MEDIEN (09)
Michael von Brück
Siehe auch: Der Mantel der Geschichte -
Rezension des Buches "Religion und Politik im tibetischen
Buddhismus"
Interviews mit Michael von Brücks zum "Der Schatten des
Dalai Lama"
Prof. Dr. Michael von Brück,
Dekan der evang. theol. Fakultät in München [Biographie siehe Der
Mantel der Geschichte] ist in der Öffentlichkeit mit mehreren
Interviews aufgetreten, in denen er unser Buch "Der Schatten des Dalai
Lama" heftig kritisiert. Wir haben auf seine abgegebenen Statements
geantwortet. Viele der hier angeschnittenen Themen hat er auch in seinem
"Antibuch" - Religion und Politik im
tibetischen Buddhismus - behandelt. Die einzelnen Argumente des
Theologen werden von uns zusammengefasst und dann beantwortet.
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1. - Im Westen - so
v. Brück - werde die Geschichte Tibets oder des Lamaismus entweder
überzogen positiv oder überzogen negativ dargestellt. Beide Tibetbilder
hätten mit dem wirklichen Tibet nichts zu tun, sondern seien
Projektionsflächen für abendländische Phantasien einerseits oder Ängste
andererseits. Tibet sei ein Land wie jedes andere auch.
Zitat von v. Brück
aus ORF/Funk vom 5. April 1999:
Madame Blavatsky hat
ja behauptet, dass sie ihre Lehren von den Weisen von den Mahatmas wie sie
nennt aus Tibet empfangen habe, sie ist nie in Tibet gewesen und Mahatmas
gibt es in Tibet auch nicht. Das ist ein indischer Begriff und sie wusste
auch nichts von Buddhismus, sondern hat Buddhismus und Hinduismus
verwechselt. Aber diese Vorstellungen, dass dort das Reich, der Weisheit,
der Güte, der Liebe, des ewigen Lächelns existieren würde, das hat sich nun
in New Age- und Esoterikkreisen in den westlichen Welt festgesetzt bis hin zu
Hollywood und es wird ein verkitschtes klischeehaftes Bild von Tibet
gezeichnet. Was zweifellos falsch ist und überwunden werden muss, wenn man
dann endlich mal das wirkliche Tibet wahrnehmen will, ein ganz normales
Land, ein ganz normales Volk in dem eine ganz eigene Religionsentwicklung
stattgefunden hat, die die Politik auch sehr stark geprägt hat und ein Volk
was nun heute den kulturellen und tatsächlichen auch physischen Genozid
ausgesetzt ist.
Unser Kommentar:
Tibet war nie ein Land wie
jedes andere. Die tibetische Kultur ist von äußersten Extremen
gekennzeichnet, die es zwar auch in anderen Kulturen gegeben hat, jedoch
konnte dieses mittelalterliche System aus dem Schneelande bis in unsere
Zeit hinein ohne einschneidende Reformen überleben. Krasse Extreme setzten
seit alters her die tibetische Gesellschaft ständigen Zerreißproben aus. So
standen sich ein hoher ethischer Anspruch von Mitgefühl und Gleichmut (Mahayana
Buddhismus) und eine von grässlichen Dämonen geplagte Welt gegenüber.
Nicht einfache Menschen und Mönche übten auf dem "Dach der Welt"
die politische Gewalt aus, sondern die Inkarnationen von Überwesen, die in
der Hierarchie noch über den Göttern stehen. In den tantrischen Riten wurde
die Frau als eine "Göttin" angebetet, außerhalb der sexualmagischen
Rituale aber, in der Gesellschaft und im monastischen Leben, spielte sie im
Gegensatz dazu eine völlig untergeordnete und verachtungswürdige Rolle. Der
Tibetologe Geoffrey Samuel hat in seinem umfangreichen Werk Civilized
Shamans - Buddhismus in Tibetan Society diese Extremgesellschaft
geradezu als einen positiven Kulturentwurf für Konfliktlösungen
darzustellen versucht. Dazu mag man stehen wie man will, aber Tibet als ein
Land wie jedes andere zu präsentieren, leugnet einfach die außergewöhnlichen
Dissonanzen und Widersprüche, die diese Kultur auszutragen hat.
