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Zen-Buddhismus und Faschismus


Hierbei handelt es sich um einen neu bearbeiteten und ergänzten Auszug aus dem Buch „Hitler – Buddha – Krishna – Eine unheilige Allianz vom Dritten Reich bis heute

 

Eugen Herrigel 

 

Verfasser des Buches Zen und Bogenschießen – ein überzeugter Nazi

 

Das erste deutsche Buch über Zen-Buddhismus (Zen - der lebendige Buddhismus in Japan) erschien im Jahre 1925. Die beiden Autoren waren August Faust (1895-1945), später Professor für Philosophie an der Universität Breslau, und der Japaner Shuej Ohasama (von der Rinsai Schule). Der Kant- und Fichteforscher Faust entwickelte sich später zu einem engagierten Nazi und war in verschiedenen NS-Organisationen tätig. 1933 wurde er noch mit 38 Jahren Mitglied der Hitlerjugend, 1937 im Deutschen Jungvolk "Fähnleinführer". Er stand Kreisen um Alfred Rosenberg nahe und beteiligte sich am "Kriegseinsatz der Philosophen". In den 30er Jahren publizierte er eine apologetische Schrift über die Philosophie des Krieges. 1944 war er mit einem Beitrag zum Thema "Glaubensformen des Reichs" in der Schriftenreihe vorgesehen, die im SS-Ahnenerbe von Friedrich Hielscher herausgebeben werden sollte. 1945 beging August Faust in Breslau Selbstmord.

 

Das mit Ohasama zusammen verfasste Zen-Buch ist weitgehend frei von einem kriegerischen Geist, mit Ausnahme einiger Sätze aus dem Vorwort, das von dem berühmten Religionswissenschaftler Rudolf Otto geschrieben wurde. Otto macht dort eine Eloge auf den Samurai-Geist: "Da sehen wir auch die Bilder dieser eisenfesten, willensgestählten Männer, die in der Zen-Übung des Satori gereift, den Kriegeradel Japans schufen, die Samurai, die das ritterliche Ideal des 'Bushido' und seinen Sittenkodex gestalteten und Japan das Rückgrat gaben, das es im Wandel seiner wechselvollen Geschichte stützte." (1) Dann zieht der später von den NS-Orientalisten hoch geschätzte Otto einen Vergleich zwischen der Bhagavadgita und dem Zen: "Ohne es zu wissen, haben die japanischen Ritter die Ratschläge befolgt, die Krishna dem Arjuna zuteil werden lässt und durch die er ihn, den schwach Gewordenen, zu seiner Ritterpflicht zurückleitet. Die starke innerliche Willenssammlung auf dem Grunde tiefer Versenkung und innerlichen Lösung von den zerstreuenden und eitlen Sinnesobjekten und Interessen, [....] die Standespflicht des recht schützenden und stützenden, unerschrockenen, tapferen und kämpfenden Kshatriya, das Kshatram selber, das die Züge des Bushido schon in sich enthält [...] diese und so manche andere Züge des Zen-Ideals stehen schon in der Gita." (2) Zwei Jahre vorher hatte der Religionsphilosoph einen Aufsatz "Über Zazen als Extrem des numinosen Irrationalen" verfasst. Darin war zu lesen: "Zen ist eben das Irrationale im extrem und fast losgerissen von allen rationalen Schemata." (3)

 

Fausts Fachkollege Eugen Herrigel  wurde weltberühmt durch sein Buch Zen in der Kunst des Bogenschießens. 1936 hatte er vor der Deutsch Japanischen Gesellschaft einen Vortrag mit dem Titel "Die ritterliche Kunst des Bogenschießens" gehalten, der dann in der Zeitschrift Nippon erschien. Dieser Vortrag bildete die Grundlage für sein späteres Erfolgsbuch. Der eigentliche Text erschien erst nach dem Kriege im Jahre 1948 und entwickelte sich sehr bald, übersetzt in zahlreiche Sprachen, zu einem Klassiker.

