Hierbei handelt es sich um die
verlängerte Version eines Artikels, der in der Zeitschrift „Dummy“ unter dem Titel „Die Lama-Ente – Der tibetische
Buddhismus als friedliche Alternative zu den kriegerischen Religionen
Christentum und Islam? – Wer’s glaubt wird selig“ (Dummy,
Winter 04/05, S. 90 – 93)
Victoria und
Victor Trimondi
„Im
Osten nichts Neues!“
Ist
der Buddhismus eine „friedliche“ Alternative zu den „kriegerischen“
Religionen des Monotheismus?
In
einem Zeitalter, in dem religiöse Gewalt bis hin zum religiösen Terrorismus
aus den Heiligen Texten der verschiedenen Glaubensrichtungen
abgeleitet und legitimiert werden, in dem ein kriegerischer Westen einem
extrem militanten Islam gegenübersteht, blicken viele Menschen auf den
Buddhismus als einzige spirituelle Alternative, als einen Hafen innerer
Ruhe und äußeren Friedens. Selbst das in religiösen Fragen ansonsten so
skeptische Nachrichtenmagazin Der
Spiegel verbreitete 1998 die frohe Botschaft von der angeblichen
Sanftheit und gewaltfreien Geschichte der Buddha-Lehre: „2500 Jahre
Friedfertigkeit statt Inquisition, stets heiter wirkende Mönche statt prä-potenter Kirchenfürsten, Nirvana
Hoffnung statt Djihad Drohung - der Buddhismus
tut keinem weh und ist trendy
geworden.“ - „Im Namen des Buddhismus ist noch nie ein Krieg geführt
worden.“ Erhöht wird das euphemistische Bild noch durch die Person des XIV.
Dalai Lamas. Der Friedensnobelpreisträger wurde, als ewig „lächelnder
Buddha“, zur Ikone des Pazifismus und der Gewaltlosigkeit hochstilisiert.
Doch schon seit mehreren Jahren erhält dieses Gemälde von der Makellosigkeit des
östlichen Glaubens und ihres bekanntesten Repräsentanten tiefe Risse.
Weltweit häufen sich die kritischen Analysen, Berichte und Nachrichten von
Historikern, Kulturologen und Journalisten, die auf die „unschönen“ Seiten
des Buddhismus verweisen. (Siehe hierzu: www.trimondi.de/EN/links.htm
) Es scheint so, als habe dieser seine Unschuld verloren. Das trifft auf
alle Schulrichtungen der Buddha-Lehre zu. Im Folgenden wollen wir jedoch
insbesondere ihre tibetische Ausprägung, den trendy gewordenen Lamaismus, unter die Lupe nehmen.
Die Geschichte Tibets war von Beginn an
durch Kriege, Mord, Folterungen, soziale Unterdrückung, von Sklaverei, Hass
und Machtgier bestimmt, so wie die Historie der meisten Völker dieser Erde,
nur dass die „Glaubenskrieger“ vom Dach der Welt das buddhistische
Mönchsgelübde abgelegt hatten und wie „Gottheiten“ in einem hierarchischen
Priesterstaat angebetet wurden.
Schon die tibetischen Erobererkönige der Yarlung
Dynastie (6. Jh. bis 9. Jh. n. Chr.) wurden wegen ihrer gnadenlosen
Grausamkeit in ganz Innerasien gefürchtet. Der Errichtung der lamaistischen
Klosterherrschaft in Tibet ging ein Königsmord durch einen tibetischen
Mönch voraus. In der Folgezeit lieferten sich die unter einander
zerstrittenen Sekten unzählige Kleinkriege und verhinderten somit eine
größere Staatenbildung. Dabei war sich keine der verschiedenen Mönchsorden
zu schade, Fremde, insbesondere Mongolen und Chinesen, ins Land zu holen,
um mit deren Hilfe aufeinander loszuschlagen. Im 17. Jh. fand ein blutiger
Krieg zwischen der Gelugpa- und den Kagyüpa-Sekte statt, aus dem der V. Dalai Lama als
gefeierter Schlachtenheld hervorging. Von ihm stammt ein Fluchgedicht, das den kaum glaublichen Hass zeigt, mit
dem die Vorinkarnation des jetzigen XIV. Dalai Lamas, die er am meisten
verehrt, seine (buddhistischen) Feinde überschüttete: „Macht die männlichen Linien zu Bäumen, deren Wurzeln abgeschnitten
werden. - Macht die weiblichen
Linien zu Bächen, die im Winter versiegen. - Macht die Kinder und Enkelkinder
zu Eiern, die gegen Felsen geschleudert werden. - Macht die Diener und Gefolgsleute zu
Heuhaufen, die durch Feuer verzehrt werden.
