| Kriege, Endzeitschlachten und Weltuntergänge im Lamaismus   Der Armageddon-Krieg  des Kalachakra-Tantra   Die in dem tibetischen Ritaultext Kalachakra-Tantra
    enthaltene Shambhala Vision prophezeit, dass in
    ca. 300 oder nach anderer Version ca. 400 Jahren ein fürchterlicher
    Weltkrieg ausbricht, in dem sich die Anhänger Buddhas und diejenigen
    Mohammeds (mlecchas, Barbaren) als
    unversöhnliche Feinde bekriegen. „Am Ende der Zeiten wird der Chakravartin [Weltenherrscher] aus der
    Götterstadt, die auf dem Berge Kailash errichtet
    wurde, erscheinen.“ – heißt es im Originaltext – „Der Herr der
    Götter zusammen mit den zwölf Kriegslords, wird
    die Barbaren [mlecchas] zerstören. - Er
    wird in einer Schlacht mit seiner eigenen aus vier Divisionen bestehenden
    Armee die Barbaren in allen Teilen des Erdkreises niederwerfen.“ (Shri Kalachakra
    I. 167/161/159) (1) Sein Heer besteht aus „äußerst wilden Kriegern“,
    die mit „scharfen Waffen“ ausgestattet sind. (Shri Kalachakra I. 163)    Der Militante
    Messias des Buddhismus trägt den Namen Rudra
    Chakrin („zorniger Raddreher“) aus der
    Familie der Kalki. „Für Sadhus
    [Heilige: Buddhisten oder Hindus] wird er in seiner friedfertigen Form
    ein 'Segensbringer' sein; aber er wird zugleich die Rasse der Barbaren   vernichten. Er wird auf einem
    Bergpferd reiten, mit einem kurzen Speer in seiner Hand, strahlend wie die
    Sonne wird er alle Feinde niederschmettern.“ (Shri
    Kalachakra I. 159) Solche Bilder und
    Szenarien sind aus den monotheistischen Apokalypsen bekannt. Rudra Kalki, der „Herr der
    Götter“, besteigt im Jahre 2327 oder 2427 den Thron des Mythenreiches Shambhala. Von dort aus „werden am Ende des
    gegenwärtigen Zeitalters die apokalyptischen Heerscharen kommen, um die
    Feinde des Buddhismus zu vernichten.“ - schreibt der Kalachakra
    Kommentator Michael Henss. (2) „Die
    äußerst wilden [buddhistischen] Krieger werden die barbarische Horde
    niederwerfen“ und „eliminieren.“ – heißt es im Original. (Shri Kalachakra
    I. 163/165) Ziel dieses Religionskrieges ist die „Zerstörung des
    barbarischen Dharmas“, das heißt aller
    nicht-buddhistischen Glaubenslehren. (Shri Kalachakra I. 170)    Ein Gedicht des III. Panchen Lama hebt den kriegerischen Charakter des Rudra Chakrin besonders
    hervor: „Die gewaltige Schar Deiner Krieger“ – heißt es dort – „wird in
    vielen Farben erscheinen – Vierhunderttausend wutentfesselte Elefanten, -
    goldene Streitwagen mit jungen bewaffneten Kriegern – werden sich in die
    rasende Schlacht werfen. – Deine Elefanten werden die anderen Elefanten
    besiegen. – Deine Steinpferde werden andere Pferde töten. – Deine
    Streitwagen werden andere Streitwagen zu Staub zermalmen. – Deine Fürsten
    werden die anderen Fürsten vernichten. – Wenn all dies geschehen ist, wird
    das Geschlecht – der Barbaren für immer ausgerottet sein.“ (3)   Mit apokalyptischen Farben
    lässt auch der russische Maler, Philosoph und Kalachakra-Adept
    Nicholas Roerich den Shambhala Krieg von einem
    Lama, den er auf seiner Reise nach Inner Asien
    getroffen haben will, ausmalen: „Hart ist das Schicksal der Feinde Shambhalas.“ – sagt der Lama – „Ein gerechter Zorn
    färbt die Wolken purpurblau. In glänzender Rüstung mit Schwertern und
    Speeren verfolgen die Krieger des Rigden-jyepo [Rudra Chakrin]
    ihre entsetzten Feinde. Viele sind schon niedergestreckt, und ihre
    Feuerwaffen, ihre großen Hüte und all ihre Habe sind auf dem Schlachtfeld
    zerstreut. Einige liegen im Sterben, vernichtet von gerechter Hand. Ihr
    Anführer ist bereits erschlagen und liegt niedergestreckt unter dem Ross
    des großen Kriegers, des gesegneten Rigden-jyepo.
