Das
Kalachakra als
Legitimation
politischer Macht
von Edi Goetschel
Die
Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur,
das Gemüt einer herzlosen Welt, wie sie der Geist
geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volkes.
Karl Marx (Zur Kritik der Hegelischen Rechtsphilosophie, 1843)
Den Text, um den sich alles
dreht, das Kalachakra-Tantra, gibt es eigentlich gar nicht. Die Urfassung
gibt es nicht mehr, hat es so, wie der tibetische Buddhismus glauben machen
will, nie gegeben oder kann es nicht gegeben haben.
Das Kalachakra-Tantra, das Tantra des «Rads der Zeit», soll Suchandra, der
erste König des im Norden gelegenen Reichs Shambhala, von Buddha selbst
erhalten haben. Suchandra hatte darum gebeten und war mit 96 Unterkönigen –
es handelte sich also um eine Art Staatsbesuch – nach Südindien gekommen. (1) Wieder in Shambhala soll Suchandra die
Darlegungen «in seiner eigenen Sprache» festgehalten haben. (2) Dieser Text, der 12'000 Strophen umfasst haben
soll, wird als «Kalachakra-Mulatantra» oder «Wurzel-Tantra» bezeichnet. In
der Folge soll das Kalachakra-Tantra in Shambhala von König zu König
weitergegeben worden sein: Bei einer Kalachakra-Initiation ist jeweils der
Lama, der die Initiation gibt, in Graz also der XIV. Dalai Lama, der
ungekrönte König von Shambhala.
Beschreibung von
Kampfmaschinen
Der
achte König von Shambhala, Manjushri, soll, wie es heute der Dalai Lama
macht, Initiationen im grossen Stil durchgeführt und auch Nicht-Buddhisten
ins Kalachakra-Tantra eingeweiht haben. Nicht weniger als 35 Millionen
Menschen habe er initiert, heisst es. Er wird deshalb, wie die folgenden
Könige von Shambhala auch, als Kalki bezeichnet, als «einer, der die
Überlieferung weiterträgt» oder «Linienhalter». Vielleicht war es ein
Erfordernis seiner Masseninitiation, vielleicht überhaupt die Voraussetzung
dafür, jedenfalls soll er eine gekürzte Version des Kalachakra-Tantra mit
noch gerade 1047 Strophen zusammengestellt haben. Um diesen Text, der «Shri
Kalachakra», «Kalachakra-Laghutantra» oder «Zusammengefasstes Tantra»
genannt wird, soll es sich handeln, wenn heute vom Kalachakra-Tantra die
Rede ist.
Mit Manjushri beginnt eine neue Zeitrechnung: Laut einer Prophezeiung des
Kalachakra-Tantra sollen ihm weitere 24 Kalki-Könige folgen, von denen
jeder 100 Jahre regieren wird. Der 25. König, der im Jahr 2337 den Thron
von Shambhala besteigen wird, eine Inkarnation Manjushris wird als Rudra
Chakrin («Der Rasende mit dem Rad») erscheinen. Nicht klar ist, ob es sich
um denselben Rudra handelt, der als durch die Gottheit Kalachakra besiegt
gezeigt wird, für diesen Auftritt aber «rehabilitiert» würde. Das Rad ist
in diesem Zusammenhang als Attribut des Weltenherrschers zu verstehen, das
sowohl das weltliche Gesetz wie die spirituelle Macht symbolisiert. (3) In einer letzten Schlacht wird Rudra Chakrin alle
«Barbaren» besiegen und seine Macht auf die ganze Welt ausdehnen. Seiner
Ankunft vorausgehen werden Naturkatastrophen, Hungersnot und Krieg. Nach
dem letzten Krieg wird in ein «goldenes Zeitalter» sowohl mit materiellem
Wohlstand als auch spirituellem Reichtum beginnen. Eine
Kalachakra-Initiation soll zwar keine Gewähr bieten, aber doch begünstigen,
in Shambhala als Krieger von Rudra Chakrin oder bereits nach der letzten
Schlacht in einer paradiesischen Welt wiedergeboren zu werden.
Abgesehen von der Utopie eines «goldenen Zeitalters» enthält das
Kalachakra-Tantra keine «Friedensbotschaft». Wenn die Veranstaltung in Graz
dennoch als «Kalachakra for World Peace» angekündigt wird, kann damit nur
der Frieden gemeint sein, wie ihn das Kalachkra-Tantra verheisst: Es ist
der Frieden nach der letzten Schlacht, vielleicht erst in einem nächsten
Leben.
Dafür werden im «Shri Kalachakra» ausführlichst die Kampfmaschinen
beschrieben, die in der letzten Schlacht zum Einsatz kommen werden. Eine
Stelle, die auch in buddhistischen Kreisen für Diskussionen sorgt, nennt
zudem die Führer der «Barbaren» beim Namen: «Adam, Henoch und Abraham, und
fünf weitere im Zustand der Verblendung aus der Familie der dämonischen
Schlangen: Moses, Jesus, der weiß Gewandete, Mohammed und Mathani als
achter – er wird zur Finsternis gehören.» (4) Henoch ist Noah, «der weiß Gewandete» Mani, der
Begründer des Manichäismus, und mit Mathani ist der Mahdi gemeint.