- Macht ihre Wohnsitze zu Lampen, deren Öl verbraucht ist. -
Kurz - vernichtet all ihre Spuren, selbst ihre Namen. Insgesamt
wurden fünf Dalai Lamas, einige davon Kinder, zwischen dem 17. und 19.
Jahrhundert aus machtpolitischen Motiven erschlagen oder vergiftet. Der
XIII Dalai Lama baute ein Heer auf, das aus regulären Truppen, einer
Laienmiliz und der „Goldenen Armee“, wie die Mönchssoldaten genannt wurden,
bestand.
Diese geraffte Kriegsgeschichte Tibets
könnte noch durch zahlreiche weitere Beispiele verlängert werden. Dennoch
ist es dem XIV. Dalai Lama und seinen Sympathisanten weitgehend gelungen,
sie zu verschweigen oder zu beschönigen. Beschönigt werden ebenfalls die
inhumanen sozialen Zustände der alten tibetischen Buddhokratie.
Viele westliche Besucher berichten, dass auf dem „Dach der Welt“ (bis zum
Jahre 1959) diktatorische Entscheidungen, Beamtenwillkür, Gehirnwäsche,
paranoider Dämonen- und Geisterglaube, Missbrauch von Kindern,
sexualmagische und frauenfeindliche Geheimriten zur Machtgewinnung der
Mönchselite, spirituelle Kontrolle und kriecherische Servilität, bitterste
Armut und exzessiver Reichtum, Sklaverei, Leibeigenschaft, Hunger,
Krankheiten, Mangel an jeglicher Hygiene, Trunksucht, Folter, politischer
und privater Mord, Angst und Gewalt, Diebstahl und Räuberei an der
Tagesordnung waren. Mitgefühl, Friedfertigkeit und Gewaltlosigkeit blieben
im alten Tibet weitgehend religiöse Floskeln, wenn wir sie an der
historischen Realität des Landes messen.
Gewaltbejahung, Intoleranz, magisches
Denken und Aberglaube sind heute noch unter den Exiltibetern verbreitet.
Schon vor seiner Flucht (1959) arbeitete der XIV. Dalai Lama mit dem CIA
zusammen, mit dessen Hilfe er ins indische Exil gelangte. Später
unterstützte er die vom amerikanischen Geheimdienst
ausgebildete tibetische Guerilla. „In einer offiziellen Botschaft
nannte ich die Guerilleros 'Reaktionäre' und gab bekannt, dass das
tibetische Volk sie nicht unterstützen solle.“ – erklärte der
Religionsführer – „Zur gleichen Zeit wurde die Delegation instruiert, der
Guerilla zu sagen, sie sollten weiterkämpfen. Wir sprachen mit zwei Zungen,
der offiziellen und der inoffiziellen. Offiziell sahen wir ihre Akte als
Rebellion, aber inoffiziell betrachteten wir sie als Heroen und sagten es
ihnen.“
Auch sind der XIV. Dalai Lama und die
sogenannte Shugden Sekte noch immer heillos
miteinander zerstritten. Bei diesem Konflikt kam es 1997 zur gewaltsamen
Verfolgung einer religiösen Minderheit durch die Anhänger des Dalai Lama
und zu einem bisher mysteriösen Ritualmord an drei Mönchen in Dharamsala. So absurd es auch klingen mag, hinter dem
ganzen Konflikt steht die Konkurrenz zweier Orakelgötter (Nechung gegen Shugden), von
denen einer, das Nechung-Orakel, den Dalai Lama
als Oberhaupt der tibetischen Exilregierung bei seinen staatspolitischen
Entscheidungen berät. Es handelt sich dabei um einen mongolischen
Kriegsgott (Pehar), der durch den Mund
eines in Trance versetzten Lamas spricht.
