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Der Samurai-Kult


Dieser Artikel erschien am  25. 09. 2003 im Rheinischen Merkur

 

 

Victor und Victoria Trimondi

 

SAMURAI-KULT / Die japanische Kriegerideologie übt große Faszination auf den Westen aus

Am Rand des Wahnsinns

 

Wenn Töten ritualisiert und spiritualisiert wird: Die Seele des kühlen Kämpfers ist das Schwert. Und Hollywood kopiert die zynische Todesmystik.

 

 

Eine  Samurai Welle rollt über Deutschland – in Filmen, Ausstellungen, Büchern. Die Leinwand-Helden in dem Kultfilm Matrix-Reloaded zerstückeln sich gegenseitig mit Samurai Schwertern. In dem 100.000.000 Dollar Streifen Der letzte Samurai konvertiert Tom Cruise vom einem Indianerkiller zum „coolen“ Samurai Helden im Dienste des Tenno. Anfang Oktober kommt Kill Bill in die Kinos. Uma Thurman spielt hier einen blutrünstigen, weiblichen „Killer Blond“ Samurai. Ich will, dass dieser Film für die Kung Fu Kampfszenen das wird, was in Apocalypse Now  der ‚Ritt der Walküren’ für die Schlachtenszenen war.” – „Ich will kein Horror-Kino-Blut, verstanden? Ich möchte Samurai Blut. […] Du benötigst diese spezielle Art von Blut, die man nur in Samurai Filmen sieht.” - sagt Regisseur Quintin Tarentino. In keinem der genannten Samurai Filme wird die grausame Schwert-Philosophie der japanischen Kriegerkaste kritisch hinterfragt, im Gegenteil sie wird als ästhetisch, „cooler“ Tötungsstil glorifiziert. Etwas dezenter macht das auch die Ausstellung Japans Schönheit, Japans Seele - Meisterwerke aus dem Tokio National Museum“ in der Bonner Kunsthalle (29.08. - 26.10). Die Veranstalter stellen den japanischen Schwert-Kult als Highlight heraus: „Das japanische Schwert ist einzigartig auf der Welt. Seine Klinge wird selbst als Kunstwerk und lebende Seele betrachtet. […] Unter anderem sind Klingen wie die ‚Han’nya Nagamitsu’ zu sehen, die als Nationalschatz nur höchst selten außerhalb Japans zu sehen sind.“ Zum ersten Mal verlässt die beseelte Klinge das fernöstliche Land. Wer waren die japanischen Samurai-Ritter? Seit dem Mittelalter dienten sie entweder einem Adelsfürsten oder der Staatsmacht, dem Shogunat. Im Zentrum ihrer Philosophie stand die absolute Treue- und Schutzpflicht gegenüber ihrem Herrn. Sie entwickelten eine autonome, durch und durch ritualisierte und spiritualisierte Kriegerkultur – den Bushido („Weg des Kriegers“). In der revolutionären Meiji Zeit (1868-1912), die Japan für die westliche Technik und Industrie öffnete, wurde der Samurai-Geist von der modernen japanischen Armee adaptiert.

 

Der Katechismus der Samurai: Das Hagakure

Ein literarischer Klassiker der japanischen Samurai Kultur ist der im 18. Jh. von Tsunetomo Yamamoto verfasste Krieger-Katechismus Hagakure. Auch wenn in dem Text viel von „Ehre und Treue“ die Rede ist, so wimmelt es darin von morbiden Zitaten, die von der Selbstzerstückelung bis hin zum ritualisierten Selbstmord (Harakiri) reichen: „Nichts ist befriedigender, als in einer Schlacht getötet zu werden.“ – „Wenn es dazu kommt, einen anderen zu erschlagen, dann stelle keine rationalen Überlegungen an.“ Eine morbide, zynische Todesmystik gilt hier als hohe Religiosität und Tugend: „Stell dir jeden Morgen aufs neue vor, dass du bereits tot bist.“ Das Hagakure verlangt zudem, „die eigene Frau [zu] erschlagen, wenn sie Ehebruch begeht.“ Die philosophische Essenz  des Hagakure wird in dem folgenden Satz zusammengefasst: „entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns“.

