Medien 03
DER STANDARD, 31. August 2002
"Krieger-Kaste müssen wir sein!"
Mit provokanten Thesen tritt ein neues
Buch dem Massenerfolg östlicher Religionen im Westen entgegen: Victor und Victoria Trimondi sehen
in "Hitler, Buddha, Krishna" eine unheilige Allianz vom Dritten
Reich bis heute. Stimmt ihre Deutung? - Richard Reichensperger
traf die Trimondis zu einem Gespräch (Seite
2), und wir stellen in drei Vorabdrucken - heute (siehe rechts) und am
Dienstag und Donnerstag kommender Woche - die Thesen zur Diskussion; erste
Folge: Victor und Victoria Trimondi über Heinrich Himmlers Religions-Konstruktion.
Hatte der Architekt des
Massenmordes Heinrich Himmler, Reichsführer-SS
und Chef der deutschen Polizei, das "Gespür eines historischen
Religionsstifters" (so der Historiker Michael H.Kater)?
Jedenfalls: Die Dogmen und Riten einer "indo-arischen"
NS-Religion, mit dem "Führer" als göttlichem Zentrum und dem
Schwarzen Orden der SS als dem innersten Kreis einer Nation aus Kriegern,
glaubte er wesentlich in religiösen Lehrinhalten und Mythen aus dem
traditionellen indischen Kulturkreis zu finden: "Ich bewundere die
Weisheit der indischen Religionsstifter."
Er verglich Hitler mit dem
indischen Kriegergott Krishna; verfasste das Vorwort zu einer Kampfschrift
über die japanischen Samurai-Krieger; war Anhänger der buddhistischen Karma-und Inkarnationslehre und beabsichtigte, östliche
Meditationspraktiken in der SS einführen. Ganz oben auf seiner Leseliste
fanden sich die Reden des Buddha und das berühmteste indische
Kriegsgedicht, die Bhagavadgita. Alle SS-Intellektuellen
blickten voller Respekt auf das Kastensystem Indiens, jedoch mit der
Kriegern (Kshatriya) und nicht mit den Brahmanen
als gesellschaftlicher Führungsgruppe. Himmler
"orientierte"" sich in dieser Frage unter anderem an dem
1924 erschienen Buch eines Österreichers: Am 18. März 1925, im eigentlichen
Gründungsjahr der SS (damals noch "Stabswache" zum Schutze Adolf
Hitlers, ab 1929 Schutzstaffel), schrieb Heinrich Himmler in seine
Leseliste: "Kschatrijakaste [Krieger-Kaste],
das müssen wir sein. Das ist die Rettung!"
Er kommt zu dieser
Schlussfolgerung nach der Lektüre eines Buches, welches in einem so
umfassenden Maße das Selbstverständnis der SS vorwegnimmt, das es
wahrscheinlich als die entscheidende ideologische Inspirationsquelle für
den Aufbau des Schwarzen Ordens angesehen werden muss. Der Grund dafür,
weshalb dies bisher von der NS-Forschung nicht wahrgenommen wurde, liegt
sehr wahrscheinlich an dem irreführenden Titel dieses Buches, das Himmler
als Nr. 235 in seiner Leseliste erwähnt. Es handelt sich dabei um die
Schrift Freimaurer und Gegenmaurer im Kampf um die Weltherrschaft
(1924) des Österreichers Franz Haiser. Die
Historiker, die sich mit Himmlers Lektüre beschäftigt haben, gingen
wahrscheinlich davon aus, dass hier wieder eine der üblichen
anti-freimaurerischen Verschwörungstheorien vorliege, die der spätere Reichsführer-SS in frühen Jahren so geschätzt hat. Dies
ist aber nur partiell der Fall, denn Haisers Buch
geht auf die Freimaurerfrage nur am Rande ein.
Sein primäres Anliegen ist
dagegen die Schaffung eines internationalen, "wohlorganisierten"
und elitären "Kriegerordens" auf rassistischer Grundlage, den er
als "allarischen Bund""
bezeichnet. Da der Autor seine Ordensvorstellungen aus der indischen
Kastenlehre ableitete, zählen auch sie zu dem Gedankengut, das aus Asien
importiert wurde. Vier Kasten charakterisieren für Haiser
den Aufbau einer jeden Gesellschaft. Er unterscheidet - ausgehend von der vedischen Doktrin: 1. die Kshatriya
(Krieger, Adel und Könige), 2. die Brahmana
(Priester), 3. die Vaisha (Händler, Handwerker,
Bauern) und 4. die Shudra (Unfreie, Diener,
Knechte, Arbeiter).
Dieses Vierkastensystem ist
für ihn auch in der modernen Gesellschaft wirksam. In dieser haben die Vaisha (Händler), alle Macht usurpiert und die alten
Herrschaftseliten der Kshatriya und Brahmana wurden von ihnen zurückgedrängt. Die Vaisha-Kaste repräsentiert für Haiser
den Kapitalismus und das Finanzjudentum. Doch auch deren Machtposition ist
mittlerweile durch die "Shudra-Köter"
(Arbeiterklasse und Subproletariat) gefährdet, die sich im Kommunismus
gesammelt haben. Noch verächtlicher und abstoßender als der Shudra ist der "Mischling", der Tschandala: "Von ihm sagt das indische Gesetzbuch
Manu", erfahren wir von Haiser, "dass
er mit seinem Munde kein reiches Quellwasser verunreinigen dürfe. Nur dort,
wo die Tritte der Huftiere eine Pfütze im Boden zurücklassen, soll er
seinen Durst löschen können." [....]