    Dem Herrscher folgen auf Kampfwagen fürchterliche Kanonen, denen keine
    Mauer standhalten kann. Mehrere Feinde flehen auf Knien um Gnade oder
    versuchen, [....] ihrem Schicksal zu entgehen. Aber das Schwert der
    Gerechtigkeit holt die Verleumder ein. Das Dunkel muss vernichtet werden.“
    (4)    
 Rudra Chakrin – Bild von
    Nicholas Roerich   Im Jahre 2001 prophezeite
    Lama Gjetrul Jigme Rinpoche auf einem Vortrag in Zürich: „Die Welt wird in
    dieser Zeit einen Krieg auf allen Ebenen erleben, psychologisch und
    physisch, innerhalb von Familien und von Gesellschaften, Ländern und
    Kontinenten.“ (5)    Die buddhistische
    Armageddon-Schlacht unterscheidet sich kaum von ihren monotheistischen
    Pendants: „Wenn die Gesamtheit des Dharma, d. h.
    sowohl die menschliche als auch die kosmische Ordnung, durch die Unordnung
    getrübt ist, dann zeigt sich der Priesterkönig von Shambhala
    – wie wir sehen werden – als eine schreckliche und zornvolle Macht, die
    ohne Mitgefühl [sans pitié] die notwendige Harmonie zur Entwicklung der
    Welt wiederherstellt. Ein dritter Weltkrieg, in dem sich zwei feindliche
    Blöcke gegenüberstehen, wird entfesselt werden, und der Chef der
    Siegerpartei wird zum Beherrscher der Welt -
    politisch und ökonomisch.“ (6) – 
    schreibt der Orientalist und Kalachakra
    Experte Jean Marquès-Rivière und fährt an anderer
    Stelle fort: „In dem schrecklichen Kataklysmus, der am Ende dieses
    Weltzeitalters die Menschheit erschüttern wird, erhält die zukünftige Rolle
    dieses sakralen [Shambhala]-Herrschers [pontife] einen entscheidenden Stellenwert, da er
    der Architekt (dieser Zerstörung) sein wird. Er ist sowohl ein Bodhisattva, voller Mitgefühl und Liebe zu allen
    lebenden Wesen, denen er hilft und die er jeden Augenblick unterstützt, als
    auch der große Richter, der, auf einem weißen Pferd an der Spitze seiner
    unbesiegbaren Armee reitet, um die Ordnung der Welt, das Dharma [die buddhistische Lehre], wieder
    herzustellen.“ (7) Den Archetyp vom apokalyptischen Reiter auf dem weißen
    Pferd kennen wir schon aus der Offenbarung: „Dann sah ich den
    Himmel offen, und siehe da war ein weißes Pferd, und der, der auf ihm saß,
    heißt der ‚Treue und Wahrhaftige’.“ – heißt es dort. (19: 11) Auch im
    indischen Vishnu-Purana, das die
    apokalyptische Kalachakra-Vision beeinflusst haben
    soll, stürmt der Kalki-König seiner Armee mit auf
    einem Schimmel voran. 
Der König von Shambhala   Wie selbstverständlich wird
    die „Shambhala Schlacht“ in einem von Robert Thurman mitverfassten Katalog
    zur Bonner Tibetausstellung 1996 als
    „buddhistisches Armageddon“ bezeichnet. Das letzte Bild der Ausstellung,
    die in der Form eines rituellen Rundganges angelegt war, zeigte eine Szene
    aus dem Endzeitkampf des Rudra Chakrin. Darunter war der folgende Text zu lesen: „Die
    Kräfte des Guten aus dem Königreich Shambhala
    bekämpfen die Mächte des Bösen, die die Welt in ihrer Gewalt haben. [...]
