TRIMONDI ONLINE MAGAZIN

Kritische und Kreative Kultur Debatte

 

HOME | INHALT

 

 

Hindutva-Fundamentalismus


Victor und Victoria Trimondi

 

Die Deutschen als Vollstrecker der Bhagavadgita ?

 

Heinrich Himmler. Dieser pflegte aus der Bhagvadgita zu zitieren, führte das Buch während des Krieges bei sich und  verglich den Hauptgott Krishna mit Adolf Hitler. Darüber haben wir in unserem Buch Hitler Buddha Krishna – Eine Unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute berichtet. Wir haben gezeigt, dass die Philosophie der Bhagavadgita bei wortwörtlicher Auslegung wie ein Vademekum für die SS gelesen werden kann. Es gute Gründe anzunehmen, dass Himmler die Kriegerethik des indischen Lehrgedichts anwandte, um die Judenvernichtung durchzuführen. In diesem Sinne ist wohl auch das folgende Zitat aus einem nach dem Krieg erschienen Buch des ehemaligen Staats- und Gestapobeamten Hans Bernd Gisevius zu verstehen: Es „kann kein Zweifel daran bestehen, dass für Himmler die Bhagavadgita das Buch der großen Absolution ist.“ (1)   

 

In seinem Buch Yoga im Nationalsozialismus – Konzepte, Kontraste, Konsequenzen, in dem Matthias Tietke er das große Interesse an Yoga-Praktiken in Deutschland unter dem Nationalsozialismus untersucht, hat Matthais Tietke unsere Ausführungen über Himmlers enge Beziehung zur Bhagavadgita und deren Einfluss auf die SS-Ideologie noch einmal bestätigt: „Dieser gesamte Redeabschnitt [der berüchtigten Posener Rede, in der Himmler den Holocaust legitimiert] ist von den in der Bhagavadgita gepriesenen Werten geprägt. Himmler lobt die Relevanz des geistigen und Seelischen als Bedingung für den Sieg und nimmt, wie in der Bhagavadgita Arjunas Wagenlenker, für sich in Anspruch, für höhere Werte zu morden: kühl, nüchtern und innerlich unbeteiligt, so wie es Krishna verlangt.

 

Angesichts der zahlreichen bereits begangen und noch zu begehenden Verbrechen brauchte Himmler und offenbar zudem die gesamten NS- und SS-Führungskräfte solche Rechtfertigungen, die im Wortlaut dem entsprechen, was auch die Ethik der Bhagvadgita in großen Teilen vertritt: 1. Auch Verwandte und Bekannte nicht zu schonen, wenn es das Karma (wie es Himmler verstand) verlangt. (2) Trotz des Tötens keinen Schaden im Inneren beziehungsweise in der Seele zu nehmen und (3) die Rechtfertigung des Krieges wegen der höheren menschlichen Werte, auf die auch Krishna in seiner Rede auf dem Schlachtfels großen Wert legte, die nur dem eigenen Lager zuerkannt werden.“ – schreibt Matthias Tietke. (2)

 

Dass die im SS-Ahnenerbe kultivierte Pflege einer arischen Indologie im Neofaschismus weiterverfolgt wird und zwar keineswegs nur „okkultistisch“, sondern ebenso  „religionswissenschaftlich“ zeigt ein hier vorliegender Aufsatz von Gehard Ittner vom 9. Nov. 2000 über die Bhagavadgita. (3) Auch Ittner, engagierter Neo-Nazi, der mehrere Semester Sanskrit studiert hat, sieht in dem indischen Kriegsgedicht ein arisches Kulturdokument.

 

Der indische Dharma-Begriff wird von ihm als rassistisches Wertesystem gegenüber der „Judenreligion“ herausgestellt: „Dharma ist der Zentralbegriff der arischen Philosophie, welche die Materie geistig durchdringt und erhöht, ohne sie zu negieren oder gering zuschätzen. Gerade darin unterscheidet sie sich von der primitiv materialistischen, geistlos erbärmlichen Judenreligion, welche unter Einsatz von verschlagener, hinterhältiger Tücke und List  allein auf Ausbeutung der Erde und gierigen Profit aus ist, zu welchem Zwecke sie sich in erster Linie des Völkermordes bedient.“ (Zitat) Um die arische Herkunft Christi zu herauszuarbeiten, wird dieser als Dharma-Anhänger dargestellt: „Da Jesus Christus die Juden so als Erzfeind des dharma zu erkennen glaubte, sie offen durchschaute und ihnen die Maske herunterriss, ließen diese ihn umbringen.“ – Auch das wurde schon unter im Dritten Reich behauptet. Es nun folgenden Darlegungen machen die Juden zu den eigentlichen Urhebern des Völkermordes und leugnen den Holocaust.

