BUDDHISMUSDEBATTE
Tantrismus, Sexualität und
politische Macht
Zu diesem Thema siehe auch unser
Interview in der Zeitschrift YABUM -
Berechtigte Zweifel. Günther Nennings unten abgedruckte Rezension unseres Buches Der Schatten des Dalai Lama ist dieselbe, die am 22.
März 1999 in der Wiener PRESSE erschien.
Günther
Nenning - BUDDHAS FREUDENHAUS
Günter Nenning und der tantrische
Buddhismus - Eine Rezension seines Buches "Buddha, Jesus und der Rest
der Welt" (PATTLOCH VERLAG - 1999)
Buddha ist in - Christus ist out
Die neue Globalreligion ist tantrisch-buddhistisch!
Kurzbesuch in Allahs Freudenhaus
Der Dalai Lama als der Papst des neuen Milleniums
Günther Nenning (geb.
1921) ist ein bekannter Wiener Publizist. Politisch nennt er sich
"rot, grün und halbschwarz". In seinem vorletzten Buch "Gott
ist verrückt" entwirft er eine Theologia sexualis, ein sexualfreudiges Christentum; in dem hier
besprochenen Text "Buddha, Jesus und der Rest der Welt" (1999)
überträgt er seine Sexualtheologie auf den Buddhismus.
Dadurch, daß sich der
Autor in seinem Werk explizit "zur Wirrheit als Methode" bekennt
("Das Wohlgeordnete ist bloßer Schein, die mir mögliche Wahrheit ist
fragmentarisch" - 217), hat er sich von vorneherein einen Freibrief
ausgestellt, alles - wie ungereimt dies auch sein mag - zu sagen, sich ohne
Hemmungen zu widersprechen und in der Tat "wirres Zeug" von sich
zu geben. Dazu kommt noch, dass er partout witzig sein will. Das
erleichtert unsere Aufgabe als Rezensenten nicht, zumal in diesem Buch ein
bedeutendes Thema angesprochen wird, denn es geht Nenning
um nichts Geringeres als um die Globalisierung der Religionen und um die
Verbindung von Religion und Sinnlichkeit. Beides sind Königsthemen der
kommenden Kulturdebatte im nächsten Jahrhundert und man sollte sich
eigentlich darüber freuen, dass ein Autor wie Günther Nenning
den Mut gezeigt hat, dieses schwierige Territorium zu betreten. Was aber
dabei herausgekommen ist, muß als eine
"wirre" Wiener Operette mit Buddha und Christus als
Hauptdarstellern und zahlreichen lustigen Madel'n
in den Nebenrollen bezeichnet werden.
Trotz der "Wirrheit als Methode" lässt
sich Nennings Vision auf einen simplen
Syllogismus reduzieren, der folgendermaßen lautet: Die Weisheiten des
Buddhismus sind umfassend, die Lehren des Christentum sind begrenzt, also
eignet sich der Buddhismus mehr zu einer Globalisierung der Religion als
das Christentum. Con variatione durchzieht dieser Dreiklang die gesamte Nenning'sche Operette und erklingt zum Beispiel an
anderer Stelle folgendermaßen: Buddhisten sind sexualfreundlich,
Christen sind sexualfeindlich, also ist der Buddhismus die Grundlage für
eine globale "Theologia sexualis".
Überhaupt ist die Lust im vermeintlich sexualfreundlichen tantrischen
Buddhismus das Hauptsujet in diesem Oeuvre und taucht in fast allen Akten
auf, in denen Nenning seine beiden
Religionsgründer auf die Bühne bringt. Wir werden uns deswegen auch auf
dieses Zentralthema bei unserer Rezension konzentrieren. Aussagen, welche
den Buddhismus als eine Nachfolgeorganisation der sozialdemokratischen
Partei ("Der Mahayana Buddhismus ist heiliger Sozialismus" - 77)
lassen wir außer Acht, weil sie auch bei Nenning
eine Randerscheinung bilden, ihm, als dem "lachenden Ziegenbock"
(84), geht es vor allem um die sexuellen Freuden im Himmel und auf Erden.
Buddha
ist in - Christus ist out
Schon zu Beginn wartet Nenning
mit einem Bekenntnis auf und offenbart sich dem Leser als tantrischer
Lebemann: "Mein Herz gehört dem späteren, voll und reich entwickelten
Buddhismus. In ihm ist der Buddha der All- und Ein- und Liebesgott. Er
wohnt in den Schamlippen der Frauen. Er ist untrennbar von den auf seinem
Schoß sitzenden und mit ihm sich vereinigenden Frauen. Er ist Gott, der
Göttin ist." (8) Mit dieser Aussage hat das "ultimative
Rennen" zwischen Buddha und Christus um den religiösen Worldcup
begonnen. Wer ist der Champion?
"Wird der Globus im neuen Jahrtausend
buddhistisch sein" - fragt Nenning -,
"Hollywood-buddhistisch, echt buddhistisch? Buddha besiegt Jesus,
Asien besiegt Europa?" (57) Auf die Plätze! Fertig! Los! "Das
Christentum ist eine schöne Religion, aber unbequem. Der Buddhismus ist
eine schöne Religion, aber bequemer. Der moderne Mensch will seine
Bequemlichkeit. Also verliert Jesus, Buddha gewinnt. Vielleicht sind sie
unterwegs zum Endspiel, blablabla. Na schön,
Buddha schlägt Jesus, in der ersten Halbzeit steht es 1:0: das ist das
Weltenrad, das sich dreht. Buddha gegen Jesus 0:1 wäre genauso das
Weltenrad, das sich dreht." (59) Also ist noch nichts entschieden?