Bereits Manjushris Sohn Pundarika soll die konkreten Prophezeiungen
relativiert haben. Als Verfasser eines Kommentars zum «Shri Kalachakra»,
der als «Vimalaprabha» oder «Makelloses Licht» bekannt ist, soll er die
Ankündigung eines Krieges als Beschreibung eines inneren Krieges
interpretiert haben. Ob aus tatsächlicher Überzeugung, aus politischer
Räson oder mit der Absicht, das Kalachakra-Tantra zum esoterischen Text
umzufunktionieren, dessen Sinn nur Eingeweihten zugänglichen ist, muss
dahingestellt bleiben. Alexander Berzin, ein Freund des Dalai Lama und
Autor des «offiziellen» Kalachkra-Sachbuchs. Das Rad der Zeit», erinnert
daran, dass schließlich schon Buddha selbst, der aus einer Kriegerkaste
stammte, oft militärische Bilder für spirituelle Inhalte gebraucht habe. (5)
Der «Heilige
Krieg» des Buddhismus
In
einem Essay, der mit 25. November 2001 datiert ist, also auf den Tag
zweieinhalb Monate nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001, nimmt
Berzin aber eine erstaunliche Haltung ein, was die Bedeutung des Krieges im
Kalachakra-Tantra betrifft. Vielleicht ist der Text aus Betroffenheit über
die exemplarische Demonstration der Wirksamkeit destruktiver politischer
Konzepte entstanden, vielleicht aus der Sorge, dass durch den «religiös»
motivierten Terrorismus jede Form einer von archaisch-religiösen
Vorstellungen bestimmten Politik in Verruf geraten könnte, vielleicht auch
aus ehrlichem Bemühen, endlich eine offene Diskussion über problematische
Inhalte des tibetischen Buddhismus zu beginnen. Ihm kommt entgegen, dass
der «Heilige Krieg» seit dem 11. September 2001 kein Tabu-Thema mehr ist.
Ein «Heiliger Krieg» wird vor allem mit dem islamischen Dschihad, aber auch
mit den Kreuzzügen in Verbindung gebracht. Der Buddhismus dagegen gilt
gemeinhin als Religion des Friedens. Doch Berzin gibt zu bedenken:
Eine
sorgfältige Untersuchung der buddhistischen Texte dagegen, insbesondere der
Kalachakra-Tantra-Literatur, zeigt, dass es sowohl eine äusseren wie eine
innere Ebene einer Schlacht gibt, die durchaus «Heiliger Krieg» genannt
werden kann. Ein unvoreingenommenes Studium des Islams führt zum gleichen
Ergebnis. In beiden Religionen können Führer die äußere Ebene eines
«Heiligen Krieges» für politische, wirtschaftliche oder persönliche Zwecke
ausbeuten, um ihre Truppen in den Krieg zu führen. Geschichtliche Beispiele
betreffend den Islam sind wohlbekannt; man darf beim Buddhismus aber nicht
durch eine rosa Brille schauen und meinen, dass er gegen dieses Phänomen
immun gewesen sei. (6)
Zumindest
ein Unterschied besteht allerdings: Während im Islam über das Verständnis
des Dschihad debattiert wird, will der tibetische Buddhismus sich mit
dieser Frage nicht auseinandersetzen. (7)
Mit
der rein symbolischen Auslegung des Kalachakra-Tantra käme der tibetische
Buddhismus zudem sich selber in die Quere. Das Kalachakara-Tantra umfasst
nämlich, so wird erklärt, adrei Bedeutungsebenen. Das äussere
Kalachakra-Tantra beschäftige sich mit der sichtbaren Welt, der Welt der Körper,
das innere mit körperlichen und seelischen Vorgängen und das «andere» oder
alternative mit spirituellen Inhalten. Wäre die Bedeutung nur eine
symbolische, gab ein Kommentator im 15. Jahhundert zu bedenken, dann
müsste, wenn das Kalachakra-Tantra auf innere Entsprechungen der Planeten
und ihrer Konstellationen aufbaut, der absurde Schluss gezogen werden, dass
die Himmelskörper auch nur als Metaphern ohne äußeren Bezug existieren. (8)
Dieselbe Frage stellt sich auch in Bezug auf die Existenz von Shambhala.
Verschiedentlich haben Abenteurer versucht, das Land zu finden, und es gibt
auch Beschreibungen für die Reise dorthin. Doch lokalisieren lässt es sich
nicht. Und der Dalai Lama und seine Anhänger und Anhängerinnen werden nicht
müde zu erklären, dass es Shambhala nur als spirituellen Ort gibt. Das
heißt aber nicht, dass es Shambhala nicht doch gibt. Sei es für Auserwählte
oder sei es «nur» in den Köpfen und in den Wünschen. Der Gelehrte Gen
Lamrimpa schreibt in seinem Buch «Kalachakra» diplomatisch:
Ob
Shambhala sich auf unserem Planeten befindet, aber hier nur von den Wesen
wahrgenommen werden kann, deren Geist und karmische Anlagen rein sind, oder
ob es sonst irgendwo existiert, ist eine Frage, die unter frommen
tibetischen Buddhisten immer noch diskutiert wird. Jedenfalls beten
tibetische Buddhisten seit fast einem Jahrtausend dafür, entweder in
Shambhala wiedergeboren zu werden oder gerade dann in unserer Welt, wenn der
fünfunzwanzigste Kalki-König erscheint und die goldene Ära von Shambhala
beginnt. (9)
Wäre
Shambhala ein imaginärer Ort, gäbe es das Kalachkra-Tantra nicht. Doch es gehört
zu den Eigenheiten des tibetischen Buddhismus, sich je nach Situatuion auf
die überlieferten Mythen oder aber historischen Fakten zu berufen.