Tibet ist auch nicht deswegen
ein "Land der Geheimnisse", weil esoterikgierige Westler dies
dort hinein projiziert haben, sondern weil der tibetische Buddhismus eine
Mysterienreligion darstellt und deswegen - seinem eigenen Verständnis nach
- zutiefst okkult ist. Das weiß Herr v. Brück sehr wohl! Wir schreiben dazu
auf S. 24 ("Der Schatten des Dalai Lama"):
Diese (die Mysterien) sind seit
jeher von Geheimnissen umwittert. Uneingeweihte haben nicht das Recht, sie
zu betreten oder etwas darüber zu erfahren. Dennoch wurden in den letzten
Jahren viele Informationen über das Kultwissen Tibets (niedergeschrieben in
den sogenannten Tantra Texten und ihren Kommentaren) veröffentlicht und in
europäische Sprachen übersetzt. Die Welt, die sich hier für ein modernes
westliches Bewusstsein auftut, mag ebenso phantastisch wie faszinierend
sein. In ihr verbinden sich theatralische Prachtentfaltung,
mittelalterliche Magie, sakrale Sexualität, unerbittliches Asketentum,
höchste Vergöttlichung und niedrigster Missbrauch der Frau, mörderisches
Verbrechen, ethische Maximalforderungen, der Auftritt von Göttern und
Widergöttern, mystische Ekstase und eiskalte Logik zu einer machtvollen,
paradoxen Performance.
Selbst der tibetische
"Gottkönig" hat mittlerweile immer weniger Hemmungen, öffentlich
okkulten Klatsch von sich zu geben, zum Beispiel, wenn er zu der Beziehung
seines Hollywood Adlatus Richard Gere mit der Schauspielerin Carey Lowell
in der Regenbogenpresse sagt: "Im alten Ägypten war Richard Careys
Sklave." (BUNTE Nr. 31, 1999) Es sind nicht allein die New Age- und
Esoterikkreise, aus denen Michael v. Brück ursprünglich stammt, die das
Bild vom mystischen, "paranormalen" Tibet geschaffen haben,
sondern die Lamas selber malen an diesem Tableau.
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2. - In den letzten
Jahren sei - so von Brück - ein "verzuckertes und auch verkitschtes
Tibetbild ... in der Öffentlichkeit hollywoodartig verbreitet worden."
Als Beispiele nennt er die beiden Filme Kundun von Martin Scorcese
und Sieben Jahre in Tibet von Jean Jaques Annaud.
Kommentar:
Von Brück wiederholt das
Klischee, ausschließlich westliche Sympathisanten des tibetischen
Buddhismus seien für dieses "verzuckerte Tibetbild"
verantwortlich und sie es seien es, die jegliche Kritik beiseite schöben
und eine seriöse Auseinandersetzung mit der Kultur des Schneelandes
verhinderten. Damit werden die Exiltibeter und der Dalai Lama von ihrer
Eigenverantwortung reingewaschen. Das Gegenteil ist der Fall! Tibetische Lamas
haben schon vor ihrem Exil mit großer Dankbarkeit den westlichen Exotismus
aufgegriffen und gefördert. Heutzutage baden sich viele von ihnen geradezu
in dem okkulten Ambiente, das ihnen von Westlern bezeugt wird. Aber die
autochtone Kultur verfügt selber über zahllose "Klischeebilder",
welche die Phantasie von Abendländern reizen, zum Beispiel das Bild vom
Maha Siddha, vom "Großzauberer". Die "tibetische
Obsession" kann manchmal die Form einer Seifenoper annehmen. Siehe zum
Beispiel das spektakuläre Zusammenspiel eines hohen lamaistischen
Würdenträgers mit dem Hollywood Action Star Steven Segal im Süddeutsche
Zeitung Magazin Nr. 28 vom 16.07.1999: "Heiliger Strohsack -
Steven Segal trifft seine Anhänger - da hilft nur noch beten. ........ Als
wiedergeborener Meistermönch finden ihn auch die Buddhisten zum
Niederknien".