Doch! - Nenning wartet das Rennen keineswegs ab,
er hat schon Partei ergriffen, ja er weiß, dass sein Favorit derzeit nicht
nur vorne liegt, sondern die Rallye gewinnen wird. "Jesus ist out,
Buddha mega in. Der Westen fällt auf Buddha
herein. [schreibt Nenning mit Begeisterung]. Wir
zappeln in der Buddha Falle. Dem Westen fällt gar nix mehr ein. Er ist auf
Import angewiesen. Buddha boomt." - heißt es auf S. 20 seines
Buches.(20)
Der Buddhismus ist für Nenning
die Mega Religion der Zukunft oder das Katholikon (das Allumffassende), welches alle anderen Religionen in
sich integrieren kann: "Nicht der Buddhismus erwies sich als einschließbar ins Christentum, wo eine Ruhe-Religion
durchaus ihren Platz finden könnte. Sondern das Christentum und überhaupt
sämtliche Religionen erwiesen sich als einschließbar
in den Buddhismus, der souverän unlogisch versichert: Wer immer welche
Religion immer hat, er möge sie haben, sie tut ihm gut für den Weg zu
Buddha, wenn einer eine/seine Religion mitbringt in den Buddhismus. Im
Bauch des Buddhas hat alles Platz. Im Bauch des Jesus ausdrücklich nicht.
Er erhebt Anspruch auf Ausschließlichkeit. Er hat keinen Bauch. - Wer
gewinnt? .....Sagen wir: Buddha ... Das macht doch nichts. Wer gewinnt,
interessiert weder Christus noch Buddha. Sie stehen drüber." (20)
Trotz dieses salomonischen Weisheitsspruchs bringt
(der Antikapitalist) Nenning die beiden
Religionsgründer weiterhin in eine scharfe Konkurrenz, wobei in fast allen
Fällen Christus den Looser und Buddha den Winner
spielt. Wir geben eine kleine Auswahl aus seiner religiösen Sportreportage:
Buddha lacht - Jesus ist traurig: "Das Lächeln des Buddha und der
Jammer im Auge Christi." (118) Im Buddhismus "geht es um die
absolute Ruhe, nicht um die christliche Nervosität, zu einem persönlichen
Gott zu gelangen." (64) "Buddha ist die Ruhe, Christen sind
Leistungsfanatiker." (46) "Wir Christen sind Idioten, und Buddha
ist ein großer Lehrer!" (10) "Die buddhistische Gelassenheit, an
der fehlt es bei den Christen." (17) Buddhisten sind
"großzügiger. Sie sind Weltbürger. Verglichen mit ihnen sind wir
Christen Kleinbürger." (129) Wer will da noch Christ bleiben, denn:
"Wenn mich Christen der Buddhismus frisst, gelange ich näher an die
Vollkommenheit." (13)
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem
Buddhismus sowohl dogmatisch als auch historisch ist für Nenning ein Unthema. Dabei
würde er ebenso viele Problemkreise entdecken wie in der Geschichte des
Christentums und schon gar nicht würde er dort einen Buddhismus vorfinden
wie ihn seine rege Männerphantasie ausmalt. Aber das macht nichts, es geht
nicht um Inhalte, was für Nenning zählt ist
ausschließlich die Überlebensfähigkeit eines religiösen Systems. Sie lässt
die vergangenen Untaten vergessen. Das proklamiert der Autor schon für die
katholische Kirche und tut dies ebenso für den Buddhismus: "Die Kirche
ist zäh." - so Nenning - "Sie überlebt,
mit ihren Verbrechen, Irrtümern, Fehlern. Ich finde das unglaublich, es ist
ein Wunder und folglich doch glaublich." (58)
An einigen Stellen seines Buches erinnert er sich
noch einmal an seine sozialdemokratische Vergangenheit, dort ist von
gesellschaftlichem Engagement und Aufhebung der Weltenarmut die Rede, das
hindert ihn aber nicht, der Kirche trotz ihrer Verbrechen seine Absolution
zu erteilen, nur weil sie überlebt hat. Nicht einmal ein traditioneller
Christ würde heute einen solchen Freibrief ausstellen und selbst der
konservativer Papst (Johannes Paul II) hatte den Mut, sich für die
Verfehlungen der Kirche in der Vergangenheit zu entschuldigen. Nenning ist von der Überlebensfähigkeit des Papsttums
so überzeugt, dass er glaubt, dieses werde eher buddhistisch werden, als
untergehen. Das ist in der Tat die Perspektive, auf die Nenning
hinarbeitet, denn alles in der Lehre des Buddha ist besser als in der Lehre
des Jesus Christus und die Kirchenväter erweisen sich bei näherer Hinsicht
als verborgene Buddhisten.
Der Autor ist auch der Auffassung, daß die Tierliebe im Buddhismus weit mehr zuhause sei
als im Christentum.(23) Er begründet dies damit, ein Mensch könne - nach
buddhistischer Doktrin - auch als Tier wiedergeboren werden und ein Dackel
könne sich (theoretisch) zu einem Buddha empor entwickeln (Nenning: "Waldi ist
Buddha"). Auch diese Tierliebe ist, wie fast alles in der Nenning'schen Operette, ein Phantasiestück. Eine
Inkarnation als Tier wird im Buddhismus, gleich welcher Schulrichtung, als
etwas äußerst Niedriges und Bedauerliches angesehen und man stellt sich
eine solche Wiedergeburt als sehr große Leidenssituation dar. Dagegen ist
die Geburt als Mensch ein bedeutendes Privileg, denn nur ein Mensch kann
die Einsicht gewinnen, den Erleuchtungsweg zu betreten. Eine Tierexistenz
gilt als eine sehr schwierige Ausgangsposition und erst eine Wiedergeburt
des Tieres als Mensch ist notwendig, um den Buddhapfad
zu beschreiten. Vielleicht ist der buddhistische Vegetarismus etwas
Tierfreundliches. Aber für die tantrischen Buddhisten (die Nenning so hoch schätzt) und für den gesamten
tibetischen Buddhismus gilt dieses Gebot bis heute nicht. Verboten ist
nicht der Genuss von Tierfleisch, sondern das Schlachten von Tieren. Dies
üben in Tibet seit alters her die Moslems aus und verdienen gut dabei. Die
Konsumenten sind die Buddhisten, allen voran die tibetischen Lamas. Die
islamische Metzgerzunft wird heute immer wieder als ein Beispiel für die
Toleranz im alten Tibet angeführt, welches beweisen soll, dass der Lamaismus
auch andere Religionen neben sich geduldet habe.