Krude Mischung
aus Versatzstücken
Im
Jahr 960 u. Z., zur Zeit des 12. Kalki-Königs, also zur «Halbzeit« bis zum
Erscheinen Rudra Chakrins, so die Überlieferung, machte sich der aus dem
Staat Orissa am Golf von Bengalen stammende Yogi Cilupa auf die Suche nach
Shambhala. Auf seinem Weg dorthin begegnete er einer Manifestation von
Manjushri, der ihm das «Shri Kalachakra» und das «Makellose Licht» gab. 966
kehrte Cilupa mit ihnen nach Indien zurück. Nach einer anderen
Überlieferung wurden die Texte gleichzeitig zwei Personen gegeben. Eine
Anekdote, die offensichtlich die Authentizität eines Wissenstransfers zwischen
verschiedenen Realitätsebenen betonen soll.
Aus inhaltlichen Bezügen des «Shri Kalachakra» in Verbindung mit der Angabe
einer genauen Jahreszahl, wann das Kalachakra-Tantra nach Indien gekommen
ist, ergibt sich die Vermutung, dass das Kalachakra-Tantra in jener Zeit
enstanden sei. Dies betrifft etwa Mani und den Manichäismus, der sich im 1.
Jahrtausend bis nach Spanien und China verbreitete und die Vorstellung
eines Kampfes vertrat zwischen dem Licht, den göttlichen Kräften, und der
Finsternis, dem Bösen, wie sie in der zitierten Stelle des
Kalachakra-Tantra ebenfalls angesprochen wird. Ein entscheidender Hinweis
ist die Erwähnung des Mahdi, bei dem es sich nach islamischer Vorstellung
um einen Messias handelt, der das Ende der Welt verkündet. Beim Mahdi, der
vor allem zur Zeit der Herrschaft der Abassiden von etwa der Mitte des 8.
bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts eine Rolle spielte, handelt sich um eine
Figur, die im Koran nicht erwähnt ist und möglicherweise mit einem Einfluss
des Christentums in Verbindung gebracht werden kann. Im schiitischen Islam
ist der Mahdi der «Verborgene Imam» («Vorbild», «Führer»): 939 wurde
bekanntgegeben, dass sich kein Imam mehr öffentlich zeige, bis Gott ihm die
Erlaubnis erteilen würde, sich selbst zu manifestieren. (10) Der Mahdi wird auch «Imam der Zeit» oder «Herr
der Zeit» genannt.
Das Kalachakra-Tantra nimmt also einerseits Figuren und Motive
verschiedener Religionen auf, andererseits grenzt es sich mit Nachdruck
gegen sie ab. Womit, nebenbei bemerkt, es genau das wäre, was dem
Neo-Tantra immer wieder vorgeworfen wird, nämlich eine krude Mischung aus
Versatzstücken der unterschiedlichsten Überzeugungen, Traditionen und
Methoden. Berzin schreibt:
Wir
können den Schluss ziehen, dass die Kalachakra-Literatur von buddhistischen
Meistern geschrieben worden ist zu einer Zeit, als deren Wissen über den
Islam vom Kontakt mit den frühen Abassiden geprägt war. Diese Meister
stammten höchstwahrscheinlich aus den grossen buddhistischen Klöstern in
der Region von Kabul im heutigen Afghanistan. Viele dieser Klöster haben
architektonische Motive, die ähnlich denen des Kalachakra-Mandalas sind.
Sie verfügten gleichzeitig über gute Beziehungen zum tantrischen Buddhismus
in Kaschmir, wo dieser sich häufig mit hinduistischem Tantra vermischte. (11)
Afghanistan
war damals wie heute ein von verschiedenen Religionen umkämpftes Gebeite
und der Buddhismus hatte sich vor allem gegen den Islam zur Wehr zu setzen.
Der Traum vom buddhistischen Großreich
Die
Idee von Shambhala als gelobtem Land spielte nicht nur im 10. Jahrhundert
eine wichtige Rolle. Shambhala wurde immer wieder zur Chiffre nationaler
Identität und territorialer Ansprüche. Ein Beispiel dafür ist der Burjate
Lama Agvan Dorzhiev. Zu den Burjaten am Baikalsee kam die tibetische
Tradition des Kalachakra-Tantra im 19. Jahrhundert, nachdem sie sich im 17.
und 18. Jahrhundert bis in die Mongolei verbreitet hatte.
Dorzhiev, ein Freund und Berater des XIII. Dalai Lama – der gelehrte Mönch
machte sich auch einen Namen durch seine Mitwirkung bei der Entwicklung
einer Schrift für das moderne Burjatisch auf der Grundlage des mongolischen
Alphabets –, entwickelte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine rege
diplomatische Reisetätigkeit mit dem Ziel der Bildung eines buddhistischen
Grossreichs in Zentralasien unter der Schutzherrschaft des Zaren. Kurz nach
der Jahrhundertwende tauchte in Lhasa eine Schrift auf, die Dorzhiev
zugeschrieben wurde. Darin hies es, Shambhala, das Königreich im Norden,
sei Russland und Zar Nikolaus II. sei eine Inkarnation von Tsongkapa – der
Gründer des Gelug-Ordens, dem auch der XIV. Dalai Lama angehört –, der die
Welt unterwerfen und ein gigantisches buddhistisches Reich errichten werde.
Zwischen realpolitischem Kalkül und weltfremder Schwärmerei ist bei
Dorzhievs Plan aus heutiger Sicht schwer zu unterscheiden. Jedenfalls
hatten seine Aktivitäten das Gegenteil zur Folge: 1904 marschierte England
in Tibet ein und der damalige Dalai Lama, der meint es handle sich um einen
Angriff, flüchtete nach China.
