TRIMONDI ONLINE MAGAZIN

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Nothing New“

Der Dalai Lama zum sexuellen Missbrauch im Tibetischen Buddhismus

 

Der Fall „Sogyal Rinpoche“ und die buddhistische #MeToo Bewegung

 

Der Fall des Lamas Sogyal Lakar Rinpoche beschäftigt seit 2017 die buddhistische Welt weit über den Lamaismus hinaus. Er könnte sich zu einer schicksalhaften Erschütterung des gesamten tibetischen Religionssystems auswachsen. Deswegen klingen überall die Alarmglocken und die Elite des Lamas bis hinauf zum Dalai Lama versucht, die Welle, die da auf sie einstürzt, einzudämmen. Der Fall mag sich in der Tat als das große Signal erweisen, der zahlreichen westlichen Anhängern des Tibetischen Buddhismus endlich die Augen öffnet und ihnen bewusst macht, dass sie von dieser „Religion“ betrogen und an der Nase herum geführt wurden.

 

Sogyal Rinpoche, wahrscheinlich der bekannteste Lehrer des tibetischen Buddhismus nach dem Dalai Lama, wurde berühmt durch sein Buch Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben, von dem er über drei Millionen Exemplare verkaufte und das zu den Klassikern der modernen tibetisch-buddhistischen Literatur zählt. Er trat auch in Bernardo Bertoluccis Film Little Buddha auf. Der 1948 in Tibet geborene Lama gehört der Nyingmapa-Tradition an. Seine Organisation (Rigpa) ist auf der ganzen Welt verbreitet. Sie umfasst 130 Zentren in 41 Ländern. In Deutschland allein gibt es 18 davon. Den größten Tempel des tibetischen Buddhismus im Westen (Lérab Ling) ließ er in Frankreich erbauen. Er ist dort fest im politischen und gesellschaftlichen Establishment verankert. Frankreichs ehemalige First Lady Clara Bruni, Premier Alain Juppé und Außenminister Bernard Kouchner besuchten den Tempel und die kürzlich verstorbene Schauspielerin Jeanne Moreau bezeichnete sich als Sogyals Schülerin, ebenso das Mannequin Estelle Lefébure.

 

Schon seit den 90er Jahren ist der Rinpoche  („Rinpoche“ ist ein Ehrentitel und bedeutet „Der Kostbare“) zahlreichen Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs von Schülerinnen ausgesetzt. Einen Höhepunkt erreichte die Kritik, als im Jahre 2011 eine kanadische Fernsehstation einen Dokumentarfilm über sein ungezügeltes Sexualleben herausbrachte, bei dem mehrere Opfer interviewt wurden. (In the Name of Enlightenment – Sex Scandel in Religion – about Sogyal Rinpoche )

 

In der Tat wurde der Fall Sogyal Rinpoche mit dem Fall Harvey Weinstein verglichen. Bei diesem Vergleich schneidet der Lama weit schlechter ab als der Hollywood Producer und das nicht nur weil er seine spirituelle und nicht nur seine weltliche Macht missbraucht hat. Weinstein entschuldigte sich für sein Verhalten. Sogyal brauchte 6 Tage um auf den Rigpa Brief zu antworten und entschuldigte sich nicht. Er habe niemals niemandem etwas Böses antun wollen, nie nach egoistischen Motiven gehandelt. Das wäre ganz undenkbar für ihn. Im Gegenteil, er habe sein ganzes Leben der Erfüllung des Buddhadarmas gewidmet. Fast alle Mitarbeiter von Weinstein wussten von seinem Verhalten und keiner ging damit an die Öffentlichkeit. Ebenso schwieg Sogyals Organisation Rigpa, als 2011 der Missbrauchsfall ihres Lehrers öffentlich wurde und erklärten in einem Brief, dass sie fest hinter ihrem Meister stünden. Es gab spezielle Schulungen (besser Indoktrinationen) der Studenten, wie sie sich loyal zu verhalten hätte, wenn sie von Journalisten auf das Verhalten von Sogyal angesprochen würden. Im Fall von Weinstein wurde das Management seiner Firma nach dem Skandal ausgewechselt, im Fall Sogyal blieb die Management Hierarchie weiterhin bestehen. Die Manager von Weinstein beauftragten nach dem Skandal eine unabhängige Anwalts-Firma, um den Fall zu untersuchen. Der Rigpa Stuff kündigte das nur an und gaben bisher nicht bekannt, wer diese Untersuchung durchführen soll.

