Christlicher
Fundamentalismus
Kleinere Artikel – 1
Jesus liebt ein Maschinen-Gewehr
Im September kommt das neue Endzeit-Videospiel mit
dem
Titel Left Behind: Eternal Forces in Amerika
auf den Markt
Wenige Jahre vor Erscheinen
des apokalyptischen Christus ist in New York die Hölle los. Zwei Parteien
stehen sich in der ins Chaos versunkenen Stadt gegenüber. Die Guten sind
organisiert in der Tribulation Force.
Sie kämpfen gegen den Anti-Christen und die Weltgemeinschaft, die unter
seine Herrschaft geraten ist. Dieses Szenario ist Inhalt einer
Spiel-Adaption der christlich fundamentalistischen Doomsday-Thriller-Serie
des Bestseller-Autors Tim LaHaye mit dem Titel Left-Behind. In dem Spiel wird wie in
den Büchern ein militantes Christentum propagiert. Nach Vorstellung der
Macher soll es dennoch „christliche Werte“ vermitteln und auf kommende Ereignisse vorbereiten: „Die
Bibel erzählt eine Menge Geschichte über Kriegführen.
Viele der früheren Bücher sind historische Erzählungen von gewalttätigen
Schlachten. Indem wie ein Spiel konzipierten, das auf dem Buch der Offenbarung beruht, geben
wir den Spielern die Möglichkeit an einer fiktionalen Geschichte über die
letzte apokalyptische Schlacht teilzuhaben – dem Ende der Welt.“ – sagt
Greg Baumann, einer der Sprecher der Gesellschaft, die das Spiel herausgibt
und ergänzt: „Der einzige Weg etwas Positives in diesem Spiel zu erhalten,
besteht darin, Ungläubige in fromme Gläubige zu konvertieren, und die
einzige Alternative hierzu ist, sie auf der Stelle zu töten.“ Die Spieler
beten vor einer Schlacht und verlieren Punkte, wenn sie jemanden töten,
ohne dass dies nötig gewesen wäre.
Die säkulare Presse reagierte
alarmiert. „Jesus liebt ein Maschinengewehr. Dabei handelt es sich um das
neue ‚Left Behind’ Video Spiel, mit dem du
verstümmeln und morden und hassen kannst und all das im Namen Gottes.“ – so
der Kolumnist Mark Morford. Sogar konservativen
Christen ist das Spiel eine Nummer zuviel. James
Dobson, der im selben Verlag (Tyndal-House), wo Left Behind: Eternal
Forces erscheint, ein Buch gegen Gewalt in
Video-Spielen veröffentlicht hat, ist zutiefst empört: „Dies ist das
schlimmste Beispiel, von dem ich jemals gehört habe, wie die Pop-Kultur die
Kirche nach ihrem Image formte.“ Der
Preis des Konvertierer-Killer-Spiels beträgt 49,
95 Dollar. Von großem ökonomischem Interesse für den Hersteller ist der
außergewöhnliche Vertriebsweg. Das Produkt soll über den Fachhandel,
sondern auch über Amerikas fundamentalistische Mega-Kirchen angeboten und
verkauft werden. Man rechnet mit einer Sellerquote von 500.000 Stück.
Vielleicht kommt das Spiel demnächst auch nach Deutschland, immerhin zählt
Tim LaHaye zu den höchstbezahlten Autoren des
Bertelsmann-Konzerns herausgibt. (Siehe: Bertelsmann:
Neuer Herold des christlichen Fundamentalismus).
Eine Gänsehaut vom Anti-Christen
Weshalb der 06. Juni 2006 in der amerikanischen
Presse ein großes Thema war
Eigentlich hätte dieser
Newsletter 8 Tage früher erscheinen sollen, am 06.06.06. Aber uns war das
hier behandelte Problemfeld noch nicht bewusst. Als wir die Nachrichten bei
Google durchstöberten, fiel uns erst gestern auf, dass das Datum vom
06.06.06 ein weltweites Gerede über die Apokalypse ausgelöst hat. Ursache
hierfür ist die folgende Stelle aus der Johannesoffenbarung,
die von dem apokalyptischen Tier spricht: „Hier braucht man Kenntnis. Wer Verstand hat, berechne den
Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine
Zahl ist sechshundertsechsundsechzig.“ – heißt es dort. (Apokalypse 13: 18) Das
apokalyptische Tier wird gemeinhin mit dem Anti-Christen gleichgesetzt. Die
Zahl des Tieres ist demnach die Zahl des Anti-Christen: 666.
Spekulationen über die Zahl
666 gehören schon seit Jahrzehnten zur popular culture, meint der Mediensoziologe
Robert Thompson von der Syracuse
University in New York. „Sie werden meist mit einem spaßhaften Unterton angesprochen. Aber zur gleichen
Zeit rufen sie bei den Leuten eine Art Gänsehaut hervor. Ich kenne einige
sehr rationale Personen, die sehr nervös werden, wenn ihre Telephonnummer oder ihr Nummerschild
eine 666 aufweist.“
Die Medien haben den Thrill, den die Zahl und ihr entsprechendes Datum
auslösten, sehr wohl wahrgenommen. Am 06.06.06. startete das Remake des
Horrorklassikers „Das Omen“, ein Film, der von der Geburt und der Jugend
des Anti-Christen (Damien) erzählt. Ursprünglich sollte der Titel „The Omen
666“ lauten, aber der Regisseur meinte, man habe die Zahl 666 nicht überstrapazieren
wollen. Dennoch sei die Wahl des Kinostarts „klar ein wesentliches Element
der Promotion“. Schon der Klassiker löste, insbesondere bei Jugendlichen,
eine Begeisterungswelle aus. „Nachdem der Film heraus war, sprach jeder
davon.“ – kommentiert Prof. Thomson - „Kinder schrieben [666] auf ihre
Hausaufgabenbücher und auf die Tafel, bevor der Lehrer das Klassenzimmer
betrat.“
Der Doomsday-Autor
Tim LaHaye (Siehe: Bertelsmann:
Neuer Herold des christlichen Fundamentalismus) brachte an diesem Tage
sein neues Buch The Rapture heraus. Auf seiner Homepage war zu lesen
„06.06.06 – Seid ihr bereit!“. Am 06.06.06 wurde auch Ann Coulters harsche Polemik gegen die säkulare
Gesellschaft (Godless: The Church of
Liberalism = „Gottlos: Die Kirche des
Liberalismus“) mit großem Werbeaufwand auf den Markt geworfen.