Das Kalachakra-Tantra: ein
lamaistisches Kriegsritual
Nicht nur in
der Geschichte, sondern auch in seiner religiösen Doktrin und im
Ritualwesen ist der tibetische Buddhismus kriegerisch, aggressiv und
keineswegs friedlich. Die Idee von einem „buddhistischen Djihad“ wurde insbesondere in dem sogenannten Kalachakra-Tantra und der darin
enthaltene Prophezeiung des Shambhala-Krieges
kodifiziert.
Der im 10. Jh. n. Chr. verfasste Text gilt bei den Tibetern als „der
Gipfel aller buddhistischen Systeme“. Seit fast einem halben Jahrhundert
praktiziert der XIV. Dalai Lama unermüdlich und weltweit das Kalachakra-Tantra-Ritual, in das schon
Hunderttausende Adepten eingeweiht wurden.
Ein Vergleich dieses Textes mit
christlichen Endzeitprophezeiungen ist durchaus naheliegend. Kein
geringerer als Robert Thurman, in den USA bekannt
als der „Billy Graham des Buddhismus“, ein Schüler und besonderer
Vertrauter des XIV. Dalai Lama sowie Vater der Hollywood Schauspielerin Uma Thurman, hat eine solche
Gegenüberstellung gemacht: „Es gibt interessante Ähnlichkeiten zwischen der
Apokalypse und dem buddhistischen Kalachakra-Tantra.
[...] Die Kalachakra Prophezeiung sagt voraus,
dass die Erde einen Holocaust nach dem anderen erleben wird, wenn sie der
Zukunft entgegengeht.“ Auch der amerikanische Tibetologe
Donald S. Lopez Jr. bezeichnet den im Kalachakra-Tantra
beschriebenen Shambhala-Krieg als
ein „buddhistisches Armageddon“.
In der Tat unterscheiden sich die
Prophezeiungen dieses Tantra-Textes strukturell nicht von der christlichen
Apokalypse und dem daraus abgeleiteten aggressiven Messianismus von vielen
Millionen christlicher Fundamentalisten in den USA, die George W. Bush 2004
erneut an die Macht gebracht haben, mit der Ausnahme, dass es hier nicht
Christen sondern Buddhisten sind, die auf Seiten des „Guten“ (als „Shambhala-Krieger“) gegen die „Achse des Bösen“ (die
Andersgläubigen) in einem angekündigten totalen Vernichtungskrieg antreten
werden. Ebenso wie in der christlichen Apokalyptik wird in der
buddhistischen Variante die Errichtung einer rechtgläubigen
Weltenherrschaft (hier einer „Buddhokratie“)
angekündigt, unter der andere Glaubensrichtungen nicht geduldet sind. Die
Rolle des militanten Christus, der nach der Vorstellung evangelikaler
Sekten, als Endzeiträcher alle Ungläubigen ausrottet, nimmt im Kalachakra-Tantra der Shambhala-König
Rudra Chakrin
(„Zorniger Raddreher“) ein. "Wenn die Gesamtheit des Dharma, d. h. sowohl die menschliche als auch die
kosmische Ordnung, durch die Unordnung getrübt ist, dann zeigt sich der
Priesterkönig von Shambhala [...] als eine
schreckliche und zornvolle Macht, die ohne Mitgefühl [!] die notwendige
Harmonie zur Entwicklung der Welt wiederherstellt. Ein dritter Weltkrieg,
in dem sich zwei feindliche Blöcke gegenüberstehen, wird entfesselt werden,
und der Chef der Siegerpartei wird zum Beherrscher
der Welt - politisch und ökonomisch." – schreibt der französische
Orientalist Jean Marquès-Rivière.