 

Trotz der Gewichtigkeit der Anschuldigungen konnte Sogyal immer wieder seinen Kopf aus der Schlinge ziehen. Das lag nicht zuletzt daran, dass er von zahlreichen anderen Lamas, von westlichen Wissenschaftlern und insbesondere vom XIV. Dalai Lama, die alle von den Missbrauchsfällen wussten, geschützt und gedeckt wurde. Im Jahre 2018 gestand er öffentlich zu, seit den 1990er Jahren davon gewusst zu haben. „Nothing New!“ – sagte er. Das hinderte ihn nicht daran im Jahre 2008 mit großem Pomp zusammen mit der damaligen First Lady Carla Bruni Sarkozy den von Sogyal errichteten Tempel Lérab Ling einzuweihen.

 

Sogyal Rinpoche (right), the Dalai Lama (left) and France’s then first lady Carla Bruni Sarkozy attend the inauguration of Lerab Ling, in southern France, on August 22, 2008. Picture: AFP Picture: AFP

 

Mit dieser Verschleierungspolitik durch das Lama-Establishment war Schluss, nachdem am 14. 07. 2017 acht langjährige und verdiente Schüler Sogyal Rinpoches einen 12-seitigen  Brief an Sogyal Lakar verfassten und veröffentlichten. Der Brief beschreibt ungeschminkt und detailliert die physischen, emotionalen, sexuellen, finanziellen und spirituellen Missbräuche, die der „Der Kostbare“ über Jahrzehnte betrieb. Die Anschuldigungen schlugen wie eine Bombe ein, da die Verfasser in der tibetisch buddhistischen Szene hohes Ansehen genossen.

 

Sogyal sah sich unter dem Druck dieses Briefes gezwungen, sein Leitungsamt von Rigpa niederzulegen und gab bekannt, er werde sich in einen mehrjährigen Retreat zurückziehen, unter anderem um sich auf seinen Tod vorzubereiten. Tatsache ist, dass er kurz danach noch durch Asien tourte und dort Lehrstunden abhielt. (1)

 

Das über Jahrzehnte entwickelte und vertuschte Machtmissbrauch des Rinpoches konnte jetzt nicht mehr vertuscht oder heruntergespielt werden. Seine Lama-Freunde, die alles gewusst hatten, gingen nun auf Distanz. Matthieu Ricard, französischer Star-Lama, nannte das Verhalten, „unakzeptabel“. Er hatte ebenso wie der Dalai Lama das Treiben Sogyals jahrelang gedeckt. Auf die Frage, weshalb er und das Oberhaupt der Tibeter nicht reagiert hätten, antwortete er: „Man muss wissen, dass der Buddhismus nicht nach einer hierarchischen Struktur organisiert ist, wie zum Beispiel die Katholische Kirche, wo sich die Priester vor ihren Bischöfen und Kardinälen zu verantworten haben bis hinauf zur Spitze der Pyramide, dem Papst.“ (2) Das ist zynisch, weil Ricard genau weiß, welch hohe moralische Autorität ein Wort des Dalai Lama innerhalb der ganzen tibetisch-buddhistischen Sangha besitzt. Im Übrigen besteht zwar zwischen den verschiedenen Schulrichtungen des Lamaismus eine gewisse Autonomie, aber innerhalb jeder einzelnen „Sekte“ ist die Hierarchie bei weitem strikter als im Katholizismus, weil die Gurus dort als absolute Gottheiten verehrt werden. Die Komplizenschaft des Dalai Lama mit Sogyal wurde schon im September 2016 in der französischen Presse kritisiert. „Das schuldhafte Schweigen des Dalai Lama angesichts des verrufenen Sogyal Rinpoche.“ – war ein Artikel in der Zeitschrift „Marianne“ betitelt. Schon im Jahre 1996 wurde er auf einem Meeting von Buddhisten dazu aufgefordert, sich öffentlich gegenüber Sogyal zu positionieren, was er verweigerte. (3)

 

