BUDDHISMUSDEBATTE
Lamaismus und Faschismus
Ist
der Dalai Lama ein Faschist?
Rüdiger
Sünner – „Schwarze Sonne“
Brief
von Rüdiger Sünner an uns
KSHATRIYA
- Tradition und Philosophie
Wenn
es doch nur so wäre....
Weltverschwörung
der Priester? - Michael von Brück
Der
XIV Dalai Lama und Dr. Bruno Beger
Ist der
Dalai Lama ein Faschist?
Die Debatte über
"Faschismus und Buddhismus" war bisher ein Tabuthema. Nur wenige
Verehrer des XIV Dalai Lama dürften darüber informiert gewesen sein, welch
eminenten Einfluss die tantrisch- tibetische Philosophie auf die faschistische
Ideologie gehabt hat und immer noch hat. Wir sind in unserem Buch
ausführlich durch eine Auseinandersetzung mit den Werken des chilenischen
Neofaschisten und Gründers des "esoterischen Hitlerismus", Miguel
Serrano, darauf eingegangen. Nur am Rande streifen wir die okkulte Lehre
des Mussolini Vertrauten Julius Evola, dessen gesamtes Oeuvre auf einer
tibetisch- tantrischen Basis aufbaut. Moderne Evola- Anhänger haben unser
Buch ("Der Schatten des Dalai Lama") kritisiert und unsere
Analyse (den Einfluss tantrischer Ideen auf den Faschismus betreffend) für
richtig empfunden (siehe unten). Das müsste ein weiteres Alarmzeichen für
alle friedfertigen Freunde des tibetischen Buddhismus sein, sich jetzt
intensiv mit diesem Thema ("Buddhismus und Faschismus")
auseinander zusetzen und auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die vom
Tantrismus (oder dessen Missbrauch?) ausgehen können. Das gleiche gilt von
dem Einfluss, den die tantrische Lehre auf das religiöse System des
Giftgasgurus Shoko Asahara ausgeübt hat.
Aber das Gegenteil ist der Fall!
Die Faschismusdebatte wird von pro- lamaistischer Seite grundsätzlich
abgeblockt. Im Zusammenhang mit unserem Buch werden folgende Argumente
hierzu angeführt:
- Wir würden
fälschlicherweise behaupten, der Dalai Lama wäre von
nationalsozialistischen und faschistischen Ideen beeinflusst.
- Wir würden seine
"zufälligen" Kontakte zu alten Nationalsozialisten und
neofaschistischen Persönlichkeiten wie Miguel Serrano und Shoko
Asahara als eine "politisch- religiöse Verschwörung" darstellen.
- Wir würden unterstellen,
der Dalai Lama habe Shoko Asahara zu dessen Giftgasanschlägen
angestiftet. Er sei der eigentliche Drahtzieher hinter den
Ereignissen.
Zu 1. - Wir behaupten an keiner
Stelle in unserem Buch, der XIV Dalai Lama orientiere sich nach
Vorstellungen des europäischen Faschismus. Im Falle seines Lehrers Heinrich
Harrer (der ein ehemaliges SS Mitglied war) haben wir explizit darauf
aufmerksam gemacht, dass wir eine Indoktrinierung des jungen Hierarchen
durch nationalsozialistische Ideen nicht nachweisen können. Seitenlang sind
wir jedoch darauf eingegangen, dass die tibetisch - tantrischen Techniken
und dass der Shambhala Mythos eine faszinierende Ausstrahlungskraft auf
Faschisten gehabt hat, insbesondere auf den Chilenen Miguel Serrano sowie
den Giftgasguru Shoko Asahara. Das sind zwei alarmierende Beispiele, die
eine offene Diskussion verlangen.
Zu 2. - Wir sind in der Tat auf die
eigenartigen, freundlichen Kontakte des XIV Dalai Lama zu ehemaligen Nazis
(Heinrich Harrer, Heinz Schäfer, Bruno Beger) und Neofaschisten wie Miguel
Serrano oder Shoko Asahara zu sprechen gekommen und haben uns auch gefragt,
ob diese nur einen "zufälligen" (wie immer behauptet) oder
vielleicht doch einen "sinnhaften" Charakter tragen. Okkulte
Systeme - wie der tibetische Buddhismus - lassen
"Zufallsbegegnungen", insbesondere wenn sie mit hohen
spirituellen Persönlichkeiten stattfinden, überhaupt nicht zu. Man könnte
Tausende Beispiele anführen, wo Menschen behaupten, dass sie nach einem
Treffen mit dem XIV Dalai Lama ein spirituelles Erlebnis hatten und
Hunderte Beispiele, wo Menschen angesichts des "Gottkönigs" eine
"innere Wandlung" (was immer man darunter verstehen mag)
vollzogen haben. Auch Shoko Asahara und Miguel Serrano sprechen ausführlich
davon. Asahara hat geradezu nach seiner Begegnung mit dem Dalai Lama ein mysterium
tremendum erlebt und anschließend sein ganzes System
"tantrisiert".
Solche spirituelle Erfahrungen
werden auch von lamaistischer Seite ständig als Beweis für die Sakralität
ihres Glaubens angeführt, jedoch nur, wenn sie sich für das eigene System
positiv auswirken. Haben sie jedoch einen negativen Effekt (wie im Falle
Asahara), dann gelten sie auf einmal als reiner "Zufall".
Wir wissen dennoch nicht, ob der
Dalai Lama selber solche Kontakte mit Faschisten als eine okkulte
Connection ansieht und haben dies auch nirgends behauptet. Wahrscheinlich
tut er dies persönlich nicht, weil es höchst unangenehme politische Folgen
haben könnte (siehe Asahara). Aber der "Gottkönig" weiß um den
Effekt, den er und sein System auf die menschliche Seele ausüben und das
stellt ihn in die Verantwortung.
Zu 3. - Hat der Dalai Lama Shoko Asahara
zu seinen Taten angestiftet? Ist der Dalai Lama ein Drahtzieher für Terror
und Mord? Auch das wird in unserem Buch an keiner Stelle gesagt. Asahara
war ursprünglich ein Mahayana Buddhist und predigte das "Mitgefühl mit
allen lebenden Wesen". Seinen Anhängern verbot er, Insekten zu töten.
Nachdem er jedoch den Himalaya und den XIV Dalai Lama aufgesucht hatte,
orientierte er sich nach tantrischen Ideen und dem Shambhala Mythos. Seine
gesamten Horrortaten werden von ihm mit Argumenten aus dem tantrischen
Buddhismus legitimiert.
Beeinflusst wurde er also von
einem System, das auch der Dalai Lama praktiziert, sogar wenn man
unterstellt, dass Asahara eine Falschinterpretation der Texte lieferte.
Sein okkult- magisches Weltbild, die Sexualmagie, die Akkumulation von
Macht durch das Absaugen weiblicher Energie, das Herbeizitieren der Götter,
die Beschleunigung des Weltuntergangs, die Verherrlichung der
Zerstörungskraft, die große Faszination an Kriegsmaschinen, die
militärischen Obsessionen, die Heilsidee, die Hoffnung auf ein
buddhokratisches Paradies, der Anspruch auf Weltenherrschaft - alle diese
für Asahara so bedeutsamen Leitmotive, sind Melodien aus dem Repertoire des
tibetischen Buddhismus, speziell des Kalachakra Tantras.
Einen direkten Einfluss (d. h.
Anstiftung zum Terror und Mord) durch den Dalai Lama, der Asahara noch nach
dem Giftgasanschlag als "einen Freund, wenn auch einen
unvollkommenen" bezeichnete, haben wir nirgends unterstellt. Von einer
"Drahtzieherschaft" oder "Verschwörung" ist nirgends
die Rede. Wir finden es jedoch sehr bedauerlich, dass der tibetische
"Gottkönig" sich nicht zu den verheerenden Folgen geäußert hat,
die durch eine von ihm durchgeführte sakrale Praxis (den Tantrismus) und
eine von ihm propagierte Vision (den Shambhala Mythos) auf Shoko Asahara
ausgelöst wurden, ganz besonders dann, wenn es sich hier um einen
Missbrauch handeln sollte.
Die pro- lamaistischen Kreise
versuchen aus gutem Grunde die Faschismusdebatte auszugrenzen. Es ist
nämlich wahrscheinlich, dass dann noch viele weitere Ereignisse und Bezüge
an Tageslicht kämen, die das pazifistische und humanpolitische Image des
Buddhismus und seiner spirituellen Führer relativieren würden. Dies gilt
sicher nicht nur für den Lamaismus sondern ebenso für andere buddhistische
Richtungen. "ZEN und Faschismus" ist mittlerweile zu einem
Diskussionsthema geworden (siehe die folgende Rezension von Brian
Victoria). Es bleibt zu wünschen, dass diese Diskussion auch im Hinblick
auf den tibetischen Buddhismus begonnen wird.
©
V. & V. Trimondi
Rüdiger Sünner - Schwarze Sonne http://www.ruedigersuenner.de/
[Wir besprechen hier
das Buch "Schwarze Sonne" von Rüdiger Sünner, das im Herder
Verlag erschienen ist und das sich mit den okkulten Strömungen des
Nationalsozialismus und modernen "Hitlerismus" auseinandersetzt.
Dabei beschränken wir uns auf die dort erörterten Beziehungen
nationalsozialistischer Ideologen zu Tibet. Weil uns das Thema weiterhin
interessiert hat, nahmen mit R. Sünner brieflich Kontakt auf. Die
Korrespondenz mit ihm drucken wir im Anschluß an unsere Rezension ab.]