Im Übrigen erhalten die Teilnehmer an
einer vom Dalai Lama durchgeführten Kalachakra-Einweihung
das zweifelhafte "Privileg" als "Shambhala-Krieger"
in „der letzten Schlacht gegen die Mächte der Finsternis“ reinkarnieren zu dürfen. Sie werden dann in dem
prophezeiten Weltkrieg als „Soldaten Buddhas“ gegen die "Feinde der
Lehre" kämpfen: "Dem Heer von Shambhala
werden auch die Reinkarnationen vieler tibetischer Lamas als
befehlsführende Offiziere angehören. [...] Einige von ihnen wissen bereits
jetzt ihren zukünftigen Namen und kennen den Rang, den sie innehaben
werden. " – heißt es in einer „modernen“ Interpretation der
Prophezeiung, die sich auf
exiltibetische Quellen beruft. Nach einer Vision des Lamas Kamtrul Rinpoche ist es der
Dalai Lama selber, der als reinkarnierter Shambhala König Rudra
Chakrin die buddhistische Endzeitarmee
anführt. In den zahlreichen Zentren des schon verstorbenen Rotmützenlamas Chögyam Trungpa werden seit
Jahren die Mitglieder durch das Tragen von Militäruniformen, durch das
Leben in Militärcamps und durch das Abhalten von Militärparaden
„symbolisch“ auf ihre Wiedergeburt als „Shambhala-Krieger“
vorbereitet.
Ein kurzer visionärer „Kriegsbericht“
von den kommenden Schlachten zeigt, wie „unbuddhistisch“
die Shambhala-Krieger mit ihren Glaubensgegnern
umgehen werden: "Hart ist das Schicksal der Feinde Shambhalas.
Ein gerechter Zorn färbt die Wolken purpurblau. In glänzender Rüstung mit
Schwertern und Speeren verfolgen die [Shambhala-Krieger]
ihre entsetzten Feinde. Viele sind schon niedergestreckt, und ihre
Feuerwaffen, ihre großen Hüte und all ihre Habe sind auf dem Schlachtfeld
zerstreut. Einige liegen im Sterben, vernichtet von gerechter Hand. Ihr
Anführer ist bereits erschlagen und liegt niedergestreckt unter dem Ross
des großen Kriegers, des gesegneten [Rudra Chakrin]. Dem Herrscher folgen auf Kampfwagen
fürchterliche Kanonen, denen keine Mauer standhalten kann. Mehrere Feinde
flehen auf Knien um Gnade oder versuchen, [....] ihrem Schicksal zu
entgehen. Aber das Schwert der Gerechtigkeit holt die Verleumder ein. Das
Dunkel muss vernichtet werden.“
Diese Beschreibung stammt von einem Lama am Anfang des 20.
Jahrhunderts. Heute dagegen wird der prophezeite Shambhala-Krieg
als ein High-Tech-Unternehmen mit dem Einsatz von atomaren Sprengsätzen
dargestellt.
Es gibt übrigens keinen traditionellen
apokalyptischen Text, aus welcher Religion auch immer, der so konkret und ausführlich wie
das angeblich „friedensfördernde“ Kalachakra-Tantra Systeme
von Massenvernichtungswaffen ausmalt, die am Ende der Zeiten zum Einsatz
kommen sollen. Es war der berüchtigte japanische Doomsday
Guru Shoko Asahara, der sich von ähnlichen Spekulationen über Superwaffen
hinreißen ließ und der, vor allem aus Elementen des tibetischen Buddhismus
und speziell der Shambhala-Prophezeiung, seine
eigene Terrorreligion entwickelte.
Buddha im Kampf gegen Allah
Angesichts der aktuellen Weltenlage, in
der ein aggressiver Westen einem extrem militanten Islam gegenübersteht ist
das Kalachakra-Tantra nicht nur
deswegen gefährlich, weil es den allgemeinen apokalyptischen Wahn fördert,
sondern weil es einen konkreten „Heiligen Krieg“ zwischen Buddhisten und
Moslems prophezeit, anheizt und als rituelle und spirituelle Vorbereitung
auf diese Endschlacht gedeutet wird. Als Gegner des Buddhismus werden die
wichtigsten Repräsentanten aller drei monotheistischen Religionen
genannt: Adam, Noah, Abraham, Moses, Jesus, Mani, Mohammed und der Mahdi,
die allesamt (wie es heißt) der „Familie
der dämonischen Schlangen“ angehören.
