuki dagegen ist deutlicher, wenn er offen erklärt, die Kräfte des Zens könnten manchmal „teuflisch“ sein und diese Religion stehe jenseits „moralischer“ Überlegungen.

 

Es ist nicht zuletzt dieser A-Moralismus, der den Zen-Buddhismus für faschistische Ideologen in Japan, Deutschland und Italien besonders attraktiv gemacht hat. Suzuki selber entwickelte während des Krieges zusammen mit den faschistischen Militärs Japans eine Zen-Pädagogik, die den Soldaten das emotionslose Sterben und Töten beibrachte: „Das Soldatische, verbunden mit Mystik und dem Erhabensein über weltliche Belange, ist etwas, das Menschen von starker Willenskraft liegt. Hier entspricht der Zen dem Geist des Bushido - dem Weg des Kriegers.“ (Suzuki). Die folgenden Grundanschauungen machen der „Zenismus“ für totalitäre Militärgesellschaften besonders attraktiv: die totale Aufgabe des Ichs und der eigenen Persönlichkeit, die Negation der Seele, die bedingungslose Unterordnung unter den Patriarchen (Guru), die völlige Kontrolle über die eigenen Gefühle bis hin zur Emotionslosigkeit, im Bushido die Verachtung des Körpers, die Verherrlichung des Todes, der Krieg als Erleuchtungsweg und die absolute Treue gegenüber dem Gefolgsherrn.

 

Während des zweiten Weltkrieges stieß Bushido (der „Weg des Kriegers“) auf ein eminentes Interesse im Dritten Reich. Das Land wurde mit kulturellen Veranstaltungen und Publikationen (Filme, Bücher, Theaterstücke, Empfänge, Artikel, Vorträge, Ausstellungen, Fotoberichte), die den Samurai-Kult zum Inhalt hatten, geradezu überschwemmt. Heinrich Himmler  verfasste persönlich für eine Broschüre über die Samurai das Vorwort, worin er die Geistesdisziplin der japanischen Kriegerkaste als Vorbild für den eigenen „Orden“ pries. Er ließ dieses „Büchlein“ in einer Auflage von 52. 000 Exemplaren in der SS verteilen.

 

Unter ihrem damaligen Rektor Walther Wüst (1941-1945) war die LMU – München eine Hochburg  faschistischer Buddhismusrezeption. Asiatische Philosophien und Religionsmuster sollten die Grundlage für einen religiösen Nationalsozialismus mit der SS als heiligem Kriegerorden im Zentrum bilden. Der Orientalist Wüst, unter dessen Rektorat die Geschwister Scholl festgenommen und enthauptet wurden, war gleichzeitig der Kurator des berüchtigten SS-Ahnenerbes und dessen führender akademischer Kopf.

 

Zen wurde in Deutschland durch zwei mittlerweile weltbekannte Protagonisten eingeführt: Eugen Herrigel (1884-1955) und Karlfried Graf Dürckheim (1896-1988). Beide agierten als hoch motivierte Nazis. Herrigel lehrte als Prorektor an der Erlanger Universität und bemühte sich in seinen Vorlesungen darum, den Nationalsozialismus als Weltanschauung aus der Philosophie abzuleiten. Noch in seinem nach dem Krieg erschienen Bestseller Zen und die Kunst des Bogenschießens schwärmt er, dass ein Samurai „von Tag zu Tag unzugänglicher für Erschreckendes“ wird, was angesichts der Tatsache, dass sich die SS vom Samurai-Geist hat inspirieren lassen, makaber klingt. Der jüdische Autor Arthur Koestler, der sich schon Anfang der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts kritisch mit dem Zen auseinander setzte, kam zu dem Schluss: „Zen strahlt immer eine Faszination für eine Kategorie von Leuten aus, bei denen sich Brutalität und Pseudomystizismus miteinander vermischen, angefangen von den Samurai über die Kamikaze bis hin zu den Beatniks. [….] Der Fall Herrigel [….] ist dafür typisch. Er war ein Starschüler unter den westlichen [Zen-] Konvertiten sowohl vor als auch nach seiner Nazikarriere.“

 