Entfesselung
und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik
Die immer wieder feststellbare
starke Faszinationskraft, die der tibetische Buddhismus beziehungsweise
Tibet als Land auf nationalsozialistische und faschistische Esoteriker
ausgeübt hat und zunehmend ausübt, verlangt dringend nach einer
Stellungnahme von lamaistischer und exiltibetischer Seite, die bis heute
ausgeblieben ist. Als Kritik an unserem Buch wird immer wieder angeführt,
der Dalai Lama und seine Lamapriester seien nicht dafür verantwortlich, was
westliche Wirrköpfe und Fanatiker in das tantrisch-buddhistische System
hineininterpretierten. Keine Religion sei vor fundamentalistischem
Missbrauch geschützt. Ein solches Argument kann dann nicht mehr stichhaltig
sein, wenn die fragliche Religion Wesenszüge trägt, die einen
rechtsorientierten Okkultismus grundsätzlich fördern und mit ihm konform
gehen. Das zu untersuchen, ist eine wichtige, vor allem symbolanalytische
Aufgabe. Doch ganz abgesehen davon erscheint es uns legitim, zu fordern,
dass sich der Dalai Lama - ausgehend von seinem hohen ethischen Anspruch -
öffentlich und sehr bestimmt von neofaschistischen Strömungen distanziert
und seine Bekanntschaften zu einflussreichen Neonazis wie Miguel Serrano
oder Alt Nazis wie Bruno Beger aufkündigt.
Der Autor und Filmemacher
Rüdiger Sünner legt jetzt ein wichtiges Buch über die mythologischen
Hintergründe des Nationalsozialismus vor ("Schwarze Sonne"), das
im Zusammenhang der Connection "Tibet - Faschismus" in zweifacher
Hinsicht interessantes Material liefert: Erstens
die Tibetfaszination von Heinrich Himmlers Guru Karl Maria Wiligut
(Weisthor) und zweitens das primäre Symbol der neonazistischen Esoterik,
die "schwarze Sonne".
Heinrich Himmler hatte schon in
den 20er Jahren mit großem Interesse den Bestseller von Ferdinand
Ossendowski "Tiere, Menschen Götter" gelesen, in dem über ein in
Innerasien verborgenes Reich des "Weltenherrschers" und dessen
baldiges Auftreten in der Weltpolitik spekuliert wird. Der zweitmächtigste
Mann im Dritten Reich mutmaßte im Himalaja die versprengten Überbleibsel
einer weißen Rasse, die dort nach dem Untergang von Atlantis hingeflohen
seien. "Es gibt noch zahlreiche Reste der tertiären Mondmenschen,
letzte Zeugen der verschollenen, ehemals weltumspannenden Atlantiskultur.
In Peru zum Beispiel, auf der Osterinsel und, wie ich vermute, in
Tibet." (48) Die von Himmler geförderte und von Ernst Schäfer
durchgeführte Tibetexpedition (1938/39) sollte neben ihren
wissenschaftlichen Ambitionen auch okkulte Ziele verfolgen. (siehe unser
Buch S. 646ff.)
Himmlers
Rasputin
Erst in den letzten Jahren ist
eine Person in die öffentliche Diskussion geraten, die als der
"geheime" Hintermann Himmlers gewirkt haben soll: Karl Maria
Wiligut. Der gebürtige Wiener zählt zu den rätselhaftesten Figuren der SS.
Er kennt schon als junger Mann die gesamte rechte, okkulte Literatur der
vor Hitler Ära, gilt als "hellsichtig" und fällt des öfteren in
tranceartige Zustände, welche die Ursache dafür sind, dass er einige
Nervenheilanstalten aufsuchen muss. Seit 1933 wird er zum engen Vertrauten
Himmlers ("Himmlers Rasputin"), der in ihm einen medial begabten,
genialen Vorgeschichtsforscher erkennt und ihn in die SS aufnimmt.
Sünner zitiert in seinem Buch
mehrere interessante Passagen aus den Memoiren eines Mitglieds der SS -
Tibetexpedition (1938/39), eine Person, die leider nicht mit Namen genannt
werden will und die vom Autor einfach als der "Tibetologe" oder
der "Tibetforscher" bezeichnet wird. Dieser
"Tibetologe" weiß von einer bizarren Begegnung mit Wiligut
(Weisthor) zu berichten. Himmler hatte das Treffen der beiden arrangiert,
um den Wissenschaftler über die esoterische Bedeutung seiner
Forschungsreisen nach Tibet "aufzuklären". Vielsagend ist das
schummerig- okkulte Ambiente (das an die Fernsehserie Akte X erinnert), in
dem die Begegnung stattfand und das wir deswegen ausführlich zitieren:
"In Dahlem hielten wir vor einer mauerumfriedeten, altertümlichen
Villa. SS-Posten bewachten den Eingang und salutierten. ...Es war plötzlich
still um mich, sollte ich entfliehen, den ganzen unheimlichen Wust
abwerfen? ..... Die nächste U-Bahn war nicht weit. Nein jetzt wollte ich
wissen, woran ich war! Eine junge Dame führte mich in einen muffig
riechenden, von tropischen Gewächsen überwucherten Wintergarten. Obgleich
doch ein heller strahlender Sommertag war, empfand ich Beklemmung. Eine
unheimliche Atmosphäre und dieser seltsame Geruch, penetrant, süßlich....
plötzlich wusste ich, woher ich ihn kannte, das war China, Opium! Nach
einer mir wie eine Ewigkeit vorkommenden Zeit öffnete ich die Tür, und ein
Greis humpelte auf mich zu, umarmte mich und küsste mich auf beide Wangen.
Er trug einen Schlafrock und sah mich aus wässrigen Augen an. Totenstille,
man hätte das Rieseln einer Sanduhr hören können. Wir saßen uns lange
schweigend gegenüber, bis plötzlich die Greisenhände zu zittern begannen,
die Augen groß wurden und sich verschleierten. Der Lamablick .... , er war
in Trance gefallen, .... wie ich es wiederholt bei tibetischen Lamas erlebt
hatte. [!] Dann begann er zu sprechen, mit seltsamer gutturaler
Stimme:
'Heute Nacht habe ich mit meinen
Freunden telefoniert .... in Abessinien und Amerika, in Japan und Tibet
..... mit allen, die aus der anderen Welt kommen, um das neue Reich zu
errichten. Der abendländische Geist ist von Grund auf verdorben, wir haben
eine große Aufgabe zu erfüllen. Eine neue Ära wird kommen, denn die
Schöpfung unterliegt nur einem großen Gesetz. Einer der Schlüssel liegt
beim Dalai Lama und in den tibetischen Klöstern.' [!]
Dann fielen Namen von Klöstern
und ihren Äbten, von Ortschaften in Ost-Tibet, die doch nur ich allein
kannte .... nahm er sie aus meinem Gehirn? Telepathie? Ich weiß es bis
heute nicht, weiß nur, dass ich diesen Ort fluchtartig verließ." (50)
Solch okkulte Bande zwischen
Lamaismus und Nationalsozialismus sind ein sich ständig wiederholender
Topos in der esoterischen Rechten. Zum Beispiel verspürt der chilenische
Schriftsteller Miguel Serrano einen direkten spirituellen Draht zwischen
Nazi-Kultstätten und Lhasa: "Bei meinem Besuch in Berchtesgaden (dem
Obersalzberg, wo Hitler sich immer wieder zurückzog)" - so der
Chefideologe des 'Esoterischen Hitlerismus' - "wurde meine
Aufmerksamkeit stets durch eine tellurische Kraft, eine spürbare Schwingung
in der Luft gefesselt, welche diesen Punkt augenblicklich mit dem
tibetischen Himalaja und Transhimalaja verbindet: den hochgelegenen
Zufluchtsort Hitlers mit dem Lhasa des Dalai Lama, mit Shambhala.
Aus irgendeinem bestimmten Grunde hat der esoterische Hitlerismus diesen Punkt,
der voller unmittelbarer Verbindungen, magnetischer und mit den Sternen in
Berührung stehender Schwingungen ist, als das heilige Zentrum seines Ordens
(der SS) ausgesucht, und er hat es vermieden, dort einen physischen
Endkampf stattfinden zu lassen, der diesem Landstrich hätte Schaden zufügen
können." (Serrano, Das goldene Band, 32) Der Chilene verknüpft selbst
Deutschlands Schicksal mit dem des tibetischen "Gottkönigs". Sein
"Geschick" - so der Autor über den XIV Dalai Lama - "(ist)
eng mit demjenigen Hitlerdeutschlands verbunden ... aufgrund noch nicht
entdeckter Verbindungen. Wenige Jahre nach Deutschland fällt auch
Tibet." (Serrano, Das Goldene Band, 366). Der Chilene wusste mit
ziemlicher Sicherheit nichts von Wiligut, denn er erwähnt ihn nicht in
seinen Büchern, obgleich er versucht, jede nur denkbare okkulte
Persönlichkeit aus der SS Umfeld ausfindig zu machen.
Aber Serrano ist nicht der
einzige, es gibt zahlreiche esoterische Schulrichtungen, nicht nur aus der
faschistischen Ecke, die eine Tibet-Deutschland-Connection suggerieren. Wir
sind darauf ausführlich in unserem Buch eingegangen.
Die
schwarze Sonne
Bisher unbekannte und
erstaunliche Fakten weiß Rüdiger Sünner über die NS-Esoterik nach 1945 und
ihren derzeitigen Aufschwung zu berichten. Er schildert die Geschichte von
Hitlers "Hoher Priesterin" der Indo-Französin Savitri Devi,
erwähnt die Schriften Miguel Serranos und berichtet von einer ganzen Anzahl
höchst aktiver Intellektueller aus dem Nazimilieu. Dieses hat sich mittlerweile
unter ein neues Symbol geschart, die sogenannte "Schwarze Sonne".