In Holland fand am 06.06.06.
ein 24stündiger Gebetsmarathon statt. Initiator war Pfarrer Jan Piet, der von
der Numerologie fasziniert ist und fest daran
glaubt, der Anti-Christ werde bald auf Erden erscheinen. „Es ist ein Datum,
an dem viele Leute und Gruppen alles Mögliche veranstalten, was mit dem
Bösen und dem Teufel zu tun hat. Was wir tun, ist durch eine große Anzahl
christlicher Gebete eine Art Gegengewicht aufzubauen.“ – sagte Piet. 50
Kirchen in den Niederlanden schlossen sich seiner Initiative an.
Unter „Hexakosioihexekontahexaphobia“
(auf Deutsch: 666er-Phobie) versteht man die Angst vor der Zahl 666 als der
Zahl des Teufels. Telefon-, Kreditkarten-, Flugticket-Nummern, welche die
Teufelszahl aufweisen, werden von Menschen, die unter diesem Wahn leiden,
gemieden. Es gab Kliniken in den USA, wo Frauen die geplante Geburt ihres
Kindes am 06.06.06 verzögerten, damit dieses nicht an dem verhängnisvollen
Tag das Licht der Welt erblicke. Der „Hexakosioihexekontahexaphobia“
abergläubischer Christen entspricht auf der anderen Seite die Hexakosioihexekontahexamania der Satanisten. Für sie
war der 06.06.06 das Traumdatum. Rundum den Globus sollen an diesem Tag
oder wohl besser in der Nacht Schwarze Messen
stattgefunden haben.
Ein Kommentator meinte, man
brauche sich doch nur auf den Kopf stellen, dann könne man dem Bann der 666
leicht entkommen, da sich diese jetzt in eine 999 verwandeln würde. Diese
Umkehr-Lösung scheint uns doch das Problem noch zu verschärfen. Der
„Teufel“ hätte damit erreicht, dass alle seine Verneiner
Kopf stehen, anstatt ihre Vernunft zu gebrauchen.
Es gibt Dinge, über die man nicht
spricht
Weshalb die Mainstream-Kirchen über die Apokalypse
schweigen
Während die Apokalyptik, die
Eschatologie, der militante Messianismus und die Prophezeiungsliteratur im
Zentrum des christlichen Fundamentalismus stehen, sind diese Aspekte der
Religion für die Mainstream-Kirchen nicht nur ein Tabu, sondern auch für
deren Kritiker wie Hans Küng und Jürgen Drewermann. Der Fundamentalismus
wird von Establishment- und Reform- Christen weitgehend unter den Rubriken
Frauen- Demokratie- und Dialog-Feindlichkeit, übertriebene Sexualmoral,
Gewaltbereitschaft, und allenfalls der Ideologisierung des Krieges als
„heilig“ abgehandelt. Um die Apokalyptik, dem Herzstück des
Fundamentalismus, wird ein großer Bogen gezogen.
Der Grund für die Berührungsangst liegt
darin, dass es bei einer Auseinandersetzung mit den Endzeit-Themen eine
Debatte über die Heiligen Texte geben müsste, die in ihrer Eindeutigkeit
schwer umzudeuten sind. Deswegen lässt man lieber die Hände davon. Aber der
Druck wird immer stärker. Es sind nicht nur die radikalen amerikanischen
Frei-Kirchen, die zu Stellungnahmen herausfordern, sondern mittlerweile
auch Theologen aus den eigenen Reihen. Eine Beispiel hierfür ist ein im
Jahre 2004 erschienenes Buch von Matthias Zeindler
mit dem Titel Gott der Richter – Zu einem unverzichbaren
Aspekt christlichen Glauben (2004)
Zeindler,
ein reformierter Pfarrer und Privatdozent für Systematische Theologie an
der katholischen und evangelischen theologischen Fakultät Bern, macht den
Versuch, die Diskurs über die Apokalypse behutsam in die
„aufgeklärteren“ Kirchenkreise einzuführen. Er beginnt seinen Text mit dem
Statement. „Es gibt Dinge, bei denen man sich angewöhnt hat, nicht darüber
zu sprechen. Sie werden weder befürwortet noch bestritten, sondern schlicht
mit Schweigen bedacht. In ganz undramatischer Weise sind sie kein
Diskussionsgegenstand. [...] Das Endgericht Gottes, auch Jüngstes Gericht
genannt, gehört zu den Dingen, über welche in der gegenwärtigen religiösen
Landschaft gänzlich unpolemisch nicht gesprochen
wird.“ (7) Das ist zweifelsfrei richtig. Auch wenn diese Verdrängung nur
für die Repräsentanten der Mainstream-Theologie, nicht aber für die rasant
anwachsende Zahl von Anhängern fundamentalistischer Glaubensrichtungen
gilt. Öffentliche Diskussionen über die Apokalypse des Johannes
lösen bei liberal eingestellten Theologen Unbehagen aus.
Diesem Zustand will Zeindler ein Ende bereiten. Vorsichtig tastet er sich
an das heikle Thema heran, indem er zuerst drei „profane“ Autoren bemüht,
um in einem ihrer Werke die Anwesenheit eines Göttlichen Gerichts
aufzuzeigen. In Theodor Fontanes Grete Minne, in Friedrich
Dürrenmatts Die Panne und in Kurt Martis Leichenreden.
So abgesichert durch das „apokalyptische Bekenntnis“ von „diesseitigen“
Zeitzeugen geht er über auf die Theologie. Gleich zu Beginn stellt er die
These auf, dass die christliche Eschatologie „ein Strukturelement des
christlichen Glaubens“ darstelle. (25) Die Weltgeschichte ende mit dem
Weltgericht.