Selbst die buddhistische Hölle, in der - wie Nenning selber schreibt - "gekreuzigt, gebraten,
gepfählt, gepeitscht und mit Eisenhämmern der Schädel eingeschlagen
wird." (130/131) gilt im Gegensatz zur christlichen Hölle als
akzeptabel und wird als eine progressive Wohltat herausgestellt - nur weil
sie nicht ewig zu erleiden ist. Wer die einschlägigen tibetischen Texte
liest, der wird jedoch bald feststellen, dass Höllenstrafen von Millionen
von Jahren die Norm und nicht die Ausnahme bilden.
Buddha schlüpft für Nenning
in die Rolle des christlichen Gottes. Er wird zum Alleinherrscher:
"Klar ist: in der Fülle und der Überfülle des Buddhismus gibt es eine
fortschreitende Entfaltung der Buddha-Gestalt hin zum Ein- und Allgott der Liebe. Er ist Retter, Befreier, Heiland.
Buddha wandelt sich vom menschlichen Lehrer der Weltflucht zum göttlichen
Weltenherrscher. Der ADI BUDDHA ist der 'Buddha des Anfangs und Endes'. Er
ist das Alpha und Omega: er hat verblüffende Züge des Gottes der Christen:
allmächtig, allwissend und Schöpfer aller Dinge." (143) Wir werden
noch sehen, dass der Autor - diesen theologischen Gedanken fortsetzend -
uns den Dalai Lama als zukünftigen Papst präsentiert.
Aber im Grunde ist der Wiener gemütlich und will's
mit koan'm verderben. Nenning
möchte am liebsten der Hofnarr von allen Parteien (grün, schwarz, rot oder
christlich, buddhistisch, islamisch) sein und seine "Verwirrung als
Methode" hilft ihm bei diesem Anliegen. Bescheiden wiederholt er deswegen
mehrmals in seinem Buch, nachdem er die Christen vorher als
"Idioten" bezeichnet hat, den Satz. "Buddha interessiert
mich nicht, damit ich Buddhist werde. Buddha interessiert mich, damit ich
ein besserer Christ werde." (10) Oder: "Buddha ist Teil meiner
christlichen Ausrüstung" (137) Good News für
das Christentum? Nein doch Bad News - wer emsig im Buch sammelt, der kommt
unweigerlich zum Schluss: Buddha ist doch der Champ!
Er wird das Rennen im Globalisierungswettlauf gewinnen.
"Der Buddhismus ist" - so Nenning - "die am leichtesten globalisierbare
Religion. Drum kommt sie auch gut voran. Hollywood wird Buddhawood.
Der Rest des Globus folgt. Christentum ist zu kompliziert, zu
anspruchsvoll. Meditieren gegen Stress - das ist brauchbar, das kriegen wir
hin. Schöne Worte in orangenroten Gewändern." (19) Hat jetzt noch
einer Zweifel wegen Nennings "verwirrten
Methode"? Der folgende Satz auf Seite 20 formuliert das globale
Kulturprogramm für das kommende Millennium so kristallklar, dass jeder
Zweifel schwindet. "Was sich globalisiert ist nicht Jesus, sondern
Buddha. Er steigt auf zum Herrn der Globalisierung. Der Dalai Lama ist der
Bill Gates der religiösen Globalisierung" (20) Auf den Dalai Lama als
dem künftigen Weltenpapst kommen wir alsbald zu sprechen, wir möchten aber
zuerst die Motive kennen lernen, die Nenning zu
einer solchen Apotheose des Buddhismus geführt haben.
Die
neue Globalreligion ist tantrisch-buddhistisch!
Diese Motive liegen - wir meinen das natürlich
humorvoll - unter der Gürtellinie, sie sind ausgesprochen sexueller Natur.
Das wirklich Erfolgversprechende an Nennings
Wiener Operette ist, dass es hier um etwas geht, was alle interessiert, um
Sex - Sex und nochmals Sex. "Mein Buddha Buch ist ein sexuelles Buch.
.... Buddha ist eine sexuelle Figur." (9) Der "Erhabene"
erhält die Rolle eines Superstars mit unwiderstehlichem Sexappeal und seine
Religion entfaltet sich in einem ewigen Freudenhaus: "Buddha wird im
Mahayana und vor allem im Tantra zu einem Liebeshelden und Sexprotz [sic!]. Erektion und Meditation, Orgasmus und
Erleuchtung werden schlicht gleichgesetzt." (191)
Es geht wild und heiß zu im Leben des Gautama
Buddha. Aber pflegte der "Erhabene" nicht einen asketischen
Lebensstil? Warum nicht - denn auch wenn ein Buddha hungert - so erfahren
wir - ist er immer noch ein Heißsporn, denn die "moderne
Wissenschaft" habe - so Nenning -
nachgewiesen, dass Unterernährung nicht die sexuelle Lust bändigen könne.
Deswegen gäbe es in den Hungerländern, trotz Eiweißmangels so viele Kinder.
Also - "Als Buddha mitten im Extremfasten war überfiel ihn die
Geschlechtslust", denn "Meditation ist Erektion." (177)
Schon fast vom Fasten erschöpft, erscheinen ihm
drei Madln. Die erste reicht ihm (Wiener) Schlagobers und raunt ihm ins
Ohr: "Rette mich mit deiner leidenschaftlichen Liebe! O großes Wesen,
liebe mich fest und ausdauernd." (175/176) Dieses Milchmädel ist gelb.
Schon erscheint das nächste und säuselt zum Hungerleider: "O
Verkörperung der Lehre, liebe mich fließend!" (176) Dann tritt das
rote Feuermädchen auf die Bühne, gefolgt vom grünen Luftmädchen und vom
weißen Bergmädchen. Buddha vernascht sie alle fünf gleichzeitig und
erreicht dadurch fünfmal den Vollendungszustand. (175/176) "In den
Schamlippen der Frau, ja da genau, weilt der Buddha meditierend." -
Eine Superszene in Nennings Operette, haarscharf
an der Zensur vorbei.
Buddha wohnt auch - so erfahren wir - in den
"Schamlippen der weiblichen Gottheit Naga".
Vorsicht! Naga ist keine weibliche Gottheit
sondern der Schlangengott (wie schon die männliche Sanskritendung des
Wortes zeigt) - aber das macht wohl nichts im tantrischen Tohuwabohu des
Wieners - Hauptsache es ist warm und feucht.