In Gedichten, Gesängen, Büchern, Broschüren und kultischen Gegenständen
wurde die "Schwarze Sonne" zum herrschenden Signum der okkulten
Naziszene. "Das uralte Zeichen der Schwarzen Sonne ist zum mystischen
Symbol einer Geisteshaltung geworden." - erklärt eine rechte
Werbebroschüre. (144) Im "klassischen" Nationalsozialismus
spielte dieses Emblem nur eine Nebenrolle, soll aber von Karl Maria Wiligut
schon erwähnt worden sein. Jetzt hat es die Königsrolle des Hakenkreuzes
übernommen. Auch in diesem Fall gibt es einen Bezug zu Tibet: "Die
Schwarze Sonne von Tashi Lunpho" von Russell McCloud ist ein Kultroman
der rechten Szene. (Wir sind in unserem Buch darauf eingegangen.) In Tashi
Lunpho befindet sich die Residenz des Panchen Lama.
Aber die Symbolbezüge liegen -
das wäre zu untersuchen - wahrscheinlich tiefer. In der Performance des
ständig vom XIV Dalai Lama durchgeführten Kalachakra Rituals spielt ein
astraler "Dunkeldämon" mit dem Namen Rahu eine zentrale Rolle.
Dieser mystische Planet wird von dem Tibetologen Albrecht Grünwedel als
"die schwarze Sonne" bezeichnet. Er verschlingt während eines
Höhepunkts des Rituals Sonne und Mond. Alle aggressiven, todbringenden und
zerstörerischen Kräfte werden in der tibetischen Mythologie mit diesem
finsteren Gestirn verbunden. Rahu nimmt - wie wir detailliert in unserem
Buch zeigen - einen Königsplatz im Kalachakra Tantra ein, das deswegen von
dem Astronomieforscher Winfried Petri als eine "Finsternistheologie"
bezeichnet wird. Der Vergleich der Symbolinhalte, die sich um die
"Schwarze Sonne" der Neonazis und der "Rahu-Thematik"
des Kalachakra Tantra gruppieren, wäre eine interessante und aufklärerische
Arbeit.
Sünners Buch ist ein wichtiger
Beitrag, um die Debatte über den nationalsozialistischen Okkultismus zu
intensivieren und ihn nicht als psychopathologische Spinnerei zu
verharmlosen. Das könnte in Zukunft gefährlich werden. Der Autor zitiert in
diesem Zusammenhang mehrmals den jüdisch-marxistischen Philosophen Ernst
Bloch, der immer wieder auf die Grenzen "rationalistischer
Aufklärung" aufmerksam machte. Bloch hat im linken Milieu darum
gerungen, die Mythen der Völker ernst zu nehmen, um sie dann
"dialektisch verwandeln" zu können. "Es geht nicht an,"
- schrieb er 1932 - "dicke Bücher über den Nationalsozialismus zu
schreiben, und nach der Lektüre ist die Frage, was das sei, das auf so
viele Millionen Menschen wirke, noch dunkler als zuvor. Das Problem wird
desto größer, je einfacher dem wasserhellen Autor die wasserklare Lösung
gelungen ist....." Dieses Problem stellt sich heute erneut im
Zusammenhang mit der Faschismusdebatte. Mythische Verflechtungen können
verhängnisvolle Auswirkungen haben. In der Einleitung von Sünner Buch ist
folgender Satz zu lesen: "Das Hakenkreuz, mythologisches Symbol für
zyklische Bewegung und kosmische Regeneration, ziert die Tempelräume des
Dalai Lama - und war das wichtigste Emblem unter Hitler, der darin ein
'heiliges Zeichen der Germanen' sah und in seinem Schatten millionenfachen
Mord beging." (8)
Brief von Rüdiger Sünner an uns:
Sehr
geehrter Herr und Frau Trimondi!
Vielen
Dank für die Zusendung Ihres Buches "Der Schatten des Dalai
Lama", das ich mit Interesse und Spannung gelesen habe. Trotz meiner
Zustimmung zu vielem glaube ich jedoch, dass Sie gelegentlich ein wenig
übers Ziel hinausgeschossen sind, was möglicherweise dem Gesamtanliegen des
Buches schaden könnte.
Es
ist sicherlich berechtigt, die einseitig positive Mystifizierung des Dalai
Lama zu hinterfragen und auch bisher verschwiegene okkulte,
frauenfeindliche und kriegerische Elemente in Lamaismus und tibetischer
Geschichte aufzuzeigen. Dabei verfahren Sie aber - wie ich finde -
insgesamt zu rigoros und vermengen wirkliche Fakten oft mit Spekulationen,
die manchmal selbst Züge esoterischen Denkens tragen. Überprüfbare Details
aus der Geschichte Tibets sowie der Nachweis anti-aufklärerischer Elemente
im Lamaismus sind eine Sache. Die stark subjektiv gefärbten
"Enthüllungen" über sexualmagische Praktiken durch ehemalige
"Gespielinnen" aber (die dies ja freiwillig gemacht haben und
sich jetzt beklagen) sowie Ihre Charakterisierung des Dalai Lama als
mächtigen "Schwarzmagier" darf man zumindest mit skeptischem
Schmunzeln lesen. Hier vermischen sich leider oft Gerücht und Tatsache,
angstbesetzte Vermutung und nachvollziehbarer Sachverhalt und der Leser
bleibt mit einem brummenden Schädel auf der Strecke.
Der
Dalai Lama ist sicherlich weder ein dämonischer Großzauberer, dessen Kraftfeld
für den Tod von Petra Kelly oder Mao Zedong mitverantwortlich ist, noch ein
praktizierender Tantriker, der jeder Frau Energie "absaugt".
Dafür reichen die Beweise nicht aus. Es ist auch nicht redlich, seine
Ausstrahlung von Toleranz und Dialogbereitschaft nur als inszenierte Maske
zu bezeichnen, hinter der sich ein kalt kalkulierendes und auf
Weltherrschaft erpichtes Hirn verbirgt. Wenn man seine vielfältigen
Aktivitäten nur auf frauenfeindliche, grausame und apokalyptische Stellen
in den lamaistischen Urtexten zurückführt, müsste man ebenso die Strategien
des Papstes oder Oberrabbiners von Israel auf ähnliche Passagen im Alten
oder Neuen Testament reduzieren. Auch dort gibt es grausame und
kriegerische Szenen in Hülle und Fülle, eine klare Diskriminierung des
Weiblichen sowie schaurige Höllen- und Endzeitbilder, die dem
Shambhala-Mythos in nichts nachstehen.
Waren
aber deshalb Judentum und Christentum auch verkappte
"imperialistisch-faschistoide-aggressive Ideologien", wie sie es
dem tantrischen Buddhismus nachsagen (S.722)? Sicherlich steht der Dalai
Lama durch Erziehung und Überlieferung tief in einer Bilderwelt, die
unserem westlichen Denken fremd ist und vieles Irritierende,
Unverständliche, Unheimliche und Schockierende enthält. Aber die Mythen der
ganzen Welt wimmeln von Teufeln, Ungeheuern, Monstren und gewalttätigen
Szenen, die wohl immer auch die Aufgabe haben, destruktive Kräfte im Kosmos
und in der menschlichen Seele zu bewältigen. Wie genau solche Bilder mit
den positiven Kräften von Mitleid, Selbstbeherrschung, Liebesfähigkeit etc.
zusammenhängen, müsste anhand der komplexen symbolischen Texte viel genauer
untersucht werden. Apokalyptische Endzeit-Szenarien finden sich übrigens
auch in der germanischen "Edda", im Buch Daniel und der Johannes-Offenbarung.
Aber es müsste erst diskutiert werden, ob dies auch Niederschläge
historischer Erfahrungen sind, z.B. Bewältigungsversuche einstiger
traumatischer Realität oder eher Bilder, die fanatisch Ewigkeitsanspruch
anmelden. Dazu kommt die für mythische Bilder konstitutive poetische
Vieldeutigkeit, die Sie für meinen Geschmack oft zu sehr auf begrifflich
Eindeutiges reduzieren.
Zwar
mag der Dalai Lama einerseits an die Wahrheit mancher solcher Bilder
glauben, andererseits aber ist er - wie jeder geistige Führer heute - auch
Teil der umfassenden Krise, die Spiritualität und Tradition insgesamt auf
der ganzen Welt durchmachen. In diesem Zwiespalt ist er vermutlich
ohnmächtiger, weniger monolithisch und magisch potent als Sie glauben.
Trotz der vielen Bewunderung ist er auch eine Art Fossil in einem durch und
durch materialistischen Zeitalter, in dem imperialistische und
menschenverachtende Impulse doch von ganz anderen Mächten ausgehen als von
tibetischen Mythen, die über "zornige Raddreher", "Todesmühlen"
und "Letzte Schlachten" berichten. Was ist z.B. mit der
suggestiven Wirkung und psychologischen Raffinesse von Werbung,
Hollywood-Filmen und Computerspielen, die übrigens oft auch voller okkulter
und apokalyptischer Elemente sind? Was mit Marketingstrategien und
Führungspsychologie, wie sie sich in den Chefetagen (und z.T. durch
Scientology unterstützt) auszubreiten beginnt? Womit arbeiten
Geheimdienste? Wie werden wirkliche Kriege mental vorbereitet und
begleitet?