Es klingt zwar immer wieder
bei Zeindler an, der Mensch habe selber nicht das
Recht, „den Richter über andere zu spielen“ (41) Diese Kompetenz liege
ausschließlich in Gottes Hand. Ohne sie zu benennen, ist das wohl als ein
Seitenhieb auf die radikalen religiösen Strömungen zu deuten. Aber dieser
Seitenhieb ist verfehlt, weil auch die Apokalyptiker der Christlichen
Rechten niemals für sich in Anspruch nehmen aus eigener Motivation heraus
zu handeln, sondern immer wieder betonen, ein Instrument Gottes zu sein.
Ein besonderes Interesse
zeigt der Autor an der Aktivierung der „prophetischen Theologie“, dem
eschatologischen Glauben, dass die Geschichte vorbestimmt und in den Heiligen Texten vorgeahnt ist. Die
„prophetische Theologie“ mache die Apokalypse zu einem
erkenntnistheoretischen Instrument, mit dem wir die Gegenwart deuten
können. „Die Unverzichtbarkeit prophetischer Theologie wird durch die
Beobachtung unterstrichen, dass das Ergehen des göttlichen Gerichts in der
Geschichte notwendig mit prophetischer Theologie korrespondiert. Will
heißen: Prophetische Theologie kommt zum Gericht Gottes in der Geschichte
nicht additiv hinzu und wäre damit allenfalls auch verzichtbar. Sie gehört
zu diesem Gericht vielmehr Hintergrund hinzu.“(50)
Ausgehend von der
christlichen Eschatologie ist die Apokalypse gewaltsam, daran hegt Zeindler keinen Zweifel: „Die neu-testamentlichen
Apokalypsen sind an diesem Punkt unmissverständlich, wenn sie dem kommenden
Ende große Katastrophen vorausgehen lassen. Mit ihrer drastischen
Bildsprache halten sie sachlich fest, dass, wenn Gott sein Reich kommen
lässt, dieses nicht aus dem Vorhandenen herauswächst. Das Vorhandene muss
zuerst untergehen, um dem ganz neuen Reich Platz zu machen. Das Reich kommt
nicht als Evolution, sondern als Revolution – auch in qualitativer Hinsicht
als die große Überraschung.“ (65) Letztlich wird Gewalt durch eine
Beziehung auf den Kreuzestod Christi gerechtfertigt. Der Gewaltsame Tod sei
die Voraussetzung für die Erlösung.
Zeindler
verweist auch darauf, dass das Prinzip „ewiger Verdammnis“ Teil des
apokalyptischen Denkens sei. Er bezieht sich dabei auf eine „starke
Mehrheitsmeinung der christlichen Tradition“, die schon sehr früh die Lehre
von der „apokastasis panton“, der Allversöhnung oder Allerlösung als
Irrlehre verurteilt hat. (93) Die apokastasis
panton wäre jedoch der einzige Ausweg aus der
Verewigung der Katastrophe für die verurteilten „Sünder“. Um diesem „Diktat
der Ewigen Verwerfung“ zu entkommen, bringt Zeidler die Gnade Gottes ins
Spiel. Immerhin ist damit impliziert, dass Gott den Endzeitwahn ein Ende
bereiten könne, wenn er nur wollte.
Dennoch ist Zeindlers Buch gefährlich. Es steht die Absicht
dahinter, die apokalyptische Matrix für die etablierten Kirchen wieder
attraktiv zu machen. Seine theologische Verfeinerung des Themas versucht
nur das Schreckliche zu verdecken, das die Apokalypse schon angerichtet hat
und weiter dabei ist anzurichten. Letztlich endet auch Zeindlers
Theologie in der banalen Gut-gegen-Böse-Szene, die auf dem Titelbild seines
Buches dargestellt ist: Der Erzengel
Michael massakriert mit dem Schert in der Hand einen jämmerlich vor
Schmerzen schreienden Teufel.
Führt Tony Blair einen
Religionskrieg?
Wie der englische Premier seine Politik unter das
Urteil Gottes stellt
Nicht nur George W. Bush stellte den
Irak-Krieg mehrfach in einen religiösen Zusammenhang, sondern auch der
britische Premierminister Tony Blair. Wegen der Frage, ob britische Truppen
2003 in den Irak geschickt werden, habe er gebetet, sagte der Labour-Politiker
am 04.03.06 im Fernsehsender ITV: „Am Ende wird es ein Urteil darüber
geben.“ - fuhr Blair fort – „Und ich denke, wenn man an solche Dinge
glaubt, wird man sich darüber klar, dass es von anderen Leuten gefällt
wird.“ Auf die Nachfrage, was er denn darunter verstehe, antwortete er:
„Wenn man an Gott glaubt, dann wird es auch von Gott gefällt.“ Schon 2003
hatte Blairs ehemalige Außenminister Robin Cook darauf hingewiesen, dass es
dessen „evangelikaler Glaube“ war, der den britischen Premier in den Irak-Krieg
getrieben habe. „Blair selber glaubte mit großer Passion an die
Berechtigung des Krieges.“ – sagte Cook.
Der Premier ließ sich sogar dazu hinreißen,
den „Kampf gegen den Terrorismus“ in einen endzeitlichen Zusammenhang zu
stellen: „Seit dem 11. September konnte ich die Bedrohung klar erkennen.
Hier wurden Terroristen darauf vorbereitet, Armageddon auszulösen.“ – erklärte er im Mai 2004. Das „Böse“
auf der Gegenseite ist für ihn der „Islamismus“. Nach dem Londoner Attentat
(2005) attackierte er mit großem Pathos die „Ideologie“, die solche
Handlungen erst ermöglicht habe. Er nannte sie eine „Ideologie des Bösen“ (evil ideology)
und betonte „barbarische Ideen“ (babaric
ideas) stünden hinter den Attentätern. Ihre
Handlungen folgten einer „teuflischen Logik“ (devilish
logic). Blair hat nach dem 9/11 damit
begonnen, einen „Religionskrieg“ gegen das Böse zu führen. Er hat damit
seine Landsleute und den Westen insgesamt in ein gefährliches,
apokalyptisches Fahrwasser
getrieben. Dass er sich anderseits in der Küng-Stiftung für den Weltethos
einsetzt, zeigt wie doppelbödig die Debatte im interreligiösen Dialog
geführt wird.