Auf Dorzhievs Initiative geht auch der Bau eines Kalachakra-Tempels in der
damaligen russischen Hauptstadt St. Petersburg zurück. Er ist bis heute der
nördlichste buddhistische Tempel der Welt. Mit der Errichtung wurde 1909
begonnen, finanziell großzügig unterstützt durch den Dalai Lama. 1913 war
der Tempel mit Ausnahme der Innenausstattung fertiggestellt. Im selben Jahr
wurde die erste Feier durchgeführt, und zwar zum 300-Jahr-Jubiläum der
Zaren-Dynastie Romanow. Eingeweiht wurde der Tempel 1915 in Anwesenheit von
Mitgliedern der russischen Regierung, Vertretern des Königs von Siam und
Abgesandte des Dalai Lama sowie des Khutukhta aus der Mongolei, der von den
Buddhisten des Transbaikalgebiets zusammen mit dem Dalai Lama als
spiritueller Führer verehrt wird. Dorzhiev beabsichtigte, den Tempel durch
ein Kloster zu erweitern und ihn mit der Zeit zu einer Niederlassung des
Dalai Lama in Russland zu machen.
Nachdem er eben noch für das Zarentum eingetreten war, soll Dorzhiev 1917
die «Oktober-Revolution» und die Machtübernahme der Bolschewiken begrüßt
haben. Er erklärte nun, dass der Buddhismus und der Kommunismus durchaus
miteinander verträglich seien. Das Heil Tibets sollte nun von Lenin kommen.
Doch unter Stalin wurden 1929 alle religiösen Aktivitäten mit Gewalt
unterbunden. 1937 wurde der Kalachakra-Tempel vom Regime geschlossen. Im
November desselben Jahres wurde Dorzhiev verhaftet, im Januar 1938 starb er
in einem Gefängnisspital.
Interesse an dem Tempel zeigte zu Beginn der 40er Jahren das Ahnenerbe der
SS, ein Verein zu deren Gründern der Reichsführer SS Heinrich Himmler
gehörte und dessen Ziel es war, «Raum, Geist und Tat des nordrassischen
Indogermanentums zu erforschen». (12) In einem Brief schrieb der Rassenspezialist Dr.
Bruno Beger – der SS-Hauptsturmführer war an Menschenexperimenten in
Ausschwitz beteiligt und wurde 1971 wegen Beihilfe zum Mord in 86 Fällen
auf Bewährung verurteilt – dem Tibetologen Johannes Schubert: «Eigentlich
sollten wir uns bei der kommenden Eroberung Leningrads den dortigen
lamaistischen Tempel irgendwie sichern oder die Verbindung mit diesem
anknüpfen. Was halten Sie davon und wie könnten wir da vorgehen?» (13) Dabei wäre es auch darum gegangen, die Symbolik
des Tempels zu entschlüsseln, zu dessen Innenausstattung ein grosses
Hakenkreuz-Mosaik als Dekoration des Bodens der Tempelhalle gehörte –
während des Zweiten Weltkriegs wurde es herausgeschlagen. (14)
1990 oder 1991 wurde der Tempel der buddhischen Gemeinschaft zurückgeben.
Diese bemüht sich seither um seine Restauration.
Victor und Victoria Trimondi weisen auf interessante Zusammenhänge zwischen
Dorzhiev und den für sein Konzept einer buddhistischen Erneuerung der
Gesellschaft umstrittenen Robert A. Thurman hin. So erklärte Thurman etwa
an einer Tibet-Konferenz 1997 – im selben Jahr nahm ihn das Magazin «Time»
in die Liste der 25 einflussreichsten Amerikaner und Amerikannerinnen auf
–, dass der dekadente materialistische Westen in allernächster Zeit
zerfallen und durch ein buddhistisches Werte- und Staatssystem ersetzt
werde. (15)
Thurman – seine Frau Nena ist ein ehemaliges Modell und Psychotherapeutin,
die vor ihrer Ehe mit Thurman kurze Zeit mit Timothy Leary verheiratet war,
die Filmschauspielerin Uma Thurman («Pulp Fiction») ist eines ihrer vier
Kinder – ist der erste Amerikaner, der buddhistischer Mönch wurde und er
hatte den ersten Lehrstuhl für Buddhismus an einer Universität im Westen
inne. 1987 gründete er zusammen mit Richard Gere das Tibet House in New
York, dessen Präsident er ist. Vizepräsident ist übrigens der
Minimal-Komponist Phil Glass, der etwa die Filmmusik zu «Koyaanisqatsi» –
eine apokalyptische Vision, die mit der Zeit vor dem Erscheinen Rudra
Chakras vergleichbar ist – und zum Dalai-Lama-Epos «Kundun» von Martin Scorcese
geschrieben hat.
Thurmans Lehrer war der Kalmücke Geshe Nawang Wangyal – wie die Burjaten
sind die Kalmücken eine westmongolische Volksgruppe. Wangyal wiederum war
ein Schüler von Dorzhiev. Er studierte längere Zeit in Lhasa und kam 1955
als erster tibetisch-buddhistischer Mönch in die USA, um einer
kalmückisch-mongolischen Gemeinde in New Jersey als Geistlicher
vorzustehen. 1958 gründete er das Tibetan Buddhist Learning Center, das
erste tibetisch-buddhistische Zentrum im Westen. Zu seinen Schülern
gehörten neben Thurman die beiden Autoren, die heute für die «offizielle»
Kalachakra-Literatur zuständig sind: Alexander Berzin, der Thurman bereits
während seiner Studienzeit in Harvard kenneglernt hatte, und Jeffrey
Hopkins, der Übersetzer und Herausgeber eines Buchs des Dalai Lama über das
Kalachakra-Tantra, das vor kurzem auch auf Deutsch erschienen ist.