Ebenso wie der historische Buddha, so haben - nach Nenning - die Urtantriker, die Maha Siddhas,
irre sexuelle Nummern anzubieten. Diese Rebellen verließen Ende des vorigen
Jahrtausends die "großen durchorganisierten und dogmatisierten
Klöster. Sie zogen in den Wald, oder an Plätze, wo man Leichen verbrannte,
oder in Bordelle." (183) Toll oder nicht? Nenning
vermeidet es höflich, den Hard Sex der Maha Siddhas zu schildern, der sich auf den Leichenplätzen
abspielte. Das mutet selbst er seinen LeserInnen
nicht mehr zu: Kakophagie, Nekrophilie,
Kindsmissbrauch, Menschenfresserei - vielen perversen Freuden des Marquis de
Sade können wir auch auf den tantrischen Friedhöfen begegnen.
Selbstverständlich wird hier - gemäß dem Bodhisattva
Gebot - der Hard Sex ohne Anhaftung und zum Wohle
aller lebenden Wesen praktiziert - versteht sich. Holla! - Wenn das kein
Paradies ist! Alles ist erlaubt, alles ist heilig!
Leider sind die tantrischen Szenarien, die Nenning uns in seiner heißen Operette aufführt, ein
Produkt der Unwissenheit. Der Buddhismus ist von Beginn an ein
frauenfeindliches und sexualfeindliches System. Davon macht auch der
tantrische Spätbuddhismus keine Ausnahme. Zwar wird dort die Frau in der
Tat erhöht und als Göttin angebetet. Aber dies gilt nur zur Zeit der
sexualmagischen Riten, die mit den Gefährtinnen durchgeführt werden. Danach
fällt die Sexualpartnerin zurück ins soziale Nichts und erleidet alle
klassischen Unterdrückungsmechanismen einer patriarchalen Gesellschaft.
Würde Nenning sich die Mühe machen, das
tantrische Ritualwesen wirklich und gewissenhaft zu studieren (er zitiert
ausschließlich einen Originaltext, das Guhyasamaja
Tantra), dann würde er die extreme Frauenverachtung dieses Systems ohne
weiteres feststellen. Er würde erkennen, dass im buddhistischen Tantrismus
die Energie der Frauen und die Sexualität zwischen Mann und Frau
schlechthin benutzt werden, um die weltliche und spirituelle Macht einer
patriarchalen Mönchskaste zu stabilisieren und auszuweiten. Nur an einer
einzigen Stelle lässt der Autor die androzentrische
Motivation in den Tantras durchblicken und zwar durch ein Zitat von Edward
Conze, dem berühmten Historiker des Mahayana Buddhismus: "Die Anbetung
von Shaktis, weiblichen Gottheiten, mit denen die
männlichen Gottheiten in der Umarmung der Liebesvereinigung verbunden sind
und von denen die männlichen Gottheiten ihre Energie erhalten." (192)
- Darum geht es, um nichts anderes als um die Absorption weiblicher Energie
durch den Tantra Meister, welcher die männliche Gottheit simuliert. Der
Tantrismus ist deswegen keine "sinnliche Ehrenrettung des
Buddhismus" - wie Nenning schreibt - sondern
genau das Gegenteil - er ist die höchste Form männlicher Askese und
zutiefst frauenfeindlich. Prüde - da müssen wir dem Wiener zustimmen - ist
er in der Tat nicht.
Aber ist es wirklich nur Unwissenheit, weshalb der
Autor diese Techniken nicht erwähnt. Er hätte sich leicht durch die Lektüre
anerkannter Tibetologen wie David Snellgrove Klarheit schaffen können, aber auch durch
ein Studium des von ihm zitierten Edward Conze. Wir vermuten eher, dass der
"lustige Theologe" Günther Nenning
(ebenso wie die buddhistischen Tantra Meister) selbst gar nicht an einer
erotischen Begegnung mit der Frau als einem autonomen und gleichwertigen
Wesen interessiert ist, sondern ausschließlich an dem Ausleben seiner
männlichen Sexphantasien. Er benutzt den Buddhismus (der sich kaum in
seinen Schriften wiedererkennen dürfte) als philosophisches Feigenblatt
hierzu.
Tantra heißt für Nenning:
"Die sexuelle Leidenschaft befreit von dem, was Leiden schafft. Sie
verstrickt nicht, sie löst. In der Glut der Vereinigung verbrennt alles Unwesentliche.
Schluss und Knalleffekt der erotischen Ekstase ist die eintretenden
Beruhigung und Befreiung. Orgasmus wird zur höchsten Form buddhistischer
Gelassenheit." (177) - Auch das ist naiv: Ein Orgasmus findet,
zumindest von männlicher Seite im tantrischen Buddhismus nicht statt. Es
gibt ein striktes Gebot, dass der Praktikant sein Sperma nicht verliert.
Sogenannte "Knalleffekte" dürfen auf keinen Fall auftreten. Der
Sexualakt ist - per Dekret - niemals leidenschaftlich, sondern immer cool und
berechnend. Es geht niemals um die "reine Lust" sondern um die
Transformation von Lust in Macht, spirituelle und weltliche. "Ein
grobes Missverständnis der Tantras besteht darin zu meinen" - schreibt
der Münchner Theologe Michael v. Brück in seinem "Anti-Buch" zum
'Der Schatten des Dalai Lama', "dass sie eine subtile Form des
egozentrischen Lustgewinns seien." (Brück 140) - Dies aber ist genau,
was Nenning anstrebt.
Der Autor verrät uns sogar das intime Rezept, durch
das er seine "Kundalini", seine
"innere Schlangenkraft", (mit oder ohne Partnerin) erweckt:
"Jetzt immer noch mit demselben Atem gehe ich nach unten. Ich wölbe
die Hoden, ich weite das After. Immer noch mit
demselben Atem wecke ich die Schlange Kundalini.
Sie liegt am untersten Ende der Wirbelsäule eingeringelt.
Sie richtet sich freundlich auf. Ich lasse sie aufgerichtet. So bleibe ich
eine Zeitlang stehen, immer noch mit demselben Atem. Jetzt atme ich aus.
Die Schlange Kundalini ringelt sich wieder
gemütlich ein, die Hoden werden schlaff, das After schließt sich. Ich
drücke fest nach, bis es ganz fest zu ist. Ich lasse es fest zu."