 

Kein Wunder dass diese Krieger-Philosophie eine große Faszination auf den Shinto-Faschismus ausübte. Die berüchtigten Exzesse der japanischen Armee während des zweiten Weltkrieges zogen nicht zuletzt ihre Legitimation aus der Samurai-Tradition. Dazu rechnen unter anderem auch die Kamikaze Einsätze 16jähriger Flugpiloten. Professor Takao Mukoh, der das Hagakure ins Englische übersetzte, schreibt: „Kein Buch wurde in Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr verdammt als das Hagakure, weil es als Mittel missbraucht worden sein soll, die japanische Jugend zu ermutigen, sich in der verzweifelten Endphase des Krieges blind in den Tod zu stürzen, und zwar durch die klassische Stelle: ‚Bushido – der Weg des Samurai, so habe ich herausgefunden, liegt im Sterben.’“

 

Samurai Kult, Zen-Buddhismus und Faschismus

Kaum bekannt im Westen ist die enge Verknüpfung des Zen-Buddhismus mit der Bushido-Philosophie. Die Samurai waren Zen-Buddhisten, die mit dem Schwert kämpften. Alle Sekten des japanischen Zen-Buddhisten haben sich zu ihrem faschistischen Staat bekannt. „Krieger Zen“ - „Die Einheit von Zen und Schwert“ - „Buddhismus des kaiserlichen Weges“ - „Reichs Zen“ - „Soldaten Zen“ - „Samurai Zen“ – galten als Schlagworte der 30er und 40er Jahre.

 

So  betonte der Altmeister der Zen-Philosophie, Daisetz Tetaro Suzuki, damals ein Ideologe des Militärfaschismus, dass im Bushido alle moralischen Regelsysteme zerbrechen: „Diese Kräfte können manchmal teuflisch sein; jedenfalls aber gehen sie über das hinaus, was man gemeinhin für menschenmöglich hält, und wirken Wunder.“ Aus dem geistigen Zusammenwirken von „Priestertum“ und „Kriegertum“ entstehe die spezifische „Soldatenmystik“ der Samurai: „Das Soldatische, verbunden mit Mystik und dem Erhabensein über weltliche Belange, ist etwas, das Menschen von starker Willenskraft liegt. Hier entspricht das Zen dem Geist des Bushido.“ Auch Suzuki propagierte  einen mystischen Schwertkult. „Das Schwert ist die Seele des Samurai“.

 

Die SS: Himmlers Samurai

Absolute Treue bis zum Tod gegenüber dem Lehnsherrn oder dem Tenno, galt als die höchste Pflicht eines Samurai, so wie es höchste Pflicht und Ehre eines SS-Mannes war, dem „Führer“ bis in den Tod hinein die Treue zu halten. Mit großer Faszination blickten nationalsozialistische Japanologen, Künstler, Intellektuelle und Militärs auf die Kriegerkultur des fernöstlichen Landes. Das Dritte Reich wurde überschwemmt von Samurai -Büchern -Filmen -Bühnenstücken und -Vorträgen.

 

Was faszinierte die Nazis an den Samurai?  Zu nennen sind unter anderem: „absolute Gefühlskontrolle, kompromisslose Härte und Kaltblütigkeit“, „blinder Gehorsam und Treue“, „Ehrenkodex und Standesethos“,  Krieg als Selbstzweck“,   Verachtung des Lebens, Verherrlichung des Todes“ - „Harakiri“. Morbide Sprüche aus schon damals übersetzten Samurai-Handbüchern wirkten wie Losungen für den Schwarzen Orden: „Wenn euer Schwert in einer Schlacht zerbricht, kämpft mit euren Armen; wenn eure Arme abgeschlagen werden, ringt euren Gegner mit euren Schultern nieder; wenn eure Schultern verletzt sind, könnt ihr immer noch mit euren Zähnen kämpfen.