Das apokalyptische Tier
- ein politischer Körper
Isaac Newton war ein fanatischer Doomsday-Prophet
Die britische Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong hat in
ihrem bekannten Buch „Im
Kampf für Gott – Fundamentalismus in Christentum, Judentum und Islam“
(deutsche Übersetzung 2004) mehrmals Isaak Newton als den großen Antipoden
zu einer fundamentalistischen Weltsicht herausgestellt. Zum Beispiel mit
dem Satz: „Es ergeht uns ähnlich wie Newton, der als Abendländer vom
wissenschaftlichen Geist derart durchdrungen war, dass er die Mythologie
völlig unverständlich fand.“ Doch
diese Benennung Newtons zum Kronzeugen für den Säkularismus erweist sich bei
näherer Hinsicht als ein völliger Missgriff.
Jahrelang hat er sich mit der Johannesoffenbarung
beschäftigt und wenigstens drei engagierte und ausführliche Abhandlungen
dazu verfasst. Eine davon ist betitelt: „Prophezeiungen – das zweite Kommen
Christi betreffend“. Der Physiker glaubte, dass die Apokalypse nicht
„ethisch“ oder nur „spirituell“, sondern in jedem Fall „politisch“ zu
verstehen sei: „Wenn jemand das [apokalyptische] Tier so deutet, als stelle
es ein großes Laster dar, ist dies als seine private Imagination
abzulehnen, denn nach Stil und Ausrichtung der Apokalypse und aller
anderen prophetischen Schriften bedeutet das ‚Tier’ einen politischen
Körper und in einigen Fällen eine Person, die einen solchen politischen
Körper regiert, und es gibt keinen Grund für eine andere Interpretation in
der Schrift.“ – schreibt Newton und erklärt im Folgenden seitenlang, dass
die Protagonisten der Offenbarung wie der Drache, das Tier mit den
zehn Hörnern, die Große Hure, Michael, das zornige Lamm usw. politische
Institutionen oder Personen wie Könige, Armeeführer und Fürsten
symbolisierten. (Isaac Newton – Yahuda Ms. 1.1 – Jewish National and
University Library – in: www.newtonproject.ic.ac.uk/texts/yah1-1_n.html) Damit erweist sich der berühmte Physiker als ein christlicher
Fundamentalist. Es ist also absurd, wenn Karen Armstrong ihn ständig als Protagonisten der Aufklärung gegen
den Fundamentalismus herausstellt. Die Apokalypse ist nun mal eine große
Versuchung und das nicht nur für religiöse Sektierer. Sie ist ohne weiteres
mit der sogenannten „Modernen“ kombinierbar.
Ronald Reagans Endzeit-Wahn
Armageddon kann nicht in einer Welt stattfinden,
die abgerüstet hat
Derzeit erleben die USA ein Ronald-Reagan-Revival.
Nach jüngsten Umfragen soll der ehemalige Hollywood Schauspieler der
populärste aller amerikanischen Präsidenten sein. Insbesondere wird dabei
seine große Frömmigkeit in Biographien, Dokumentationen und Artikeln
betont. Um zwei Elemente hat Reagan die politische Ideologie Amerikas
jedenfalls bereichert: den „Krieg gegen das Böse“ und den
amerikanischen „Armageddon-Wahn“.
Reagan dachte in Kategorien, welche die Weltpolitik nicht nur in die krasse
Dualismus von Gut und Böse, von Gott und Satan aufteilte, sondern er
verstand seine Politik auch als ein Moment christlicher Eschatologie, wie
sie sich aus der Johannesoffenbarung
und aus dem Alten Testament
extrahieren lässt.
Kein amerikanischer Präsident
parlierte so nonchalant und so oft über die Apokalypse wie er. Schon 1971 bekannte Reagan gegenüber James
Mills, einem Senatspräsidenten aus Kalifornien, dass er den in der Bibel erwähnten Gog
und Magog Krieg auf Amerika zukommen sehe. Er
selber gebärdete sich wie ein Bibelprophet: „Im 38. Kapitel von Ezechiel wird gesagt, dass Israel von den Armeen
der gottlosen Nationen angegriffen wird, und darin steht auch, dass Libyen
eines dieser Länder sein wird. Verstehen Sie die Bedeutung davon? Libyen
ist jetzt kommunistisch geworden, und das ist ein Zeichen, dass der Tag von
Armageddon nicht mehr weit entfernt ist. [….] Ezechiel
sagt uns, dass Gog, die Nation, welche die
anderen Mächte der Dunkelheit gegen Israel anführen wird, aus dem Norden
kommen wird. Generationen von Bibelschülern haben gesagt, das Gog Russland sein muss.“ – erklärte er. Während seines
Amtes wird er immer wieder die Sowjetunion als den „Fokus des Bösen in der
Welt“ und als das „Reich des Bösen“ (evil empire) bezeichnen.