Damit
die bizarren Metaphern des tantrischen Buddhismus noch drastischer werden,
helfen Sie oft ein bisschen nach: Auch die Liebe des kleinen Dalai Lama zu
Kriegsschiffen, seine zeitweise Erziehung durch Heinrich Harrer (der u.a.
auch SS-Angehöriger war) sowie seine Begegnungen mit Ex-Nazis und
Sektenführern werden als "Belege" für sein latent faschistoides
Denken benutzt. Dass der ehemalige SS-Mann Bruno Beger, der chilenische
Neo-Nazi Miguel Serrano und der AUM-Chef Shoko Asahara den Dalai Lama
aufsuchten, wird so gedeutet, als ob er sie selbst ganz bewusst in seinen
Freundeskreis aufgenommen hätte. Serrano suchte auch Hermann Hesse und C.
G. Jung auf, ohne dass diese dadurch zu latenten Faschisten würden. Dies
sind - wie ich finde - nicht ganz saubere Assoziationstechniken, die Ihr
Buch gar nicht nötig gehabt hätte, da es ja tatsächlich sehr gute Fragen
stellt und mit einer Fülle wichtigen Materials aufwarten kann. So ist
natürlich die Frage wichtig, was im Einzelnen hinter all den Mythen und
esoterischen Weltbildern steckt, die im Augenblick so überschwenglichen und
unkritischen Zulauf erfahren. Höchst interessant auch Ihre Darstellung der
Geschichte Tibets, in der nicht nur erhabene Geistigkeit vorherrschte,
sondern auch Elend, Korruption, spirituelle Kontrolle, Sklaverei, grausame
Strafpraxis, Folter und Intrige. Ebenso spannend die Frage, ob es der
tibetische Buddhismus schaffte, die ursprünglich eher pazifistische
Buddha-Religion Indiens mit der kriegerisch geprägten
mongolisch-tibetischen Kultur (Dschingis Khan) zu versöhnen und eine neue -
auch für uns heute akzeptable Einheit - daraus hervorzubringen.
Ein
Fazit Ihres Textes für mich: Grausames und Kriegerisches scheinen sich
nicht nur in jeder Religion dieser Erde neben Aufrufen zu Frieden
und Toleranz zu finden, sondern jedes Glaubenssystem hat auch seine
Mechanismen, um diese Elemente als notwendig in sein spirituelles
Gesamtkonzept zu integrieren. Religion ist also keine Offenbarung reiner
Götterweisheit sondern Produkt des begabten, aber fehlbaren und
janusköpfigen Menschenverstandes, der in seiner Sehnsucht nach Höherem
atemberaubende mythische Bilder schafft, aber auch das Barbarischste immer
raffiniert zu rechtfertigen weiß. Egoismus und die Sehnsucht zu dessen
Überwindung scheinen in uns oft so dicht nebeneinander zu liegen, dass man
die Trennungslinien kaum mehr ausmachen kann.
Eine
weitere wichtige, wenn auch leider nicht ausgeführte Frage: Was ist mit den
metaphysischen Traditionen Mitteleuropas? Haben wir gegenüber dem Orient
nur kalten Rationalismus und naturzerstörende Technik anzubieten oder nicht
auch eigene spirituelle Traditionen, die von Hildegard von Bingen, Wolfram
von Eschenbach, Paracelsus, Meister Eckhart bis hin zu Novalis, Schelling,
Goethe, Rudolf Steiner und C. G. Jung reichen? Könnten diese Traditionen
uns evt. besser als archaische Religionen darüber belehren, wie wir mit
Göttern und Archetypen in Verbindung bleiben, ohne wachen Verstand und
individuelle Autonomie an okkulte Rituale, übermächtige Gurus und nebulöse
Orakel zu verlieren?
Eine
Bemerkung noch zum Symbol der "Schwarzen Sonne": Ich glaube
nicht, dass es hier eine wirkliche Verbindung zwischen Tibet und dem
Nationalsozialismus bzw. Neo-Faschismus gibt. Erstens ist die von Ihnen
angeführte Bezeichnung des Planeten "Rahu" als "Schwarze
Sonne" eine rein willkürliche
Verknüpfung
durch den Tibetologen Albert Grünwedel und zweitens scheint dieses Bild
doch etwas ganz anderes zu bedeuten als die "Schwarze Sonne" der
rechten Szene, die vermutlich eher auf völkisch-theosophische Vorstellungen
(unsichtbare "Zentralsonne" in der Mitte des Universums)
zurückgeht.
Ein
geistiger Berührungspunkt von tibetischem Buddhismus und faschistoider
Ideologie läge meiner Meinung nach eher im Bestreben archaischer Praktiken,
unsere individuelle Persönlichkeit - ein kostbares Produkt westlicher
Geschichte - dauerhaft auszulöschen und zu einem "Gefäß" für
Überindividuelle Inhalte zu machen, die nur noch von "höheren"
Instanzen (Gurus, Orakel) verwaltet würden. Auch wir im Westen lösen unser
Ich ja ganz gerne gelegentlich mal auf, etwa in ekstatischen
Verschmelzungsvorgängen bei Musik (Wagner ebenso wie Techno), Tanz, Sex
oder überwältigenden Naturerlebnissen, die dann auch stark religiös
eingefärbt sind. Aber im Gegensatz zu okkulten Ritualen und
Einweihungsprozessen bleibt diese Ich-Auflösung temporär begrenzt und an
unsere eigene Willensentscheidung gebunden (hoffentlich!)
Mit
freundlichen Grüßen
Unsere
Antwort auf den Brief von Rüdiger Sünner:
Sehr geehrter Herr
Sünner!
Vielen Dank für
Ihren Brief. Ihr lang ausgeführtes Hauptargument gegen unsere Analyse
("Der Schatten des Dalai Lama") besteht darin, dass der
tibetische Buddhismus im Konzert der traditionellen Religionen nichts
Außergewöhnliches darstelle, dass die autoritativen, atavistischen und
apokalyptischen Strukturen dieses Systems auch in jeder anderen
Glaubensrichtung zu entdecken seien. Weiterhin seien die westlichen Medien
(mit Hollywood an der Spitze) voll mit Weltuntergangsszenarien, Dämonenspuk
und Gewaltphantasien. Dazu kämen die brutalen Marketingstrategien aus den
Chefetagen des globalen Kapitalismus und zuletzt die kriegstreibenden
Machenschaften der Geheimdienste. Angesichts dieses Pandämoniums wäre
unsere Kritik am Dalai Lama und am Lamaismus zu relativieren. - Nun zeigen
sie uns eine einzige Stelle in unserem Text, wo wir die anderen
traditionellen Glaubensrichtungen oder den Geheimdienst als positives
Beispiel gegen den Buddhismus ausspielen. Ihr Argument läuft schlichtweg
darauf hinaus, dass etwas nicht hinterfragt, analysiert und kritisiert
werden sollte, wenn es etwas anderes gibt, das dieselben oder schlimmere
Fehler aufweist. Die Konsequenz ist, man darf die Nazis nicht wegen
Auschwitz zur Rechenschaft ziehen, weil die Amerikaner die Atombombe auf
Hiroshima geworfen haben oder umgekehrt. Außerdem müsste Ihnen aufgefallen
sein, dass mittlerweile unzählige Kritiken des Christentums, des Islams und
des Papstes vorliegen, dass Sie aber die Kritiken am Dalai Lama und am
tibetischen Buddhismus (soweit sie nicht aus chinesischer Quelle stammen)
an einer Hand abzählen können.
Bei einer
Beziehungsanalyse des tantrisch-tibetischen Buddhismus zum Neofaschismus
geht es doch nicht darum, allgemein zu zeigen, dass die autoritativen
Strukturen aller Religionen von der esoterischen Rechten kopiert werden
können, sondern um die wenig bekannte Tatsache, dass der tantrische
Buddhismus eine primäre Bezugsquelle darstellt, aus der sich der okkulte
Neofaschismus bedient, und zwar sowohl was die sexualmagischen Praktiken
anbelangt als auch was die Mythologie betrifft. Das wollen Sie - aus
welchen Gründen auch immer - nicht wahrhaben, obgleich wir dazu zahlreiche
Textbezüge in unserem Buch vorgelegt haben.
Fügen wir also - mit
Geduld - noch ein neues Beispiel (den Shambhala Mythos betreffend) hinzu,
das wir bisher noch nicht erwähnten, den Bestseller von Jan van Helsing - Geheimgesellschaften:
Der Autor erzählt, Arier, Übermenschen aus dem untergegangen Mythenreich
Hyperborea, hätten vor Jahrtausenden ihr Heimat verlassen müssen und im
Himalaja einen unterirdischen Stützpunkt errichtet. Ihr neues Refugium (das
bis heute fortbestehe) trage den Namen Agarthi mit der Hauptstadt
Shambhala. Wir zitieren hier das Resumé des Romans durch Hugo Stamm (Im
Bann der Apokalypse): "Das Symbol des Shambhala Reiches sei ein
nach links drehendes Hakenkreuz gewesen. Dort hätten, so van Helsing, auch
die reinrassigen Arier Zuflucht gefunden. Die 'Eingeweihten' des okkulten
Armes der Thule Gesellschaft sollen in Hitler den Repräsentanten der
Shambhala-Autoritäten oder eben des neuen Messias gesehen haben. Auf
geheimen Erkundungsreisen nach Indien und Tibet hätten Nazi-Expeditionen
mediale Verbindung zu den angeblichen Meistern gesucht.