(149) - so einfach und "gemütlich" kann man nach Nenning Erleuchtung erlangen. Mit einem Vers à la
Wilhelm Busch wird der Schlangentanz auch noch lustig:
Drum finden wir Tantristen gut
Wenn das Glied im Schoße ruht.
Wenn wir ruhen nass und nass
Ist's vorbei mit Gier und Hass.
.......
Kriegen wir nochmals Gier
Bleibt sie zwischen dir und mir
Ferne vom Betrieb der Welt
Treiben wir's wie's uns gefällt
Und moralischen Voyeuren
Raten wir, uns nicht zu stören
Auch im Falle des Falles
Eines dritten Males.
Dass wir uns in Glückes Strömen
Bei der Liebe übernehmen.
Davor bewahrt uns aber
Der Buddha Amitabha
Glied im Schoß und Hand in Hand
Führt er uns ins reine Land. (155/156)
Welcher Wiener, der was auf sich hält, möchte bei
einer solchen "wahren Überschwemmung mit Weiblichkeit" (Nenning) nicht Buddhist werden? Der Tantrismus macht
den Buddhismus - nach Nenning - zu einem
kosmischen Freudenhaus mit Buddha als Dauerkunden.
Der religiöse Populist Nenning
nennt die tantrischen Praktiken emphatisch einen "sexuellen
Volksbuddhismus". Auch diese Bezeichnung ist völlig danebengegriffen.
Vom Buddhismus als einer "Volksreligion" zu sprechen ist
grundsätzlich falsch, da es in diesem System von Beginn an eine klare
Trennung zwischen Volk und der buddhistischen Gemeinschaft (dem Sangha) gibt. Diese Trennung wird im tibetischen System
geradezu auf den Höhepunkt getrieben. Deswegen müssen wir - mit zahlreichen
Indologen - den Buddhismus im Gegensatz zum Hinduismus nicht als
"populär", sondern als höchst "elitär" bezeichnen. Dies
gilt aber in ganz besonderem Maße für den tantrischen Buddhismus. Es gibt
nichts Asozialeres und vom Volk Entfremdeteres
wie die indischen Gründergestalten des Tantrismus, die sogenannten Maha Siddhas (Großzauberer). Asozialität,
die bis hin zum kultivierten Verbrechen reicht, zählt geradezu zur
Ausbildung eines tantrischen Adepten. Das gleiche gilt für Tibet. Auch im
Schneeland ist der monastische Sexualverkehr mit Frauen nur ganz wenigen
vorbehalten und läuft nach einem äußerst strengen Regelsystem ab. Nicht
einmal das Gros der Mönche und schon gar nicht das gemeine Volk dürfen
tantrische Praktiken durchführen. Dem Günther Nenning
ist einfach die "wüste" Phantasie durchgegangen, wenn er
schreibt: "Dem Buddhismus muss man sich von einer unverbrauchten Seite
nähern, ich behaupte: von 'unten', wo die wüste Musik des 'Volksbuddhismus'
spielt, unerhört den westlichen Schweinsohren, peinlich den feinen
'Bildungsbuddhisten' in Ost wie in West. Hier ist die religiöse Potenz,
nicht in den dünnen Ausgüssen der Esoteriker und Dialogtheologen."
(180)
Am Ende seines Buches kommt der Autor noch einmal
auf die tantrische Erhöhung der Frauen zurück. Nenning
plaudert davon, im Tantrismus sei die Frau nicht nur gleichberechtigt,
sondern hier handele es sich um eine Überbetonung des Weiblichen. Die Madeln, die den Buddha umschwirren, seien Göttinnen und
wilde Huren zugleich. Klasse! Das erinnert ihn an den französischen
Philosophen George Bataille: "Bataille wie der gesamte
Tantra-Buddhismus haben mit der Gleichberechtigung der Frau nichts am Hut,
sondern mit der Überberechtigung der Frau: Sie erhöhen den Leib, sie
erhöhen die Frau. Die Frau wird göttlich. Sinnlichkeit wird Heiligkeit.
.... Die Frau soll Frau werden - das ist mein Begehren: ein unerhörtes
Wesen der Zukunft, dem Manne sternenweit überlegen und dringend nötig. Die
Frau als Ziel und Inbegriff unserer Zukunft. Das ist die Botschaft."
(185) Eine solche Wendung kommt wieder einmal - wie so vieles in diesem
Buch - überraschend. Entpuppt sich Günther Nenning
hier als Feminist? In der Tat - wie wir sehen werden - der Autor
proklamiert einen Feminismus eigener Prägung. Wie sieht nun seine Zukunfts Eva aus? "Dafür gibt es auch ein
konkretes Vorbild, erstrebenswert und unerreichbar: MARIA." - erfährt
der Leser etwas enttäuscht. (185) Maria, die Magd ihres Herrn, die im
göttlichen Schöpfungsgeschehen nur eine Nebenrolle spielt - gerade sie, die
ewige Jungfrau, soll Sinnlichkeit und Heiligkeit in sich vereinigen? Nun
gut - "Verwirrung als Methode" sichert auch eine solche These ab.
Aber dahinter steckt etwas anderes. Männer wie
Günther Nenning, die mit buddhistischen
Göttinnen, Hexen und Dakinis herumgurren
und schnurren und die es - wie wir noch sehen werden - auch mit islamischen
Huris treiben, brauchen anschließend eine reine makellose MARIA, welche sie
von ihren "Schweinereien" purifiziert. Nachdem sie die Sau
herausgelassen haben (zum Beispiel mit der tantrischen Göttin Vajravarahi, der "Diamentensau"),
fliehen sie zurück unter den Mantel der christlichen Gottesmutter. Dieses
abgeschmackte Menü nennt sich "religiöser Feminismus als die höchste
Form des Feminismus" (198), gekocht und serviert vom Küchenmeister
persönlich, dem "lachenden Ziegenbock" Günther Nenning: "Wer aber firm ist im künftigen
Feminismus, fest und treu zum Ziel steht: Freiheit der Frau - der darf
schon Urlaub nehmen im fernen Lustreich des Tantra, sich erholen vom finsterbrauigen, trampulösen
Pseudofeminismus der Gegenwart. Das männliche Glied entlässt Wolken von
Buddhas. Buddha ist ein phallischer Gott." (186) Da spricht der
Hexenmeister, der auf dem Sabbat (dem im tantrischen Buddhismus ein
sogenanntes Ganachakra entspricht), inmitten von
Hexen und Dakinis mit seinem erregierten
Glied als Dirigentenstab den Tanz eröffnet.