Nachdem der Lama-Skandal auch die bürgerlichen Medien zu interessieren begann, blieb dem Dalai Lama nichts anderes übrig, als sich einzuschalten. Zuerst sagte er „Sogyal Rinpoche, mein sehr guter Freund, jetzt ist er in Schande [oder Ungnade?] gefallen.“ (Sogyal Rinpoche, my very good friend. Now he is disgraced.) (4) Da der Sturm der Entrüstung innerhalb der Sangha weiter tobte und immer mehr Presseartikel erschienen, sah er sich gezwungen, etwas schärfer im Ton zu werden: Er rief sogar die Sangha-Mitglieder zum Widerstand auf, falls es zu Missbrauchsfällen von Seiten ihrer Gurus kommen sollte:  „Wenn Menschen wirklich unter der Ausbeutung durch eine Institution leiden, dann sollten sie den Mut aufbringen diese Institution zu Fall zu bringen.“ – Diese Gurus „benutzen den Namen des Dharma zur Ausbeutung. Sie selber praktizieren den Dharma nicht in der richtigen Art und Weise, einschließlich einiger Lamas.“ (Dalai Lama speaks out about Sogyal Rinpoche) Damit war Sogyal Rinpoche gemeint, dessen Verhalten er immer gedeckt hatte.

 

Angesichts der Tatsache, dass dem Dalai Lama die Anschuldigungen gegen den Nyingmapa-Lama schon seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt waren, wirken die Sätze, die er im Jahre 2008 bei der Einweihung von Sogyals Pracht-Tempel sagte wie pure Ironie: „Hier in Lérab Ling wurde ein Zentrum errichtet, um die buddhistische Kultur, wie sie sich in Tibet entwickelt hat, in einer authentischen Form kennenzulernen.“ (5) Immer mehr Menschen, insbesondere auch Buddhisten aller Schulrichtungen, wird es klar, dass das missbräuchliche Verhalten Sogyals tatsächlich den Lamaismus in seiner „authentischen Form“ darstellt, da dieses Religionssystem die sexuelle Ausbeutung von Frauen in seinen tantrischen Ritualen institutionalisiert hat. Im Westen werden solche sexuellen Praktiken von den Lamas als „verrückte Weisheit“ (crazy wisdom) präsentiert. „All das [missbräuchliche Verhalten Sogyals] wurde offiziell als Konzept der ‚verrückten Weisheit‘ gerechtfertigt, wonach die großen Meister unverständliche Handlungen begehen dürfen, welche für die normal Sterblichen unverständlich sind.“ – sagt Olivier Raurich, der schon früher wegen solcher Handlungen Rigpa verlassen hatte.(6) Ein von Sogyal an seine Schüler und Schülerinnen oft gerichteter Spruch lautete: „Die Quelle höchsten Segens ist es, den Meister nicht als ein menschliches Wesen sondern als den Buddha selbst anzusehen.“ (7)

 

0001%2B-%2BCopie Sogyal Lakar Rinpoche, der Dalai Lama und Matthieu Ricard 

„Wenn Sogyal fällt, dann befinden wir uns alle in der Patsche.“

 

Source: https://bouddhanar.blogspot.com/

 

 