Doch kämpfen am Ende der Zeiten die
Buddhisten allein gegen die Muslime, die im Text als mleccha
bezeichnet werden. Die Christen und Juden sind offensichtlich schon
verschwunden. Diese Vision von
einer Letzten Schlacht mit dem Islam hat historische Wurzeln. Als das Kalachakra Tantra im 10. Jh. n. Chr. verfasst
wurde, waren die buddhistischen Kulturen Indiens und Zentralasiens von den
islamischen Armeen schon überrannt. Zu Tausenden
flüchteten die Mönche nach Nepal und Tibet. Da die Muslime das Lehrgebäude
Buddhas nicht als eine „Religion des Buches“ anerkannten und die Buddhisten
zu den „Götzenanbetern“ zählten, standen diese nach einer Aussage des Korans
vor der Alternative, entweder zu konvertieren oder getötet zu werden. Seit
dieser Zeit der Verfolgung sitzt das buddhistische Misstrauen gegenüber dem
Islam “so tief, wie für Muslime das Trauma der Kreuzzüge“ – schreibt
Klemens Ludwig, Leiter der deutschen Tibetinitiative.
Historisch gesehen ist das Kalachakra-Tantra
deswegen eine in die Zukunft projizierte Revanche der Buddhisten für die
erlittene Niederlage.
Aber es gibt
auch mehre Parallelen zwischen den beiden gegnerischen Religionssystemen.
Eine davon ist, das würde man vom Buddhismus als Letztes erwarten, die
Vorstellung von einem Heiligen Krieg:„Die Kalachakra
Darstellung des Shambhala Krieges und die
islamische Diskussion über den Djihad zeigen
bemerkenswerte Ähnlichkeiten.“ – schreibt der vom Dalai Lama designierte Kalachakra-Experte Alexander Berzin. Kalachakra
Anhänger vertreten zudem einen primitiven Märtyrer-Kult, der an denjenigen
moslemischer Mujaheddin erinnert: Wer während der Shambhala
Schlacht erschlagen wird, erhält als Belohnung einen garantierten Eintritt
ins (buddhistische) Paradies.
Ebenso wie die Apokalypse des Johannes
von fundamentalistischen Christen dazu benutzt wird, um die blutigen
Ereignisse der Gegenwart als Vorläufer kommender Endzeitkriege zu deuten,
so tun das Anhänger des tibetischen Buddhismus mit den Shambhala-Prophezeiungen,
obgleich sich diese erst (dem Originaltext nach) in drei- oder vierhundert
Jahren erfüllen sollen.
So stellt Alexander Berzin
„islamistische Terroristen“ als die Vorboten der zukünftigen Shambhala-Gegner heraus. Die pittoresken Taliban
eigneten sich dafür als ein besonders anschauliches Modell, vor allem weil
sie durch die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamyan
ihre anti-buddhistische Grundeinstellung spektakulär zum Ausdruck brachten
und weil sie auf einem Gebiet agierten, in dem einstmals die Religion des Kalachakra-Tantra verbreitet gewesen sein
soll. Auf einer Website wird zudem auf den im Irak agierenden
Schiitenführers Muqtada al-Sadr verwiesen. Eine
andere buddhistisch inspirierte Internetseite setzt die beiden Drahtzieher
hinter den Kindermorden von Beslan, Shamil Basayev und Ibn-ul-Khattab, mit den kommenden
Shambhala Feinden gleich.
Der XIV. Dalai Lama und der Irak-Krieg
Ausgehend von der historisch
verständlichen, aber ethisch nicht vertretbaren Islamfeindlichkeit des Kalachakra-Tantras ist es interessant zu
erfahren, wie sich der XIV. Dalai Lama in dem Konflikt zwischen dem Westen
und dem militanten Islam zurechtfindet, zumal er das von ihm jährlich
durchgeführte Mega-Ritual als einen „Beitrag für den Weltenfrieden und den
ökumenischen Dialog“ einem ahnungslosen Westen präsentiert. Auffallend ist
jedenfalls, dass er sich zu den aktuellen Konflikten in Afghanistan und
Irak nichtssagend oder sehr ausweichend geäußert hat. Er gab sogar
Bemerkungen von sich, die selbst seine Anhänger irritierten. Der
Afghanistan Krieg, so der „Gottkönig“, habe nicht nur „eine Art von
Befreiung gebracht“, sondern die Bombardements der Amerikaner müssten auch
als humanitärer Fortschritt angesehen werden. Angesichts des weltweit
verurteilten Einsatzes von Streubomben in diesem Krieg ist eine solche
Einschätzung aus dem Munde eines „lebenden Buddhas“ und
Friedennobelpreisträgers ziemlich zynisch.