Nach Schilderung
verschiedener rechtsradikaler und esoterischer Autoren soll Hitler von der
Idee besessen gewesen sein, den Eingang zu diesem unterirdischen Reich zu
finden und in Kontakt mit den Urahnen, also den arischen Übermenschen zu
kommen. Heinrich Himmler habe junge Männer der SS (bei van Helsing steht
die Abkürzung für Schwarze Sonne) ausgebildet, die in die geheime
Mission eingeweiht und auf der Wewelsburg rituell 'versiegelt' worden
seien, schreibt van Helsing. Hitler soll die Verschmelzung mit dieser
arischen Rasse angestrebt haben." (90) Das Problem an diesem Buch ist
weniger die Phantasie des Autors sondern dass diese für viele Menschen für
bare Münze genommen wird und dass dieses Buch mit über 100.000 Exemplaren
verkauft wurde. "Nimmt man die hohen Auflagen der einschlägigen
Literatur als Gradmesser" - so Stamm unter Bezug auf van Helsings
Roman - "muss von einem durchschlagenden Erfolg gesprochen
werden." (Hugo Stamm - Im Bann der Apokalypse - S. 88)
Wir
haben uns mit dem Schwarz-Sonnen-Mythos weiterhin beschäftigt und eine
detaillierte Darstellung davon in Hitler-Buddha-Krishna geliefert. Wir sprechen dort über die Diskussionen im Umkreis
der SS, im Neofaschismus und im Lamaismus anhand neuen historischen
Materials. Insbesondere in den Kapiteln: „Die Runenokkultisten im
SS-Ahnenerbe und die esoterische Nazi-Tibet-Connection“ und „Der
SS-Mystizismus und seine Anleihen aus dem Lamaismus“.
Erneut wird hier
Shambhala (Zentralmythos des tibetischen Kalachakra Tantra) als okkultes
Weltenzentrum des aufstrebenden Hitlerismus genannt. Auch treffen wir hier
erneut auf das Bild von der Schwarzen Sonne. Ursprünglich stammt dieses
Symbol aus der europäischen Alchemie. Julius Evola und Miguel Serrano haben
es ausführlich studiert und als wichtigen Baustein in ihre faschistische
Kosmologie eingebaut. Wer den alchemistischen Symbolkreis um die Schwarze
Sonne kennt, der wird so verblüffende Ähnlichkeiten mit dem Rahu-Mythos
des tibetischen Kalachakra Tantra feststellen, das er unwillkürlich an eine
gemeinsame Quelle, aus der beide Mythologeme stammen, denkt. Zum Beispiel
verschlingt in beiden Symbolkreisen die Schwarze Sonne (oder Rahu)
die Tagessonne und den Mond. Solch ein gemeinsamer Ursprung ist auch
keineswegs historisch ausgeschlossen, denn der nachhaltige Einfluss der
Alchemie auf den indischen Tantrismus konnte mittlerweile nachgewiesen
werden. (Siehe hierzu das umfangreiche Werk von David Gordon White - The
Alchemical Body - Siddha Traditions in Medieval India). Wenn wir das
Ganze - wie Sie - als eine Assoziationswillkür Albrecht Grünwedels abtun,
machen wir es uns zu einfach.
Die
Treffen des Dalai Lama mit ehemaligen Nazis wären für uns genauso belanglos
wie für Sie, gäbe es nicht diese engen Beziehungen der neofaschistischen
Ideologie mit dem tantrischen Buddhismus, insbesondere mit dem Shambhala
Mythos. Es ist diese intensive ideologische Ausbeutung der tantrischen Philosophie
und Praxis durch den Faschismus, die den Dalai Lama in die Verantwortung
stellt, zu solchen Freundschaften öffentlich Stellung zu nehmen und sich -
wenn er es mit seinem Friedensprogramm ernst meint - davon zu distanzieren.
Das gleiche gilt für seine Begegnung mit Shoko Asahara. Auch hier war nicht
das zufällige Treffen für uns von Bedeutung, sondern der eminente Einfluss
des Shambhala Mythos und der sexualmagischen Riten auf das Religionssystem
des japanischen Doomsday Guru. Wir werfen dem Dalai Lama ebenso
wenig vor, dass er ein Waffennarr ist, sondern zeigen, dass diese Liebe zu
Waffen in der buddhistischen Mythologie angelegt ist.
Jetzt
zu Ihrer Einschätzung der lamaistischen Sexualmagie. Sie schreiben:
"Die stark subjektiv gefärbten 'Enthüllungen' über sexualmagische
Praktiken durch ehemalige 'Gespielinnen' aber (die dies ja freiwillig
gemacht haben und sich jetzt beklagen) sowie Ihre Charakterisierung des
Dalai Lama als mächtigen 'Schwarzmagier' darf man zumindest mit skeptischem
Schmunzeln lesen." - Für einen Autor, der ein Buch über die okkulten
Hintergründe des Neofaschismus verfasst hat, wäre etwas mehr professionelle
Neugierde zu erwarten, als ein selbstgenügsames und skeptisches Schmunzeln,
wenn er von den tantrischen Praktiken des tibetischen Buddhismus spricht,
über die er offensichtlich nicht viel weiß. Weder geht es bei den Tantras
um das Amüsement von lüsternen Lamas, noch um die enttäuschte Liebe
ehemaliger "Gespielinnen" (die doch ihren Spaß hatten), noch um
skandalöse "Enthüllungen" sondern um ein striktes okkultes (im
Grunde "asketisches") Regelsystem, welches zum Ziel hat,
Sexualität in politische und spirituelle Macht zu transformieren. Das mag
Ihnen höchst irreal oder auch belanglos erscheinen - für einflussreiche
Chefideologen des Neofaschismus ist der buddhistische Tantrismus jedoch ein
Königsthema - und aus diesem Grunde sind Sie, wenn auch nicht persönlich,
so doch als Historiker, Journalist und Filmemacher, der mit einer solch
delikaten Thematik wie den rechten Okkultismus an die Öffentlichkeit tritt,
dazu aufgefordert, nicht nur zu schmunzeln. Da Sie es uns nicht glauben
wollen, lesen sie doch die einschlägigen Werke von Julius Evola und Miguel
Serrano. Diese beiden Männer haben in vielen ihrer Schriften für die
verhängnisvolle Verbindung zwischen Tantrismus und Faschismus die
theoretischen Grundlagen geschaffen, die jetzt zum Allgemeingut des
internationalen okkulten Naziszene zählen. (z. B. Julius Evola Metaphysik
des Sexus (Ullstein Taschenbuch) die Seiten 364 ff.)
Zum
Schluss zum "Schwarzmagier" Dalai Lama - wir haben dieses Wort
nie gebraucht. Es wäre auch eine sehr verkürzte und etwas geschmacklose
Schlussfolgerung aus unserer Analyse. Wir haben dagegen geradezu akribisch
das System des tantrischen Buddhismus, das der Dalai Lama vertritt,
dargestellt und kommentiert und konnten zeigen, dass sich dieses System
nicht mit bestimmten Wertvorstellungen des Abendlandes in Einklang bringen
lässt und expressis verbis eine Weltenherrschaft des Buddhismus
anstrebt. Der Dalai Lama führt die Riten, welche sein atavistisches
Lehrgebäude fordert, ständig durch, - spricht aber zu uns mit den Worten
des Rationalismus, der Menschenwürde und der Ethik, so dass er mittlerweile
zum leuchtendsten Stern der Toleranz im Westen geworden ist. Das ist ein
Widerspruch, der leicht durch eine offene Debatte, wie wir sie hier auf
unserer Webseiten begonnen haben, gelöst werden könnte.
Den
Dalai Lama als ein positives "Kraftfeld" zu beschreiben,
ist der Inhalt von Tausenden von Zeugnissen. Das nimmt jeder
selbstverständlich hin! Wenn wir eine solche positive Auswirkung
seiner "Aura" grundsätzlich akzeptieren, dann dürfen wir doch
ebenso die negativen Ereignisse in seinem Umfeld in einen
Zusammenhang mit seiner Person stellen, insbesondere weil sein Religionssystem
äußerst grausame Szenarien aufweist. Das ist schlüssig - oder nicht? Nur
unter dieser hypothetischen Voraussetzung haben wir den Fall Petra Kelly
provokativ hinterfragt, d. h. wir haben ihn in einen Kontext mit der im
buddhistischen Milieu kultivierten "Kraftfeldtheorie" gestellt
und es völlig dem Leser überlassen, ob er da eine Beziehung sieht. Im Fall
Mao Zedong wird im Übrigen die magische Fernkraft des Dalai Lama, die den
Tod des Kommunistenchefs bewirkt haben soll, von buddhistischer Seite angeführt
und nicht von uns.
Viele
weitere Fragen, die Sie kurz in Ihrem Brief anschneiden, sind hier in
unserer Homepage beantwortet. Sie können sie - wenn es Ihnen beliebt, mit
einem skeptischen Schmunzeln - nachlesen. Für die Aufklärungsarbeit, die
Sie mit Ihrem Buch "Die Schwarze Sonne" geleistet haben möchten
wir Ihnen danken. Es freut uns auch, dass Sie sich im letzten Abschnitt
Ihres Briefes eine gewisse reservatio gegenüber dem Dalai Lama und
seinem System bewahrt haben.
Schöne Grüße
V. & V. Trimondi
Postskriptum:
Ihre Fragen nach den abendländischen Erklärungsversuchen zum Mythos
(Goethe, Steiner, Jung usw.) halten wir für sehr wichtig. Es würde jedoch
zu weit führen, wenn wir uns jetzt hierzu äußern.