    Phalangen von Soldaten stellen sich zur Schlacht auf, große Karren voller
    Soldaten, klein wie Liliputaner, werden von großen weißen Elefanten in den
    Kampf gezogen, laserartige [...] Gewehre verschießen ihr Feuer, und
    phantastische elefantenähnliche Tiere drängen sich zusammen und kämpfen
    unterhalb des leuchtenden Kreises des Königreiches.“ (8)   Der vorgegebene
    Friedensanspruch des Kalachakra Tantra betrifft
    also einen apokalyptischen „Frieden“. Diesem geht wie in allen anderen
    derartigen Fällen die totale Zerstörung aller Nicht-Gläubigen voraus. „Wenn
    die Initiation (in das Kalachakra-Tantra) in
    Europa oder Amerika gegeben wird, wird sie oft als ‚Kalachakra
    für den Weltfrieden’ bezeichnet.“ – schreibt der Tibetologe
    Donald S. Lopez Jr. – „Dieser Friede mag eine besondere Bedeutung haben,
    denn diejenigen, die die Initiation empfangen, pflanzen den Samen in ihrem
    nächsten Leben in Shambhala, dem reinen Land der
    Buddhisten jenseits der Berge wiedergeboren zu werden, dem Land, das die
    Aufgabe hat den Buddhismus zu bewahren. Im Jahre 2425 wird die Armee des
    Königs aus Shambhala ausstreunen, die Barbaren in
    einem buddhistischen Armageddon schlagen, den Buddhismus in Indien und der
    ganzen Welt etablieren und eine Herrschaft des Friedens einleiten.“ (9)   Angst und Schrecken kommen
    auf die Welt zu, so will es das apokalyptische Muster. Aber das gilt
    nur für die Ungläubigen, nicht dagegen für die „Auserwählten“. Ganz in
    diesem Sinne beruhigt der Tibetologe und Kalachakra Experte Alexander Berzin seine buddhistischen
    Schüler: „Wir brauchen uns aber keine Sorgen zu machen, dieser Krieg wird
    nicht die ganze Erde zerstören. In diesem Krieg werden die Truppen von Shambhala eingreifen und uns helfen und die Guten
    werden gewinnen. Dann fängt das goldene Zeitalter an.“ (10)   Der Einsatz von SuperwaffenAls ein hervorstechendes
    psychologisches Kennzeichen des apokalyptischen Terrorismus hat der
    amerikanische Sozialpsychologe Robert J. Lifton
    die Obsession durch exzessive Waffenphantasien nachweisen können. Es gibt
    in den Religionen keinen traditionellen Armageddon-Text, der, wie das
    angeblich „friedensfördernde“ Kalachakra-Tantra,
    so konkret und ausführlich
    Systeme von „Massenvernichtungswaffen“ ausmalt, die am Ende der
    Zeiten zum Einsatz kommen sollen. Deren 
    Beschreibung sind im Originaltext mehr als 20 Strophen gewidmet. (Shri Kalachakra
    I. 128 bis I. 149)   „Jetzt werden die Maschinen
    vorgestellt, um die Forts der bösen Feinde zu zerstören.“ – mit diesen
    Worten beginnt der Gelehrte Pundarika seinem
    ausführlichen Kalachakra-Kommentar
    zu den buddhistischen Wunderwaffen. (11) Dabei handelt es sich um
    verschiedene Arten und Größen von Rotationsscheiben, mit denen man unter
    anderem blitzschnell die Köpfe von Tausenden seiner Feinde abrasieren und
    ganze Festungsanlagen „pulverisieren“ kann. Das im Text beschriebene
    Kriegsgerät durchschießt, zerstückelt, verstümmelt, verbrennt,
    tötet, rottet aus, zerstört und vernichtet.