 

Schon 1921 kam der Autor in Heidelberg mit der japanischen Zen Philosophie in Berührung unter anderem durch freundschaftliche Kontakte zu einer Anzahl japanischer Studenten. Während seiner fast 6-jährigen Lehrtätigkeit als Dozent für Philosophiegeschichte an der kaiserlichen Tohoku Universität in Sendai (Japan) erlangte er die Meisterschaft in der Disziplin des Bogenschießens. "In Japan hieß es, Herrigel sei der erste Europäer, der den Geist des Zens verstanden habe." – so die Deutsche Buddhistische Union. (4) Herrigels Lehrer war der Bogen-Meister Awa Kenzo, der jedoch keine Zen-Ausbildung hatte. (5)  

 

awa kenzo

Awa Kenzo der Lehrer Herrigels
Bildquelle: Oslo Kyūdō Kyōkai (2006/2)

 

Detailliert hat Shoji Yamada untersucht, wie Herrigel die oft nüchternen und pragmatischen Instruktionen Awa Kenzos mystifizierte und daraus eine eigene spirituelle Philosophie strickte, die jedoch die Grundlage dafür bildete, wie Zen seit her im Westen wahrgenommen. (6) Herrigels Kollege August Faust dagegen hielt den aus Japan zurückgekehrten „Bogenschützen“ schon damals für eine Art „Showmaster“, der ihn an den berühmten spirituellen Scharlatan Alessandro Cagliostro erinnere. (7)

 

Am Ende seiner Lehrzeit als Bogenschütze erhielt Herrigel den japanischen Namen Bungaku Hakushi. Ab 1929 lehrte er als Professor an der Universität Erlangen Philosophie. Am 20. August 1934 leistete er einen Loyalitätsschwur auf das Deutsche Reich und seinen Führer Adolf Hitler. 1937 wurde er in Erlangen Dekan, 1938  Prorektor und 1944 Rektor. Herrigel war von Beginn an bis zum Ende ein überzeugter Anhänger des NS-Regimes. 

 

Aus dem Jahre 1939 stammt von ihm ein Aufsatz mit dem Titel "Nationalsozialismus und Philosophie". Darin wird ein Versagen der deutschen Philosophie beklagt, weil sie die völkisch-sittlichen Werte nicht genügend berücksichtigt habe. Hitler erscheint als ein "Wunder" am Horizont der Geschichte, der den "Kampf um die Seele des  deutschen Volkes zum Ziel führte." (8) Ebenso müsse die neue deutsche Philosophie "ihre Verbundenheit mit dem deutschen Volke" demonstrieren: "Nur der hat in Zukunft Auftrag zur Philosophie, der mit allen Fasern seines Herzens dem deutschen Volke angehört, mit ihm vom gleichen Blute durchpulst, vom gleichen Geiste getragen ist und daher aus dem tiefsten Grunde seiner Deutschheit heraus gestaltet und schafft." (9) Nach dem Krieg versuchte Herrigel seine Unterstützung des Nazi-Regimes mit Lügen herunterzuspielen, etwa indem er fälschlicherweise behauptete, er wäre nur ein „provisorisches“ Parteimitglied der NSDAP gewesen ohne Parteibuch. (10)

 

eugen herrigel

Eugen Herrigel
Bildquelle: Oslo Kyūdō Kyōkai (2006/2)

 

Grunderfahrung eines Zen-Bogenschützens ist die Ausschaltung des eigenen Ichs. Pfeil und Ziel bilden eine Einheit und das Ego des Schützen schwindet. Das Individuum und sein Wille sind völlig ausgeschaltet: "Es steht Ihnen im Wege, dass Sie einen viel zu willigen Willen haben." - lehrt uns der Autor. (11) Herrigel, der in Japan das Bogenschießen als spirituelle Zen-Disziplin wählte, weil er Erfahrungen im Umgang mit Gewehren und Pistolen hatte, sieht diese am reinsten durch den Geist des Samurai vertreten. Dies wird insbesondere am Ende seines Büchleins deutlich. Auf Seite 81 entschuldigt er sich, dass er bisher den Umgang mit Pfeil und Bogen als eine rein geistige Schulung beschrieben habe: "Es wird nun doch, befürchte ich, unterdessen bei manchem der Verdacht rege geworden sein, das Bogenschießen habe sich, seit es im Kampfe von Mann zu Mann keine Rolle mehr spielt, in eine verstiegene Geistigkeit hinübergerettet und damit in ungesunder Weise sublimiert. Und ich kann es keinem, der so fühlt verdenken." (12) In den anschließenden Abschnitten, die sich mit Zen und Schwertkunst beschäftigen, kommt es dann zur wohlbekannten Verherrlichung des Kampfes, des Mutes, des Tötens und des Todes.