Andere Statements von ihm zur
Terror-Bekämpfung und zum zweiten Irak-Krieg waren jedenfalls so
vieldeutig, dass sie die Journalistin Laurie Goodstein
dazu veranlassten, in der New York Times einen Artikel mit dem Titel
„Der Dalai Lama sagt, der Terror verlange eine gewaltsame Antwort“ zu
veröffentlichen. Das wurde später von einem exiltibetischen Beamten
dementiert. Ob ein Missverständnis oder nicht, feststeht, dass sich der
tibetische Religionsführer auf keinen Fall etwa wie der Papst auf eine
aktive, laute und engagierte Friedenspolitik in der Irak-Frage festlegen
wollte.
Diese Vogel-Strauß-Politik blieb nicht
unbemerkt und wurde selbst von früheren Dalai-Lama Freunden mit Befremden
kommentiert. Eine davon war der bekannte amerikanische Historiker Howard
Zinn: „Ich habe den Dalai Lama immer wegen seiner Plädoyers für
Gewaltlosigkeit und seiner Unterstützung der tibetischen Rechte gegen die
chinesische Okkupation bewundert. Aber ich muss sagen, ich war enttäuscht,
als ich mir seinen Kommentar zum Irak-Krieg angesehen habe, denn das ist
eine so offensichtliche und klare moralische Angelegenheit bei der massive
Gewalt gegen die Iraker ausgeübt wurde, was Tausende von Toten zur Folge
hatte.“ – sagte Zinn. Die Neue Zürcher Zeitung kommentierte ironisch
das Verhalten des Tibeters als die Taktik „eines Interessenpolitikers, der
weiß, wer ihm die Butter aufs Brot streicht“. Das bestätigte auch der Journalist Adrian
Zupp, der im Bosten
Phoenix einen Artikel mit dem Titel veröffentlichte: „Was würde Buddha
tun? Weshalb nimmt der Dalai Lama nicht einen Kampf [für den Frieden]
auf?“. Zupp meint: „Wenn immer er auf dieses
Thema [den Irak Krieg] zu sprechen kommt, ist das innerhalb der Vorgaben
der US-Antwort.“
Der Dalai Lama segnet eine Armee in Kaschmir
Bemerkenswert ist sicher, dass ein
Religionskrieg zwischen Muslimen und Buddhisten jetzt schon stattfindet und
zwar in einer Region, aus der das Kalachakra-Tantra
historisch stammen soll und in welcher der Dalai Lama 1976 eine Kalachakra-Initiation
mit 40.000 Teilnehmern durchführte - in Kaschmir.
Ein Teil von Kaschmir wird
von buddhistischen Ladakhi bewohnt. Sie sind zu
aktiven Mitspielern in dem gefährlichen Konflikt geworden. Dort kämpfen sie
fast
unbeachtet von der internationalen Berichterstattung gegen islamische
Soldaten und islamistische Mujaheddin. Zusammengefasst sind sie bei den
sogenannten Ladakh Scouts, einer
Eliteeinheit von 4.000 Mann in der indischen Armee. Sie gelten als
hochmotiviert und besonders widerstandsfähig für den Einsatz in
Gebirgsgegenden, was ihnen den Namen „Schnee-Krieger“ (Snow Warrior)
einbrachte. Lokale tibetische Lamas lesen und rezitieren aus ihren Heiligen
Schriften vor Kompanien der Ladakh
Scouts, bevor diese in die Schlacht ziehen, und die buddhistischen
Gebirgsjäger antworten mit ihrem Kriegsschrei: „Ki
Ki So So Lhargyalo“ („Die Götter werden siegen“). Kurz bevor dort in der Provinzstadt Kargil
die kriegerischen Auseinandersetzungen ausbrachen, besuchte der XIV. Dalai
Lama die Region und erteilte den buddhistischen Offizieren der Einheit
seinen persönlichen Segen.