    Eine sogenannte „Windmaschine“ wird gegen Bergforts eingesetzt. Sie
    schwebt über der feindlichen Anlage und schüttet brennendes Öl darüber aus.
    Eine „Schwert-im-Boden-Maschine“ reißt jeden in Stücke, der sich dem
    Shambhala König Rudra Chakrin unrechtmäßigerweise nähert. Die „Harpunen-Maschine“
    ist eine Art Stalinorgel (Katjuscha). Nach
    einem Fingerabzug „schießt sie viele starke Pfeile und scharfe Harpunen
    ab, die durch den Körper eines durch die Rüstung geschützten Elefanten
    dringen und ihn in Stücke schneiden.“ – heißt es in der
    Originalschrift. (Shri Kalachakra I. 140)   Nach der Vorstellung
    tibetischer Lehrer hat der historische Buddha, als angeblicher Verfasser
    des Kalachakra-Tantra, die
    kommenden Schlachten mit den Worten seiner Zeit beschrieben. Die
    traditionellen Waffengattungen müssen also durch moderne ersetzt werden.
    Nicht nur fundamentalistische Pfarrer aus Texas sondern auch kriegerisch
    eingestellte Lamas aus Tibet schwelgen in militaristischen Endzeitbildern.
    Zum Beispiel glaubt Lama Khenpo Lodrö Sangpo, dass die Feinde
    der buddhistischen Armee in der Anfangsphase der Auseinandersetzungen einen
    offensiven Luftschlag gegen Shambhala
    durchführen: „Einige ihrer Flugzeuge werden in den Fluss stürzen, der am
    Palast im Herzen Shambhalas entlang fließt, so
    dass sich das Wasser mit Menschenblut rot färbt. Durch diesen Anblick von
    tiefer Wut erfasst, wird Rudra Chakrin  den
    Eindringlingen, die sein Königreich entweihen, entgegenstürmen
    und sie vernichten.“ (12) In einem traditionellen Kalachakra
    Kommentar ist von „Steinpferden mit der Kraft des Windes“ die Rede, die zum
    Einsatz gelangen. Lama Chopgye
    Trichen Rinpoche
    spekuliert darüber,  dass mit dem
    „Stein“ der Brennstoff der Flugzeuge gemeint ist, „der aus den Felsen in
    der Erde gebohrt wird. Andere [Lamas] interpretieren den 'Stein' als
    Rohmaterial, das zur Herstellung der Flugzeuge benötig wird. Wie dem auch
    sei, die Meditation über das Beste aller Pferde befähigt Rudra Chakrin
    dazu, alle Waffen und Fahrzeuge zu materialisieren, die die Barbaren mit
    Hilfe ihrer Wissenschaft und Technik herzustellen in der Lage sind.“ –
    schreibt Edwin Bernbaum, Verfasser eines populären
    Buches über Shambhala. (13)    Buddhistische Djihadisten und die Sakralisierung des KriegersDie Parallelen der im Kalachakra-Tantra
    beschriebenen buddhistischen Kriegerphilosophie zur muslimischen Djihad-Doktrin sind auffallend. Beide
    Religionssysteme sprechen von einem „äußeren“ und einen „inneren“ Heiligen
    Krieg. In der moslemischen Djihad Tradition wird
    der innere, große Krieg (djihad akbar) als der Kampf gegen die ungezügelten
    Leidenschaften, gegen die schlechten Gefühle und falschen Gedanken
    angesehen, der äußere, kleine Krieg (djihad
    asghar) als der Kampf gegen die Feinde der
    islamischen Lehre. Entsprechend fasst der ägyptische Fundamentalist Sayyid Qutb zusammen: „Der
    Krieg ist zuerst ein innerer Krieg der Reinigung, dann ein permanenter
    Kampf, eine mystische, politische und militärische Erfahrung sui generis,
    es gibt keinen Vergleich mit irgendeinem anderen Krieg.“ (14)   Das gleiche gilt für das Kalachakra Tantra. Alexander Berzin, der
    sich ausführlich mit den Parallelen in der islamischen und buddhistischen
    Kriegerphilosophie auseinandergesetzt hat, kommt zu dem Schluss: „Eine
    sorgfältige Untersuchung der buddhistischen Texte, insbesondere der Kalachakra Tantra Literatur, zeigt, dass in der Tat
    beide Schlachtenebenen, die externe und die interne, leicht als Heilige
    Kriege angesehen werden können. Eine unbefangene Studie des Islams
    zeigt dasselbe. In beiden Religionen, mögen Führer die externen Dimensionen
    des Heiligen Krieges für ihren politischen, ökonomischen und persönlichen
    Gewinn ausbeuten und dazu benutzen ihre Truppen in die Schlacht zu führen.