Noch heute veranstaltet das Learning Center jedes Jahr ein Maitreya-Fest,
das Wangyal zum Andenken an seinen Lehrer Dorzhiev ins Leben gerufen hatte.
Dieser hatte es 1905 zu den Kalmücken gebracht, wo es jährlich abgehalten
wurde.
Trimondis weisen darauf hin, dass der Kalachakra-Tempel in St. Petersburg
und das New Yorker Tibet House einander entsprechen: «Bei beiden
Institutionen handelt es sich um halbokkulte Zentren, die nach aussen hin
als Kulturinstitutionen getarnt sind.» (16) Und sie stellen eine These auf, die sich aus dem
tibetisch-buddhistischen Glauben an die Reinkarnation fast zwangsläufig
ergibt:
Der
«Linienguru» Robert Thurmans ist also via Wangyal der Altmeister Dorzhiev.
Dorzhiev – Wangyal – Thurman bilden eine Initiationsfolge. Nach tantrischer
Sicht lebt der Geist des Meisters in der Gestalt des Schülers fort. Man
kann deshalb auch annehmen, dass Thurman als der «Nachfolger» Dorzhievs
eine Emanation der höchst aggressiven Schutzgottheit Vajrabhairava
darstellt, welche sich in dem Burjaten inkarniert hatte. Auf jeden Fall
muss Thurman mit der globalen Shambala-Utopie Dorzhievs in Zusammenhang
gebracht werden. (17)
Die eigenartigen Ansichten des
Ole Nydahl
Wie
im Kalachakra-Tantra Stimmung gegen andere Religionen zu machen, gehört in
weiten buddhistischen Kreisen zum guten Ton. Und das nicht erst seit den
Ereignissen des 11. Septembers 2001. So weist Lama Ole Nydahl, einer der
umtriebigsten und bekanntesten westlichen Buddhismus-Missionare – er hat
seit 1972 über 300 Zentren auf der ganzen Welt gegründet –, bei jeder
Gelegenheit auf die seiner Meinung nach zwei grössten Probleme der Gegewart
hin, die Überbevölkerung und den Islam.
Auch in einem Text mit eher skurrilen Einsichten und Ratschlägen zur
Meditation im Alltag kann er unvermittelt zum Rundumschlag ausholen:
Auf
dem Weg zur Arbeit gibt es jede Menge Energie wahrzunehmen. Die ganzen
Bewegungen der Autos und Busse sind an sich etwas Tolles, die
Zielgerichtetheit so vieler Menschen… und man leitet sie sowohl an die
Buddhas wie an alle Wesen weiter. Wenn man am Arbeitsplatz angekommen ist,
nimmt man sich die Zeit, jedem der Mitarbeiter einen Buddha auf den Kopf zu
setzen und diesen während der nächsten Stunden auch dort zu halten.
Überhaupt gehören auch übergreifende Themen wie die langfristige
Entwicklung der Welt und die Gefahren durch Übervölkerung und Islam
unterschwellig im Geist dazu, ansonsten ist man kein bewusster Mensch. (18)
So
einfach funktioniert Nydahls Buddhismus. Und so undifferenziert: Nicht den
religiösen Fundamentalismus des Islams oder die damit verbundene Militanz
bezeichnet er als Problem, sondern den Islam schlechthin. Und er steht
dazu. «Setzt Du Islam und fundamentalistischen Islam gleich?», wurde er von
der Zeitschrift «Kagyü Life», der Hauszeitung seines «Diamantweg
Buddhismus», gefragt. Nydahl antwortete: «Heute leider ja. Mohammed hatte
seine Offenbarungen meistens dann, wenn er persönlich unter Druck stand,
mit Frauen, Familie oder Feinden. Koran und Sharia sind knallharte
Gesetzbücher.» (19)
So ist es auch nicht erstaunlich, dass er 1999 in einem Rundbrief zum Einsatz
der Nato im ehemaligen Jugoslawien schrieb: «Sehr bemerkenswert ist die
Tatsache, dass die NATO zur Zeit das traditionelle und einzig glaubwürdige
Bollwerk in Ost-Europa gegen den Islam bombardiert.» (20)
Bereits 1994 weihte Nydahl im Zentrum Karma Gön in Spanien eine
Kalachakra-Stupa zum «Schutz der Freiheit Europas und insbesondere der
Freiheit unserer Frauen» ein. Dazu erklärte er: «Karma Gön liegt im Süden
an der Küste des Mittelmeers direkt gegenüber der überbevölkerten
islamischen Welt, die genau das Gegenteil ist dieser Freiheiten. Die Stupa
muss im Zusammenhang mit der Zukunft Europas als Ausdruck unserer
Entschlossenheit zu Freiheit und Entwicklung gesehen werden.» (21)
Nydahl räumt zwar ein, dass es Parallelen gäbe zwischen Buddhismus und
Islam, was beispielsweise den Einsatz für die «gute Sache» betrifft: «Wie
im Islam, wo man in die schönsten Paradiese aufgenommen wird, wenn man Leib
und Leben im Kampf für Allah opfert, gibt es auch im Buddhadharma Beispiele
für Selbstopferung bis hin zur eigenen körperlichen Opferung für andere.
Dadurch stellt man das eigene Ego zum Vorteil anderer zurück, was für viel
Verdienst und eine gute Wiedergeburt sorgt.» (22) Aber es sei eben doch nicht dasselbe: «Der
Unterschied zum Islam besteht darin, dass er es zur Durchsetzung seiner
Religionsinteressen benutzt, der Buddhismus zum Wohle aller Wesen.» Eine
ebenso dumme wie gefährliche Behauptung.