Tatsache ist fernerhin, dass
der Dalai Lama selber tüchtig an diesem "verzuckerten Tibetbild
mitmalt. Er hat zum Beispiel intensiv an dem Drehbuch für den Hollywood
Film Kundun mitgearbeitet und er ließ mehrere Treffen, auf denen
über den Film debattiert wurde, mit Scorcese
arrangieren. Er selber war also an der Produktion dieses
"Tibetkitsches" (von Brück) beteiligt. In beiden Filmen (Kundun
und Sieben Jahre in Tibet) spielen Mitglieder der Dalai Lama Familie
wichtige Nebenrollen, ein Großteil der Statisten waren "echte"
tibetische Mönche und als Berater fungierten hohe Lamas. Übrigens gibt es
auch in Bertuluccis süßem Buddhaepos Little Buddha einen waschechten
Lama als Schauspieler. Ebenso fördert der Lamaismus in vielen anderen
Filmen das exotische und reizvolle Bild seiner selbst. Er reagiert aber -
unserer Ansicht nach - mit dieser Eigenapotheose nicht nur auf eine
Modeerscheinung des Westens, sondern wiederholt eine Selbstdarstellung, die
ebenfalls für die alttibetische Kultur charakteristisch war.
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3. - Die Geschichte
Tibets sei nicht weniger und nicht mehr gewaltgeprägt als die Geschichte
anderer Länder.
Unser Kommentar:
Das leugnen wir nicht, sondern
zeigen es gerade auf. In der Öffentlichkeit hat sich jedoch das Bild
verbreitet, dass Tibet seit Jahrhunderten ein friedliches Land sei und uns
deswegen als ein Vorbild dienen könne. Auch Michael von Brück ist bisher
nicht auf das große und gefährliche Gewaltpotential in der tibetischen
Geschichte eingegangen, sondern hat an der Geschichtsklitterung vom
"friedlichen Tibeter" mitgearbeitet. Wir schreiben hierzu auf S.
574 ("Der Schatten des Dalai Lama"):
So ist es den Exiltibetern mit
ihren Lamas an der Spitze gelungen, in der Weltöffentlichkeit als ein vom
Genozid bedrohtes spirituelles Friedensvolk dazustehen, das in einer von
Kämpfen erschütterten Zeit seine pazifistische Freudenbotschaft verbreiten
möchte. "Ein Bekenntnis, mit dem man nichts falsch machen kann."
- schreibt der deutsche Spiegel in Bezug auf den tibetischen Buddhismus -
"Zweieinhalbtausend Jahre Friedfertigkeit statt Inquisition, stets
heiter wirkende Mönche statt präpotenter Kirchenfürsten, Nirvana Hoffnung
statt Djihad Drohung - der Buddhismus tut keinem weh und ist trendy
geworden."
(Spiegel, 16/1998, 109) Und der deutsche Buddhist und Schauspieler
Sigmar Solbach erklärt seinen Fernsehzuschauern: "Im Namen des
Buddhismus ist noch nie ein Krieg geführt worden." (Spiegel,
16/1998, 109)
Das Gegenteil ist leider der
Fall - im Namen Buddhismus sind ebenso wie im Namen des Christentums
unzählige Kriege geführt haben. Mit Recht - so werden wir noch anhand
historischer Ereignisse zeigen - hat man den Shambhala Mythos als den
"buddhistischen Djihad" (Heiligen Krieg) bezeichnet.
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4. - Michael v.
Brück behauptet, die Geister und Dämonen, die das alte Tibet beherrscht
hätten, seien nach der Buddhisierung des Landes in Aspekte des eigenen
Bewusstseins uminterpretiert worden.
Unser Kommentar:
Es stimmt, dass im tibetischen
Buddhismus die Trennung von außen und innen, von Sein und Bewusstein, von
Symbol und Realität aufgehoben wird. Das bedeutet nun nicht, dass alles,
was für ein Normalbewusstein draußen ist (die objektive Welt) jetzt drinnen
ist (in der subjektiven Welt) - sondern ebenso umgekehrt, das was drinnen
ist, zum Beispiel die eigenen Gefühle und Ängste, erscheint jetzt auch
draußen in der Gestalt von Geistern und Dämonen.
Es gibt kaum eine noch lebende
Kultur, die so vom Ritual- und Opferwesen bestimmt ist, wie die tibetische
und wo die Beschwörung von Geistern und Dämonen eine solch eminente Rolle
spielt. Die mittlerweile unzähligen ethnologischen Filme, die über die
lamaistische Kultur berichten, zeigen das an vielen Beispielen. Wären diese
Geister und Dämonen nur Teil des eigenen Bewusstseins, dann würde ihre
Zurückweisung und Vernichtung durch aufwendige Rituale nicht vonnöten sein,
sondern sie würden als reine Phänomene des Geistes durch Meditation aufgelöst.