 

Gegenüber dieser jüdischen „Verbrecherwelt“ steht das erbarmungslose Kriegerethos, das Krishna den Feldherrn Arjuna in der Bhagavadgita lehrt. Ittner stellt nun die archaische Krieger-Ideologie des indischen Gedichtes mit mehreren martialischen Zitaten vor. Die Haltung, welche der Arier als „Handelnder“ einzunehmen habe, drücke am besten Gita 2:38 aus: „Rüste dich zum Kampfe indem dir Freude und Leid, Gewinn und Verlust, Sieg und Niederlage gleichviel für deine Seele geworden sind und stürze dich in die Schlacht. So wirst du nicht in Schuld geraten.“ Wie Walther Wüst (Kurator des SS-Ahnenerbe), der NS-Indologe Hauer und andere Orientalisten in den 30er und 40er Jahren glaubt Ittner heute, dass die Deutschen die auserwählten Erben der altindischen Kriegertradition seien: „In keinem modernen Volk verkörpert sich (wenn auch seit dem 8. Mai 1945 vorübergehend verdunkelt)  jener in der Bhagavadgita geforderte arische Geist des Handelns so sehr wie im deutschen, das vor allen anderen die Fähigkeit besitzt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun, wenn es die Pflicht dem dharma gegenüber gebietet. - Der Schutz des dharma ist die Pflicht des arischen Kriegers.“ – Das ist durchaus dieselbe Position, die auch im SS-Ahnenerbe vertreten wurde. Gerhard Ittner diskutiert über diese Fragen mit Horst Mahler. Beide haben die NPD verlassen, weil sie ihnen nicht radikal genug ist.

 

Im Gegensatz zu anderen rechtsradikalen Indologen erklärt Ittner den Buddhismus zu einer Verfallsform der arischen Urreligion: „Vor allem aber entfernt sich gerade mit dem Buddhismus der vedische Genius von der arischen Bindung zur weltzugewandten und  entschlossenen Tat (karma)“. Auf die Buddhismus-Debatte in der SS sind wir in unserem Buch „Hitler-Buddha-Krishna“ ausführlich eingegangen und wir konnten zeigen, dass Walther Wüst (Kurator des SS-Ahnenerbe), der Indologe Jakob Wilhelm Hauer und der NS-Rassenpapst Hans Friedrich Karl Günther aber vor allem auch Heinrich Himmler den Buddhismus als arisches Urerbe interpretierten und in ihre Ideen von einer rassistischen Religionskonstruktion miteinbezogen.

 

Fußnoten:

(1) Hans Bernd GiseviusAdolf Hitler. Eine Biographie – Versuch einer Deutung – München 1967, 159

(2) Matthias TietkeYoga im Nationalsozialismus – Konzepte, Kontraste, Konsequenzen – Kiel 2011, 188, 189 )

(3) Den gesamten Artikel finden Sie zum Studium auf der Nazi-Site:

http://unglaublichkeiten.com/unglaublichkeiten/htmlphp2/u2_0769Ittner.html

 


Yoga im Nationalsozialismus

Auf der Suche nach einer arischen Spiritualität

von Thomas Klatt

 

Yoga ist in der westlichen Welt in. Vor allem in den Städten wachsen die Yoga-Studios wie Pilze aus dem Boden. Wenig bekannt aber ist, dass Yoga auch von führenden Personen im Nationalsozialismus praktiziert wurde, die diese altindische Philosophie und Körperbeherrschungsmethode als Grundlage für eine rein arische Religion schätzten.