Man kann ohne weiteres sagen,
dass Reagan unter einer „Armageddon-Obsession“ litt. Sein gigantisches Aufrüstungsprogramm, das in
einem „Krieg der Sterne“ gipfeln sollte, hat er, so Senator James Mills, als eine
Vorbereitung für die apokalyptische Endschlacht und das Zweite Kommen
Christi verstanden. „Armageddon“, vertraute er Mills an, „kann nicht in
einer Welt stattfinden, die abgerüstet hat.“ Auch Reagans unmittelbares
Umfeld wurde von dem apokalyptischen Virus angesteckt. So versicherte der
damalige Verteidigungsminister (Secretary
of Defense) Caspar Weinberger: „Ich habe das Buch
der Offenbarung gelesen, ja, ich glaube, die Welt geht ihrem Ende
entgegen – durch einen Akt Gottes. Ich hoffe – aber jeden Tag denke ich,
die Zeit läuft aus.“ Und Reagans Innenminister (Secretary
of the Interior) James Watts war davon überzeugt, dass das
Zweite Kommen Christi unmittelbar bevorstünde. Analytiker weisen darauf
hin, dass Reagan trotz seiner apokalyptischen Phantasmen eine
nachvollziehbare Realpolitik, auch im Nahen Osten, betrieben habe. Wie
immer das einzuschätzen ist, feststeht, dass heute gerade die religiöse
Seite dieses Präsidenten hervorgehoben wird.
„Ich stelle meinen Thron in Elam [Iran] auf“
Die Christliche Rechte prophezeit die atomare
Vernichtung des Irans
Prophezeiungen aus ihren Heiligen Büchern werden von
religiösen Fundamentalisten aller Glaubensrichtungen je nach Betonung
folgendermaßen verstanden: Sie gelten als Gottes Fahrplan für die
Geschichte; sie sollen eine fromme Akzeptanz kommender schrecklicher
Ereignisse bewirken; sie geben eine ethisch-theologische Legitimation für
humane Katastrophen als Ausdruck von
Gottes Strafgericht; sie verlangen eine aktive Beteiligung an Heiligen
Kriegen. Passive Schicksalsergebenheit und aktive Teilnahme können durchaus
miteinander kombiniert werden, wobei sich jedoch in den letzten Jahren die
Beteiligung an den Kämpfen zwischen Gut und Böse immer mehr als ein
religiöser Imperativ durchgesetzt hat. Allen Richtungen geht es dabei um
dasselbe Ziel: die Ankunft ihres jeweiligen militanten Messias zu
beschleunigen. Auch die derzeitige Iran-Krise wird unter diesem Aspekt von
radikalen Mullahs ebenso wie von radikalen christlichen Predigern als
Vorzeichen eines in der Region des Mittleren- und Nahen Ostens
ausbrechenden Endzeit-Krieges angesehen.
So sagen zeitgenössische,
christliche Bibelpropheten die nukleare Vernichtung des Irans voraus. Als
„Beweis“ dienen ihnen dabei unter anderem „Prophezeiungen“ aus dem Buch Jeremia (49:
34-38). Dort heißt es: „So spricht der Herr der Heere: Seht ich zerbreche
den Bogen Elams, seine stärkste Waffe. Ich bringe
über Elam vier Winde von den vier Enden des
Himmels. In all diese Winde zerstreue ich sie, so dass es kein Volk gibt,
zu dem nicht versprengte aus Elam kommen. Ich
jage den Elamitern Schrecken ein vor ihren
Feinden. […] Unheil lasse ich über sie kommen, meinen glühenden Zorn. […]
Ich schicke das Schwert hinter ihnen her, bis ich sie vernichtet habe. Ich
stelle meinen Thron in Elam auf und vernichte
dort König und Fürsten. […] Aber in ferner Zukunft wende ich Elams Geschick – Spruch des Herrn.“ Mit diesen Sätzen
soll eine atomare Intervention gegen das Mullah-Regime durch göttliche
Instanz abgesegnet werden. Mit dem alttestamentarischen Elam
sei der Südwesten des heutigen Irans gemeint - schreibt der Schweizer
„Prophetie-Experte“ Roger Liebi. Mit den zerbrochen Bögen Elams spreche die Bibel die Raketenabschuss-Basen des
Landes an. Nach einem westlichen Nuklearschlag müssten die Elamer (sprich: Iraner) das Land verlassen und würden
über die ganze Erde zerstreut. Danach werde ein „Thron des Herrn“ (sprich:
des christlichen Gottes) in Elam (sprich: Iran)
errichtet.
Diese und viele ähnliche
Weissagungen aus der Bibel haben schon in den Irak-Kriegen als religiöse
Legitimation gedient. Sie werden jetzt erneut aus der Propheten-Schublade
gezogen und auf eine aktuelle Realität angewandt, die nichts Gutes
verheißt: Israelis und Amerikaner haben ihre Angriffspläne gegen den Iran
schon seit Jahren ausgearbeitet. Dabei gilt der Einsatz von atomaren Waffen
durchaus als Option.
Der Umkehr-Krieg der Messiasse
Der Erlöser des einen ist der Teufel des anderen
und vice versa
Parallel zu der im
Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit aufgebrochenen Debatte über die „säkulare
Gesellschaft und den islamistischen Extremismus“ ist eine, in Europa kaum
wahrgenommene, „interreligiöse“ Debatte über den militanten Messianismus
ausgebrochen. Die mehrfachen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad über die Rückkehr des schiitischen
Heilsbringers, des 12. Imams, haben christliche und jüdische Apokalyptiker
in höchste Alarmbereitschaft gesetzt. Immer mehr Artikel erscheinen in der
amerikanischen Doomsday-Szene, die einen
militanten Jesus herbeibeschwören, um ihn gegen
einen dämonischen Imam-Mahdi als Anti-Christen herauszustellen. In den
Zeiten des Kalten Krieges wurde der prophezeite Widersacher Christi als
kommunistischer Diktator imaginiert, mit dem Aufstieg der EU ortete man ihn
als Europäer, jetzt, mit Erstarken des Islams, wird mehr und mehr dem von
den Muslimen erwarteten Mahdi (Imam Mahdi) diese Rolle übertragen. „Das
Imperium des Anti-Christen wird ein islamisches Imperium sein.“ –
prophezeit die Website www.tribulationperiod.com
in einem Artikel mit der Überschrift
„Drei Glaubensrichtungen erwarten ihren Führer (Jesus, Messiah oder Mahdi)“.