Wichtiger erscheint uns jedoch,
mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass diese tibetischen Geister und
Dämonen nach der Buddhisierung des Landes nicht in gutartige Wesenheiten
transformiert wurden, sondern dass der autochtone Buddhismus sie in sein eigenes
System integrierte und sich ihre Aggressivität zu nutzen machte. Auf S. 130
("Der Schatten des Dalai Lama") schreiben wir:
Das atavistische Pandämonium
des vorbuddhistischen Schneelandes überlebte als eine machtvolle Fraktion
innerhalb des tantrischen Pantheons, und weil der Schrecken allgemein eine
größere Faszinationskraft ausübt als eine "langweilige"
Friedensvision, bestimmte er zutiefst das tibetische Kulturleben.
Ständig und noch immer glauben
sich viele Tibeter, unter ihnen - wie wir noch sehen werden - auch der XIV
Dalai Lama, von teuflischen Mächten bedroht und sind damit beschäftigt, die
dunklen Gewalten mit Hilfe von Magie, Bittgebeten und liturgischen
Techniken zurückzuweisen, aber auch in ihren Dienst zu stellen, was -
nebenbei bemerkt - zu einer beträchtlichen Einnahmequelle für die
professionellen Exorzisten unter den Lamas geführt hat.
Direkt neben diesem
unterweltlichen Abgrund erhebt sich - zumindest in der Imagination - eine
mystische Zitadelle des reinen Friedens und der ewigen Ruhe, von denen in
den Heiligen Schriften so oft die Rede ist. Beide Visionen - die des
Schreckens und die der Glückseligkeit - ergänzen einander und werden vom
Tantrismus in einen "theologischen" Ursachenzusammenhang
gebracht, der besagt, dass die Himmel nur nach einer Höllenfahrt betreten
werden dürfen.
Fokke Sierksma vermutet in
seiner psychoanalytischen Studie über die tibetische Kultur, dass die
chronische Angst vor teuflischen Angriffen von den Lamas zur
Aufrechterhaltung ihrer Macht verbreitet wurde und sich darüber hinaus mit
einer sado-masochistischen Lust am Makabren und Aggressiven vermischte. Die
unter den Mönchen weit verbreitete Freude am Grauen rechtfertigte sich
unter anderem aus der Tatsache, dass - wie in den Tantra Texten zu lesen
ist - selbst die Höchsten Buddhas die Gestalt grausamer Götter (Herukas)
annehmen können, um brüllend und hasserfüllt alles kurz und klein zu
schlagen.
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5. - Michael von
Brück macht ein Plädoyer für das Orakelwesen, welches der Dalai Lama bei
seinen politischen Entscheidungen anwendet: "Er fragt diese Orakel,
lässt sich die entsprechenden Ereignisse dann geben und versucht mit diesem
Orakel und mit den rationalen Erwägungen, so wie sie jeder Politiker
wahrscheinlich auch anstellen würde, Entscheidungen zu treffen." Und
dann führt von Brück wenige Sätze später fort: "Wenn jemand den Mantel
der Geschichte wehen hört, dann weiß er letztendlich, er ist nicht völlig
frei, er setzt sich höheren Mächten aus."
Unser Kommentar:
Wir haben uns nicht nur mit der
Frage ausführlich auseinandergesetzt, ob das Orakelwesen und die
demokratische Willensbildung im politischen Leben der Exiltibeter
miteinander kompatibel sind, sondern vor allem auch welchen
"höheren Mächten" sich der Dalai Lama mit seiner Orakelpolitik
ausliefert. Im Falle seines Staatsorakels ist dies nicht - wie man das
erwarten könnte - ein friedliebendes Buddhawesen, sondern ein ehemaliger
mongolischer Kriegsgott (Pehar), der - so lautet eine Prophezeiung -
selbst den Tibetern gefährlich werden kann ("Der Schatten des Dalai
Lama" - S. 547):
Der Orakelgott hat zwar einen
Treueid geschworen, aber es ist - nach Meinung der Lamas - keineswegs
ausgeschlossen, dass er diesen eines Tages bricht und dass er seine
Rachegelüste an den Tibetern, die ihn in früheren Zeiten besiegten, voll
auslässt. Was dann passiert, hat er mit eigenen Worten gegenüber
Padmasambhava ausgesprochen: Er wird die Häuser und die Felder zerstören.