Kurzbesuch
in Allahs Freudenhaus
Für eine "sexuelle Revolution" des
Himmels taugt nach Nenning das Christentum nicht
oder nur sehr wenig. Buddha ist in diesem Fall fraglos der Commandante. Aber auch im Islam gibt's Vergleichbares. Nenning betritt ganz offen und ungeniert den
vorder-orientalischen Harem und schwelgt in den Aussichten, welche die 55.
Sure (Vers 56 ff.) des Korans den Gläubigen nach ihrem Tode anbietet:
"In den Paradiesgärten befinden sich, die Augen niedergeschlagen,
weibliche Wesen, die weder Mensch noch Dschinn
(Geist) zuvor entjungfert hat. Welche von den Wohltaten des Herrn wollt ihr
denn leugnen? Sie sind, wie wenn sie aus Hyazinth und Koralle wären. Huris,
in Zelten eingesperrt. Welche von den Wohltaten des Herrn wollt ihr den
leugnen? Weibliche Wesen, die weder Mensch noch Dschinn
zuvor entjungfert hat, und ihr liegt auf grünen decken und schönen Abkari Teppichen." (91) - Nenning'sche
Männerphantasien: Mädchen, welche die Augen geschlossen halten und die noch
niemals einer berührt hat. Selbst wenn der Wiener Bonvivant ihnen im
Paradies beigewohnt hat, wächst ihnen anschließend erneut ein Hymen. Hymnen
auf den sinnlichen Islam, Buddha schlief mit fünf Dakinis
gleichzeitig, im moslemischen Paradies gibt es Jungfrauen (Huris) ohne
Zahl.
Im Rausch der Sinne vergisst Nenning,
dass diese Freuden nur einem orthodoxen Moslem zustehen und nicht einem
"verwirrten" Christen und auf keinem Fall einem
Tantra-Buddhisten, denn diese zählen im Islam zu den allerübelsten
Götzendienern. Es handelt sich hierbei um jene bedauernswerten
"Frevler", von denen es nur ganz wenige Verse vorher in derselben
Sure, aus welcher das obige Paradieszitat stammt, heißt: "Die Frevler
wird man an ihrem Merkmalen erkennen, und an dem Stirnhaar und den Füssen
wird man sie ergreifen..... Dies ist nun die Hölle, welche die Frevler leugnen und sie sollen zwischen ihr und heißsiedendem
Wasser hin und her wandern." (55: 42-46) Keine schönen Aussichten für
einen eingefleischten Tantriker wie Günther Nenning.
Vielleicht hatte der Autor doch eine Ahnung davon,
dass sich sein Eintritt in das islamische Freudenhaus etwas schwierig
gestalten könnte und so begnügt er sich, auf einmal wieder ein gutmütiger
und volksnaher Österreicher, mit einem gediegenen Wirtshaus und erlebt bei
einem bloßen Schoppen Wein für ein paar Schillinge die himmlischen Freuden.
Im nächsten Absatz nach der Paradies Sure liest der Leser nämlich mit
großem Erstaunen: "So weit [bis ins Huri - Paradies] brauch' ich nicht
zu schweifen. Schon westlich von Wien in den Vor- und Hauptalpen findet
sich die dem wienerischen Ruhebedürfnis stracks entgegengesetzte
Vorstellung vom lebhaften Treiben im Paradies. Betritt ein Alpenländer ein
Wirtshaus, wo es hoch hergeht, sagt er: 'Da geht's zu wie im ewigen Leben.'
" (91) Also ist er doch manierlich und kein Sexprotz
- dieser Günther Nenning!
Aber dann kratzt es ihn wieder. Auf Seite 123
seines Textes will er erneut ins Huri Paradies, vor allem weil's mit den
Frauen in dieser Welt nicht optimal klappt: "Auf dieser Welt sind die
Frauen eine Todesart, auf dieser Welt die süßeste Todesart, und in der
künftigen Welt, im Paradies, in jedem der vier Paradiese, die der Islam
kennt, sind die Frauen die süßeste ewige Lebensart. Vögeln als irdische
Todesart, Vögeln als ewige Lebensart." (123) Wer kann - nach Nenning - besser "vögeln" als Mohammed, denn
diesem "wird bewundernd die Potenz von 30 Männern zugeschrieben"?
(123)
Nenning ist jetzt in
seinem islamischen Delirium, das buddhistische Freudenhaus ist vergessen,
was geht mich dieser dickbäuchige Buddha an, heut bin ich Gast im
himmlischen Harem des Korans. Labsal über Labsal... "An Ewig
sprudelnden Quellen, auf schwellenden Pölstern werden sie sich vermählen
mit schwarzäugigen Huris und werden, nachdem sie den Tod geschmeckt haben,
den Tod niemals schmecken. Man wird ihnen alles bringen, auch Wein, der das
Begehren weckt und jene züchtig blickenden Jungfrauen, die Allah den seinen
versprochen hat. Großäugige Jungfrauen werden bei ihnen bleiben, die frei
sein werden von törichtem Geschwätz [wie das von lästigen und hässlichen
Emanzen]. Die großäugigen Schönen werden bei ihnen die Runde machen und sie
werden sich an ihnen erfreuen wie an aufleuchtenden Perlen. Großäugige
Schöne, die Allah als besondere Schöpfung für sie hervorbrachte."
(124) In der Tat versorgt Allah - wenn wir den Koran wörtlich nehmen -
seine Männer nach dem Tode mit unberührten Jungfrauen, während die
gestorbenen islamischen Ehefrauen im Himmel ein züchtiges Madonnenleben führen müssen - ausgeschlossen von
jeglicher Sexualität. Selber schuld - sie sind ja keine Jungfrauen mehr.