KSHATRIYA
- Tradition und Philosophie - Rundbrief 4 - April 1999 - Martin Schwarz -
(Neofaschistisches Organ)
"Sympathie für den
Dalai Lama"
Da dieses Buch bereits in den
Massenmedien besprochen (zumeist verrissen) wurde, braucht es hier nicht im
Detail vorgestellt zu werden. Die Autoren versuchen den frauenfeindlichen
und imperialistischen "geheimen" Inhalt des tibetischen
Tantrismus freizulegen. Dabei bestätigen sie die Interpretation Julius
Evolas, der sie zubilligen auszusprechen, was von anderen
"westlichen" Tibet Forschern gern verharmlost oder verschleiert
wird: das "tantrische Frauenopfer" als Kern der tantrischen
Praxis der Androgyn-Werdung des Mannes. Auch die Parallelen zwischen Tantra
und Alchemie wurden von den Autoren klar gemacht. Ebenfalls bemerkenswert
ist die Analyse der tantrischen Romane "EL/ELLA" und
"NOS" von Miguel Serrano und das spannende Kapitel über das
tragische Leben des deutschen Tibetforschers Albert Grünwedel. Insgesamt
kann bei einer differenzierenden Lesweise wohl der Schuss, den die beiden
Autoren, die früher die "Mao Bibel" verlegt haben, gegen die
tibetische Kultur abgeben wollten, nach hinten losgehen. Dem Rezensenten
ist jedenfalls der XIV Dalai Lama nach der Lektüre dieses Anti - Dalai -
Lama Buches nur sympathischer geworden, und dessen wiederholte Rede vom "Weltfrieden",
der innen beginnt, erstmals klar geworden: Ihm geht es nicht um "New
Age" und "New World Order", sondern um Shambhala und den
Chakravartin und damit um die Beendigung des Kali Yugas. Falls die Autoren
recht haben.
Unser
Kommentar:
Diese Rezension ist äußerst
interessant, weil sie aus neofaschistischer "Feder" stammt. Der
sogenannte Kshatriya Rundbrief ist ein Organ rechtsgerichteter
Intellektueller aus Wien, die vor allem das Gedankengut von Julius Evola
kultivieren. Zu Evola schreiben wir in unserem Buch auf S. 650 (2. Aufl.):
# Sollte der Dalai Lama wenig an
der politischen Rechten interessiert sein, so haben sich umgekehrt
Ideologen und Theoretiker des Faschismus ausführlich, ja geradezu obsessiv
mit Tibet, seiner Kultur und dem Ritualleben der Lamas auseinandergesetzt.
Das bekannteste Beispiel sind die Arbeiten des Italieners Julius Evola
(1898-1974), zeitweise der Chefideologe von Benito Mussolini. In mehreren
Büchern und Artikeln hat er die Relation von Tantrismus und Machtpolitik
untersucht und weiterentwickelt. Er ist "tantrischen Spuren" in
der europäischen Kulturgeschichte nachgegangen und überall auf sie
gestoßen: bei den Katharern, den Troubadouren, bei den Templern, bei
Alighieri Dante, in der Gralsmystik, im europäischen Rittertum, in der
Alchemie. Eine geniale Darstellung der Sexualität entwirft er anhand von
Kriterien, die aus dem Vajrayana stammen, in seinem berühmtesten Buch
Metaphysik des Sexus. Evola war nicht nur ein Theoretiker, sondern
praktizierte selbst sexualmagische Riten.
Von ihm gibt es die klarsten
Aussagen über das "tantrische Frauenopfer" und über die
Transformation von Sexualität in politische Macht. Der Italiener hat die
Ereignisse, die sich in den Mysterien des Yogis abspielen, wie kaum ein
anderer offen benannt und sich dann dazu bekannt: "Die junge
Frau," - schreibt er - "die zuerst 'dämonisiert', dann
vergewaltigt wird, ... ist im wesentlichen ... das Grundmotiv der höheren
Formen der tantrischen und vajrayanischen Sexualmagie." (Evola, 1983,
389) In Diktatoren wie Adolf Hitler und Benito Mussolini sah er die
Vorläufer zukünftiger Maha Siddhas, die dereinst die Welt mit ihren
magischen Kräften erobern werden: "Der Magier, der Herrscher, der
Herr" - ruft er angesichts des Tantrismus aus - "das ist der Typus
der zukünftigen Kultur!" ( Evola, 1926, 304) Der Tantrismus wird von
ihm als "der Weg für eine westliche Elite" empfohlen. (Evola,
East and West, 29) #
Wir sind in unserem Buch
ausführlich darauf eingegangen, welch eminenten Einfluss der buddhistische
Tantrismus auf faschistische Visionen und Praktiken gehabt hat und immer
noch hat. Der Rezensent Martin Schwarz bestätigt dies voll! Ihm ist der
Dalai Lama deswegen so sympathisch, weil dieser im Kern seiner Religion den
aggressiven Shambhala Mythos und die Idee von einem kriegerischen Chakravartin
(Weltenherrscher) vertritt. Der "Schulterschluss" zwischen den Kshatriyas
(übersetzt: den Angehörigen der Kriegerkaste) und dem
"Friedensnobelpreisträger" zeigt nur allzu deutlich wie eng sich
tantrisch-buddhistische Ideen mit dem Neofaschismus verbinden können.
Wenn es doch nur so wäre....
Wahrscheinlich aus rechter Ecks
stammt auch die folgende Kurzbesprechung unseres Buches (24. Nov. 1999,
amazon.de). Sie zeigt, ebenso wie die obige Kshatriya Rezension, wie eng
sich die faschistische Esoterik an den tibetischen Buddhismus anlehnt:
Wenn es doch nur
so wäre ...
Dieses Buch zweier
Maoisten ist einerseits die Rechtfertigung für den Völkermord in Tibet. Und
andererseits ein wahrer Fundus für jene, denen die 1000 anderen Bücher zum
Shambhala Mythos einfach zu beschwerlich sind. Einfach alles haben die
Autoren abgearbeitet, nicht immer mit der nötigen Tiefe und
Ernsthaftigkeit, doch trotzdem gründlich. Hoffen wir das Ihre Befürchtungen
wahr sind und der Dalai Lama wirklich jener ist "der kommen
wird". So sammelt das Buch zwar Kleingeld für die (rote) Reaktion,
doch wird es den Gang der Welten nicht beeinflussen können.
Die rechte Heilserwartung an den
Dalai Lama, als jener, "der kommen wird" stützt sich, wie wir in
unserem Buch ("Der Schatten des Dalai Lama") beschrieben haben
auf den Shambhala Mythos. Zum Vorwurf, wir seien Maoisten, siehe unsere Biographien.
Weltverschwörung der Priester? - Michael von Brück
Zu den detaillierten und ausführlichen
Beschreibungen in unserem Buch, die den eindeutigen Einfluss des
tibetischen Buddhismus auf den Faschismus und Neofaschismus aufweisen, hat
der Religionswissenschaftler Michael v. Brück
Folgendes zu sagen:
"Es ist peinlich,
dass dieses Buch ["Der Schatten des Dalai Lama"] gerade in
Deutschland erschienen ist, denn diese Vorstellung, dass von Tibet aus die
Weltherrschaft angestrebt wird, die findet sich ausgerechnet in
Naziliteratur. Und zwar hat es München in den 30er Jahren in diesem
Ludendorffkreis eine Veröffentlichung gegeben und in diesem Zuge dieser
Veröffentlichung noch mehrere Zeitschriftenaufsätze und der gleichen, die
von einer Weltverschwörung der Priester sprechen, nämlich der Juden, der
römischen Priester besonders der Jesuiten und der tibetischen Lamas und
diese drei würden sich anschicken den reinen germanischen Geist, die
westliche Zivilisation in ihrer Stärke, in ihrem Durchsetzungswillen zu
unterminieren und dadurch letztlich eine Priesterherrschaft in der Welt
anzustreben."
Tibet war für viele
einflussreiche Nazis (im Gegensatz zu den Ludendorffs) ein faszinierender
und positiv besetzter Mythos. Die Lehren des Lamaismus fanden unter ihnen
großes Interesse, auch wenn diese meist durch eine mehr oder weniger
theosophische Brille gesehen wurden. Nur eine Minderheit der rechten, am
Okkultismus interessierten Intellektuellen hatte ein negatives Verhältnis
zum mystischen Tibet und dazu zählten die Ludendorffs. Die Mehrheit stand
den "Geheimnissen des Ostens" voller Erwartungen und Neugierde
gegenüber. Über die Bedeutung des Ludendorffkreises auf die Nazikultur
schreibt der amerikanische Historiker James Webb: "Die Ludendorffs
wurden toleriert, aber sie übten keinen Einfluss mehr nach Hitlers
gescheitertem Putschversuch aus; Hitler lobte sich selbst Mathilde
Ludendorff (Kemnitz) aus dem Reichstag vertrieben zu haben." (James
Webb - The occult establishment -
La Salle, 1976, s. 309) Brück will mit seinem Zitat der peinlichen
Faschismusdebatte aus dem Wege gehen und den Lamaismus als ein Opfer von
Nazi-Ideologen darstellen.
Zu Michael von Brück siehe: Religion und Politik im tibetischen Buddhismus.
Eine detaillierte Analyse des Ludendorff Kreises, seine
Rolle im Dritten Reich und seine Ansichten über den Lamaismus finden Sie in
unserem Buch Hitler-Buddha-Krishna in
dem Kapitel: „Die antibuddhistischen Fraktionen im Dritten Reich“.
Der XIV Dalai Lama und Dr. Bruno Beger
Wir betonen noch einmal, dass uns
die herzlichen Begegnungen des Dalai Lama mit alten SS-Männern kaum
interessieren würden, wenn es nicht diesen bedeutsamen ideologischen
Einfluss des tantrischen Buddhismus auf das esoterische Selbstverständnis
des Faschismus gäbe. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen solche Treffen
erst eine Sinnhaftigkeit, zum Beispiel auch die Umarmungen des Dr. Bruno
Beger mit dem tibetischen "Gottkönig". Hierzu schreiben wir auf
S. 649 unseres Buches:
# Am 13. September 1994 trafen
sich in London mit dem XIV Dalai Lama acht Veteranen, die Tibet vor 1950
besucht und darüber berichtet hatten. Neben Heinrich Harrer erkennt man auf
einem Repräsentationsfoto, das bei diesem Anlass entstand, direkt hinter
dem Kundun, eine zweite SS- Größe: Dr. Bruno Beger. Beger gilt als der
eigentliche "Profi", der die rassenkundliche Forschung von
Himmlers "Ahnenerbe" vorantrieb. (Kater, 208) Auch er zählte, wie
der Tibetforscher Heinz Schäfer, zum Persönlichen Stab des Reichsführers.
