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Der Samurai - Kult 


Das HAGAKURE

Katechismus des japanischen Samurai-Kultes

 

In „Hitler-Buddha-Krishna“ erörtern wir ausführlich die Faszination, die der japanische Samurai-Kult auf die SS und Heinrich Himmler ausgeübt hat. In diesem Kontext kommen wir auch auf das HAGAKURE von Tsunetomo Yamamoto, dem Klassiker der Samurai-Kaste aus dem 18. Jahrhundert, zu sprechen.  Auszüge des HAGAKURE wurden im Dritten Reich im nationalsozialistischen "Nordland Verlag" publiziert (1937 in Inazo Nitobes Buch Bushido – Die Seele Japans).  Das Samurai-Handbuch fordert die absolute Treue gegenüber dem Fürsten, die Bereitschaft, bedingungslos für ihn zu sterben und ihm im Tode durch seppuku (Selbstmord)  nachzufolgen. In den Jahren 2000 und 2001 veröffentlichte der Münchener Piper Verlag den Text. Der Herausgeber der deutschen Ausgabe, Guido Keller, schreibt zu unserer Auseinandersetzung mit dem HAGAKURE:

 

Die Trimondis alias Röttgens sind Demagogen und haben keine Ahnung. Unfassbar, welche Lügen und Falschaussagen sich die Röttgens in Bezug auf das HAGAKURE erlauben. Dieses Buch erschien zuerst in meinem ANGKOR VERLAG und dann in Lizenz bei Piper. Und zwar im Jahr 2000, Band 2 im Jahr 2001. Der Text stammt aus dem 18., nicht dem 17. Jahrhundert. Er ist weder voll "menschenverachtender Brutalität", sondern, wie eine eigens dafür gegründete "Hagakure Society" seit vielen Jahren in ihren Schriften und Büchern aufweist, voller tiefer Weisheit und Ethik. Das HAGAKURE bildete auch nicht die "Grundlage für den Shinto-Faschismus", vielmehr steht der Autor Yamamoto in der Zen-Tradition, wie der Inhalt und das Zitieren seines Zen-Lehrers belegen. Das Buch wurde lediglich in einer Hinsicht, als Training zur Angstfreiheit vor dem Tod, den Kamikaze-Fliegern empfohlen. Gerade in dieser Hinsicht ist es in Friedenszeiten, in denen es übrigens auch geschrieben wurde, auch heute noch ein guter Ratgeber, denn wer würde bezweifeln, dass Menschen, die keine Angst mehr vor dem Tod haben, ein wirklich erfülltes Leben erst führen können? Auch dass die Publikation in Japan bis in die 80er Jahre verboten war, ist falsch. Die englische Übersetzung aus dem Hokuseido Verlag stammt sogar schon von 1980. Den Beweis, dass 52.000 deutsche Übersetzungen unter den Nazis kursierten, bleiben die Autoren ebenfalls schuldig. Wo sollen die alle abgeblieben sein? Das HAGAKURE preist auch keinesfalls den Krieg als Selbstzweck, sondern weist den Weg zu einem moralischen Kriegerdasein. °

 

Dieses Buch als den „Weg zu einem moralischen Kriegerdasein“ anzupreisen, sehen wir als reinen Hohn. Aber es ist ja hinreichend bekannt, wie alle Kriegerkasten dieser Welt ihre eigenen Grausamkeiten, Brutalitäten und Schandtaten als höchst „moralisch“ einschätzen und wahrscheinlich auch davon überzeugt sind. Für einen an humanpolitischen Werten orientierten Menschen muss das HAGAKURE als eine abstoßende, a-moralische, menschenverachtende und zynische Verherrlichung archaischer „Kriegerriten“ angesehen werden:  Ein Schnitt in die Lymphgefäße der Leiste gilt als Einstieg in das Männerdasein. Man schämte sich – so der Text – seine Brust anderen zu zeigen, wenn man keine Narben darauf hatte und brachte sich deswegen selber welche bei. Als "verweiblichter Mann" galt derjenige, der Probleme dabei empfand, einem Verbrecher, dem die Hände gebunden waren, den Kopf abzuschlagen. Krieg um jeden Preis wird gefordert, der Krieg wird zum „Selbstzweck“ erhoben: "Ein Mann von großer Tapferkeit denkt nicht an das Ende eines Kampfes; er stürzt sich leidenschaftlich in den Rachen des Todes, wobei sein wahres Selbst sich in seiner Geisteshaltung offenbart." – Oder: "Der Weg des Samurai verlangt, dass er kopfüber in seinen Feind hineinstürmt, sogar blindlings." – Oder: "Wenn euer Schwert in einer Schlacht zerbricht, kämpft mit euren Armen; wenn eure Arme abgeschlagen werden, ringt euren Gegner mit euren Schultern nieder; wenn eure Schultern verletzt sind, könnt ihr immer noch mit euren Zähnen kämpfen." Oder: "Wenn es dazu kommt, einen anderen zu erschlagen, dann stelle keine rationalen Überlegungen an. [....]  So etwas vernichtet den rechten Zeitpunkt, schwächt Deine Entschlusskraft  und endet wahrscheinlich damit, dass du den Gegner gar nicht erschlägst. Der Weg des Samurai erfordert sogar, dass du verzweifelt und blind vorpreschst." Oder: "Es ist mir unerträglich, in Widerspruch zu meinem Kriegergeist im Bett zu sterben. [....] Denn nichts ist befriedigender, als in einer Schlacht getötet zu werden." Der Text verlangt, "die eigene Frau erschlagen, wenn sie Ehebruch begeht."  Auch wird hier die körperliche Liebe mit einer Frau als die "größte Wahnidee der Menschheit" angesehen. Morbide Todesmystik und zynische Lebensverachtung gelten als hohe Religiosität und Tugend: "Stell dir jeden Morgen aufs neue vor, dass du bereits tot bist." Oder: "Wenn du nicht weißt, ob du sterben oder leben sollst, dann stirb." Oder: "Die geheime Formel lautet daher, stets auf den Tod lauern und entschlossen zu sein, in jedem Moment sterben zu können." Die philosophische Essenz  des Hagakure wird von dem Text selber in einem Satz zusammengefasst, der lautet: "entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns"