Die Lösung der Probleme, wie könnte es anders sein, besteht für Nydahl in
der buddhistischen Gesellschaft: «In einer buddhistischen Gesellschaft hat
jede andere Religion Platz, in einer Gesellschaft, die sich aufs Wort genau
an den Koran bindet, hat ein Buddhist keine Chance.» Für Nydahl gibt es
also kein gleichberechtigtes Nebeneinander, auch kein Miteinander und schon
gar nicht stellt sich für ihn die Frage, welchen Stellenwert den Religionen
als gesellschaftliche und politische Macht heute in einer globalen oder
globalisierten Welt überhaupt zukommen soll.
Und wie im Kalachakra-Tantra Judentum, Christentum und Islam in einem
Atemzug als feindliche Religionen genannt werden, warnt auch Nydahl vor der
Gefahr, die von allen dreien ausgeht, auch wenn er sie nicht direkt
anspricht. Der Schluss ergibt sich von selbst, beginnt seine Belehrung, der
die hier wiedergegebenen Zitate entnommen sind, doch mit folgenden
Feststellungen:
Die
drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam sind nahe
Verwandte. Sie ähneln einander nicht zuletzt in der ihnen gemeinsamen Anfälligkeit
für politisch instrumentalisierte Fundamentalismen, basierend auf Aussagen
des alten Testamentes und des Korans. In früheren Jahrhunderten zum
Beispiel christliche Missionskriege und Inquisition, heute islamistischer
Fundamentalismus, extremistische Juden wie der Moschee-Massenmörder Baruch
Goldstein oder christliche Gruppen in den USA, die in Gottes Namen Ärzte
ermorden, die Abtreibungen vornehmen und auch die Todesstrafe in vielen
amerikanischen Staaten.
Dalai Lamas Freund Shoko Asahara
Dass
Shambhala bis in die Gegenwart alles andere als symbolisch verstanden
werden kann, zeigt auf erschreckende Art die Aum-Sekte. Für Schlagzeilen
sorgten ihre Giftgasanschläge auf drei Linien der U-Bahn in Tokio am 20.
März 1995 zur Rushour. Sie forderten zwölf Tote und Tausende von
Verletzten. Shoko Asahara, der Gründer und Führer Gruppe, und der Dalai
Lama hatten sich seit 1987 wiederholt getroffen. Bei der ersten Begegnung
sei er von seiner Ernsthaftigkeit und Spiritualität beeindruckt gewesen,
erklärte der Dalai Lama kurz nach den Attentaten, und er betrachte ihn als
seinen Freund, wenn auch nicht unbedingt einen vollendeten.(23) Mit seinen Anschlägen wollte Asahara offenbar zur
Apokalypse vor dem letzten Krieg, deren Zeit er für gekommen glaubte,
tatkräftig beitragen und sie dadurch beschleunigen.
Unter den Anhängern und Anhängerinnen von Asahara waren auch gebildete und
kultivierte Leute wie der Chirurg Ikuo Hayashi. Durch ihn kamen zwei
U-Bahn-Beamte ums Leben. In seinem Buch «Aum und ich» schildert «Dr.
Death», wie er von den Medien genannt wird, Asaharas Shambhala-Vision, eine
attraktive Mischung aus Reinkarnationshokuspokus, Wohlfahrtsversprechen und
moderner Wissenschaft, mit der Mitglieder rekrutiert worden sind:
In
seiner Predigt schilderte Asahara uns das «Shambhala-Programm». Dazu
gehörte der Bau des «Lotus Village», in dem es ein Astral-Krankenhaus und
eine Shinri-Schule geben sollte, die eine gründliche Ausbildung
gewährleisten würde. […] Die medizinische Behandlung sollte nach einer
Astral-Medizin erfolgen, die auf Asaharas Visionen von einer weiteren
Dimension und den Erinnerungen an frühere Leben basierte. Die
Astral-Medizin erforschte das Karma und den Energie-Zustand des Patienten,
unter Berücksichtigung des Todes und der Seelenwanderung. [...] Ich träumte
von einer natürlichen Landschaft, in der einzelne Gebäude im Grünen lagen.
Dort würde ich mich mit meiner ganzen Kraft der medizinischen Versorgung und
meiner Askese widmen. Mein Traum und «Lotus Village» waren eins. (24)
Der
Schriftsteller Haruki Murakami hat eine Reihe von Gesprächen sowohl mit
Opfern des Anschlags als auch Mitgliedern der Aum-Sekte veröffentlicht.
Gesammelt als Buch sind sie dieses Jahr auch in deutscher Sprache
erschienen.
Murakamis Gespräch mit dem Aum-Mitglied Hiroyuki Kano ist ein Beispiel für
die tibetisch-buddhistische Denkweise, die sich mit Wenn und Aber nicht
festlegen lassen will, für die Faszination an den damit verbundenen
Gedankenspielen und Machtphantasien, aber auch die Vermischung und
Verwischung von persönlichen Wünschen und Träumen, der Selbstverantwortung
als Individuum und dem Vertrauen und Gehorsam bis zur Selbstaufgabe für den
Guru und die «Gemeinschaft»:
Sie
müssen eines verstehen: Nur die Leute, die eine sehr hohe Stufe erreicht
haben, praktizieren Tantra-Vajrayana. Uns wurde immer wieder gesagt, dass
nur diejenigen, die die Ebene des Mahayana abgeschlossen haben, so etwas
ausführen dürfen. Wir anderen waren noch weit davon entfernt. Daher
stellten wir auch nach dem Anschlag unsere Übungen und Aktivitäten nicht in
Frage.