1939 ging er als Mitglied der "SS - Expedition Schäfer" in den
Himalaja. Dort nahm er an mehr als 400 Tibetern Schädelmessungen vor, um
mögliche Bezüge der tibetischen mit der arischen Rasse zu untersuchen. 1943
wurde Beger nach Auschwitz geschickt und machte seine Vermessungen an 150
vorwiegend jüdischen Häftlingen. Diese wurden später getötet und einer
Skelettsammlung einverleibt. Beger will davon nichts gewusst haben. Man
stellte ihn jedoch 1971 vor ein deutsches Gericht, das ihn wegen seiner NS-
Verbrechen zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilte.
Beger, der Rassenspezialist von
Auschwitz, der als letzter aus der "SS - Expedition Schäfer"
überlebt hat (1998), traf Seine Heiligkeit den XIV Dalai Lama mindestens
fünfmal (1983, 1984, 1985, 1986, 1994) Die Treffen waren jedes Mal von
großer Herzlichkeit. Der ehemaliger SS'ler widmete den ersten dreien eine
kleine Broschüre mit dem Titel: "Meine Begegnungen mit dem Ozean des
Wissens." (Beger) Wenn man die These des chilenischen Faschisten und
ehemaligen Chile Botschafters, Miguel Serrano, mit dessen esoterischen
Nazipublikationen wir uns noch ausführlich beschäftigen werden, ernst nimmt
(Serrano behauptet, im okkulten Kern der SS hätten sich Krieger aus dem
Königreich Shambhala inkarniert), dann erhalten die vielen Umarmungen des
Gottkönigs mit den SS'lern Heinrich Harrer, Heinz Schäfer (der Kundun traf
ihn zumindest 1986) und Bruno Beger eine höchst signifikante und makabere
Bedeutung. #
Eine Distanzierung des XIV Dalai
Lama von solchen "Freunden" erscheint uns aus ethischen Gründen
notwendig, aber der tibetische "Gottkönig" arbeitet grundsätzlich
mit allen Kräften und Personen zusammen, wenn diese - wie er glaubt -
seiner Sache dienlich sind. Mit der von Bruno Beger entworfenen Tibetschau
im Salzburger "Haus der Natur" hat sich der österreichische
Journalist Gerald Lehner kritisch auseinandergesetzt. Hier sein Artikel:
Wo
sind die Schädel der KZ-Opfer? - Gerald Lehner
Nationalsozialistische
Rassenforscher hatten in Salzburg und den Hohen Tauern eine Basis. Relikte
der SS werden im "Haus der Natur" bis heute unkommentiert
ausgestellt.
"Vergesst uns
nicht, die
wir hier getötet
wurden.
Das Vergessen des
Bösen
ist die Erlaubnis
zu seiner
Wiederkehr."
(Inschrift auf dem kleinen
Mahnmals Griechenlands im KZ Mauthausen)
Leichenzerteiler brauchen
scharfe Messer. Wie schneidet man möglichst effektiv Menschenfleisch von
Knochen herunter, um ein gutes Skelett zu erhalten? Tibetische Totengräber
und Wissenschaftler von Hitlers SS beschäftigten sich mit ähnlichen
Problemen. Bei nationalsozialistischen Rassentheoretikern diente das
Skelettieren von Häftlingen aus Konzentrationslagern der
"Naturwissenschaft", oder den Vorstellungen, die sie davon
hatten.
Im alten Tibet war es keine
akademische Mordlust. Hier erforderte das rituell-religiöse Leben blankes
Gebein. Das Fleisch von Verstorbenen wurde bei sogenannten
"Himmelsbestattungen" an die Geier verfüttert. Holz für
Verbrennungen gab es auf dem kargen Hochplateau des Himalaja kaum, deshalb
wurden Körper über Schnäbel und Gedärm der Greifvögel entsorgt.
Was hat der Kult Tibets mit dem
Dritten Reich zu tun? Einige Fäden der Geschichte laufen im Salzburger
"Haus der Natur" zusammen, dem regionalen Naturkundemuseum. Hier
ist das "Diorama" einer tibetischen Bergwüste zu sehen, perfekt
gestaltet, wie die Landschaft einer Modelleisenbahn: Buddhistische
Leichenzerteiler walten auf blutüberströmtem Felsen ihres Amtes, ringsum
liegen geöffnete Körper, und die Geier kommen zahlreich.
Wer mehr über den Hintergrund
dieser Schau erfahren will, wird von der gegenwärtigen Museumsleitung
enttäuscht. Keine Informationen, keine Auskünfte, keine Hinweistafel, kein
offizielles Gedenken für die Opfer der Nazis. Was man seit Jahrzehnten hier
verschweigt, passt ins Geschichtsbild der Zweiten Republik Österreich und
führt ins Zentrum des nationalsozialistischen Rassenwahns.
Der Gestalter der Tibetschau
lebt noch hochbetagt in Hessen, ein ehemaliger Offizier und
"Wissenschaftler" in Hitlers Diensten, Mitglied der ersten
Tibetexpedition der SS von 1939: Dr. Bruno Beger. 1971 wurde er in Frankfurt
als Kriegsverbrecher verurteilt. Nicht wegen Massenmordes, die
Mitwisserschaft konnte ihm nachgewiesen werden.
Ein Projekt, bei dem 1941 mehr
als hundert Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz ums Leben kamen,
trug seinen Namen: "Auftrag Beger". Er war mit dem Gründer des
Salzburger "Hauses der Natur" befreundet und arbeitete mit diesem
eng zusammen, dem 1979 verstorbenen Eduard Paul Tratz. Der war als
SS-Hauptsturmführer im persönlichen Stab Heinrich Himmlers tätig und bis
heute in Österreich als Pionier der alpinen Zoologie verehrt.
Einige Zeit, nachdem Beger mit
der SS-Expedition aus Tibet ins Dritte Reich zurückgekehrt war, führte ihn
der Weg am 6. Juni 1943 nach Auschwitz. Der karrierebewusste Anthropologe
reiste im Auftrag des Straßburger Anatomen August Hirt, der umfassende
Studien an Schädeln von Juden und Asiaten plante, wie der
kanadisch-deutsche Historiker Michael Kater von der York University in
Toronto nach jahrelangen Recherchen nachgewiesen hat.
Vermessung von Köpfen und Knochen
war Begers Spezialität. Bereits in der tibetischen Hauptstadt Lhasa hatte
er Einheimische studiert, um deren mögliche Verwandtschaft zu den
"Ariern" nachzuweisen. Er verfolgte die Verfütterung von Leichen
an die Geier mit großem Interesse. Tibet war das Traumland der
NS-Rassenfanatiker.
Heinrich Himmler kam mehrfach
nach Salzburg, auch ins "Haus der Natur" und zum Schloss
Mittersill in die Hohen Tauern im Salzburger Oberpinzgau, wo die SS ein
Zentrum für Gebirgsforschung, Asienkunde, Expeditionen und Rassentheorie
einrichtete. Leitung: Beger in Zusammenarbeit mit Tratz vom Haus der Natur,
der die zoologische Auswertung besorgen sollte. Gleichzeitig träumte die
SS-Wissenschaft von der Errichtung eines Naturschutzgebietes, erste Ansätze
jener Pläne, die Jahrzehnte nach Kriegsende zum österreichischen
"Nationalpark Hohe Tauern" führten.
Eine
detaillierte Darstellung des Falles Bruno Beger finden Sie in Hitler-Buddha-Krishna in dem Kapitel
„Deutsche Hakenkreuze im Himalaja: Die SS-Tibetexpedition“
Beger und der Anatom Hirt
bildeten ein Arbeitsteam, das global forschen wollte. Ihr
SS-Führungsoffizier Wolfram Sievers fädelte einen besonderen Befehl ein:
Kommunistische Offiziere und Agenten der Roten Armee sollten von den
deutschen Eroberern Russlands gezielt gefangen werden, um sie den
Wissenschaftlern auszuliefern.
Die Deutsche Wehrmacht wurde
angewiesen "sämtliche jüdisch-bolschewistischen Kommissare"
lebend der Feldpolizei zu übergeben. Der Mordauftrag, dessen genaue
Autorenschaft ungeklärt ist, liest sich im Wortlaut so, ausgegraben von
Historiker Kater in ehemaligen SS-Archiven:
"Nach dem herbeigeführten
Tode des Juden, dessen Kopf nicht verletzt werden darf, trennt er den Kopf
vom Rumpf und sendet ihn in eine Konservierungsflüssigkeit gebettet in
eigens zu diesem Zwecke geschaffenen und gut verschließbaren Blechbehältern
zum Bestimmungsort. An Hand der Lichtbildaufnahmen, der Masse und sonstigen
Angaben des Kopfes und schließlich des Schädels können dort nun die
vergleichenden anatomischen Forschungen über Rassenzugehörigkeit [....]
beginnen."
Dass nicht nur die SS, sondern
auch die konventionelle Armee des Dritten Reiches in Massenmorde tief
verstrickt waren, darüber berichtet die in vielen Städten Europas gezeigte
Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht 1941- 1944". Diese von
Veteranenverbänden bekämpfte Schau wurde 1998 auch in Salzburg gezeigt, im
großen Saal des ehemaligen Stadtkinos. Dieser liegt genau gegenüber dem
"Haus der Natur", wo die SS-Experten Beger und Tratz ihre
Tibetschau einrichteten, deren Hintergrund öffentlich noch immer kaum
bekannt ist.