    Historische Beispiele für den Islam sind gut dokumentiert; aber man sollte
    sich keine rosarote Brille im Fall des Buddhismus aufsetzen und glauben,
    dass er diesem Phänomen gegenüber immun sei.“ (15) An anderer Stelle wird
    Berzin noch prägnanter: „Die Kalachakra
    Darstellung des Shambhala Krieges und die
    islamische Diskussion über den Djihad zeigen
    bemerkenswerte Ähnlichkeiten.“ (16)   Wir haben es also im Falle
    des „Shambhala Krieges“ zugestandenermaßen mit
    einer buddhistischen Version des „Djihad“ zu tun
    und das ganz unabhängig davon, ob man nun von einer „sanften“ oder einer
    „aggressiven“ muslimischen Interpretation des „Heiligen Krieges“ ausgeht.
    Nach der sanften Deutung ist der islamische Djihad
    defensiv und richtet sich nur gegen Gegner, die den Islam angreifen. Nach
    der aggressiven Interpretation ist der Djihad ein
    „Heiliger Krieg“ mit dem Ziel einer Welteroberung. Letzteres lässt sich
    zweifelsohne auch vom Shambhala Krieg des Kalachkra-Tantra sagen, der nicht endet
    bis das „barbarische Dharma“ (die Lehren der drei
    monotheistischen Religionen) zerstört und das buddhistische Dharma weltweit etabliert ist. Der Shambhala-Krieger
    erweist sich somit als die buddhistische Variante des Mujaheddin,
    des islamischen „Gotteskriegers“.    Die Zeit zum Kriegseinsatz
    ist aber noch nicht gekommen. Deswegen heißt es, dass alle Teilnehmer an
    der vom Dalai Lama durchgeführten Kalachakra-Einweihung
    als „Shambhala-Krieger“ wiedergeboren werden. Sie
    kämpfen dann in der prophezeiten Endzeitschlacht gegen die Feinde des
    Buddhismus. Die meisten von ihnen bilden wahrscheinlich das Fußvolk einer
    heiligen Armee, die nach traditionellen Kommentaren sechs Millionen
    Infanteristen aufweist. (17) Im Offizierkorps der
    Shambhala Armee finden sich dagegen die höheren Lamaränge wieder: „Dem Heer von Shambhala
    werden auch die Reinkarnationen vieler tibetischer Lamas als
    befehlsführende Offiziere angehören. [....] Einige von ihnen wissen bereits
    jetzt ihren zukünftigen Namen und kennen den Rang, den sie innehaben
    werden.“ – schreibt der Shambhala Experte Edwin Bernbaum, der sich dabei auf  tibetische Quellen beruft  – „So soll der Abt des Klosters Reting in der Nähe von Lhasa
    zum Beispiel als der General wiedergeboren werden, der die Truppe der
    rechten Gebirgsflanke befehligen wird. [....] Der ältere der beiden Lehrer
    des Dalai Lama zum Beispiel wird ein Oberst sein und die fünfte Division
    befehligen. Sein Name ist Senge Rinpoche.“ (18) Nach Ansicht Lama Khamtrul
    Rinpoche ist es der wiedergeborene Dalai Lama
    selber, der als zorniger Rudra Chakrin („zorniger Raddreher“) die buddhistische Armee
    kommandiert. (19)   Die tibetisch buddhistische
    Vision vom sakralen Krieger ist aber nicht nur Zukunftsmusik. In der
    Rotmützensekte des Lama Chögyam Trungpa werden mentale und körperliche Übungen gelehrt,
    die in diesem Leben schon die „inneren“ Bedingungen schaffen sollen, um als
    wiedergeborener Shambhala Krieger die
    buddhistische Armageddon Schlacht auszufechten. Erste Voraussetzung für ein
    solches Shambhala Training ist es, einen Zustand