 

Auch der Massenmörder Heinrich Himmler war von dem Samurai Kultur der Japaner fasziniert und eröffnete darüber eine Debatte in der SS. Rudolf Jacobsen, Regimentskommandeur der Waffen-SS, erinnerte sich, dass der Reichsführer immer wieder „die japanische Tradition der Samurai“ hervorhob, wenn er auf die Ausbildung der SS-Elite zu sprechen kam.

 

Unter der Samurai-Literatur des Dritten Reichs ist vor allem ein „Büchlein“ mit dem Titel Die Samurai, Ritter des Reiches in Ehre und Treue zu nennen, dass Himmler mit 52.000 Exemplaren an seine SS-Männer verteilen ließ und wozu er ein Vorwort verfasste. In dem Text wird der „Ordenscharakter“ der japanischen „Kriegerkaste“ betont und, kombiniert mit der „Rassentheorie“  und dem „Führerprinzip“, als ein gesellschaftliches Vorbild für die Deutschen herausgestellt.

 

Im Zentrum des damaligen Samurai-Kultes thronte der von den Göttern stammende „Tenno“, Kaiser Hirohito (1901 – 1989); im Mittelpunkt des NS-Regimes stand der vom Volk gewählte „Führer“, Adolf Hitler. Der Unterschied zwischen beiden ist im Dritten Reich thematisiert und debattiert worden. Aber man hat keineswegs nur die Differenz betont, sondern auch im Vergleich mit dem theokratischen Tenno-System die „Sakralisierung“ des Nationalsozialismus und die „Vergöttlichung“  des „Führers“ gefordert. Die Sakralisierung von Krieg und Krieger war ein Primäranliegen Himmlers: „Für die Vereinigung von Führer- und Priesteramt in einer Person verwies [er] wiederholt auf das Beispiel des japanischen Kaisertums, wie ja überhaupt das Vorbild Japans und besonders des Samurai-Ordens bei ihm eine große Rolle spielte.“ - erinnert sich SS-Kommandeur Rudolf Jacobsen. 1942 überreichte die Vereinigung Tokioer Reservisten anlässlich der Wiener Ausstellung „Krieg und Kunst“  dem „Führer und Reichskanzler“ Adolf Hitler eine „Samurairüstung“ als Ehrengabe.

 

Es zeigt die Naivität, wie heute östliche „Weisheitslehren“ importiert werden, wenn der Piper-Verlag im Jahre 2000 das Hagakure als Taschenbuch publiziert und auf dem Klappentext als „spirituellen Leitfaden für den beruflichen und privaten Erfolg auch in der heutigen Welt“ anpreist. Der Herausgeber Guido Keller schwärmt davon, dass der Geist des japanischen Krieger-Katechismus an die „unbedingte Kampfeswut“ der Berserker in der nordischen Mythologie erinnere: „Ich meine ja auch, Germanen und Wikinger und wie sie alle in unserer Nähe hießen, sie hatten etwas, was Europäern heute weitgehend zu fehlen scheint – extremen Kampfgeist.“ – sagt Keller.

 

Im Zen-Buddhismus insbesondere aber in der Samurai-Philosophie, gibt es genügend  Elemente, die sich als Bausteine für eine totalitäre Kriegerideologie eignen und die sich historisch schon „bewährt“ haben. Mit ihrem Märtyrergeist, ihrer Selbstmordphilosophie, ihrer Brutalität und ihrer religiösen Absegnung könnte sich die Samurai-Haltung als eine ost-westliche Alternative zur militaristischen Djihad-Philosophie des Islams entwickeln. In Hollywoods Film Fabrik wird eine solche Entwicklung schon vorbereitet.

 

Siehe auch:

 

Der Samurai-Krieger – Leitbild für den Schwarzen Orden (SS)

 

Das Hagakure - Katechismus des japanischen Samurai-Kultes

 

 

 

 

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