MEDIEN (01)
Rheinischer
Merkur – „Gewalt predigen hat Konjunktur“ – Auszüge aus einem
RM-Tischgespräch auf der Frankfurter Buchmesse“
FAZ –
„Seine Heiligkeit und das Kalacakra Tantra“ -
Petra Kolonko
GEO - "Seelenwanderung -
Im Pilgerzug zum großen Fest des Dalai Lama" – Tilman Spengler
Rheinischer Merkur Nr.
45 vom 7. November 2002
„Gewalt
predigen hat Konjunktur“
Auszüge
aus einem RM-Tischgespräch auf der Frankfurter Buchmesse mit Heiner
Geissler, Hans-Peter Raddatz, Mongi Kachouri,
Victor und Victoria Trimondi
Victor
und Victoria Trimondi:
Der Buddhismus tibetischer Prägung, die
„Trendreligion unserer Zeit“, wird in der großen Öffentlichkeit immer noch
als das toleranteste und friedlichste aller Religionssysteme angesehen. Dieses
Image verdankt er vor allem dem XIV. Dalai Lama, der nicht ermüdet, von
Menschenrechten, vom Völkerfrieden, von
Ökologie, Demokratie, Gleichberechtigung der Geschlechter und
religiöser Toleranz als Grundwerten des Lamaismus zu sprechen. Eine kulturkritische Überprüfung der
Geschichte, der Dogmen und der Riten dieses östlichen Glaubens macht jedoch
deutlich, dass diese vom Dalai Lama herausgestellten Werte vornehmlich ihre
Ursprünge in der abendländischen Kultur haben, und nicht in der tibetischen.
In der Theokratie (Buddhokratie)
des Alten Tibet gab es bis in das 20. Jh. hinein Sklaverei,
Leibeigenschaft, Frauenunterdrückung und ein brutales Strafrecht. Die
verschiedenen lamaistischen Schulen lieferten sich ständige blutige
Gemetzel und waren in gegenseitige Kriege verwickelt. Eine Trennung von
Staat und „Kirche“, von Politik und Religion war im „Gottesstaat“ der Dalai
Lamas ebenso unbekannt wie der Schutz der Menschenrechte. Hohe Lamas
genossen Unfehlbarkeit, wurden und werden auch heute noch – nicht nur im
übertragenen Sinne – als „wandelnde Gottheiten“ auf Erden verehrt.
Ein krasses Beispiel für mangelnde
Toleranz sind zahlreiche Textpassagen des vom Dalai Lama im Oktober dieses
Jahres als „Ritual für den Weltenfrieden“ in Graz/Österreich durchgeführten
Kalachakra-Tantra. Darin werden die Hauptvertreter der
semitisch-monotheistischen Religionen „Adam, Henoch,
Abraham, Moses, Jesus, Mani, Mohammed und der Mahdi“ als die „Familie der
dämonischen Schlangen" und als Vertreter der Finsternis bezeichnet
sowie ein eschatologischer Religionskrieg gegen den Islam prophezeit, der
mit der weltweiten Errichtung einer Buddhokratie enden soll.
Dieser im Kalachakra-Tantra
beschworene Shambhala-Krieg hat im letzten
Jahrhundert mehrmals als militär-politische Ideologie gedient: in den
Mongolenkämpfen gegen Russland, in der Chinapolitik des japanischen Shintofaschismus, in der Russlandpolitik des XIII.
Dalai Lama. Er fand Eingang in den religiösen Faschismus und Neofaschismus
und ist dort zu einem bestimmenden weltanschaulichen Topos geworden. Am
Shambhala-Mythos orientierte sich auch der japanische Sektenguru Shoko
Asahara, dessen Anschläge auf die Tokioter U-Bahn 1995 ein aus Ideen des
Kalachakra-Tantra abgeleiteter Terrorakt war.
Mit dem tibetischen
Buddhismus, der niemals die Werte der „Aufklärung“ und des „Humanismus“
gekannt hat, wird mit blinder Verherrlichung ein Religionssystem in den
Westen importiert, welches Inhalte aufweist, die von Fundamentalisten und
Rechtsextremisten als „Orientierung“ genutzt werden können. Westliche
Toleranz sollte nicht nur für bestimmte fundamentalistische Inhalte des
Christentums und des Islams Grenzen setzen, sondern auch für Entsprechungen innerhalb des Lamaismus,
der sich nach außen hin mehr und mehr als die Friedensalternative zu den
drei monotheistischen Religionen präsentiert. Ein dauerhafter Weltenfrieden
kann im Zeitalter sich ausweitender
„Religionskriege“ nicht mehr – wie bisher –
ohne kritische Toleranz, ohne die Bereitschaft zum kritischen
interkulturellen Dialog und ohne tiefgehende Reformen in den eigenen
religiösen Systemen auskommen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung - 11. Oktober 2000 - S. 14
"Seine
Heiligkeit und das Kalacakra Tantra" - Petra
Kolonko
Tibetischer Buddhismus und
Politik: Verehrung des Dalai Lama
Der Dalai Lama genießt in Deutschland und fast allen Ländern
der ersten Welt großes Ansehen. Sein gewinnendes Wesen, sein Eintreten für
Gewaltlosigkeit und Toleranz haben ihn zu einer moralischen Autorität
werden lassen. Selbst jene, die hierzulande in aufgeklärter Attitüde das
Wort "heilig" nicht mehr in den Mund nehmen wollen, haben keine
Schwierigkeiten damit, den Mönch aus Tibet mit dem Titel "Seine
Heiligkeit" anzusprechen. Viel Verständnis des tibetischen Buddhismus
steht hinter solcher Verehrung für den Dalai Lama nicht, dafür aber viel
Mystifizierung des fernen Tibet und seiner Religion. Der Westen möchte
Tibet nicht in seiner eigenen Gestalt wahrnehmen, sondern zieht eigene
Projektionen auf das Land des Schnees und der Mysterien vor, schreibt
Michael von Brück. Die Verbreitung des tibetischen Mythos liegt schon eine
Weile zurück. Zu Ende des 19. Jahrhunderts waren es die Theosophen, die
Tibet zum verborgenen Land der Mystik erklärten und in ihren Büchern
bekannt machten. Auch die "Entdeckung" des tibetischen Totenbuchs
als Kultbuch hat die westliche Vorstellung von Tibet geprägt.