Murakami: Aber abgesehen von der Frage höherer oder niedriger
Bewusstseinsstufen ist Tantra-Vajrayana doch ein wichtiger Bestandteil der
Lehre Aums und damit sehr bezeichnend, nicht wahr?
Sie haben ja Recht, aber aus unserer Warte waren das unerreichbare Früchte,
die nichts mit dem zu tun hatten, was wir normalerweise taten oder dachten.
Etwas, das unendlich weit entfernt war. Um auf diese Ebene zu gelangen,
muss man das Karma von Zehntausenden von Jahren abarbeiten.
Murakami: Na gut, das spielte also für Sie keine Rolle. Aber nur einmal
angenommen, Sie hätten die Ebene des Tantra-Vajrayana erreicht, und man
hätte Ihnen befohlen, auf Ihrem Weg ins Nirvana jemanden zu töten. Hätten
Sie es getan?
Logisch betrachtet, ist das eine einfache Frage. Wenn ich einer Person,
indem ich sie töte, zu größerer Glückseligkeit verhelfen kann, als sie in
ihrem gegenwärtigern Leben je erfahren wird, ja. Das kann ich
nachvollziehen. Andererseits kann so etwas nur jemand tun, der die
Fähigkeit besitzt, den Prozess der Seelenwanderung und Widergeburt
vollkommen zu durchschauen. Sonst sollte man besser die Finger davon
lassen. Wäre ich also imstande zu durchschauen, was mit einer Person nach
ihrem Tod geschieht, oder ihr zu helfen, auf eine höhere Ebene zu gelangen,
dann hätte ich es wahrscheinlich auch getan. Aber meines Wissens gab es bei
uns niemanden, der diese Erkenntnisebene erreicht hatte. (25)
Der
Prozess gegen Asahara dauert noch an. Hayashi wurde zu einer
lebenslänglichen Strafe verurteilt, gegen die er Berufung eingelegt hat.
Nebenbei: Asaharas Anhänger und Anhängerinnen in Russland unterhalten noch
heute eine Website mit dem Titel «Shambhala Club». (26)
Lehrstück für den tibetischen Buddhismus
Im
März 2002 hat der Hollywood-Star Richard Gere als Vorsitzender der
International Campaign for Tibet vor einem Ausschuss der US-Regierung für
internationale Beziehungen einen Bericht über die Lage in Tibet abgegeben.
Er beginnt ihn mit seinen Eindrücken der Kalachakra-Initiation im Januar
2002 in Bodhgaya in Indien, zu der schätzungsweise 150'000 Tibeter und
Tibeterinnen sowie 50'000 Pilger aus Nepal gekommen waren. Wegen
Erschöpfung des Dalai Lama musste die Veranstaltung aber kurz nach Beginn
abgebrochen werden. Gere schildert die Folgen: «Ich kann ihnen sagen, dass
Gerüchte über die Gründe und die Ernsthaftigkeit der Erkrankung Seiner
Heiligkeit sich rasch, mitunter hysterisch, unter der Menge ausbreiteten,
und sowohl politischen wie spirituellen Machenschaften zugeschrieben worden
sind.» (27)
Geres
Zeugenbericht ist äußert aufschlussreich. Er belegt, dass die Kalachakra-Initiation
von einem großen Teil der Teilnehmenden als politische Manifestation
verstanden worden ist – handelte es sich nicht darum, sondern um eine rein
religiöse Zeremonie, die zudem überzeugend für den Frieden eintritt, gäbe
es weder für die Befürchtungen noch die «Machenschaften» einen Grund. Und
er belegt, dass ein großer Teil der Teilnehmenden die Möglichkeit durchaus
in Betracht zieht, einer unliebsamen Person auf «spirituelle» oder magische
Art und Weise Schaden zufügen zu können. Also genau das, was von westlichen
buddhistischen Kreisen vehement in Abrede gestellt wird.
Das
Kalachakra-Tantra könnte als Lehrstück für das Grundthema des tibetischen
Buddhismus verstanden werden: Der Text, auf den sich die Lehre bezieht, das
Gedankengebäude, das den Ursprung des Universums und die Entstehung der
Welt ebenso wie ihr Ende erklärt, ist ein Trugbild, gibt es nicht, die
Wirklichkeit dahinter ist das Nichts oder die Leere.
Dass
es das Kalachakra-Tantra dennoch gibt, es immer wieder zum Politikum wird,
mehr noch: in letzter Konsequenz als direkte Aufforderung, Menschen
umzubringen, verstanden oder missverstanden werden kann, zeigt exemplarisch
die Denkweise und das Dilemma einer Religion, für Reinkarnation und ewiges
Leben genauso eine Realität darstellen wie Götter und Göttinnen, dämonische
Wesen und allerhand Zauberei und gleichzeitig zwischen der Welt der
Erscheinungen, die sie nur als Illusion betrachtet, und einer ebenso
vergeistigten wie unfassbaren Wirklichkeit unterscheiden, aber doch nicht
trennen will. Und sie zeigt die Gefahren jeder «von oben» diktierten
Religion, die den «Oberen» als Legitimation und Sicherung ihrer eigenen
Macht dient.
© Edi Goetschel.
(1) Über die Zeit, bevor Suchandra König war, sowie
Sinn und Zweck einer eigenen Lehre, ist nichts bekannt oder wird in der
buddhistischen Literatur nicht diskutiert.