 

Auf Yoga gibt es kein Copyright. Man müsse eben aufpassen, was unter diesem Namen alles angeboten werde, sagt Yoga-Lehrer und Buchautor Mathias Tietke: "Aus meiner Sicht ist es so, dass ein Teil durchaus qualifiziert ist. Es gibt mehr als 500 Unterrichtseinheiten, die man absolvieren muss, um das Zertifikat zu bekommen vom Berufsverband der Yogalehrenden. Es gibt aber, gerade in den Großstädten, ebenso viele Yogalehrerinnen, hauptsächlich, und auch Yogalehrer in der Minderzahl, die ihr Zertifikat am Wochenende oder in einem Kurs in den USA machen. Das ist eine Zertifizierung nach amerikanischem Muster, keiner kann überprüfen, was da passiert, es wird einem auch nicht vorgelegt. Und in diesem Spektrum gibt es halt reichlich Menschen, die einen Yoga vermitteln, der sehr sportlich ist, sportiv, wo es um das Einnehmen, das Abturnen von Yogahaltungen geht, aber ohne den Hintergrund und ohne die Essenz des Yoga."


Zu Beginn des Yoga in Deutschland vor gut 200 Jahren wurde der körperbetonte Hatha-Yoga abgelehnt. Das sei eben für Europäer gar nicht zu bewältigen. Es zählte allein die rein geistig-philosophische Ebene, der Raja Yoga, der Königsyoga.


"Das lässt sich festmachen insbesondere an dem Philosophen Schelling, der Mitte des 19. Jahrhunderts bereits Yoga klar definiert hat als Innigkeit, als Zurückziehen der Sinne, den Blick von den äußeren Dingen abziehen. Yoga leitet sich ja von Joch ab, das heißt, es geht um die Vorstellung, dass man die Kräfte bündelt, fokussiert, konzentriert, auf ein Ziel zusteuert. Die klassische Definition, etwa 2000 Jahre alt, bedeutet: Das Zur-Ruhe-Bringen der Bewegungen des Geistes."


Schopenhauer, Nietzsche, August Wilhelm Schlegel, Novalis bis hin zu den Theosophen und Anthroposophen nahmen Yoga als reine Geistesbildung begeistert auf. Die Körperverrenkungen überließen sie lieber indischen Fakiren, die im Zirkus oder auf dem Jahrmarkt auftraten. Einem breiteren Publikum wurde Yoga aber erst ab den 1970er-Jahren bekannt. Und dazwischen?


Mathias Tietke hat intensiv in den Archiven geforscht. Überraschend für ihn: Entgegen landläufiger Meinung und Aussagen in Lehrbüchern und Nachschlagewerken war Yoga im Dritten Reich alles andere als verboten. So betrieb der Russe Boris Sacharow bis zu seiner Ausbombung 1943 mitten in Berlin ungehindert eine Yoga-Schule mit mehr als hundert Schülern. Sacharow hielt auch Yoga-Vorträge zusammen mit dem Tübinger Indologen Jakob Wilhelm Hauer, der die Verbindung von Yoga und Nationalsozialismus suchte. Er lobte das Ideal des furcht- und emotionslosen arischen Kriegers.


"Hauer hat die Überbrückung geschaffen, Yoga als etwas zu definieren am Beispiel der Heiligen Schrift der Inder, der Bhagavad Gita, was er die indoarische Metaphysik des Kampfes und der Tat nennt. Das ist das, was unter dem Yogaexperten und Indologen Jakob Wilhelm Hauer aus Yoga gemacht wurde."


Schon weit vor der Nazi-Zeit war den meisten Yoga-Rezipienten in Deutschland die Ablehnung alles Jüdischen gemeinsam, sagt Tietke.


"Das findet man zumindest schon bei Schopenhauer, von dem gern zitiert wird, dass die Upanishaden der Balsam für seine Seele war, der Trost für sein Leben. Dieser Satz wird immer wieder gern zitiert, aber nicht der Satz, der davor steht, dass damit diese ganze alte jüdische Litanei endlich abgelegt werden kann. Das findet man bei Schopenhauer, das findet man nachfolgend sehr deutlich bei Nietzsche, das findet man bei Chamberlain, das findet man bei Rosenberg: Wir haben die alten Schriften: den Rigveda, den Vedanta, die Bhagavad Gita. Das ist das, was den Übermenschen ausmacht, das ist etwas, das die arische Rasse ausmacht."


Der arische Yoga wurde entdeckt. So wie Gott Krishna den Krieger Arjuna von all seinen Gewissensbissen befreit und ihn zum gnaden- und gefühllosen Töten selbst seiner Verwandten auf dem Schlachtfeld bringt, so soll dies Tausende Jahre später auch zum Vorbild für die arisch-germanischen Kämpfer im Zweiten Weltkrieg werden.