 

Selbst in der Ausgabe des Piper Verlages ist in dem apologetischen Nachwort von Takao Mukoh zu lesen, wie dieser Leitfaden für ein „entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns“ nach dem Zweiten Weltkrieg bei den Japanern auf schärfste Ablehnung stieß: „Kein Buch wurde in Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges mehr verdammt als das HAGAKURE, weil es als Mittel missbraucht worden sein soll, die japanische Jugend zu ermutigen, sich in der verzweifelten Endphase des Krieges blind in den Tod zu stürzen, und zwar durch die klassische Stelle: ‚Bushido, der Weg des Samurai, so habe ich herausgefunden, liegt im Sterben. – Während des Zweiten Weltkriegs wurde dann die Theorie des Sterbens zum Vorteil des Militärs benutzt, das junge Piloten in den sicheren Tod schickte.“ (Bd. II 151, 172)

 

Da der „Weg des Samurai“ (Bushido) die Kriegerethik  der modernen japanischen Armee schon seit Beginn der Meiji Periode bestimmte und auch während der 30er Jahre und im zweiten Weltkrieg von den japanischen Militärs propagiert wurde, bildete er eine wichtige ideologische Grundlage für die Kriegspädagogik des Shinto-Faschismus. Wenn das HAGAKURE (wie auch wir in unserem Buch schreiben) wesentlich aus der Zen-Tradition stammt, beweist das nur wie eng diese buddhistische Schulrichtung bei der Ideologiebildung des japanischen Faschismus mitgewirkt hat. Auf die unheimliche Allianz zwischen Zen und Faschismus gehen wir ausführlich in „Hitler-Buddha-Krishna“ ein und zeigen unter anderem die enge Kooperation von Daisetz Teitaro Suzuki mit dem japanischen Generalstab auf.

 

Wir schreiben in „Hitler-Buddha-Krishna“ an keiner Stelle, dass das HAGAKURE in der SS mit 52.000 Exemplaren verteilt wurde. Verteilt wurde ein Jubel-Büchlein auf die Samurai von Heinz Corazza „Die Samurai – Ritter des Reiches in Ehre und Treue“, das vorher als Fortsetzungsserie in der SS-Hauszeitschrift  Schwarzes Korps erschienen war. Himmler hatte dazu ein Vorwort verfasst.

 

Aus der SS-Broschüre zum Samurai Kult

 

Wenn der Piper-Verlag dieses „Killer-Buch“ für japanische „Gotteskrieger“ auf dem Klappentext als „spirituellen Leitfaden für den beruflichen und privaten Erfolg auch in der heutigen Welt“ anpreist, dann wundert einen die derzeitige Entwicklung auf unserem Planeten nicht mehr.

 

PS. Auf der Homepage www.angkor-verlag.de antwortet Guido Keller auf unseren Diskussionsbeitrag. Wir haben das Thema weitgehend in „Hitler-Buddha-Krishna“ abgehandelt und werden nicht mehr detailliert darauf antworten. Für uns sind sogenannte „Heilige Texte“, die den Krieg als solchen verherrlichen, ob sie nun Bhagavadgita oder Shri-Kalachakra oder Hagakure heißen, grundsätzlich verwerflich und in der jetzigen Weltsituation höchst gefährlich. Die angeblichen altruistischen Vorstellungen, die Keller dem Hagakure und der Samurai-Philosophie unterstellt, sind weder durch die Quellentexte noch durch die Geschichte gerechtfertigt. Diesem deutschen „Samurai-Schwärmer“ geht es offensichtlich ganz allgemein um die Renaissance einer weltweiten Kriegermentalität. Auf den Satz, dass im Hagakure das Dreinschlagen ohne jegliche taktischen Erwägungen gefordert wird und dass dies an die „unbedingte Kampfeswut“ der Berserker in der nordischen Mythologie erinnert, antwortet Keller zustimmend: „Ich meine ja auch, Germanen und Wikinger und wie sie alle in unserer Nähe hießen, sie hatten etwas, was Europäern heute weitgehend zu fehlen scheint – extremen Kampfgeist.“ Solch verhängnisvolle Wahlverwandtschaften veröffentlicht Keller auf seiner Homepage unter der Rubrik: „Weisheit pur“. – Nein Danke!

© Copyright 2003 – Victor & Victoria Trimondi

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