REZENSIONEN

Ausgabe: 07 - vom: 12.02.2006
Mahdi, Jesus, Messias
Wie endzeitliche Prophetien die Nahostpolitik
prägen
von Helmut Frank
Der iranische Präsident
Mahmud Ahmadinedschad leugnet den Holocaust, ruft zur Vernichtung Israels
auf und beschwört die Rückkehr eines militanten muslimischen Messias.
Einflussreiche amerikanische Christen bejubeln den Schlaganfall Ariel Scharons
und werten den Sieg der radikal-islamischen Hamas in Palästina als
notwendiges Zeichen der Endzeit. Wird die Nahost-Politik zunehmend von
Apokalyptikern beeinflusst?
Israel reagierte, und warf
Robertson aus einem lukrativen »Jesus-Park-Projekt«, das die Regierung
zusammen mit evangelikalen US-Christen am See Genezareth realisieren will.
Auch Robertsons nachgeschobenes Bedauern konnte daran nichts mehr ändern.
Die Frage blieb, was den 75-jährigen Medien-Mogul zum christlichen
Hassprediger werden ließ. Die Antwort liegt in seiner apokalyptisch
geprägten Theologie. Robertson glaubt fest daran, dass die territoriale
Unversehrtheit Groß-Israels Vorbedingung für die Wiederkunft Jesu sei.
Wie diese Wiederkehr aussehen
soll, präzisiert Hal Lindsey, ein anderer Vertreter der christlichen
Rechten in den USA. Er prophezeit in seiner Stellungnahme zum Hamas-Sieg,
abgeleitet aus Bibelzitaten, es werde in den nächsten Jahren eine
islamische Großarmee unter der Führung Russlands und Persiens (Irans) gegen
Israel antreten und das Land beinahe total zerstören. Dann erscheine in
letzter Minute Jesus Christus als übermächtiger Feldherr, um nach der
Armageddon-Schlacht die Juden vor der völligen Vernichtung zu retten. Nicht
erwähnt wird dabei die Prophezeiung, dass die überlebenden Kinder Israels
zum Christentum konvertieren müssen oder andernfalls getötet werden.
Auch Lindsey glaubt, Gott
habe sich an Scharon gerächt, weil er gegen den göttlichen Willen die »road
map«, den aktuellen Friedensplan, unterstützte. Lindsey wertet dies als
Gebetserhörung. Während des Abzugs aus dem Gaza-Streifen hätten
Hunderttausende von Juden und Christen zu Gott gefleht, um ihn zu einer
Intervention zu bewegen. »Es scheint so, dass diese Gebete auf dramatische
Art und Weise beantwortet wurden«, schreibt Lindsey.
Scharon gilt als »Verräter«,
der die endzeitlichen Pläne Gottes für den Nahen Osten durchkreuzen wollte.
Dabei hat er als Likud-Chef lange Jahre selbst seine Siedlungspolitik aus
der Bibel abgeleitet und so die Stimmen der Rechten gesichert. Erst im
Oktober 2004 änderte er seine Strategie und sagte den Siedlern: »Ihr seid
wunderbare Pioniere, Erbauer Israels, Siedler auf dürftigem Boden, im Regen
und im Winter, durch alle Schwierigkeiten hindurch. Aber ihr habt unter
euch einen messianischen Komplex entwickelt.« Damit hatte Scharon den
endzeitlichen Kern des jüdischen Fundamentalismus in Frage gestellt, der
durch die Vertreibung der Palästinenser und durch die Souveränität über
»Groß-Israel« die Ankunft des Messias beschleunigen will.