Religionskriege zwischen Buddhisten und Muslimen
Auf der Weltenkarte ist
Kaschmir nur eine der Regionen, in denen sich heute Buddhisten und Muslime
einander feindlich gegenüberstehen. Ein weiterer Brennpunkt buddhistischer
Gewalt befindet sich schon seit Jahren in Sri Lanka. Blutige Konflikte
werden dort nicht nur mit den Tamilen ausgefochten, sondern auch mit
Muslimen und Christen. 2002 griffen buddhistische Mönche zusammen mit
Mitgliedern der chauvinistischen Sinhala Urumaya
Partei (SU) islamische Gemeinden des Landes an. Die Polizei sah
tatenlos zu, als Autos in Flammen aufgingen, Häuser niedergebrannt und
Geschäfte angezündet wurden. In einer einzigen Region sollen von 500
muslimische Wohnungen 300 gewaltsam zerstört worden sein. Ein Flugblatt der
aufgeputschten Mönche forderte: „Schreitet vorwärts, um die Geburt eines
zweiten Afghanistan zu stoppen, um der Geburt von noch mehr bin Ladens
zuvorzukommen, die unsere Buddhastatuen zerstören
wollen.“
Auch in verschiedenen Städten Myanmars
(Birma), das seit 1962 von einer Militär Junta regiert wird, attackieren
radikalisierte Buddhisten zunehmend Minderheiten islamischen Glaubens mit
voller Unterstützung der Armee. „Die Muslime sind für fast alle Verbrechen
in Myanmar verantwortlich: Opium, Diebstahl Raub. Sie wollen den Buddhastatuen die Köpfe abschlagen, so wie sie es in
Afghanistan getan haben.“ – erklärte Win Rathu, ein hochrangiger buddhistischer Kleriker, dem
seine führende Rolle in der anti-Muslim Bewegung den Namen „der kämpfende
Mönch“ eingebracht hat. Die Buddhisten brannten Wohnhäuser und
Geschäftslokale von Muslimen nieder, während Polizei und Feuerwehr zuerst
tatenlos zuschauten, bevor sie eingriffen. Auf die Proteste der Muslime gab
ein Regierungsbeamter die Antwort: „In Afghanistan haben die Taliban
unseren Lord Buddha zerstört, deswegen zerstören wir hier eure
Moscheen.“
In Süd-Thailand steht einer
radikalisierten muslimischen Minderheit die buddhistische Armee des Königs
gegenüber. Im April 2004 kam es zu einem Zusammenstoss,
bei dem über Hundert muslimische Aufständische den Tod fanden. Die Liquidierung
von 32 spärlich bewaffneten Muslimen in der historischen Krue Se Moschee machte internationale
Beobachter auf die exzessive Gewalt und Brutalität aufmerksam, mit der das
thailändische Militär in diesem religiösen Konflikt vorgeht. Nach einer
jüngsten Meldung wurden über Hundert Muslime, zusammengestaut in
Transportwaggons, erstickt. Auf der anderen Seite sind buddhistische Mönche
immer wieder Opfer von Messerattacken, die von fanatischen Muslimen „im
Namen Allahs“ durchgeführt werden.
Weitere Krisenherde, in denen es im
Herbst 2004 zu buddhistisch-islamischen Konfrontationen kam, sind die
Kämpfe zwischen chinesischen Chan-Buddhisten und Hui-Hui Muslimen in den
Westprovinzen Chinas, ebenso sind in den Grenzgebieten zwischen Indien und Bangladesh, wo bis vor einigen Jahren eine
buddhistische Guerillatruppe aktiv war, wieder Kämpfe aufgeflackert.
Die Kooperation des XIV. Dalai Lama mit Indiens Religiöser
Rechten
So aggressiv sich die Kalachakra-Prophezeiungen gegenüber dem Islam äußern,
so freundlich verhalten sie sich auf der anderen Seite gegenüber dem
Hinduismus. Man erfährt nämlich, dass die Endzeitschlacht gegen die Muslime
von einer gemeinsamen buddhistisch-hinduistischen Armee unter dem Kommando
des Shambhala-Königs Rudra
Chakrins geschlagen wird. Auch diese
prophezeite Waffenbrüderschaft ist heute schon vorgeprägt.