 

Mit "kühlem Blut" – so Herrigel – führt der Schwertkämpfer sein tödliches Ritual durch. "Im Augenblick des Ausweichens holt der Kämpfer schon zum Schlage aus, und, noch ehe er sich dessen versieht, ist sein tödlicher Streich schon treffsicher und unwiderstehlich gefallen. Es ist, als ob das Schwert sich selber führe, und wie beim Bogenschießen gesagt werden muss, dass 'Es' zielt und trifft, so ist auch hier an die Stelle des Ich das 'Es' getreten." (13) Jeglicher Gedanke an Leben und Tod wird ausgelöscht, der Krieger handelt aus der absoluten Leere heraus. Einem Rohling weicht ein Samurai im gegebenen Fall aus, weil ihm ein solcher Kampf keine "Ehre" macht. Ein Achtung gebietender  Gegner bringt dagegen "nichts anderes als ehrenvollen Tod" - entweder für den einen oder für den anderen Kämpfer. (14) "Hier kommen Gesinnungen zum Vorschein, welche das Ethos des Samurai, den unvergleichlichen 'Weg des Ritters', Bushido genannt, bestimmt haben." (15) Ein Samurai lebt gern in der Welt, aber ist "jederzeit dazu bereit, aus ihr zu scheiden, ohne sich durch den Gedanken an den Tod beirren zu lassen." (16) - "Frei zu sein von Todesfurcht" - war eine der Maximen, die auch im Moralkodex der SS einen zentralen Stellenwert einnahmen.

 

Hätten sie sich mit der Geschichte des Zens in Japan und dessen Rezeption in Deutschland auseinandergesetzt, dann wären amerikanische Bewunderer Herrigels, als sie später über dessen aktive NS-Anhängerschaft erfuhren, nicht so erstaunt gewesen. Ein Zen-Meister als Nazi - das schien nicht zusammenzupassen. So fragte R.J. Zwi Werblowsky in einem Artikel über Herrigel: "Und der Mann, der einen der Bestseller über Zen geschrieben hat, der eifrig jeden Zen-Enthusiasten in Erregung versetzt, war ein überzeugter Nazi und Gefolgsmann von Adolf Hitler. Kannst Du ein echter Zen-Schüler sein, oder kannst Du vorgeben, Erleuchtung erfahren zu haben und zur gleichen Zeit einem 'Führer' folgen, der Millionen von Menschen in Gaskammern umbringen ließ?" (17) Die Antwort auf diese Frage hatte schon Daisetz Teitaro Suzuki gegeben. Ja - es ist möglich, denn Zen „kann sich“ – wir wiederholen  – „mit anarchistischen oder faschistischen, kommunistischen oder demokratischen Idealen, mit Atheismus oder Idealismus, mit jedem politischen oder wirtschaftlichen Dogma befreunden.“ (18) Man wird dem nicht widersprechen dürfen, wenn dies aus so berufenem Munde kommt.

 