Das Aufputschen des
Karikaturenstreits durch Ahmadineschad deutet
man, wohl nicht ganz zu Unrecht, als dessen Versuch, das Chaos auf der Welt
zu vertiefen, um die Ankunft des Imam Mahdi zu beschleunigen. Für die
christlichen Apokalyptiker beideutet das nichts
Geringeres als die Epiphanie des Leibhaftigen: „Der iranisches Messias ist
der Teufel, der große Satan, der ‚alte Drache’ der Apokalypse. Er ist der
gefallene Engel des Lichts – Luzifer – der über den grundlosen Abgrund und
dem See aus Feuer und Lava regiert. Er war einst ein Engel im Himmel, aber
wurde dort hinausgeworfen mit anderen rebellischen Engeln. Seine Wohnstatt
ist seither das Feuer der Hölle. Die Verdammten wohnen dort mit ihm für
alle Zeiten.“ – schreibt J. Grant Swank in einem
Artikel mit dem Titel „Zwei Messiasse im Krieg“ und erklärt weiter, dass
der Koran ein Buch des Teufels und Moscheen dämonische Zentren seien. Dann
fährt er fort: „Biblische Christen glauben, dass Christus nach einer
globalen, chaotischen Zeitspanne zurückkehren wird. Er wird ein 1000
jähriges Friedensreich errichten. Die Hauptstadt wird Jerusalem sein. Jetzt
erklärt die Hamas, die Stadt als die Hauptstadt des Islams übernehmen zu
wollen. Der Teufel kämpft heute schon gegen Jerusalem, damit Christus von
dort aus nicht regieren kann.“
Wenn der christliche Erlöser
kommt, wird er „erscheinen als der König der Könige und der Herr der Herren
– König für die Politik und Herr für die Religion. So wie es Religion und
Politik waren, die ihn auf dem Kalvarienberg ans Kreuz schlugen, so wird er
als Chefpolitiker und als Chef der Religion den Planeten beherrschen. Die von
Christus erlösten Seelen aller Zeiten werden mit ihm als Könige und
Priester regieren – Politik und Religion.“ – schreibt Swank.
Das ist derselbe Jargon, der zurzeit im Iran gesprochen wird, nur mit
umgekehrten Vorzeichen, der Messias des einen ist der Teufel des anderen
und vice versa.
Vom „Säkularismus“ ist in diesem „Krieg der Messiasse“ keine Rede mehr.
Die Rolle des Anti-Christen,
die Saddam Hussein seit dem ersten Irak-Krieg (1991) für die Christliche
Rechte Amerikas spielen musste, wird jetzt von ihr auf Ahmadinedschad
übertragen. Das Internet ist voll mit aus dem Alten und Neuen Testament
begründeten „Nachweisen“, der iranische Präsident sei der Agent des
Teufels. Hal Lindsey, eine der Galionsfiguren des amerikanischen Doomsday-Glaubens, sieht wieder einmal die
Bibelprophezeiungen bestätigt. Insbesondere die Forderung Ahmadinedschads „Israel von der Landkarte
auszuradieren“, gibt ihm eine Königsrolle im apokalyptischen Welttheaters,
das nach der Imagination islamischer, christlicher und jüdischer
Fundamentalisten seine Hauptbühne im
Nahen Osten, insbesondere in Israel und Jerusalem hat.
Umgekehrt werden in allen
islamischen Ländern die religionspolitischen Äußerungen der Christlichen
Rechten zum iranischen Präsidenten sehr genau wahrgenommen. Deswegen sieht
auch Ahmadinedschad sein Verhältnis zu den USA
als die Konkurrenz zweier sich ausschließender messianischer
Glaubensbekenntnisse. Sein höchstes Ziel sei, „Amerika herauszufordern, das
selber versucht, sich als die letzte Rettung des menschlichen Wesens
hervorzuheben.“ – sagt Hamidreza Taraghi, Chef
der konservativen Islamic Coalition
Party, von seinem Staatschef und fährt fort, die USA wollten, „sich
selbst als der Mahdi [muslimische Messias] herauszustellen“. Der
amerikanische Präsident hatte vor drei Jahren durch seinen religiös
gefärbten Jargon die Büchse der Pandora geöffnet, aus der jetzt die
Ungeheuer potentieller Religionskriege herausflattern:
„Bush sprach: ‚Gott sagte mir Afghanistan und den Irak anzugreifen’ Die
Mentalität von Herrn Bush und Herrn Amadinejad
ist die selbe – beide glauben, dass Gott ihnen sagt, was zu tun ist.“ –
meint Taraghi.
Wie die christliche Doomsday-Szene
den Wahlsieg der Hamas einschätzt
Der Wahlsieg der radikalen
Hamas und der militante Messianismus Mahmoud Ahmadinedschads
haben Amerikas christlichen Apokalyptikern erneut einen Aufschwung
verliehen. Sie sehen durch beide Ereignisse den eschatologischen Prozess
bestätigt, der im Jahre 1948 mit der Gründung Israels begann. Hal Lindsey,
Autor des Bestsellers „The late planet earth“, prophezeit in
einem Statement zum Hamas-Sieg, abgeleitet aus Bibelzitaten, es werde in
den nächsten Jahren eine islamische Großarmee unter der Führung Russlands
und Persiens (Irans) gegen Israel antreten und das Land beinahe einer
totalen Zerstörung aussetzen. Dann erscheine in letzter Minute Jesus
Christus als übermächtiger Feldherr, um nach der Armageddon-Schlacht die
Juden vor der völligen Vernichtung zu retten. Nicht erwähnt wird in diesem
Statement die Prophezeiung, dass die Kinder Israels, soweit sie überlebt haben,
zum Christentum konvertieren müssen oder, sollten sie sich weigern, getötet
werden.
Gott, so mehrere
Protagonisten der Christlichen Rechten, habe sich an Ariel Scharon gerächt,
weil er entgegen dem göttlichen Willen die road map für den Frieden unterstützte. „Zwei Ereignisse
änderten die gesamte politische Landschaft in Israel, ja in der gesamten
Welt. Zuerst hatte Ariel Scharon seinen tragischen Schlaganfall und dann
wurde die Hamas an die Macht gewählt ….“
schreibt Hal Lindsey. Es sei allein Benjamin Netanjahu, der die
Israelis durch diese prekäre Endzeit-Phase hindurch führen könne. „Ich
glaube Gott wird die Ereignisse so gruppieren, dass ‚Bibi’ Netanjahu
gewählt wird.“ – meint Lindsey.