Wie stark sich Apokalyptik
und Messianismus weltweit in allen Glaubensrichtungen ausbreiten, zeigen
die Religionsforscher Victor und Victoria Trimondi in ihrem neuen Buch
»Krieg der Religionen«. Die Endzeit-Ideologien aller Fundamentalisten
weisen dieselben apokalyptischen Grundmuster auf, so die These der beiden
Autoren. Wobei der Gott des einen der Teufel des anderen ist, und
umgekehrt. Apokalyptik, warnen die beiden, ist keine fromme Spinnerei,
sondern »höchst gefährlich«, weil sie zu grausamen Religionskriegen führen
könne. Apokalyptiker glauben fest, dass durch die Zerstörung der
bestehenden bösen und sündigen Welt eine neue gute und paradiesische
Weltordnung geschaffen werden könne.
Gibt es einen »Krieg der Religionen«?
Viel spricht momentan dafür,
dass sich auch die radikal-islamische Hamas diesem Irrglauben verschrieben
hat, nachdem sie die Anerkennung Israels und eine Abkehr von der Gewalt
kategorisch ausschließt. Ein Blick in die Grundsatzerklärung der Hamas von
1988 erklärt warum. In Artikel 6 heißt es da zum Beispiel: »Das Land von
Palästina ist heiliges, islamisches Besitztum, das für zukünftige
muslimische Generationen bis zum Jüngsten Tag (!) bestimmt ist. Keiner kann
darauf verzichten, auch nicht auf einen Teil davon, oder es abtreten, auch
nicht einen Teil davon.« Ein endzeitlicher Bezug findet sich auch in
Artikel 34 der Charta. Dort ist festgeschrieben, dass die Organisation den
Heiligen Krieg (Dschihad) bis zum Jüngsten Tag fortsetzen wird. Von
Mohammed ist die Prophezeihung überliefert, die Bewohner Syriens und
Palästinas würden sich im Dschihad befinden bis zum Tage der Auferstehung.
Der populäre Hamas-Scheich
Ibrahim Madhi, Imam in Gaza-Stadt, predigte wiederholt: »Die Juden erwarten
den falschen jüdischen Messias, während wir, mit Allahs Hilfe, den Mahdi
und Jesus, Friede sei mit ihnen, erwarten. Mit reinen Händen wird (der
islamische) Jesus den falschen jüdischen Messias töten.« Vom Hamas-Scheich
Bassam Jirrar stammt das Zitat, dass der Islam in Mekka beginne und in
Jerusalem ende. In seinem Bestseller »Das Ende Israels im Jahr 2022« wird
der Untergang des Staates in 16 Jahren prophezeit. Wegen solcher und vieler
anderer Statements kommt der amerikanische Religionswissenschaftler David
Cook zu dem Schluss, bei der Hamas handle es sich eindeutig um eine
apokalyptische Gruppe.
Auch Artikel 7 der
Hamas-Charta macht endzeitliche Andeutungen. Dort wird ein Prophetenwort
zitiert, das die Vernichtung der Juden zur Bedingung macht, damit die
Endzeit-Ereignisse überhaupt eintreten können. Eine Islamisierung der
gesamten Region und die Vernichtung Israels gilt deswegen bei islamischen
Fundamentalisten als erste Stufe auf dem Weg zu einer muslimischen
Weltherrschaft. Deswegen sind auch die iranischen Ayatollahs so auf die
Heilige Stadt Jerusalem fixiert. Der »Jerusalem Tag« 1978 von Ayatollah
Khomeini eingeführt, dient als religiös-politischer Feiertag, an dem zum
Ende des Fastenmonats Ramadan die Vernichtung Israels propagiert wird. Am
Jerusalem Tag 2005 sprach der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad auf
einer Konferenz mit dem Titel »Eine Welt ohne Zionismus«. Er gab sich
zuversichtlich, dass »eines Tages die Mitte der islamischen Welt von dem
Schandfleck Israel gesäubert sein wird.«
»Sie waren alle wie erstarrt«
Wie sein Vorbild Khomeini pflegt
auch Ahmadinedschad einen bescheidenen Lebensstil. Der Sohn eines armen
Schmiedes fährt einen Peugeot Jahrgang 1977, lebte als Bürgermeister
Teherans in einer Arbeiterwohnung, kleidet sich mit abgetragenen Anzügen
und verabscheut Krawatten. Im Wahlkampf 2005 nannte er sich den »kleinen
Straßenfeger des Volkes«.