Angehörige der Kshatriya-Kaste sollen von jeglicher Arbeit
freigestellt werden und haben nur zwei Aufgaben: Aufzüchtung der reinen
Rasse und Krieg führen. Haiser verweist für den
ersten Fall auf eine eigene Schrift, wo er die Wiedereinführung der
Sklaverei fordert: "In meinem Buche über ,Sklaverei'
zeige ich, dass das Altertum die Lebenskraft der weniger wertvollen
Menschenarten für Kulturzwecke ausbeutete, während die Freien "Arbeit
schändete". - Das war Selbstschutz, denn: "das Zuchttier arbeitet
nicht , wie der Tierzüchter sagt."
Damit sich die Krieger empor
entwickeln können, müssen sie nach Haiser unter
sich bleiben: "Der Kshatriya braucht ein Kshatriya-Milieu, um gedeihen zu können."
Vermischungen mit anderen Kasten-Angehörigen "tötet seine Art".
Seine Kinder werden in bestimmten Internaten erzogen, der Krieger meidet
öffentliche Lokalitäten und verkehrt lieber in Klubs mit seinesgleichen, er
trägt demonstrativ seine Kastenkleidung (Uniform) zur Schau und seine
Wahlstimme zählt mehr als diejenige anderer Kastenangehöriger.
Dennoch ist es notwendig, dass
sich die Kshatriya gegenseitig bekämpfen. Nur so
kann die Hochzüchtung der "Edelrasse" durch Auslese fortschreiten
und sich eine "Herrenmoral" und ein "Herrenvolk"
entwickeln. Verhindert werden muss jedoch die gegenseitige Ausrottung:
"Faschisten verschiedener Länder sind dazu verpflichtet, einander zu
bekämpfen und gleichzeitig die Hände zu reichen."
Den Nazis seiner Zeit bietet
sich Haiser offenherzig an: "Vieles im
Programm der Hakenkreuzler ist direkt unsere Sache. [...] Die
Nationalsozialisten brauchen sich gar nicht daran zu stoßen, dass wir für
die offene, gesetzliche Sklaverei eintreten und von einer Shudra-Kaste sprechen, denn sie werden ja davon nicht
betroffen, weil sie sich als Norden oder Dinarier
zur Kshatriya-Kaste bekennen. [...] Wir verkünden
also ein jüngstes Gericht; wer der Shudra-Kaste
angehört, soll wieder Knecht werden, wer aber Kshatriya
ist, soll wieder auf seinen Herrenposten kommen."
Haisers Programm, das er für seinen
"allarischen Bund" ausformuliert hat,
[ist] in der Rassenpolitik der SS aufgenommen worden: 1. Erziehungsinstitute
mit rassischer Auslese; 2. Rassenveredelung durch Auslese und Hochzucht; 3.
Rassengesundung durch natürliche Ausmerze und Ausschaltung biologisch
Minderwertiger aus der Vermehrungsgemeinschaft (Rassenhygiene); 4.
Förderung der Kshatriya-Auslese und Hemmung der Vaisha-Auslese durch Änderung des Gesellschaftsbildes
und des Weges zum Aufstieg; 5. Besiedlung mit Edelrassen; 6. Beschränkung
der Vermehrung unedler Rassen.
Juden zum Beispiel sind, wie Haiser 1924 schreibt, zwangsweise zu sterilisieren:
"Jude, willst du hier bleiben, so musst du deine Testikel alle zehn
Jahre röntgenisieren und mit der Jahreszahl plombieren lassen, bei
sonstiger Strafe der Auspeitschung." Selbst die "Polygamie der
Edelsten", die der Autor für die Kshatriya-Kaste
forderte, wurde in der SS diskutiert. Die Schutzstaffel war sowohl
"Kriegerorden" als auch "Zuchtorden", denn Himmler sah
in ihr, ganz in Haisers Sinn, nicht nur die
Kämpfer, sondern ebenso eine Organisation reinrassiger Arier, die sich
verpflichten musste, ihren "arischen" Samen zur "Aufrassung" einer Herrenschicht zur Verfügung zu
stellen.
Auch die anderen Forderungen
und Programmpunkte des "allarischen
Bundes" finden sich in der SS wieder: der krasse Elitismus, die
Restauration von Sklavenhalter-Gesellschaften, der Krieg als Selbstzweck,
die ständige Gewaltbereitschaft, die Verpflichtung zum absoluten Gehorsam,
der Ruf nach einer "diktatorischen Zentralgewalt", die
Internationalisierung des rassistischen Ordens: Diese Aspekte der "Kshatriya-Moral und Kshatriya-Erziehung"
sind bei Haiser so detailliert ausgeführt, dass
Himmler sie nur zu übernehmen brauchte. Sogar die Idee des Autors, dass
sich die Kshatriya-Kaste ebenfalls der
Wissenschaft zu bemächtigen habe, wird später durch das SS-Ahnenerbe in die
Tat umgesetzt. []
Das Buch der Trimondis, dem dieser und die
zwei folgenden Vorabdrucke (Dienstag und Donnerstag kommender Woche im
Standard) entnommen sind, erscheint am 5. September:Victor
und Victoria Trimondi, Hitler. Buddha. Krishna. Eine unheilige Allianz
vom Dritten Reich bis heute, EURO 30,70/670 Seiten, Wien, Ueberreuter 2002.
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