Komparative
Studien zum Fundamentalismus – 22. Januar 2006
Beide glauben, dass Gott ihnen sagt,
was zu tun ist
Mahmoud Ahmadinedschad
und die Christliche Rechte
Mit Aufmerksamkeit haben
christliche Fundamentalisten die apokalyptisch-messianischen Bekenntnisse
und Selbstdarstellungen des iranischen Präsidenten registriert und dann
kommentiert. Die Rolle des Anti-Christen, die Saddam Hussein seit dem
ersten Irak-Krieg (1991) für die Christliche Rechte Amerikas spielen
musste, wird jetzt auf Ahmadinedschad übertragen.
Das Internet ist voll mit aus dem Alten
und Neuen Testament begründeten
„Nachweisen“, der iranische Präsident sei der Agent des Teufels. Hal
Lindsey, eine der Galionsfiguren des amerikanischen Doomsday-Glaubens,
sieht wieder einmal die Bibelprophezeiungen bestätigt. Insbesondere die
Forderung Ahmadinedschads „Israel von der
Landkarte auszuradieren“, gibt ihm eine Königsrolle im apokalyptischen
Welttheaters, das nach der Imagination islamischer, christlicher und
jüdischer Fundamentalisten seine Hauptbühne
im Nahen Osten, insbesondere in Israel und Jerusalem hat.
Umgekehrt werden in allen
islamischen Ländern die religionspolitischen Äußerungen der Christlichen
Rechten zum iranischen Präsidenten sehr genau wahrgenommen. Deswegen sieht
auch Ahmadinedschad sein Verhältnis zu den USA
als die Konkurrenz zweier sich ausschließender messianischer
Glaubensbekenntnisse. Sein höchstes Ziel sei, „Amerika herauszufordern, das
selber versucht, sich als die letzte Rettung des menschlichen Wesens
hervorzuheben.“ – sagt Hamidreza Taraghi, Chef
der konservativen Islamic Coalition
Party, von seinem Staatschef und fährt fort, die USA wollten, „sich selbst
als der Mahdi [muslimische Messias] herauszustellen“. Der amerikanische
Präsident hatte vor drei Jahren durch seinen religiös gefärbten Jargon die
Büchse der Pandora geöffnet, aus der jetzt die Ungeheuer potentieller
Religionskriege herausflattern: „Bush sprach:
‚Gott sagte mir Afghanistan und den Irak anzugreifen’ Die Mentalität von
Herrn Bush und Herrn Amadinejad ist die selbe –
beide glauben, dass Gott ihnen sagt, was zu tun ist.“ – meint Taraghi.
Jüdischer
Fundamentalismus – 08. Januar 2006
Er stellte sich gegen Gott
Ariel Scharons Schlaganfall – ein Triumph
für die Christliche und Jüdische Rechte
Man mag zu Ariel Scharon
stehen wie man will, feststeht, dass er durch den von ihm beschlossenen
Abzug aus dem Gaza-Streifen, durch seine grundsätzliche Kritik an dem
apokalyptischen Fanatismus der jüdischen Siedlerbewegung und durch seine
Spaltung der Likud Partei neue Akzente in der Nah-Ost-Politik gesetzt hat.
Anfang Oktober 2004 wandte er sich in der Knesset direkt an die radikale Settler-Organisation Gush-Emunim mit den Worten:
„Ihr seid wunderbare Pioniere, Erbauer Israels, Siedler auf dürftigem
Boden, im Regen und im Winter, durch alle Schwierigkeiten hindurch. Aber
ihr habt unter euch einen messianischen Komplex entwickelt.“ Damit hatte
Scharon den eschatologischen Kern des jüdischen Fundamentalismus in Frage
gestellt, der durch die endgültige und gewaltsame Vertreibung der
Palästinenser und durch die volle israelische Souveränität über die
Westbank die Ankunft eines militanten Messiah
beschleunigen will.
In all den Jahren vorher ist
es jedoch der Likud Chef selber gewesen, der die endzeitliche aus der Bibel
abgeleitete Territorialpolitik der Siedler finanziell und rhetorisch
großzügig unterstützte und sich so die Stimmen der Jüdischen Rechten
sicherte. Nachdem er sich, sei es unter dem Druck der Amerikaner oder sei
es aus eigener Einsicht, an der Road Map für den Frieden zu orientieren begann, verloren
die Settler ihr Vertrauen in den Mann, den sie
noch vor zwei Jahren als ihren mächtigsten Fürsprecher geradezu vergöttert
hatten. „Es ist die Zerschlagung eines lebenslangen Traumes. Es ist der
Zusammenbruch einer Welt, die sie in ihren Herzen, in ihrem Bewusstsein und
in ihrem Leben aufgebaut haben.“ – schildert Ehud Olmert, Scharons unmittelbarer
Nachfolger, die Gefühle der Siedler.
Jedenfalls wird die Krankheit
Scharons von jüdischen und christlichen Fundamentalisten jetzt als
göttliche Strafe an einem „Verräter“ angesehen, der den gewagten Versuch
unternommen hatte, die eschatologischen Pläne Gottes für den Nahen Osten zu
durchkreuzen. „Wir beten nicht für diese bösartige Person.“ – sagte Baruch Marzel, Chef der National
Jewish Front – „Er stellte sich gegen Gott.
Er stellte sich gegen die Bibel. Er betrog sein eigenes Land. […] Dieser
Mann hat dem israelischen Volk in den letzten fünf Jahren viel Schaden
zugefügt.“ In der jüdischen Siedlung Kfar Tapuah brach eine Gruppe radikaler Aktivisten in
Freudentänze aus, als sie von der schweren Krankheit Scharons hörten. „Es
gibt noch einen Richter in dieser Welt.“ – sagte Ben Gvir,
einer von ihnen.