Beger kämpfte bei seinen
Schädelstudien mit einem alten Problem. Wie erhält man möglichst sauberes
Knochenmaterial? Sein Partner, der Anatom Hirt in Strassburg, bestellte
deshalb "Mazerationseinrichtungen", die "zur Herstellung von
Skeletten" benötigt wurden. Konkret handelte es sich um sogenannte
"Entfettungsöfen".
In der Praxis klappte der Befehl
auf den Schlachtfeldern Russlands kaum. Die Ausfilterung "jüdischer
Kommissare" scheiterte im Getümmel des Krieges.
Von
Tibet nach Auschwitz
So befahl SS-Forschungschef
Wolfram Sievers am 2. November 1942 schriftlich, es seien nun "150
Skelette von Häftlingen bzw. Juden notwendig, die vom KL Auschwitz zur
Verfügung gestellt werden sollen." So reiste Bruno Beger zum
Vernichtungslager ins ehemalige Polen. Fünf Tage benötigte er, um 115 noch
lebende Häftlinge zu vermessen, davon 79 Juden, 2 Polen, 4
"Innerasiaten" und 30 Jüdinnen.
Dann fuhr er zurück ins
Salzburger Land zum Schloss Mittersill, wo er weiter an der Einrichtung
seiner Zentrale für Hochgebirgsforschung arbeitete. Am 30. Juli 1943
erhielt er vom SS-Kommando in Berlin ein Telegramm: "Transport ab
Auschwitz 30. 7. Setzen Sie sich mit Hirt wegen Arbeitsaufnahme in
Verbindung...."
Für die Morde war das
Konzentrationslager Natzweiler-Struthof vorgesehen. Den Job erledigte
dessen Kommandant Joseph Kramer. Dieser tötete die ersten Frauen "mit
eigener Hand, und zwar mit einer speziell von August Hirt bestimmten Chemikalie",
so der kanadische Historiker Kater.
Die Leichen wurden nach
Strassburg abtransportiert. Am nächsten Tag starben insgesamt 122 Menschen,
93 Männer und 29 Frauen, in der Gaskammer von Natzweiler. Sie wurden teils
konserviert, teils sofort präpariert. Den französischen Häftling Henry
Henrypierre zwang man zur Mitarbeit. Ihm teilte man mit: "Wenn Du die
Schnauze nicht halten kannst, kommst Du auch dazu", wie bei den
Nürnberger Prozessen festgestellt wurde.
Das Skelettieren kam nur
schleppend voran. Ein Teil der halbfertigen Sammlung soll 1944 ins
Salzburger Bergland zum Schloss Mittersill gebracht worden sein, zu Begers
Forschungsstelle. Andere Hinweise gibt es, wonach Leichenteile im
"Haus der Natur" in der Stadt Salzburg untergebracht wurden. Der Transport
nach Mittersill ist durch Angaben eines hohen SS-Offiziers dokumentiert:
Der beteiligte Wolf-Dietrich Wolff berichtete es dem Historiker Kater.
Das Beseitigen von Spuren
scheint kurz vor Kriegsende gut geklappt zu haben: An beiden Stätten ist heute
von Überresten der KZ-Häftlinge nichts zu finden. Eberhard Stüber,
gegenwärtiger Leiter des "Hauses der Natur", verweigert den
Zugang von unabhängigen Fachleuten zu seinen Kellern. Auch der Bergsteiger
Reinhold Messner wurde nicht in den Fundus des Museums gelassen, als er
jüngst wegen seiner Yeti-Geschichten auf den Spuren der SS-Tibetforscher
recherchierte: "Warum wohl?", fragt sich Messner in einem Brief
an den Autor dieser Zeilen.
SS-Hauptsturmführer Beger
schrieb am 24. Juni 1943 über die Opfer seines Projektes: "Außerdem
haben wir zwei Usbeken, einen usbekisch-tadschikischen Mischling und einen
Tschuwaschen aus der Gegend von Kasan vermessen und abgeformt. So ganz
nebenbei für unser Institut. Es handelt sich um gute Typen,
Übergangsglieder nach Inner- und Ostasien. Der eine Usbeke, ein großer
gesunder Naturbursche hätte ein Tibeter sein können. Seine Sprechweise,
seine Bewegungen und seine Art, sich zu geben, waren einfach entzückend,
mit einem Wort: Innerasiatisch."
Aus Begers Brief spricht eine Naturwissenschaft,
die sich bewusst dem aufklärerisch wissenschaftlichen Ethos widersetzt und
es bekämpft. Auf die Frage, ob ihm aus heutiger Sicht manches leid täte,
sagte Beger 1998 zum Autor dieser Zeilen, er habe nichts zu bereuen:
"Ich war immer nur ein fanatischer Wissenschaftler."
Bereits 1941 wurden seine
harmloseren Exponate über das Leben tibetischer Nomaden und Bergbauern im
Salzburger "Haus der Natur" ihrer Bestimmung übergeben. Beger
brachte sie 1939 von der SS-Expedition aus Lhasa mit. Reichsführer Himmler
eröffnete feierlich die Ausstellung. Weiterer Ehrengast war wieder einmal
der Schwede Sven Hedin, weltbekannter Tibetforscher und glühender Verehrer
Hitlers: "Von meinen Besuchen bewahre ich unvergessliche und mächtige
Eindrücke...", so der Kommentar Hedins laut einer vergilbten
Werbebroschüre des Museums aus der Nachkriegszeit.
Tausende ahnungslose Jugendliche
und Erwachsene sehen weiterhin alljährlich die Salzburger Tibetschau.
Lehrer und Hundertschaften von Schulkindern wandeln durch die großen Hallen
und Gänge. Das vereinsmäßig organisierte "Haus der Natur"
beschäftigt jüngere Wissenschaftler und Museumspädagogen, die seit Jahren
erstklassige Arbeit leisten, wie die Biologen Ilse Illich und Norbert
Winding, der jüngst ins Geschäft mit TV-Filmen ("Universum")
abwanderte. Das Museum ist profitabel, wird publizistisch von der
Salzburger Kronenzeitung stark unterstützt und präsentiert sich laut
Eigendefinition als bestbesuchtes Naturkundemuseum im deutschen Sprachraum.
Stüber führt als direkter
Nachfolger von Tratz das Haus seit Jahrzehnten. Vor kurzem liess er
angesichts einer neuen Schau mit ausgestopften Bären verlauten, sein
Unternehmen orientiere sich nunmehr an der Qualität amerikanischer Museen.
Falls damit das Gedankengut der
Moderne und organisatorische Transparenz gemeint sind, dann könnte dieser
Weg noch weit werden, was das Verhältnis zur Vergangenheit des Museums
betrifft. Darauf angesprochen entgegnet Biologe Stüber, es handle sich
nunmehr offenbar um eine Schmutzkampagne. Gründer Tratz sei ein ehrenwerter
Mann gewesen. Die Charakterstärke seines Vorgängers und Lehrers beschreibt
Stüber so: "Als National-Freiheitlicher war er nach dem Krieg kein
Wendehals, wie so viele andere. Außerdem hat er in schwieriger Zeit andere
vor Verfolgung beschützt." (Details siehe auch Kasten)
Internationales
Interesse
Stüber weiß nach eigenen Angaben
nicht, was damals forschungsmäßig geschah. Dennoch wurde auf seinen
Vorschlag hin bei Fusch in den Hohen Tauern im Jahre ???? die "Eduard
Paul Tratz-Forschungsstation" eingerichtet, finanziert vom
österreichischen Umweltministerium und der Grossglockner-Hochalpenstrassen
AG, deren Führungskräfte nicht in die Details eingeweiht wurden.
Die Forschungsstation dient der Ausbildung
junger Naturwissenschaftler. Vielen fehlt historisches Wissen über die
NS-Verstrickungen, die vor allem die heimische Zoologie belasten.
Entsprechende Lehrveranstaltungen werden nicht mehr angeboten, obwohl es
die Studienpläne ermöglichen würden. Das Erbe wird nicht nur verschwiegen,
sondern indirekt weiterhin zelebriert: Der Österreichische Naturschutzbund
(Präsident: Eberhard Stüber) verleiht seine "Eduard Paul
Tratz"-Ehrenmedaille alljährlich an heimische Ökologen, denen
biographische Details des Funktionärs weitgehend unbekannt sind. Was als
österreichische Lösung der Nachkriegszeit abgetan werden kann, wird
mittlerweile von Fachleuten in EU-Staaten, den USA und Kanada beobachtet.
Laut dem amerikanischen Experten
Peter Lucchetti vom Department für US-Nationalparks schade das Thema
indirekt auch dem Ansehen des Nationalparks Hohe Tauern. Dessen amtliche
Verwalter in den Bundesländern und beim Wiener Umweltministerium ringen
bereits seit Jahren um eine internationale Anerkennung des Schutzgebietes.
Ausländische Fachleute sind einerseits der Ansicht, es erfülle ökologische
Standards nicht. Dazu kommt nun die Nachricht über die Forschungsstation
beim Großglockner und ihren Namenspatron Tratz, der im Dunstkreis von
Himmlers Todesschwadronen seine Karriere vorantrieb.
Im "Haus der Natur"
wird gegenwärtig an einer Neugestaltung der Schau über den Menschen
gearbeitet. Man darf gespannt sein, ob die Museumsleitung den Mut findet
und die Chance nützt, eine zeitgemäße Anthropologie darzustellen und die lokalen
Verwicklungen in das organisierte Verbrechen gegen die Menschlichkeit
einbezieht.
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