Die Kinder des Schneelandes werden Hungersnöte erdulden müssen und der
Wahnsinn wird sie schlagen. Durch Hagel und Insekten werden die Früchte des
Landes vernichtet. Die Starken werden dahingerafft und nur die Schwachen
überleben. Kriege verwüsten das Dach der Welt. Pehar wird selbst die
Meditationen der Lamas unterbrechen, ihren Zaubersprüchen die magische
Macht nehmen und sie zum Selbstmord treiben. Brüder werden ihre Schwestern
vergewaltigen. Die Weisheitsgefährtinnen (Mudras) der Tantra Meister wird
er krank und ketzerisch machen, ja sie in Feinde der Lehre verwandeln, die
in die Länder der Ungläubigen auswandern. Vorher aber wird er sich noch mit
ihnen kopulieren. "Ich" - so ruft Pehar aus, - "der Herr der
Tempel, der Stupas und der Schriften, ich werde die schönen Körper aller
Jungfrauen besitzen." (Sierksma, 165)
Im Westen herrschen zwei
Grundhaltungen gegenüber den archaischen Religionspraktiken in anderen
Kulturen, wie zum Beispiel dem politischen Orakelwesen. Entweder man lehnt
dies als unwirksam ab und akzeptiert es anschließend als faszinierende aber
harmlose Folklore oder man glaubt blind an das übernatürliche Geschehen. In
beiden Fällen wird nicht die Gottheit hinterfragt, die durch das Orakel zu
Wort kommt. Aber auch Götter haben ihre Problemgeschichte und tragen ihre
Verantwortung. Im Falle von Pehar, dem tibetischen Staatsorakel, ist dies ganz
besonders deutlich.
Zur Zeit tobt immer noch
innerhalb der tibetischen Community eine Schlacht der
"Orakelgötter". Pehar auf Seiten des Dalai Lama und Shugden
auf Seiten seiner Gegner liefern sich einen "Religionskrieg", der
schon blutige Opfer gefordert hat (siehe "Der Schatten des Dalai
Lama" - S. 549 ff.).
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6. Von Brück stimmt
mit uns darin überein, dass jede Kultur letztendlich aus einem Mythos lebe.
Aber es käme darauf an, wie diese Mythen interpretiert würden. Für den
Dalai Lama und für den Buddhismus überhaupt würden Mythen nach der
rationalen Erkenntnistheorie der Madhyamika Tradition interpretiert.
Das hätten wir nicht erkannt:
Unser Kommentar:
Das ist erneut eine
Unterstellung. In unserem Buches gehen wir explizit auf die buddhistische
Hermeneutik ein und schreiben auf S. 64 ("Der Schatten des Dalai
Lama"):
Die ungeheuerliche Macht des
Tantra Meisters hat nicht in einer Doktrin des Vajrayana ihre Ursache,
sondern in den beiden philosophischen Hauptrichtungen des Mahayana
Buddhismus (Madhyamika und Yogachara). Die Madhyamika Schule des Nagarjuna
(5. Jh. n. Chr.) spricht vom Prinzip der Leerheit (Shunyata), das allem
Sein zugrunde liegt. Dies gilt in seiner Radikalität auch für die Götter.
Sie sind reine Illusion und für einen Yogi nicht weniger und nicht mehr
Wert wie ein Werkzeug, das er für seine Zielsetzungen benutzt und dann
wieder weglegt. Eigenartigerweise hat diese radikale buddhistische
Erkenntnistheorie dazu geführt, dass jetzt die Türen für eine nicht mehr
übersehbare Götterschar, von denen die meisten aus dem hinduistischen
Kulturraum stammen, aufgestoßen wurden. Diese durften von nun an, was
früher im Hinayana verpönt war, den buddhistischen Himmel bevölkern. Da sie
in letzter Instanz eine Illusion waren, brauchte man sie nicht mehr zu
fürchten oder als Konkurrenz anzusehen; da man sie "negieren"
konnte, durfte man sie "integrieren".