    der „Ichlosigkeit“ herzustellen. Die Ausschaltung des Individuums sei „in
    den Shambhala
    Lehren von großer Wichtigkeit.“ - schreibt Trungpa
    - „Es ist unmöglich ein Krieger zu sein, solange Sie die Ichlosigkeit nicht
    erlebt haben. Ohne Ichlosigkeit wird Ihr Bewusstsein immer mit Ihrem Ich,
    Ihren persönlichen Plänen und Vorhaben erfüllt sein.“ (20) In den sogenannten Vajradathu-Gruppen
    wurde schon zu Lebzeiten Trungpas dieses Training
    in Militäruniformen durchgeführt. „Es war ein richtiger Armee Drill“ –
    erzählte später einer der Teilnehmer. Der mittlerweile verstorbene Shambhala-Lama selber pflegte bei den Übungen eine
    Generalsuniform mit Schirmmütze, Epauletten, Seitenriemen, Koppel und
    Schaftstiefel anzuziehen und galoppierte auf einem Schimmel über die Felder
    wie dereinst der buddhistische Endzeit-Messias Rudra
    Chakrin. (21)   Buddhokratie und Weltenherrschaft„Nach seinem Sieg wird [Rudra Chakrin]
    seine Herrschaft über die gesamte Welt ausdehnen und das Goldene Zeitalter
    einrichten.“ – heißt es in einem Kalachakra-Kommentar.
    (22) Wenn in der ersten Strophe des Kalachakra-Tantra
    gesagt wird, der Buddha habe dieses Ritual zur „Befreiung der Menschheit“
    gelehrt, dann ist damit nicht die „Freiheit“ des modernen Rechtsstaates
    gemeint, sondern die absolute Verbindlichkeit der buddhistischen Prinzipien
    in einer weltweiten „Buddhokratie“. In deren
    Zentrum steht ein gottähnlicher Übermensch, der Shambhala
    König. Er regiert „mit der Macht und dem Reichtum eines Weltenherrschers (Chakravartin) in einem von Gold und Edelstein
    glänzenden Palast“. (23) Umgeben ist er von einem Stab „ausgezeichneter
    Minister und Generäle und einer großen Anzahl von Königinnen“, (24) die er
    bei seinen sexualmagischen Ritualen als Partnerinnen benutzt.   Die politische Organisation
    des prophezeiten Shambhala Reiches ist absolutistisch,
    totalitär und undemokratisch. Ein irdisches und unvollkommenes Abbild
    dieser „idealen“ Buddhokratie war der tibetische
    Mönchsstaat. Wie im alten Tibet der Dalai Lama so vertritt der Shambhala König als absoluter Herrscher Recht, Ordnung
    und Gesetz. Eine  Gewaltenteilung der
    Staatsorgane  und eine Trennung von
    Religion und weltlicher Macht sind unbekannt. Die verschiedenen
    Verwaltungsebenen des Shambhala Staates
    (Vizekönige, Gouverneure und Beamte) gelten als die verlängerten Arme des
    sakralen Herrschers. (25)   Mit solch buddhokratischen
    Vorstellungen tritt heute der amerikanische Tibetologe,
    Robert A. Thurman, Vater der bekannten Hollywood
    Schauspielerin Uma Thurman,
    an die Öffentlichkeit. Die dekadente westliche Welt  sei reif für die Machtübernahme durch den
    Lamaismus, erklärte Thurman Ende der 90er
    Jahre   – „dann braucht die
    klösterliche Bewegung als gesellschaftliche Gegenkultur [....] nicht länger
    im Hintergrund zu wirken. Erleuchtete Weise können
    nun damit beginnen, ihren königlichen Eleven [den Politikern] Ratschläge zu
    erteilen, wie sie ihre gesellschaftlichen Tagesgeschäfte erledigen, also
    ihre politische Praxis, gestalten sollten. [....] Die Erleuchtungsbewegung