Zu Hilfe kam dem beschuldigtem Sogyal auch der bhutanische  Lama und Filmregisseur Dzongsar Jamyang Khyentse. In einem langen Statement spricht er spricht er über das Konzept des „Crazy Wisdom“ des verstorbenen Chögyum Trungpa (1939-1987), der damit seine sexuellen Übergriffe, seinen exzessiven Alkoholkonsum, seine Verachtung und Bedrohung von westlichen Schülern und Schülerinnen rechtfertigte. Die „Verrückte Weisheit“ sei Teil des tibetischen Vajrayana und deswegen habe Sogyal nichts falsch gemacht. Es müsse deswegen als ein Verfehlen und ein Bruch der buddhistischen Gelübde (Samaya) angesehen werden, wenn ein Schüler Handlungen des Gurus als „Missbrauch“  bezeichnet und ihn kritisiert. Das gelte schon für eine Kritik innerhalb der Gruppe, aber wenn diese noch öffentlich zum Ausdruck gebracht werde wie in dem Rigpa-Brief sei eine solches Verhalten besonders verwerflich. Der Schüler sei dem Guru gegenüber zum absoluten Gehorsam verpflichtet. Wenn dieses Gelübde gebrochen werde, so ziehe dies schwere karmische Folgen nach sich. Der Schüler werde  in eine „Vajra Hölle“ geworfen und müsse dort „Äonen über Äonen“ unerträgliche Qualen erleiden. Er habe niemals das Recht und die Fähigkeit, das Verhalten des Gurus zu kritisieren, selbst wenn ihm dieses als irritierend, neurotisch oder kriminell erscheine. Dem (unfehlbaren) Guru müsse nämlich alle Mittel anwenden, um das Ego seiner Schüler zu brechen und sie so auf den Erleuchtungspfad zu bringen. „Wir können die Vajrayana-Sichtweise nicht ändern oder irgendeine ‚moderate‘ Version des Vajrayana-Buddhismus erfinden, nur um der westlichen Geisteshaltung des 21. Jahrhunderts zu gefallen.“ – schreibt Dzongsar Khyentse.

 

Ursache dafür, dass die Schüler in ihren Lehrern „unreine Verhaltensweisen“ entdecken würden, liege darin, dass sie selber unrein seien und deswegen auch ihre Wahrnehmung von ihrem Lehrer. „Alles, was Sogyal Rinpoches kritische Schüler ihm vorwerfen, beruht auf ihrer Projektion. Ich weiß, es ist schwer zu akzeptieren, ich weiß, es scheint sehr real, aber trotz allem ist es eine Projektion.“ Dzongsar Khyentse legitimiert voll den sexuellen Missbrauch seines Mit-Gurus und wirft seinen „kritischen Schülern“ den Bruch der Samaya-Gelübde vor. (8) Zynisch fasst Kyentse seine Ausführungen mit dem Spruch zusammen: „Make Love not headlines!“ (Macht Liebe und keine Schlagzeilen) Die buddhistische Zeitschrift Patheos meint hierzu „Im Aufwachen von #MeToo es ist umso wichtiger, Männer zur Rede zu stellen, die Witze wie diesen fabrizieren und die dadurch die Vergewaltigungs-Kultur und vergiftete Männlichkeit normalisieren. Zurzeit verbergen sich viele Verkünder dieser vergifteten Kultur  hinter Begriffen wie Samaya, Guru-Verehrung und Vajrayana.“ (9)

 

Die „Deutsch Buddhistische Union“ zeigte sich ebenfalls entrüstet, verhielt sich aber sehr vorsichtig und zurückhaltend: „Wir sind schockiert über Art und Umfang der schwerwiegenden Anschuldigungen die gegen Sogyal Rinpoche von langjährigen Schülerinnen und Schülern aus seinem nächsten Umfeld gemeinsam vorgebracht wurden. […] Sollten sich die Anschuldigungen als richtig erweisen, dann hätte sich Sogyal Rinpoche vielfach in erschreckender Weise schuldig gemacht.“ – „Aus unserer Sicht ist es erschreckend, wie lange sie [die Verfasser] nach ihrer Darstellung Handlungen, wie Demütigung, körperliche Gewalt und sexuellen Missbrauch, hingenommen und gerechtfertigt haben, obwohl sie diese nicht nur beobachtet, sondern teilweise auch selbst erfahren haben. Denn darin wird deutlich, wie tief verwurzelt und irreführend das falsche Verständnis der Beziehung zwischen Lehrer und Schülerinnen und Schüler war, wie es nach ihrer Aussage von Sogyal Rinpoche an sie vermittelt wurde.“ (10) Der Brief der DBU ist opportunistisch gehalten und relativiert die Missbräuche immer wieder mit Sätzen wie, „wenn die Anschuldigungen wirklich stimmen sollten.“ Deswegen beschreibt die Psychotherapeutin Anne Deckert  ihn als ein erneutes Verschleierungsmanöver: „Wieso duckt sich die DBU weiter – und fördert durch Beistand dem Täter gegenüber und Verschleierung all dieser schrecklichen Verbrechen an Menschen genau das: dass es eben weiter gehen kann – nachdem Zeit ins Land gegangen ist, oder so mancher aus seinem Retreat ‚gereinigt und geläutert‘ zurück gekehrt ist?“ (11) Da ist die Französische Buddhistische Union (Union Bouddhiste de France – UBF) weit schärfer. Sie hat Sogyals Organisation erst einmal ausgeschlossen. (Communiqué suite au scandale lié à Sogyal Rinpoche)