In seiner spirituellen
Selbsteinschätzung ist der 49-Jährige dagegen weniger bescheiden. »Es war
Mahdi, der verborgene Imam, der mich dazu berufen hat«, sagt er über seine überraschende
Wahl zum Staatspräsidenten. Seitdem fragt er den Imam regelmäßig um Rat,
zum Beispiel vor seiner Antrittsrede vor der UNO im September. Außerhalb
des Saals habe ihn kaum jemand wahrgenommen, berichtete er. »Da kam mir der
verborgene Imam zu Hilfe. In dem Augenblick, als ich den Saal betrat, umgab
mich plötzlich ein Heiligenschein. All die Staatshäupter, die da saßen,
erstarrten vor Erstaunen. Ich redete eine halbe Stunde lang, und während
der ganzen Zeit hörten mir alle gebannt zu, nicht ein einziger zuckte mit
der Wimper. Sie waren alle wie erstarrt.«
Am Schluss seiner Rede
beschwor er die Wiederkunft des muslimischen Welterlösers, des schiitischen
Messias »Imam-Mahdi«, der angeblich zurückkehren und eine apokalyptische
Revolution der Unterdrückten gegen die Mächte der Ungerechtigkeit anführen
wird. Oberstes Ziel des iranischen Präsidenten ist, die Rückkehr des Imam
Mahdi zu beschleunigen, wobei die iranische Revolution nur die erste
Station einer schiitischen Welterlösung darstellt. Ahmadinedschad folgt
damit dem Gesetz, denn diese Form des Messianismus ist in der iranischen
Verfassung verankert.
Irrationales Messiasfieber
Als Ahmadinedschad
Bürgermeister von Teheran war, ließ er einen Hauptboulevard renovieren,
weil der Mahdi bei seiner Rückkehr darüber einmarschieren werde. Der
Dschamkaran-Moschee schenkte er 13 Millionen Euro, weil dort ein Brunnen
ist, der im Volksglauben als »Briefkasten« des Zwölften Imam bezeichnet
wird. Man kann ihm Botschaften zukommen lassen, indem man sie dort ins
Wasser wirft. Ein im Internet kursierendes Gerücht besagt, Ahmadinedschad
habe seine Minister verpflichtet, einen Brief an den Imam zu schreiben und
in den Brunnen zu werfen. Inhalt: Man wolle alles tun, um seine schnelle
Rückkehr zu ermöglichen.
Das irrationale Messiasfieber
greift mehr und mehr auf die ganze iranische Gesellschaft über. Amir
Mohebian, Chefredakteur der konservativen Zeitung Resalat, empfiehlt eine
kompromisslose Politik der Härte: »Ich glaube der Mahdi wird in zwei, drei
oder vier Jahren kommen, weshalb sollte ich denn nachgiebig bleiben? Jetzt
ist es an der Zeit, stark dazustehen und hart zu sein.« Es gibt auch
Gegenstimmen: Groß-Ayatollah Hossein Ali Motazari zum Beispiel kritisiert
die Regierung, sie missbrauche den Mahdi-Kult für ihre politischen
Interessen.
Christliche Fundamentalisten
haben dem iranischen Präsidenten bereits seine Rolle im apokalyptischen
Welttheater zugewiesen: Die Funktion des Anti-Christen, die Saddam Hussein
bisher spielen musste, wird jetzt auf Ahmadinedschad übertragen. Die
Hauptbühne ist wie gehabt der Nahe Osten, im Fokus Israel, das Finale in
Jerusalem. Will er dafür die Atombombe?
Quellen: epd, idea, www.trimondi.de , »Krieg der Religionen«
von V. und V. Trimondi
http://www.sonntagsblatt-bayern.de/news/aktuell/2006_07_01_01.htm
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