"Die vorherrschende Ethik der Bhagavad Gita ist die der Kshatriya-Kaste. Die Kashtriya-Kaste ist die Kaste der Krieger. Und die Ethik, die dort vermittelt wird, lautet: Egal wer vor dir auf dem Schlachtfeld steht, egal wem du auf dem Schlachtfeld begegnest, schlachte den Gegner ab, weil das ist nur das Materielle, der physische Körper, doch es zählt das Geistige, es geht um einen höheren Zweck."


Eine Kriegerethik, die manchen Nazis gerade recht kam. Berühmtester Bhagavad-Gita-Leser war SS-Reichsführer Heinrich Himmler.


"Die arische Metaphysik des Kampfes und der Tat ist etwas, das für jemanden wie Himmler, der ohnehin offenbar Gewissensbisse hatte, zupass kam. Sodass er den finnischen Physiotherapeuten Felix Kersten immer wieder brauchte, damit er seine Verkrampfungen, seine Krämpfe weg massiert. Und ihm gegenüber hat er sich offenbart, dass dieses vierte Kapitel aus der Bhagavad Gita, wo es um den Yoga der Erkenntnis geht: Handle, aber hänge dich nicht an die Tat; töte, aber bleib dabei völlig gelassen, ihn fasziniert. Das war etwas, was ihm als Gewissensentlastung sehr zupass kam."


Nationalsozialismus und Yoga waren also kein Widerspruch, sondern ließen sich kongenial zu einer Art neuen arischen Religion verbinden.


"Himmler hat immer ganz großen Wert darauf gelegt, dass er nicht nur eine starke Truppe hat, die gut kämpfen kann und mit den Waffen gut umgeht, sondern dass er einen spirituellen Orden möchte. Etwas, was er immer wieder betont: Ihr könnt in die Häuser rein gehen, tötet die Familien, kämpft, aber wehe ich erwische einen, der eine Mark vom Boden aufhebt. Ihr habt absolut integer zu sein. Ihr habt ehrlich zu sein. Ihr seid Krieger, die eine Ethik vertreten. Ja. Kshatriya-Kaste, das müssen wir sein! Das findet sich dann auch in einem Gespräch mit Kersten, wenn dieser blöde Krieg zu Ende ist, dann wird er alle Nazigrößen darauf verpflichten, dass sie bei den Meditationsretreats bei Buttermilch und Schwarzbrot und der Lektüre der Bhagavad Gita den Weg nach innen finden und sich mit Yoga befassen."


Goebbels, Göring und Himmler gemeinsam im Lotussitz vereint? Eine Vorstellung, die den meisten Lehrenden und Übenden in der heutigen Yoga-Szene unvorstellbar ist. Nicht nur dass gewaltbereite Hindu-Nationalisten sich weiterhin auf die Kriegerethik der Bhagavad Gita stützen. Matthias Tietke erlebt auch hierzulande den weiteren Missbrauch. Er selbst hat es während seiner eigenen Yoga-Ausbildung erfahren müssen.


"Der körperliche Ansatz des Hatha-Yoga wird mitunter verknüpft mit einer Art Hinduismus-light. Es werden so folkloristische Elemente herausgenommen und dann findet eine Indoktrination statt. Ich hab dann zu hören bekommen, ich müsste nur lange genug meditieren um anzuerkennen, dass es das Karma der Juden war, vernichtet zu werden. Und das wäre die Sicht des Yoga. Und wenn ich das nicht einsehe, soll ich solange meditieren, bis ich dieses Wissen als richtig anerkenne."

 

© Deutschlandfunk vom 11.04.2012 – in: http://www.deutschlandfunk.de/yoga-im-nationalsozialismus.886.de.html?dram:article_id=127795


Siehe auch:

 

Heinrich Himmler: The Nazi Hindu

Interview mit der International Business Times über das Interesse Heinrich Himmlers an den östlichen Religionen, insbesondere an der Bhagavadgita, die er in den letzten Kriegsjahren immer mit sich getragen haben soll. (lesen)

 

 

 

© Copyright 2003 – Victor & Victoria Trimondi

The contents of this page are free for personal and non-commercial use,
provided this copyright notice is kept intact. All further rights, including
the rights of publication in any form, have to be obtained by written
permission from the authors.