Auch Günther Nenning macht sich nicht viel
Gedanken darüber. Hauptsache: ihm fächern die Huris zu. Angesichts solcher
Perspektiven ist er ohne großes Federlesen bereit, die religiösen Fronten
zu wechseln. Der zum Buddhismus bekehrte Christ Günther Nenning
wird über Nacht zum lüsternen Mullah: "Die paradiesische Sinnlichkeit
des Koran" - hören wir ihn schwärmen - "steht im scharfen
Gegensatz zu Judentum, Christentum, Buddhismus. Jedem Muslim ungezählte
Gespielinnen. Sexualität ist das Paradies des Menschen." (124) Auch
hiermit müssen sich, so Nenning achselzuckend,
"schwerfüßige Feministinnen" abfinden.
Es ist auffallend wie viel Nenning
von Sex und wie wenig er von Eros in seinem Buch spricht. Der Eros ist
umfassend und kann sich über den Kosmos ausdehnen, zumindest hat dies Plato
so gesehen. Sex ist nur eine Farbe in der Vielfalt der erotischen Palette.
Für Günther Nenning aber wird die Sexualität zu
einer Besessenheit, von der er nur durch die Jungfrau MARIA geheilt werden
kann. Im klassischen Pendelverkehr zwischen großer Hure und Madonna erfährt
er das Paradies. Mit einer würdevollen und poetischen Liebesbegegnung der
Geschlechter hat dies nicht viel zu tun. Deswegen denkt der Wiener auch
weiterhin, wenn er von Religion spricht, in den Kategorien von Päpsten,
Kirchen und Priestern und nicht von Paaren, die in gleichwertiger Polarität
das Leben im Kosmos symbolisieren könnten.
Der Dalai Lama als
der Papst des neuen Milleniums
Sollte der Buddhismus - wie uns Günther Nenning vorschlägt - die neue Globalisierungsreligion
darstellen, was wird dann aus dem Papst in Rom? Gibt es für ihn eine
Alternative. Nenning nennt - wenn auch mit leicht
ironischem Unterton - den Dalai Lama. Mit diesem Kandidaten für den Stuhl
Petri würde sich ein großer Wunsch des Wiener Tantrikers erfüllen: Die
Katholische Kirche ist vor dem Untergang gerettet und dennoch der
Buddhismus zur Religion aller Religionen erhoben. In diesem Zusammenhang
setzt er sich auch mit unserem Buch "Der Schatten des Dalai Lama"
auseinander - und wir werden ihn deswegen etwas ausführlicher zitieren.
Hier die Kritik an unserem Text, die mit demselben Text am 22. März 1999 in
der PRESSE erschien:
Nieder mit dem Dalai Lama
Hoch der Dalai Lama! Nieder mit dem Dalai Lama! Das
musste ja kommen. Jetzt ist Nieder dran. Erst rauschten die Tasten: Buddha
erobert die Welt, Hollywood hat er schon, der Rest folgt. Der Dalai Lama,
der lebende Buddha, ist jedermanns Freund und niemandes Feind. Er bekam den
Nobelpreis, stieg auf, der schlaue Kerl aus dem finsteren Tibet, zum
Staats- und Überstaatsmann zum Neben und Überpapst.
Der Dalai Lama ist ausgelutscht. Die Medienkarawane
zieht weiter. Schon rauschen die Tasten: Der Buddhismus, zumal der des
Dalai Lama, ist eine grausame Geheimlehre, abscheulicher als alle Sekten.
Dieser 'Tantra-Buddhismus' ist voll Sex und Blut, Perversion und Gewalt,
eine Macho-Ideologie zur 'Aussaugung der
Frauenkraft'.
Der Dalai Lama ist totalitär, autoritär,
antidemokratisch, faschistisch, kommunistisch und überhaupt ein Schuft. In
den Verliesen seiner Exilregierung schmachten seine Gegner. Feinden des
lebenden Buddha werden die Augen ausgestochen, die haut wird ihnen abgeschunden, sie werden gemeuchelt mit Messer und
Gift. Natürlich steckt der Dalai Lama auch hinter den Giftanschlägen auf
die Tokior U-Bahn. Wie Hitler strebt der Dalai
Lama nach Weltherrschaft, nach der "Budhokratie".
Nichts ist wahr und alles wird enthüllt. Die
Medienkarawane nimmt alle Kurven.
Sag mir, wo die 68er sind. Ach, überall.
Graumeliert im Management; als Schülerschreck im Bildungswesen; bärtig in
der Esoterik. "Victor und Victoria Trimondi"
ist ein Jux- und Tarnname für Herbert und Mariana Röttegn.
Hinter "Trimondi" steckt "Trikont", der einst revolutionär gemeinte 68er
Verlag, später "Dianus-Trikont", abgerutscht
ins esoterische Business. Folgt die Andockung ans Buddha-Raumschif (1982 ff.). Victor und Victoria managen Dalai
Lama Events in Deutschland. Folgt der Abfall vom lebendigen Buddha.
Abtrünnige werden meist besonders aggressive Gegner. Eben noch war der
Dalai Lama groß und wunderbar. Jetzt ist er klein und hässlich: 800 Seiten
"Der Schatten des Dalai Lama", vergeblich erhoffter Bestseller
(Patmos, Düsseldorf).
Der Eindruck von Kompetenz trügt, im Kern ist es
eine dünne Verschwörungstheorie, ohne religionswissenschaftliches oder gar
religiöses Verständnis. Es ist aber nicht Sache eines trendigen Sachbuchs,
sachlich zu sein. Es hat die Aufgabe, interessant zu sein, und das ist es,
einigermaßen.
Wenn man den modern bebrillten, stets lächelnden
Dalia Lama reden hört, immer von Frieden, Demokratie und Menschenrechten,
ganz Staatsmann, stets korrekt und sanft langweilig - würde man gar nicht
auf die Idee kommen, dass er eine Verkörperung der Bodhisattva
Avalokiteshvara ist.