    [der Lamas] als Gegenkultur wird zur Hauptströmung und übernimmt offiziell
    die Verantwortung für die gesamte Gesellschaft, wie dies schließlich in
    Tibet der Fall war.“ (26) - „Auf der Bonner Tibetkonferenz
    von 1996 rief Thurman aus: „Ja, nicht Theokratie,
    sondern Buddhokratie. Ich liebe es nicht, von
    Theokratie zu reden, weil dies eine Zuordnung zum Heiligen Römischen Reich
    herstellt [....] weil es die Konzeption von einem autoritären Gott hat, der
    das Universum kontrolliert.“ (27)    Das Kalachakra-Tantra
    und der Shambhala-Mythos sind
    geradezu zwei klassische Varianten der Apokalyptischen
    Matrix und tragen deswegen mit zu den 
    Untergangsphilosophien bei, die das allgemeine Armageddon-Klima
    empfindlich anheizen. Aber es gibt einen wesentlich Unterschied zu den
    monotheistischen Glaubensrichtungen. Im jüdischen, christlichen und
    islamischen Fundamentalismus wird die Apokalypse durch Wort und Tat
    propagiert, im tibetischen Buddhismus kommen Meditation, Ritual und Magie
    hinzu. Wenn der Dalai Lama erklärt, wir sollten uns „innerlich
    entmilitarisieren, indem wir unseren negativen Gedanken und Gefühlen
    Einhalt gebieten und positive Eigenschaften entwickeln“, um damit „die
    Voraussetzungen für eine äußere Abrüstung“ zu schaffen, so geschieht das
    gerade nicht im Kalachakra-Tantra. (29) Dort sind nicht nur
    die äußeren Vorgänge destruktiv und apokalyptisch, sondern auch die
    inneren.     Nach einem säkularen
    Weltverständnis haben rituelle und magische Praktiken keine Wirksamkeit auf
    die gesellschaftlichen und politischen Prozesse, nach dem esoterischen
    Selbstverständnis des Lamaismus aber gelten sie seit Jahrhunderten als ein
    Mittel der Machtpolitik. Die Lama Priester verstehen ihre Riten und
    Formelgebete als eine Arbeit auf der Ebene des Bewusstseins und sind nach
    eigener Einschätzung davon überzeugt, die „Paradigmen“ von Kulturen
    beeinflussen zu können. Nicht nur Gewalt, sondern auch die Manipulation des
    Bewusstseins ist eine Methode, um Kulturen zu verändern, zu schwächen oder
    zu zerstören. Bevor Menschen apokalyptisch handeln, müssen sie
    zuerst apokalyptisch imaginieren, träumen und denken. Die
    schamanistisch geschulten Lamas kennen sich in solchen Fragen der
    menschlichen Vorstellungskraft gut aus.   Kaum eine andere Kultur hat den
    Zusammenfall von Staat und Kirche, von Religion und Politik so zur
    Perfektion gebracht wie die lamaistische. Sie repräsentiert in fast allen
    Aspekten des öffentlichen und privaten Lebens das pure Gegenteil von einer
    Gesellschaft, die sich an humanistischen und demokratischen
    Wertvorstellungen orientiert. Dennoch konnte der Lamaismus, der so viele
    fundamentalistische Züge aufweist, eine geradezu beängstigende
    Attraktivität im Westen gewinnen. Ursache dafür sind Unwissenheit und
    Täuschung.    In Erinnerung an den Fall des
    Ayatollah Khomeini sollte einen die kritiklose Unterstützung des Dalai
    Lamas hellhörig und vorsichtiger machen. Zuerst vom Westen gefördert, wurde
    dieser „Heilige Mann“ nach seiner Machtübernahme zum ideologischen Mentor
    des modernen islamischen Fundamentalismus und Terrorismus. Eine der