Für die Yogachara Schule (4.
Jh. n. Chr.) besteht alles - das Selbst, die Welt und die Götter - aus
"Bewusstsein" oder "Reinem Geist". Auch dieser extreme
Idealismus macht es möglich, dass der Yogi das Universum nach seinem Willen
und seiner Vorstellung manipuliert. Weil der Himmel und seine Bewohner
nichts anderes sind als Spielformen seines Geistes, können sie je nach
Gusto hervorgebracht, vernichtet und ausgetauscht werden.
Wir zeigen aber gerade, dass
trotz dieser beiden philosophischen (und "rationalistischen")
Grundschulen, die alten Götter und Mythen voll in Kraft blieben und das
kulturelle Leben des Lamaismus weiterhin bestimmten, das sind - nach von
Brück - "die höheren Mächte", deren "Mantel die Geschichte
bewegt". Diese beherrschen nicht nur die Volkskultur, sondern ebenso
die Staatspolitik und die Handlungsweisen des Dalai Lama, wie das während
der Shugden Affäre unmissverständlich zum Ausdruck kam. Die tibetischen
Mythen sind zum Teil äußerst aggressiv (z. B. der Shambhala Mythos) und
haben mehrfach geschichtliche Auswirkungen gehabt, die blutig und grausam
waren (Mongolei, Asahara Affäre), beziehungsweise dienen sie als eine Orientierung
für den faschistischen Okkultismus ("Esoterischer Hitlerismus").
Wir kennen bisher keine Interpretation des Shambhala Mythos, die bewusst
von der kriegerischen Aggressivität dieser Prophezeiung Abstand genommen
hat. Allenfalls wird der Mythos nach innen verlagert und als ein
Seelenkampf des Einzelnen dargestellt.
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7.- Historisch - so
stimmt von Brück wiederum mit uns überein - sei das Kalachakra Tantra als
der literarische Ausdruck einer orientalischen Apokalyptik zu werten, nach
der ein Messias erwartet werde, der mit Gewalt die Herrschaft über die Welt
erobert und in Namen des Guten eine Endschlacht über das Böse gewinnt.
Solche Bilder dürften aber nicht als Handlungsanweisungen für die Politik
angesehen werden. Es gehe nicht um die Errichtung einer Buddhokratie
sondern um eine Zeit, in der alle Menschen dem Buddha Dharma folgen. Den
Shambhala Mythos als einen politisch imperialen Machtanspruch in der
heutigen Zeit zu interpretieren, sei völlig falsch. Davon könne weder bei
den tibetischen Buddhisten noch beim Dalai Lama die Rede sein.
Unser Kommentar:
Nicht nur der Shambhala Mythos
sondern auch die Apokalypsen der anderen Religionen erscheinen uns
problematisch. Sie sind nicht nur Papier geblieben, sondern haben zu
verheerenden Kriegen geführt und sind ständig als politische
Handlungsanweisungen beschworen worden, sowohl in der Antike wie im
Mittelalter als auch in der Neuzeit. Welche verheerende Folgen das
apokalyptische Denken in den letzten 200 Jahren für deutsche Geschichte
hatte, zeigt eine Studie von Klaus Vondung Die Apokalypse in Deutschland.
Auch im Golfkrieg wurden von beiden Parteien apokalyptische Bilder
herangezogen. Das gleiche gilt von den Serben und Albanern im Kosovokrieg.
