PROGRAMM
Die technischen, sozialen und informatorischen Entwicklungen
der letzten Jahrzehnte und die sich abzeichnenden menschlichen
Möglichkeiten (human potential)
haben einerseits alte Weltbilder und Werte in Frage gestellt und verlangen andererseits
die Ausformulierung und Festigung neuer Wertvorstellungen. Aufgrund der
weltweiten Vernetzung aller Lebensbereiche müssen diese kosmopolitisch
sein, um die individuellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen,
politischen und geistigen Krisen, in
denen sich die Menschheit befindet und die noch auf sie zukommen, zu
bewältigen. Da eine rein materialistische und positivistische Einstellung,
die auf der Ausbeutung der Natur beruhte und die die westliche Zivilisation
der letzten zweihundert Jahre entscheidend mitbestimmt hat, nicht in der
Lage war und ist, die anstehenden Weltprobleme zu lösen, haben sich
Millionen von Menschen erneut religiösen und esoterischen Traditionen
angeschlossen und erwarten von den traditionellen Religionen und
spirituellen Schulen globale und individuelle Antworten.
Die Folge war eine uninformierte, unkritische und
sentimentale Übernahme altüberlieferter Vorstellungen, die alle vor vielen
Jahrhunderten in einer Welt entstanden sind, wo das Feindbilddenken und die
Entmündigung des Menschen vorherrschten. Die emotional verständliche,
gutgläubige, aber ebenfalls kenntnislose und devote „Sinnsuche“ hat jetzt
schon verhängnisvolle Folgen bis hinein in die Politik gezeitigt. Ist doch
der weltweit explosionsartig hervorbrechende Fundamentalismus jeglicher
Richtung ein Beweis dafür, dass religiöse Traditionen keineswegs human und
hilfreich, lebensbejahend und friedensfördernd sein müssen. Im Gegenteil - in allen
bestehenden „Weltreligionen“ ist bedauerlicher Weise auch ein
aggressives Potential vorhanden, das in einer apokalyptischen
Vernichtungsvision seinen Höhepunkt erreichen kann.
Fallen wir, kommend aus einer Welt des Materialismus,
in eine Welt religiösen Wahns zurück, anstatt dass wir unsere
wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Potentiale nutzen, um
eine humane Weltzivilisation aufzubauen? Füllen die bestehenden Religionen
wirklich das Sinnvakuum aus, welches das wissenschaftliche Weltbild des
Abendlandes hinterlassen hat? Oder wird das 21. Jahrhundert eine Zeit
heftigster Religionskriege sein, wie es der französische Schriftsteller
André Malraux schon in den 60er Jahren prophezeite?
Religiöse Muster spielen in den politischen und
gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der letzten Jahre eine immer
bedeutendere Rolle: An erster Stelle die Ereignisse des 11. Septembers.
Schon im Golfkrieg wurde von
Vertretern beider Parteien die Apokalyptik (die christliche und die
islamische) beschworen. In den jugoslawischen
„Glaubenskriegen“ wirkten neben ethnischen und wirtschaftlichen auch
religiöse Ursachen hinter den Konfliktparteien. Den Mord an Jizchak Rabin
soll nach Aussage seines Attentäters Jahwe, der höchste Gott der Juden,
selber befohlen haben. Die Terroristen der japanischen AUM-Sekte
identifizierten sich mit tibetisch-buddhistischen Shambhala-Göttern
und in Algerien werden seit Jahren Tausende, darunter Frauen und Kinder,
von islamistischen Fundamentalisten ermordet. Diese Liste ließe sich
seitenlang fortsetzen.
Mit guten Gründen interpretiert der Amerikaner Samuel
P. Huntington in seinem Bestseller Kampf
der Kulturen („The Clash of Civilizations“) solche „Randereignisse“ als
Vorboten einer globalen kulturellen Umgruppierung. Der Autor ist der
Meinung, dass die westliche Kultur mit ihren Werten (Demokratie,
Menschenrechte, Kapitalismus) dabei ist, zu verblassen und dass schon sehr
bald an ihre Stelle unterschiedliche Kulturblöcke treten werden, deren
Politik sich aufs engste mit den bestehenden religiösen Traditionen
verbindet. Das Resultat ist nach
Huntington ein „Kampf der Kulturen“ oder besser ausgedrückt ein „Kampf der
Religionen“.
Ausgehend vom oben Gesagten wird sich die
"Kritische und Kreative Kultur Debatte" mit den traditionellen
Glaubenssystemen und Kulturmustern auseinandersetzen und, soweit dies
möglich ist, mit den verschiedenen Traditionen in einen „kreativen“ Dialog
treten.
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