    seltenen Stimmen, die hier Parallelen zum Casus
    Dalai Lama ziehen, meldete sich in einem Artikel der Pariser Zeitung L’Express zu Wort, in dem die mögliche Heimkehr
    des Religionsführers nach Tibet diskutiert wird: „Will man dort mit der
    Rückkehr des Dalai Lama ein theokratisches System errichten? Welch eine
    Ironie für ein Land [China], das an der vordersten Front des Laizismus
    steht. Was auch immer die kommunikativen und charmanten Talente dieses
    Religionschefs sein mögen, seine Rückkehr würde die Diktatur der Mönche von
    Sera und Drepung [die zwei bedeutendsten Klöster
    Tibets] bedeuten, die ebenso fähig sind die armen Bauern auszupressen wie
    kleine Kinder zu rekrutieren, um aus ihnen Mönchlein zu machen. Und das mit
    einem Obskurantismus im Zentrum, der vom Tantrismus ausgeht. In der
    Vergangenheit haben wir unter dem Vorwand, gegen den Schah im Irak zu
    kämpfen, den Ayatollah Khomeini empfangen und ihm geholfen und wir haben
    ihn darauf vorbereitet die Macht zu übernehmen.“ (30) © Victor und
    Victoria Trimondi   
     
 Gesamtübersicht   Nächstes Kapitel (3) Buddha
    gegen Allah   Vorangegangenes Kapitel (1) Die vier „Weltvernichtungen“ der
    lamaistischen Apokalyptik   Die englische
    Version des Buches “Der Schatten des Dalai Lama“ finden Sie unter: The
    Shadow of the Dalai Lama – Sexuality, Magic and Politics in Tibetan
    Buddhism  Empfehlung abschicken
   
     
 Die Verlinkungen in den Fußnoten wurden
    das letzte mal 2006 überprüft:   (1)
    Shri Kalachakra
    I 167- Die Übersetzung des „Shri Kalachakra“ stammt aus John Ronald Newman - The outer wheel of time: Vajrayana buddhist cosmology in the Kalacakra Tantra - Madison 1987, 633 - 638 (2)
    Michael Henss - Kalachakra - Ein
    tibetisches EinweihungShritual - Zürich 1992,
    31 (3)
    In: Edwin Bernbaum - Der Weg nach Shambhala - auf der Suche nach dem sagenhaften
    Königreich - Hamburg 1982, 30 (4)
    Nicholas Roerich - Shambhala- Das
    geheime Weltenzentrum im Herzen Asiens - Freiburg 1988, 218 (7) Jean M. Rivière - Kalachakra -
    Initiation tantrique du Dalai Lama - Paris
    1985, 9    (12)
    Edwin Bernbaum - Der Weg nach Shambhala - auf der Suche nach dem sagenhaften
    Königreich - Hamburg 1982, 251/252 (21) Kidder Smith – „Transmuting Blood and Guts: My Experiences in
    the Buddhist Military“ – in Tricycle – The Buddhist Review – Summer
    2001, 74 (23)
    Michael Henss - Kalachakra - Ein
    tibetisches Einweihungsritual - Zürich 1992, 29 (24) John Ronald Newman - The
    outer wheel of time: Vajrayana buddhist cosmology in the Kalacakra
    Tantra - Madison 1987, 57 (26)
    Robert A. Thurman – Revolution von Innen – Die
    Lehren des Buddhismus oder das vollkommene Glück – München 1999, 160, F.
    11 (27)
    Robert A. Thurman – „Tibet Konferenz Bonn 1996“ -
    (Tonbandaufnahme)  (28)
    In: Edwin Bernbaum - Der Weg nach Shambhala - auf der Suche nach dem sagenhaften
    Königreich - Hamburg 1982, 255 . In anderen Texten wird die Dauer des Shambhala Reiches auf 800 Jahre geschätzt. (30) L’Express
    am 23.02.04   Empfehlung abschicken
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