Avalokiteshvara ist der
werdende Buddha der großen Liebe, in 33 Gestalten mit 11 Gesichtern und
1000 Armen hilft er allen Menschen.
Avalokiteshvara, und somit der
Dalai Lama, wird vielfach als weiblich betrachtet, vor allem in China und
Japan. Auf dem Haupt trägt Avalokiteshvara die
schwarze Krone, geflochten aus den Schlangenhaaren der fünf Dakinis. Dakinis sind rasende
nackte Frauengestalten, voll Geheimnis; die geheimste ist Dorjephagmo, die "Diamantensau". Die Dakinis kopulieren zu fünft mit dem himmlichen
Buddha, wie dies im Guhyasamaja Tantra
detailliert beschrieben wird. Aus der Fassung gerät der Buddha beim
Beischlaf nicht. Er meditiert weiter und wird desto eher zum Adhi-Buddha, der Ursprung und Ende, Kosmos und
Menschheit liebend umfasst als der All-und-Eine. 'Wenn im Schoß das Glied
ruht, dann schaut man das Bild des Buddhas. Und aus allen Poren verbreitet
man klar und bewusst Wolken von Buddhas' (Guhyasamaja
Tantra) Wer würde solche Geschichten dem biederen Dalai Lama ansehen? Nicht
einmal er sich selber. Dass der Dalai Lama derlei betreibt, dafür fehlen alle westliche Wahrscheinlichkeiten. Nein, uns
ist er eine positive Figur im Zentrum der Globalisierung von Religion. Zu
Recht sind wir heilfroh, dass wir ihn haben. Hoch der Dalai Lama." (53
- 56)
Also da haben wir's - der Dalai Lama darf sich
nicht den süßen Kopulationsgelüsten mit den
Tantra Madln hingeben. Am Hofe spricht man nicht von solchen Dingen, dö's ziemt sich nicht. Das weiß auch Günther Nenning (und darin ist er ein waschechter Wiener und
Hofdiener), der ansonsten so gerne in die Niederungen des "wüsten
Volksbuddhismus" hinabsteigt. Das Volk darf soviel
"vögeln" wie es will, das macht garnix,
aber in der Hofburg des "Gottkönigs" plädiert Nenning
respektierlich für die gute alte asexuelle
Heiligkeit unserer Oberhirten. Schließlich hat der Autor ein hohes Amt für
den Dalai Lama vorgesehen: "Sollen alle Katholiken Buddhisten
werden?" - fragt der Christ Günther Nenning
- "Der Dalai Lama als der Superpapst des neuen Jahrtausends?"
(17) - und er beantwortet seine Frage selbst: "Was sich globalisiert
ist nicht Jesus, sondern Buddha. Er steigt auf zum Herrn der
Globalisierung. Der Dalai Lama ist der Bill Gates der religiösen
Globalisierung" (20) 1:0 für den Dalai Lama. "Buddha wird höher
steigen unter den Christen. Vielleicht macht Buddha eine Karriere wie die
Maria. Buddhas Import nach Hollywood ist ja schon voll im Gang. Das ist der
halbe Weg zum Petersdom." (138)
Das Abendland ist gerettet, die Katholische Kirche
ist gerettet, Christus ist gerettet! Endlich wird die Kirche zu einem
sexuellen Freudenhaus. Beim neu von Nenning
gekürten "Gelben Papst", herabgestiegen vom Dach der Welt, beim
tibetischen Erlöser des christlichen Schafsvolkes, beim höchsten Hirten der
europäischen, asiatischen und amerikanischen Völker, beim Dalai Lama
vermischen sich beide Geschlechter. Der "Gottkönig" gilt im Kalachakra Tantra, dem höchste Ritual des tibetischen
Buddhismus, als eine Emanation des ADI BUDDHA, eine kosmisch- androgyne
Gestalt, in der das weibliche Prinzip durch das männliche absorbiert ist,
ein patriarchaler Despot, der keine anderen Götter und Religionen neben
sich duldet. Dieser Überbuddha triumphiert allein und unbeweibt am Ende von
Güther Nennings Sex
Operette. Er hat endlich den polaren Eros zwischen den Geschlechtspartnern
aufgelöst. Der ADI BUDDHA braucht keine Göttinnen, Dakinis
und Huris mehr, er befriedigt sich selbst. Er ist Mann und Frau in einer
Person. "Dass Gott eine Frau ist, war schon immer (klar). Buddha,
Christus und alle nie identischen, immer dieselben, immer verschiedenen
Gestalten Gottes sind Frauen. Das ist keine feministische Erfindung."
(211) Alles verändert sich, nichts verändert sich, alles mischt sich:
"Die Menschenfrauen kommen zu Ansehen in der buddhistischen Kirche.
Die Gottgestalt Buddha kriegt weibliche Formen. Buddha wird
transsexuell." (213)
Nennings Buch will
lustig sein, aber es stimmt einen traurig, da es - wie schon gesagt - so
wichtige Themen wie die Globalisierung der Religionen und die Verbindung
von Sinnlichkeit und Religion anschneidet. Den Autor treibt sicher eine
tiefe und sehr wertvolle Sehnsucht, um die Widersprüche zwischen den
religiösen Traditionen zu überwinden. Aber der Versuch, seine eigenen
ökumenischen Visionen dadurch zu realisieren, indem man sich (wie Günther Nenning) kritiklos und völlig naiv einem atavistischen
System in die Arme wirft, kann zu einem Horrorfilm werden, wenn man
plötzlich entdeckt, dass man in ein Labyrinth geraten ist und dass gerade
dort, wo man das Heilmittel suchte, üppige Giftpflanzen wachsen. Jede
Religion ist heute grundsätzlich reformbedürftig, davon machen auch der
tantrische Buddhismus und der Dalai Lama keine Ausnahmen. Sie haben es aber
wie keine andere Religion und kein anderer Religionsführer verstanden, die
Intellektuellen des Westens zu verwirren und Nennings
Buch trägt inhaltlich und methodisch ("Verwirrung als Methode")
weiter zu dieser Verwirrung bei. In einer deutschen Talkshow (NDR), in der
sein Buch vorgestellt wurde, bekannte der Autor, dass er Angst vor dem Tode
habe. Weshalb eigentlich - wenn der Himmel voller geigender Madl'n hängt? Wer aber die grässlichen und
erbarmungslosen Prüfungen kennt, welche das Tibetische Totenbuch den
Verstorbenen nach ihrem Ableben in Aussicht stellt, der kann die Ängste des
Wieners Autors gut verstehen.
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