(2) Berzin, Kalachkra, S. 47. – In diesem
Zusammenhang würden sich die Fragen stellen, in welcher Sprache Buddha das
Kalachakra-Tantra gelehrt hat und wie genau die Übersetzung gewesen ist,
denn bei jeder Übertragung geht etwas vom originalen «Geist» verloren.
(3) Michael Henss schreibt dazu: «In der tibetischen
Kunst halten alle tibetischen Könige, insbesondere die ersten
'Religions-Könige' (Dharma-raja) und die Dalai Lamas dieses Rad der Lehre
bzw. Weltenrad in der Hand. Dieses buddhistische Symbol macht sie zu Garanten
des Dharma, zu den Königen des Gesetzes, ist aber zugleich das Sinnbild
ihrer weltlichen Herrschaft. Als Chakravartin (Weltenherrscher) halten sie
das auf das kreisrunde Universum anspielende Weltenrad in den Händen. Denn
der Dharma ist nicht nur das religiöse Gesetz, sondern zugleich das im
profanen gültige. Beides ist nicht zu trennen.» (Kalachakra, S. 31)
(4) Zitiert nach: John Ronald Newman: The outer wheel
of time: Vajrayana Buddhist cosmology in the Kalackra Tantra. Madison 1987.
S. 594.
(5) Berzin, Holy Wars.
(6) ebda.
(7) Berzin weist in seinem Text darauf hin, dass der
sunnitische Islam fünf Arten des Dschihad unterscheidet. 1) Der
militärische Dschihad, um den Islam vor Angriffen zu schützen. 2)
Unterstützung von Armen und Bedürftigen. 3) Arbeit zur Unterstützung von
sich selbst und der Familie. 4) Aneignung von Wissen. 5) Der innere Kampf
gegen Wünsche und Gedanken, die der Lehre des Islam widersprechen.
(8) ebda.
(9) Gen Lamrimpa, Kalachakra, S. 2.
(10) John Bowker (Hrsg.): Das Oxford-Lexikon der
Weltreligionen. Düsseldorf 1999. S. 626.
(11) Berzin, Holy Wars.
(12) Joachim Lerchenmüller: Das Ahnenerbe (AE) der SS.
www.shoa.de/ss_ahnenerbe.html.
(13) Trimondi, Hitler, Buddha, Shiva, S. 164. – Auf
der Website der Exilregierung Tibets findet sich ein Foto, enstanden im
September 1994 bei einem Lunch in London, zu dem der Dalai Lama eingeladen
hatte, mit dem Gastgeber flankiert von Beger, bezeichnet als «Anthopologe,
Ethnologe, Geograph und Physiker der Schäfer-Expedition nach Tibet 1939»,
und Heinrich Harrer, der wie Beger Mitglied der SS war.
(14) Der Kalachakra-Tempel in St. Petersburg hat eine
eigene Website unter http://www.datsan.spb.ru/.
(15) Interview mit Herbert und Mariana Röttgen, in:
Die Woche, 14. März 1999.
(16) Trimondi, Der Schatten, S. 620.
(17) ebda.
(18) Den Geist kennenzulernen, ist das einzige Ziel.
In: Kagyü Life, Nr. 18, 1995. Der Artikel ist als Grundlagentext des
«Diamantweg Buddhismus» auch auf der Website von Ole Nydahl unter http://www.lama-ole-nydahl.de/ zu finden.
(19) Der heisse Thron. In: Kagyü Life, Nr. 27, 1997.
(20) www.diamandway-buddhism.org/news/1-99.htm.
(21) The Powerfield of Karmapa has arrived. In: Kagyü Life, Nr. 16, 1994.
(22) Dieses und die folgenden Zitate stammen aus:
Sabine Boyens-Hansen: Macht buddhistische Toleranz mundtot oder
meinungslos? Buddhismus und theistische Religionen am Beispiel Islam. In:
Kagyü Life Nr. 27, 1998.
(23) World Tibet Network News, April 7, 1995. www.tibet.ca/wtnarchive/1995/4/7_2.html.
(24) Zitiert nach: Murakami, Untergrundkrieg, S. 396.
(25) Murakami, Untergrundkrieg, S. 289 f.
(26) Die Website hat die Adresse http://www.shambhalaclub.net/.
(27) Testimony of Richard Gere, Chairman,
International Campaign for Tibet,
Hearing on U. S. Policy
Considerations in Tibet,
House on International Relations, March 7, 2002. www.house.gov/international_relations/gere0307.htm.
Literatur
Alexander
Berzin: Kalachakra. Das Rad der Zeit. Bern etc. 2002.
Alexander Berzin: Holy Wars in Buddhism and Islam. www.berzinarchives.com/holy_war_long.html.
Seine Heiligkeit der Dalai Lama (herausgegeben, aus dem Tibetischen
übersetzt und mit einer Einführung versehen von Jeffrey Hopkins): Kalachakra-Tantra.
Der Einweihungsritus. Berlin 2002.
Gen Lamrimpa: Kalachakra. Die drei Zyklen der Zeit. München 2002.
Michael Henss: Kalachakra. Das Rad der Zeit. Ulm 1998.
Victor und Victoria Trimondi: Der Schatten des Dalai Lama. Sexualität,
Magie und Politik im tibetischen Buddhismus. Düsseldorf 1999.
Victor und Victoria Trimondi: Hitler, Buddha, Krishna. Eine unheilige
Allianz vom Dritten Reich bis heute. Wien 2002.
Haruki Murakami: Untergrundkrieg. Der Anschlag von Tokyo. Köln, 2002.
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