Auch eine andere frühere
Bewunderin, die Christliche Rechte in den USA, zeigt sich erleichtert über
Scharons Schicksalsschlag. „Er hat Gottes Land aufgeteilt und ich würde
meinen Protest gegenüber jedem Premierminister Israels zu Ausdruck bringen,
der eine ähnliche Richtung einschlägt, um die EU, die Vereinten Nationen
und Vereinigten Staaten von Amerika zu beschwichtigen.“ - erklärte Pat
Robertson, der Medien-Mogul des mächtigen Fundamentalisten-Senders CBN -
„Gott sagt, dieses Land gehört mir. Du lässt mich besser allein.“ Eine ähnliche Meinung vertritt der
Erfolgsautor Hal Lindsey, der mit seinen Doomsday-Büchern
ebenso wie sein Kollege Tim LaHaye wesentlich
dazu beigetragen hat, dass 50 % aller Amerikaner mehr oder weniger daran
glauben, die Letzten Tage der Menschheit seien hereingebrochen. Lindsey
berichtet, während des Abzugs aus dem Gaza-Streifen hätten Hunderttausende
von Juden und Christen ihre Gebete zu Gott geschickt, um ihn zu einer
Intervention zu bewegen. „Es scheint so“ – schreibt er unter Bezugnahme auf
Scharons tödliche Krankheit – „dass diese Gebete auf dramatische Art und
Weise beantwortet wurden.“
Jedenfalls kann Benjamin
Netanjahu, der jetzige Chef von Likud, mit seinem Hardliner Programm und
seiner Ablehnung der Road Map auf volle Unterstützung der Christlichen
Rechten rechnen. Er wird dort groß als der Nachfolger von Scharon
gehandelt: „Mr. Netanjahu hat das klarste und umfassendste Verständnis von
den Absichten des radikalen Islams und wie dieser zu behandeln ist.“ –
erklärte Lindsey.
Die Darwin Debatte
Sie wollen in Amerika einen Gottesstaat errichten
Hinter der zurzeit in USA
ausgebrochenen Debatte zwischen Darwinisten und Anhängern des Intelligent
Design (Siehe Spiegel Titel Nr.
52/24.12.05) verbirgt sich mehr als eine Kontroverse über die Frage, ob der
Mensch von den Primaten abstammt oder nicht. Sie ist nur die sichtbarste
Spitze eines Kulturkampfes, der schon seit Jahren in den USA ausgefochten
wird. In diesem stehen die „Christliche Rechte“ auf der einen Seite und der
„säkulare Humanismus“ auf der anderen. Dabei geht es beiden um mehr als um
die Evolutionstheorie. Es bekämpfen sich in diesem Streit Demokratie und
Theokratie, Wissenschaft und Bibel, Realpolitik und politische Theologie.
Der aggressive Kern des
Intelligent Design vertritt eine apokalyptisch-messianische Weltsicht, die
als Dispensationalismus
bekannt ist und die weniger auf den Anfang des Lebens als auf dessen Ende
blickt. Beides, Anfang und Ende, ist – ihrer Meinung nach - von der Hand
Gottes bewirkt. Doch das „Finale“ in dem aus der Bibel abgeleiteten
Intelligent Design wird für das Gros der Menschen schrecklich sein, so
schrecklich wie es in der Offenbarung
des Johannes vorausgesagt ist. Daniel Dennet,
engagiertester Sprecher der Darwin-Zunft, fasst deswegen in einem
Spiegel-Interview die Intentionen seiner Gegner mit den folgenden zwei
Sätzen zusammen: „Sie wollen in Amerika einen Gottesstaat errichten. Es ist
erschreckend, dass viele von ihnen überzeugt sind, das Jüngste Gericht
stehe bevor.“
Schon im Jahre 1974 hatte der
Doomsday-Autor Tim LaHaye,
der wohl einflussreichste Hintergrundspieler der Christlichen Rechten in
Amerika, gegen den Darwinismus Front gemacht und ihn als „die Plattform,
auf der Sozialismus, Kommunismus, Humanismus, Determinismus und die Eine-Weltheorie aufbauen“ bezeichnet. Vor gut einem Jahr
leitete LaHaye seine Darwin-Kritik aus der Offenbarung des Johannes ab. Dort
ist in 16: 13 zu lesen: „Was war die große Lüge, mit der die unreinen
Geister die ganze Welt hinters Licht führten?“ LaHaye
kommentiert: „Es ist die Lüge der Evolution, in der es darum geht, dass die
Menschen sich langsam entwickelt haben und das alle Geschöpfe gleich sind.
So kann Satan sich einreden, dass er Gott gleich ist. In unserem Buch [gemeint
ist der Band 11 von LaHayes
Endzeit-Thriller-Serie Left Behind]
konnten wir so unseren Lesern vermitteln, dass die Evolutionstheorie eine
gefährliche religiöse Irrlehre ist. Sie wird in den letzten Tagen viel
Menschen von Jesus abbringen.“
Als sich jüngst in der
kleinen Stadt Dover (Pennsylvania) der School Board für die Evolutionslehre
und gegen den Intelligent Design entschied, drohte Pat Robertson,
Medienmogul der Christlichen Rechten, mit Unheil: „Ich möchte den guten
Einwohnern von Dover sagen, wenn in eurer Gegend ein Desaster geschieht,
wendet euch nicht Gott zu. Ihr habt ihn gerade aus eurer Stadt herausgejagt. […] Gott ist tolerant und liebenswürdig,
aber wir können nicht für immer unseren Finger in sein Auge stecken. […]
Sollte es in Zukunft Probleme in Dover geben, dann empfehle ich euch,
Darwin anzurufen. Vielleicht kann er euch helfen.“ Pat Robertson hatte im
Sommer Schlagzeilen mit der Forderung gemacht, die US Regierung solle den
Präsidenten Venezuelas, Hugo Chavez, ermorden lassen.
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