Indien kennt und schätzt offensichtlich
einen anderen Dalai Lama als der Westen. Sehr eng und herzlich sind seine
Kontakte zu Persönlichkeiten der ultra-rechten indischen BJP (Bharatiya Janata
Party) und deren paramilitärisch geschulten Kadertruppe RSS (Rashtriya Swayamsevak
Sangh). Der Welt-Hindu-Rat (VHP – Vishwa Hindu Parishad),
der gegenüber dem Islam und dem Christentum extrem aggressive Positionen
vertritt, wurde von dem tibetischen Religionsführer 1964 mitgegründet. Die Politik des VHP wird von Liberalen,
Linken, Christen, Muslimen und Vertretern der niedrigen Kasten
gleichermaßen als „theokratischer Faschismus“, „religiöser Faschismus“ und
„Hindu-Fundamentalismus“ bezeichnet. Aus seinen Reihen wurde eine
„Endlösung der Islamfrage“ gefordert. In Anwesenheit des Dalai Lama
verkündete der VHP-Präsident Ashok Singhal auf
einer Veranstaltung: „Buddhismus, Hinduismus und andere nicht-aggressive
Religionen müssen sich zusammentun, um den Islam als eine aggressive
Religion auszulöschen.“
Die muslimische Kritik an dem
tibetischen Religionsführer fällt entsprechend radikal aus: „Ich muss
leider sagen, dass Sie weder ein ehrenvoller Friedensunterhändler sind,“ –schreibt der indische Journalist Shamsul
Islam in einem offenen Brief an den Dalai Lama - „noch sind Sie eine heilige Seele, die
sich über die dreckige Interessenpolitik erhebt. Sie spielen das Hindutva Spiel, indem Sie zu Tricks und
Bluffs greifen, wodurch sich dieses Spiel auszeichnet. Sie sind ein alter
Kumpel der RSS, der dann aus der Tasche gezogen wird, wenn alle anderen
Tricks fehlgeschlagen sind.“
Es gibt eine ganze Anzahl von
Beispielen, bei denen der tibetische Religionsführer militärische
Aktivitäten der Inder verbal abgesegnet hat. Den Höhepunkt hiervon bildete
sein „Ja“ zu den indischen
Atombombenversuchen.
Im Jahre 1998, als die Inder ihre Pokhran Nukleartests durchführten und die gesamte Welt,
einschließlich der USA, heftig dagegen protestierte, machte der Dalai Lama
einen unerwarteten Kotau vor seinem Gastland und erklärte: „Ich denke, das
atomare Waffen gefährlich sind. Deswegen sollte man jegliche Anstrengung
unternehmen, Nuklearwaffen zu eliminieren. Aber die Anmaßung des Konzepts,
dass es für wenige Nationen okay ist, Atomwaffen zu besitzen und für den
Rest der Welt nicht .... das ist undemokratisch. [...] Indien sollte nicht
von den entwickelten Ländern unter Druck gesetzt werden, seine Atomwaffen
aufzugeben.“
In der Tat ist der Dalai Lama mit der
Geschichte der indischen Atombombe auf eine eigenartige Art und Weise
verbunden. In einem „Deal“ zwischen dem indischen Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru und Washington wurde 1958 vereinbart,
dass Indien dem Religionsführer Asyl gewähre und als Gegenleistung die Hilfe
der USA beim Aufbau eines Atomwaffenprogramms durch die Ausbildung von 400
indischen Wissenschaftlern erhalte, die dann in der Lage waren, die Bombe
zu konstruieren. Der erste atomare Testversuch der Inder (1974) trug den
Namen „lächelnder Buddha“.
Fazit: „Im Osten nichts Neues!“. Auch
der Buddhismus (das gilt übrigens für alle seine Schulrichtungen und nicht
nur für den Lamaismus) hat „seine Leichen im Keller“, seine
Kriegsideologien und seine blutige Geschichte. Deswegen unterscheidet er
sich nicht von den anderen Religionen. Insbesondere hat aber das Kalachakra-Tantra eine aggressive,
kriegerische, intolerante, inhumane, frauenfeindliche, autokratische und
apokalyptische Weltsicht zum Inhalt und verstößt zudem gegen zahlreiche
Grundaussagen des historischen Buddhas, die jegliche Legitimation des
Tötens und des Krieges verbieten. Es ist deswegen grotesk, dass gerade der
Dalai Lama als der unermüdliche Propagandist dieses fundamentalistischen
Rituals zu einer leuchtenden Ikone der Toleranz und des Friedens von den
westlichen Medien hochstilisiert wird.
© Victor und
Victoria Trimondi
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