Auch Herrigel betont, dass ein Samurai "von Tag zu Tag unzugänglicher für Erschreckendes" wird, was angesichts der Tatsache, dass sich die SS vom Samurai-Geist inspirieren ließ, makaber klingt. (19) Arthur Koestler, der sich in seinem Buch Von Heiligen und Automaten kritisch mit dem Zen und auch mit Herrigel auseinandersetzt, kommt zu dem Schluss: "Zen strahlt immer eine Faszination für eine Kategorie von Leuten aus, bei denen sich Brutalität und Pseudomystizismus miteinander vermischen, angefangen von den Samurai über die Kamikaze bis hin zu den Beatniks. [....] Der Fall Herrigel [....] ist dafür typisch. Er war ein Starschüler unter den westlichen [Zen-] Konvertiten  sowohl vor als auch nach seiner Nazi-Karriere." (20) Ebenso schreibt Gershom Scholem, die wissenschaftliche Autorität für jüdische Mystik, Herrigel sei ein überzeugter Nazi gewesen: „Dies wurde nicht in einigen biographischen Notizen über Herrigel vermerkt, die von seiner Witwe herausgegeben wurden, die sein Image als eine Person aufbaute, die sich ausschließlich mit den höheren spirituellen Sphären beschäftigte.“ (21) Die Vertuschung wurde bewusst betrieben: „Herrigels Übersetzer und Verleger verheimlichten jegliche Information, die ihn mit den Nazis in Beziehung brachte. Sie unterstellten, dass Herrigel in das Herz des Zens mit seiner erhabenen Spiritualität vorgedrungen sei und ihn im Westen eingeführt habe. Zweifelsohne wollten sie nicht dass irgendeiner erfuhr, dass er ein Nazi war.“ (22)  

 

Herrigels methodische Überlegungen über das japanische Bogenschießen sind zur Grundlage der westlichen Zen-Rezeption geworden und haben zu einer unübersehbaren Literatur, die Zen zu einem Passepartout macht, der jede nur denkbare Kunst erlernen lässt. Darunter Titel wie:  Zen and the Art of Motorcycle Maintenance (1974); Zen in the Art of Writing (1989); Zen and the Art of Internet (1992); Zen and the Art of Making a Living (1993); Zen and the Art of Screenwriting (1996); Zen and the Art of Murder (1998); Zen and the Art of Postmodern Philosophy (2000); Zen and the Art of Diabetes Maintenance (2002) Alle diese Texte beziehen sich direkt oder indirekt auf Herrigels Zen-Verständnis.  

 

Siehe auch:

 

Daisetz Teitaro Suzuki – Keine Berührungsängste vor dem Faschismus

 

Karlfried Graf Dürckheim – Ein Viertel-Jude und Zen Schüler im Dienste des NS-Regimes

 


Fußnoten:

(1) August Faust und Schuej Ohasama - Zen - der lebendige Buddhismus in Japan - Stuttgart 1925, IV

(2) Ebenda: V

(3) Ernst Benz - Zen in westlicher Sicht - Zen-Buddhismus - Zen-Snobismus - Weilheim 1962, 8

(4) DBU (Deutsche Buddhistische Union) - Chronik des Buddhismus in Deutschland - Plochingen 1985, 108

(5) Shoji Yamada – Shots in the Dark – Japan, Zen, and the West – Chicago 2009, 66

(6) Shoji Yamada – Shots in the Dark – Japan, Zen, and the West – Chicago 2009, 46 ff.

(7) Hermann Glockner – Heidelberger Bilderbuch – Bonn 1969, 234

(8) Bergler, Manfred - Die Anthropologie des Grafen Karlfried von Dürckheim im Rahmen der Rezeptionsgeschichte des Zen-Buddhismus in Deutschland - Ein Beitrag zur Begegnung von Christentum und Buddhismus - Fürth 1981, 8

(9) Ebenda: 8

 (10) Shoji Yamada – Shots in the Dark – Japan, Zen, and the West – Chicago 2009, 97 ff.

(11) Eugen Herrigel - Zen in der Kunst des Bogenschießens - Bern/München/Wien 1999, 41

(12) Ebenda: 81

(13) Ebenda: 88

(14) Ebenda: 90

(15) Ebenda: 90

(16) Ebenda: 90 - 91

(17)  The Center Magazine – März/April – www.friesian.com/poly-2.htm

(18) Daisetz Teitaro Suzuki – Zen und die Kultur Japans – Berlin 1941, 51

(19) Eugen Herrigel - Zen in der Kunst des Bogenschießens - Bern/München/Wien 1999, 90

(20) Arthur Koestler – "Neither Lotus nor Robot" – in: Encounter, Vol. XVI, London 1961, 59

(21) Gershom Scholem – „Zen-Nazism?“ – Encounter Vol. XVI, London 1961, 96

(22) Shoji Yamada – Shots in tne Dark – Japan, Zen, and the West – Chicago 2009, 103

 

© Victor & Victoria Trimondi