KRITISCHES FORUM KALACHAKRA

Kritisches Forum zur Hinterfragung des Kalachakra-Rituals

 

FRONT | DECLARATION | NEWS | MEDIEN | DEBATTE | LITERATUR | LINKS | LESER | ARCHIV | HOME

 

 

 

 MEDIEN (05)

 

                                                                                                       

Hirtenbrief Bischof Egon Kapellari (Graz-Seckau) zum Besuch des Dalai Lama und zum Kalachakra für den Weltfrieden`

Liebe katholische Christen in der Steiermark!

 

   Die Stadt Graz wird im kommenden Oktober Gastgeberin für den 14. Dalai Lama und für eine große Zahl von Buddhisten aus aller Welt sein. Als geistliches Oberhaupt des tibetischen Buddhismus wird der Dalai Lama ein mehrtägiges Kalachakra- Ritual für den Weltfrieden halten, das zugleich eine Initiation, eine Einweihung in den tibetischen Buddhismus ist.

 

  Das weltweit hohe Ansehen des Dalai Lama wegen seines gewaltlosen Einsatzes für die Tradition und politische Unabhängigkeit Tibets, wofür er 1981 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, das Interesse für die Spiritualität des Buddhismus und auch die intensiven konkreten Vorbereitungsmaßnahmen für das Kalachakra-Ritual in Graz haben schon jetzt ein bedeutendes Medienecho hervorgerufen. In der kirchlichen und nichtkirchlichen Öffentlichkeit führt dies zu Fragen über den in Österreich wenig bekannten Buddhismus und dessen besondere tibetische Tradition. In dieser Situation möchte ich als Bischof der Diözese Graz-Seckau ein klärendes Wort sagen.

 

   Die Veranstalter des Buddhistentreffens haben katholische Institutionen um Gastfreundschaft gebeten, die wir entsprechend unseren Möglichkeiten gerne geben werden. Wenn wir Angehörigen anderer Religionen begegnen, dann sollen wir vertieft wissen, wer wir selbst sind, was wir als Christen glauben, wem wir glauben. Wir sind herausgefordert, jenen Mitmenschen, die nach der Lehre Buddhas leben, Jesus Christus zu zeigen: einladend auf ihn hinzeigen durch das gute Beispiel unseres Lebens und auch durch ein kompetentes Sprechen von ihm, dem Gottes- und Menschensohn.

 

   Das II. Vatikanische Konzil hat der Beziehung der römisch-katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen neue, zukunftsweisende Perspektiven und einen klaren Rahmen gegeben. Die Konzilserklärung „Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen rief zum Respekt und Ernst gegenüber anderen Religionen auf. Wörtlich sagt das Konzil: „Die katholische Kirche lehnt nichts von alldem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, die aber nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“. Gleichzeitig betonten die Konzilsväter die Herausforderung, dass eine anderen Religionen dialogisch begegnende Kirche unbeirrt Christus verkündigen muss, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. In Christus finden die Menschen die Fülle des religiösen Lebens, in ihm hat Gott alles mit sich versöhnt. Diese Aufforderung des Konzils, Offenheit für andere mit der eigenen Glaubensidentität zu verbinden, hat viele gute Früchte gezeitigt. Im Glauben an den einen Gott, zu dem Juden, Christen und Muslime beten, sind die jüdisch-christliche Begegnung und auch der Dialog von Christen mit Muslimen verankert – trotz aller historischen und gegenwärtigen politischen Konflikte.

 

   Ganz andere Voraussetzungen hat der interreligiöse Dialog mit dem Buddhismus, dessen Präsenz und Wirksamkeit in der westlichen Kultur noch nicht lange dauert. Der Buddhismus unterscheidet sich in seinen vielfältigen Traditionen wesentlich von den drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Er kennt keinen personalen Schöpfergott und wertet dementsprechend auch den Menschen als Person, seine Freiheit und seinen Transzendenzbezug sowie den Sinn und das Ziel der Geschichte auf eine Weise, die nicht dem christlichen Glauben entspricht. Ziel der buddhistischen Lehren, Unterweisungen und Rituale ist ein Zustand, in welchem die Person – bzw. das Ichbewusstsein - erlischt und so dem Kreislauf der Wiedergeburten für immer entzogen ist.

 

   In diesem Zusammenhang wurde mir die Frage gestellt, ob Katholiken eine Einladung zur Teilnahme am Kalachakra-Ritual annehmen sollten. Ich muss eine klar verneinende Antwort geben, die nicht auf einer von Vorurteilen belasteten Einschätzung buddhistischer Rituale, sondern auf dem spezifisch katholischen Verständnis von Symbolen, Sakramenten und Ritus beruht. Der Sinn von Symbolhandlungen und der Mitvollzug der Sakramente der Kirche beruhen auf einem gemeinsamen Glauben und bestärken ihn. Wir müssen daher darauf achten, dass unsere heiligen Zeichen nicht beliebig gedeutet oder gar umgedeutet werden und dass die Teilnahme an kirchlichen Riten mehr als eine nur vage Religiosität ausdrückt. Es wäre daher ein Widerspruch zu unserer eigenen Glaubenstradition, aber auch eine bloß oberflächliche Wahrnehmung buddhistischer Religiosität, würde ein katholischer Christ ein tibetisches Einweihungsritual mitvollziehen, auch wenn viele Buddhisten die eigenen Rituale als letztlich nicht wesentlich erachten und daher aus ihrer Sicht eine Zugehörigkeit zu anderen Religionen möglich ist.

 

   Es erfordert große Sensibilität, wenn wir unseren christlichen Glauben und unsere darauf beruhenden Erfahrungen und Lebenshaltungen vom Buddhismus abgrenzen. Auch religiöse Menschen befürchten ja, dass die Bemühung, Glaubensunterschiede zu beachten, zur Intoleranz führen könnte. Andere wiederum erwarten eine entschiedene Gegnerschaft zum buddhistischen Glauben.

 

   In Hinblick auf den bevorstehenden Besuch des 14. Dalai Lama in Graz erhoffe ich von den Katholiken der Diözese Graz-Seckau, die buddhistischen Gästen auch persönlich begegnen werden, eine aus dem eigenen christlichen Glauben kommende Grundhaltung der Gastfreundschaft und einer differenzierenden Aufmerksamkeit.

 

   Die im Buddhismus besonders betonten und aus Meditation gewonnenen Werte des inneren Friedens, des Mitleids, der Gelassenheit und der Freude verdienen unseren Respekt. Diese Werte haben ihren unverzichtbaren Platz auch im christlichen Leben. Für uns ist aber Jesus Christus nicht gegen Buddha oder Mohammed austauschbar. Er ist für uns Christen die größte, unüberbietbare Selbstmitteilung Gottes, er ist selbst Gott von Gott, der unausschöpfbare Quellgrund unseres Friedens.

 

   Die Diözese Graz-Seckau bereitet für ihre Homepage Informationen zum Buddhismus und die Möglichkeit für Anfragen vor, die Sie auch direkt an mich richten können. Ich hoffe, dass wir gemeinsam einen Beitrag zur Würde von Glauben, Kirche und Religion in einer Zeit neu erwachter religiöser Suche leisten können.

 

Dr. Egon Kapellari
Diözesanbischof
Pfingsten 2002
(21.5.2002)


 

 

 

© Copyright 2003 – Victor & Victoria Trimondi

The contents of this page are free for personal and non-commercial use,
provided this copyright notice is kept intact. All further rights, including
the rights of publication in any form, have to be obtained by written
permission from the authors.