 

Der Diskurs innerhalb der Sangha bleibt, obgleich jetzt dort sehr scharf Sogyals Verhalten verurteilt wird,  mit wenigen Ausnahmen aus zwei Gründen weiterhin verlogen:

 

1.      Weil er nicht hinterfragt und diskutiert, weshalb Sogyals Missbrauchstaten Jahrzehnte lang von allen hohen Lamas bis hinauf zum Dalai Lama vertuscht wurden

2.      Weil sexueller und psychologischer Missbrauch keine Ausnahmeerscheinung des Tibetischen Buddhismus darstellt, sondern im System selber institutionalisiert ist

 

Aber es gibt immer mehr Stimmen, die diese beiden Punkte direkt ansprechen, zum Beispiel die Gruppe Bouddhisme au féminin. Diese französische Buddhistinnen weisen direkt darauf hin, dass Tibetische Buddhismus sexuelle und psychologische Gewalt nicht nur legitimiert und in den tantrischen Praktiken ritualisiert hat und dass daraus der Fall Sogyal überhaupt erst verständlich wird:  „Das Verhalten von Sogyal Rinpoche war in dieser Form nur möglich innerhalb des Tibetischen Buddhismus. Da ist an erster Stelle der Guru-Kult zu nennen, der vom Schüler absoluten Gehorsam abverlangt und der in den Klöstern gelehrt wird. Das hat eine solche Entgleisung von dieser Tragweite und Dauer erst möglich gemacht. Was die Frauen anbelangt und was die tibetischen Jungendlichen über sie im Unterricht erfahren, so ist die Botschaft sehr klar: sie sind unsauber, gefährlich, ‚niedrig gestellter von Geburt‘, was wörtlich übersetzt das Wort ‚Frau‘ auf Tibetisch bedeutet.  Es ist ihr ‚Karma‘ (gemeint ist ihr ‚Fehler‘), wenn sie Frauen sind und das Höchste, was sie zu erwarten haben ist, dass sie als Männer wiedergeboren werden. Andererseits nähren die Tibeter die Vorstellung, dass die Westler ‚Barbaren‘ sind, die sich als unfähig erweisen, ihre so subtilen und fortgeschrittenen Lehren über das Dharma zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Der Westen übt in Asien eine Faszination aus, die aber gekoppelt ist mit einer Form der Verachtung.“

 

Der Artikel zeigt, dass genau dies das Verhalten von Sogyal war. Er kommt auch direkt auf den buddhistischen Tantrismus als die eigentliche Ursache hierfür zu sprechen:  „Wie es Stephen Batchelor in einem Interview: In the name of Enlightenment  darlegt, ist der tibetische Buddhismus die einzige Form des Buddhismus die in ihren Lehren sexuelle Beziehungen zwischen Schülerinnen und Guru erlaubt. Ganz offensichtlich ist das die offene Tür für all diese ‚Entgleisungen‘.“ (12)

 

Völlig klar werden die eigentlichen systeminternen Ursachen für den Fall Sogyal in dem kürzlich erschienenen Buch von Christine Chandler Enthralled – The Guru Cult of Tibetan Buddhism  (Verzaubert – Der Guru-Kult des Tibetischen Buddhismus). Die zentrale Absicht ihrer Recherchen und persönlichen Erfahrungsberichte ist es, zu zeigen, dass es sich beim Lamaismus nicht um eine Religion sondern um einen fundamentalistischen Guru-Kult handelt, der die sexuelle und psychologische Ausbeutung von Frauen dogmatisch und praktisch kodifiziert hat. Chandler kommentiert den Rigpa-Brief mit Zitaten aus ihrem Buch, die wir hier in Deutsch zusammen mit der Übersetzung des Briefes abdrucken.