Graf Dürckheim, obgleich er jüdisches Blut in sich trug, arbeitete während des Krieges als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes (Büro Ribbentrop) in Japan mit dem Auftrag, die „Grundlagen der japanischen Erziehung“ wissenschaftlich zu erforschen. Die Nazis waren an den Erziehungsmethoden, mit denen die Japaner damals die gesamte Gesellschaft durchmilitarisierten ebenso interessiert wie an ihren sakralen Meditations- und Bewusstseinstechniken. Dürckheim sollte hierzu die Materialien zusammenstellen. In Japan selber agierte er als Nazi-Aktivist. Ein Zeitzeuge berichtet: „Er war sozusagen ein Edelpropagandist von hohem intellektuellen Niveau, der durch das Land zog und den Nazismus und die Reichsidee predigte.“ 1942 veröffentlichte Dürckheim eine nationalsozialistische Propaganda-Schrift auf Japanisch mit dem (übersetzten) Titel Neues Deutschland – Deutscher Geist. In den 60er Jahren traf sich der Graf mit dem neofaschistischen Philosophen Julius Evola zum geistigen Austausch und übernahm von diesem die spirituellen Grundlagen für seine „initiatische Therapie“. In der Zen-Philosophie, die Dürckheim seit den 50er Jahren durch zahlreiche Bücher und Vorträge verbreitete, klingt immer  wieder die „soldatische Orientierung“ dieser Religion durch. Die „Aufarbeitung“ der eigenen NS-Vergangenheit fasste der deutsche Zen-Philosoph in dem nonchalanten Satz zusammen: „Ein Nazi war ich nicht, aber auch kein Anti-Nazi“.

 

In derselben Münchener TH, in der über „Zen und Christentum“ gesprochen wurde, lehrte ab 1919 General Karl Haushofer (1869-1946) das Fach Geopolitik. Fest steht, dass seine Theorien über die gewaltsame Eroberung von Großräumen Hitlers militante „Ostpolitik“ beeinflusst haben. Haushofer, der als Militärattaché Bayerns vor dem ersten Weltkrieg nach Japan geschickt wurde, verfasste ein Buch, in der er die Militarisierung der japanischen Gesellschaft und auch die vom Zen geprägte Samurai-Kultur als nachahmenswertes Vorbild  hinstellt. Hitler las dieses Buch, als er in Landsberg Mein Kampf verfasste und Einflüsse daraus sind im „Grundlagenwerk“ des Nationalsozialismus nachweisbar.

 

Veranstaltungen „Wie Zen das Christentum verändert“ reihen sich ein in eine Unzahl ähnlicher apologetischer Darbietungen, in denen der in den Westen importierte, boomende Buddhismus als friedfertige, tolerante und spirituelle Ergänzung oder gar als die Alternative zur („dekadenten“) westlichen Kultur herausgestellt wird. Dass er, wie alle anderen Religionen auch, seine Problemfelder hat, ist eine bekannte und gut dokumentierte Tatsache, die aber systematisch und mit einem nicht geringen Erfolg von Anhängern und Sympathisanten dieser östlichen Lehre, darunter ein beachtlicher Anteil von Akademikern, verschwiegen, geleugnet und zum Teil bewusst verfälscht wird. Die Adaption des Buddhismus durch faschistische Ideologen in Japan, Deutschland und Italien beruht nicht allein auf Fehldeutungen, ebenso wenig wie seine ungebrochene Attraktivität für den internationalen Neofaschismus. Gerade in seiner lamaistischen und zen-buddhistischen Variante gibt es Elemente, die sich als Bausteine für eine totalitäre Weltanschauung besonders gut eignen und die sich historisch schon „bewährt“ haben. Eine kritische, nüchterne und kenntnisreiche Kulturdebatte über die östlichen Lehren ist überfällig, denn die „Faszination-Buddhismus“ hat im Westen schon eine hybride Selbstgefälligkeit erreicht. Dabei erscheint es geradezu grotesk, dass vor allem engagierte Vertreter der christlichen Kirchen und liberale Publizisten sind, die aus Unwissenheit und Naivität die euphorische Buddhismus-Verbreitung fördern und sogar mit einem leidenschaftlichen Übereifer den östlichen Glauben gegen jegliche Kritik verteidigen.

 

© Victor & Victoria Trimondi

 

© Victor & Victoria Trimondi