Der tibetische Buddhismus oder das, was man dafür hält, wurde
zunehmend von jenen entdeckt, die an den jeweiligen Weltanschauungen, in
denen sie aufgewachsen waren, kein Genüge mehr fanden, so der
Religionswissenschaftler Brück.
Resultat war und ist eine unkritische Mystifizierung des alten
Tibet als einer idealen Lebenswelt. Dagegen steht eine Verurteilung des
alten Tibet als einer inhumanen Unterdrückungsgesellschaft, wie sie zum
Beispiel von chinesischen Historikern, mittlerweile aber auch von einigen
Autoren im Westen geäußert wird. Brück ist es gelungen, in einer knappen
Übersicht eine weder beschönigende noch ausfallend kritische Darstellung
des Verhältnisses von Religion und Politik in Tibet zu geben. Manchen
Mythos kann man nach der Lektüre schnell vergessen.
Weder war das alte Tibet besonders friedlich, noch waren seine
Lamas alle besonders heilig. Es hat Kriege mit Nachbarn und Rivalen
gegeben, Fraktionskämpfe wurden blutig ausgetragen. Die verschiedenen
Schulen des tibetischen Buddhismus haben um die Macht gekämpft. Brücks
Darstellung erhellt auch das historisch wechselhafte Verhältnis zwischen
Tibetern, Mongolen und Chinesen, das bis heute nachwirkt. Denn die Chinesen
begründen ihren Herrschaftsanspruch damit, Tibet sei schon immer
chinesisches Territorium gewesen.
Brück bemüht sich sodann, die Grundlagen des tibetischen
Buddhismus, Mahayana-Buddhismus und Tantrismus zu beschreiben. Dieser Teil
des Buches ist offensichtlich als Verteidigung des tibetischen Buddhismus
gegen die jüngsten Angriffe aus dem Werk "Der Schatten des Dalai
Lama" entstanden. Dessen Autoren, Victor und Victoria Trimondi,
"entlarven" auch dunkle sexuelle Praktiken des tantrischen Buddhismus
und unterstellen dem Dalai Lama sogar ein Streben nach Weltherrschaft.
Spätestens hier wird deutlich, dass auch Brück ein Verehrer
des Dalai Lama ist und dass auch er in manche Falle der Mystifizierung
tappt. Er gibt eine ausführliche Darstellung des Kalacakra
Tantra, über die sexuellen Praktiken des tantrischen Buddhismus geht er
dezent hinweg. Der Autor verweist darauf, dass früher nur wenige wohl
Vorbereitete in diesen Ritus initiiert wurden, dass der jetzige Dalai Lama
das Kalacakra Tantra in Massen-Initiationen verbreite.
Er enthält sich aber der Kritik. Die Verehrung des Dalai Lama schlägt auch
in einem angefügten Gespräch des Autors mit dem Dalai Lama durch, in dem
allgemein über Frieden und Toleranz gesprochen wird und der Dalai Lama auf
jede konkrete Frage - wie etwa nach der Gentechnologie - konsequent unklar
bleibt. Trotz dieser Schwächen ist das Buch als Einführung in eine
schwierige Materie zu empfehlen."
Geo-Heft Nr. 5, Mai 1986 - S. 116:
"Seelenwanderung
- Im Pilgerzug zum großen Fest des Dalai Lama" – Tilman Spengler
Auszüge:
"Dabei hat der Ursprung des
Kalachakra zunächst wenig mit Frieden zu tun. Kalachakra bedeutet 'Rad der
Zeit', und so heißt auch ein machtvoller Gott der Buddhisten, dem es um die
Überwindung negativer Kräfte und die Errichtung des mythischen Reiches Chambala [sic] ging - wozu allerdings auch die
Vertreibung der Muslims, der Erzfeinde der Buddhisten, gehörte. So kann man
es im Kalachakra-Tantra, dem Lehrsystem des Kalachakra, nachlesen, einem
der bedeutendsten Lehrsysteme des tibetischen Buddhismus."
"Historisch blieb es nicht auf Erleuchtung beschränkt,
bald wurden magische Formeln - Mantras - auch für irdisches Mühsal bemüht,
für gutes Wetter oder die Vernichtung von Feinden, zur Heilung von
Krankheiten oder für die Suche nach einem Schatz. Die Methoden, rituelle
Praktiken miteinander zu verbinden, wurden - sofern erfolgreich - in mehr
oder weniger geheimen Texten, den Tantras, festgehalten. Doch das Studium der Tantras fruchtet nur, wenn man von einem Meister -
tibetisch Lama - angeleitet wird. Der Meister des Kalachakra-Tantra ist der
Dalai Lama. Er weiß die geheimen Texte zu deuten, er kennt die Formeln, die
an bestimmten Stellen auszusprechen sind, er gibt an, welche Visionen die
Meditation heraufzubeschwören hat, damit die spirituelle Vereinigung mit
der Gottheit die Adepten der Erleuchtung näher bringt."
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