 

Wer ist Chris Chandler? Sie gehörte fast 30 Jahre lang der Karma Kagyü Linie an, der populärsten lamaistischen Sekte in den Vereinigten Staaten. An der Northeastern University absolvierte sie ein Studium in Psychologie und spezialisierte sich anschließend auf System Theorie. Irgendwann kamen ihr die ersten Zweifel am Tibetischen Buddhismus. Es dauerte jedoch Jahre, über die sie eindrucksvoll schreibt, bis ihr der Ausstieg gelang. Sie erlebt heute die Zeit in ihrer Gruppe so, als sei sie ständig in einem Trancezustand  befunden.

 

Der Fall Sogyal Rinpoche hat uns schon in unserem 1998 publizierten Buch  Der Schatten des Dalai Lama – Sexualität, Magie und Politik im Tibetischen Buddhismus beschäftigt und dieses wieder hoch aktuell werden lassen. (Die englische Übersetzung The Shadow of the Dalai Lama  ist im Trimondi Online Magazin abgedruckt). Wir haben damals seinen Prozess vor dem Supreme Court of Santa Cruz (1992 – 1994), wo er wegen sexueller Gewaltausübung angeklagt war, als eines von mehreren Beispielen ausführlicher erwähnt, das die Existenz eines symbolischen und rituellen „Frauenopfers“ als das zentrale Kultmysterium des tantrischen Buddhismus bebildert. (The Tantric Female Sacrifice) Unsere Recherchen, Erkenntnisse und Thesen hierzu finden insbesondere auch von buddhistischer Seite immer mehr Bestätigung und Zustimmung. Christine Chandler schreibt in der Danksagung ihres Buches: „Es ist sicher, dass der [„Schatten des Dalai Lama“] eine wissenschaftliche Schatztruhe werden wird, wenn der Westen aus seiner Shangri-La Trance erwacht, wie er es dabei ist zu tun.“

Victor und Victoria Trimondi

 


Fussnoten

 

(1) Sogyal Rinpoche to enter “period of retreat and reflection” following allegations of abuse – in: https://www.lionsroar.com/rigpa-press-release-responds-to-allegations-of-abuses-by-sogyal-rinpoche/ mm

(2) A point of view – in:  http://www.matthieuricard.org/en/blog/posts/a-point-of-view--2

(3) Le silence coupable du Dalaï Lama face au sulfureux Sogyal Rinpoché – in : www.marianne.net/societe/le-silence-coupable-du-dalai-lama-face-au-sulfureux-sogyal-rinpoche

(4) Dalai Lama Speaks Out About Sogyal Rinpoche – in: https://whatnow727.wordpress.com/2017/08/08/dalai-lama-speaks-about-sogyal-rinpoche/

(5) Lérab Ling – in: https://fr.wikipedia.org/wiki/L%C3%A9rab_Ling

(6) Bouddhisme : l'imposture Sogyal Rinpoché – in : https://www.marianne.net/societe/bouddhisme-limposture-sogyal-rinpoche

(7) Sexual assaults and violent rages... Inside the dark world of Buddhist teacher Sogyal Rinpoche – in: http://www.telegraph.co.uk/men/thinking-man/sexual-assaults-violent-rages-inside-dark-world-buddhist-teacher/

(8) Reaktionen hoher Lamas auf den Rigpa Skandal um Sogyal Rinpoche – in: http://ezw.kjm6.de/nlgen/tmp/1508399609.html

(9) In wake of #MeToo http://www.patheos.com/blogs/americanbuddhist/2017/10/in-wake-of-metoo-a-tibetan-buddhist-lama-offers-a-teacher-student-sex-contract.html#x4KgCPzD66JALka8.99

(10) Stellungnahme des Rates der DBU zu den Anschuldigungen gegen Sogyal Rinpoche – in: www.buddhismus-deutschland.de/#Stellungnahme

(11) Stellungnahme zur DBU-Stellungnahme zu der Situation im Zusammenhang mit Sogyal Rinpoche – in: http://blog.buddhistische-sekten.de/stellungnahme-zur-dbu-stellungnahme-zu-der-situation-im-zusammenhang-mit-sogyal-rinpoche/

(12) Sogyal Rinpoche ou les derives du Bouddhisme Tibetain – in : https://www.bouddhismeaufeminin.org/sogyal-rinpoche-ou-les-derives-du-bouddhisme-tibetain/