Ebenso spielen solche Endzeitvisionen (was haben diese mit der
rationalistischen Madhyamika Philosophie zu schaffen?) im
tibetisch-buddhistischen Kulturraum einen bedeutende Rolle. Wir haben in
unserem Buch zahlreiche Beispiele angeführt, die beweisen, dass der
Shambhala Mythos als eine aggressive Kriegerideologie geschichtsträchtig
geworden ist. Wie die offizielle Homepage des Kalachakra Tantra die Rolle
des jetzigen Dalai Lama im Zusammenhang mit den Shambhala Prophezeiungen
sieht, haben wir auf S. 642 ("Der Schatten des Dalai Lama")
zitiert:
Tatsächlich stehen ähnliche
Spekulationen in der buddhistischen Szene hoch im Kurs. In der offiziellen
(!) Homepage des Kalachakra Tantra klärt der "Dharmameister"
Khamtrul Rinpoche seine Leser auf, dass der jetzige Dalai Lama eine
Inkarnation von Kulika Pundarika sei, dem achten Shambhala König und
berühmten ersten Kommentator des Zeittantras. Aber es kommt noch
gewaltiger: "Meine Begleiterin (die Göttin Tara, die ihn in einem
Traum durch Shambhala führt) erzählte mir," - schreibt Khamtrul - "dass
der letzte Kulika König 'Rudra mit dem Rad' genannt werde, 'der machtvolle
und wilde König, der das Eisenrad in seiner Hand hält' ... und er wird kein
anderer sein als Seine Heiligkeit der Dalai Lama, der alles Böse im
Universum unterwerfen wird." Anschließend an diese Offenbarung, die
den Kundun als den Kriegsherrn einer Endzeitarmee prophezeit, macht sich
Rinpoche noch Sorgen darüber, ob die Shambhala Armee auch der modernen
Rüstungsindustrie mit ihren Raketen und Atombomben gewachsen sei. Da
beruhigt ihn die gütige Tara und versichert ihm, welche Zerstörungswaffen
in unserer Welt auch produziert würden, automatisch entstünden in der
magischen Rüstungsindustrie Shambhalas die überlegenen Gegenwaffen.
==========
8.- Von Brück
behauptet, die Aufgabe des buddhistischen Tantrismus bestünde darin, den
Schrecken und die Gier zu transformieren, und er lehre, mit den
zerstörerischen Tendenzen, die es in der Welt gebe, umzugehen.
Unser Kommentar:
Dies ist in der Tat eine
Forderung, die in vielen Tantras gestellt wird. Wir haben jedoch
nachgewiesen, dass der Verwandlungsimperativ keineswegs durchgängig ist,
sondern dass in den Höchsten Tantras der Schrecken nicht überwunden und
transformiert wird, sondern nach außen hin zur Vernichtung der "Feinde
der Lehre" projiziert wird. Dämonen werden zu Schutzgeistern ohne eine
Metamorphose zu durchlaufen. Gerade darin gerade liegt das Problem. Auf S.
128 ("Der Schatten des Dalai Lama" schreiben wir:
Dieser vertraute Umgang mit dem
Höllenspektakel von einer Religion, die Liebe und Freundlichkeit, Friede
und Mitgefühl auf ihre Fahnen geschrieben hat, wirkt für einen
Außenstehenden befremdend. Nur die Paradoxie der Tantras und die Madhyamika
Philosophie (die Doktrin von der 'Leerheit' alles Seienden) lässt das
rasante Wechselspiel von Himmel und Hölle zu, das die tibetische Kultur
auszeichnet. "Da alles reine Illusion ist, muss das auch für die
Dämonenwelten gelten." - wird jeder Lama, wenn man ihn fragt,
angesichts des Teufelsspuks antworten. Er wird darauf hinweisen, dass es
die ethische Aufgabe des Buddhismus sei, den Menschen von dieser Welt des
Horrors zu befreien. Aber erst, wenn er mutig dem Dämon in Auge geblickt
habe, könne er ihn als Schein oder als eine Spukgestalt des eigenen
Bewusstseins entlarven.
Dennoch ist die obsessive und
ununterbrochene Beschäftigung mit dem Schrecklichen aus solch
therapeutischen Absichten und philosophischen Spekulationen schwer
verständlich. Die Dämonie hat in der tibetischen Kultur einen erschreckend
hohen Eigenwert erhalten, der alle gesellschaftlichen Bereiche
beeinflusste, und kann auf eine lückenlose Tradition verweisen. Als
Padmasambhava im 8. Jahrhundert Tibet buddhisierte - so berichtet die Sage
- stellten sich ihm zahlreiche einheimische Teufel und Teufelinnen
entgegen, die er alle durch seine magische Kunstfertigkeit besiegte. Aber
trotz seines Sieges tötete er sie niemals, sondern er ließ sie schwören, in
Zukunft dem Buddhismus als Schützer (Dharmapalas) zu dienen.
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9. - Von Brück
gesteht die Unterdrückung der Frau im tibetischen Buddhismus voll zu, und
bestätigt auch, dass die Tantras aus der Sicht der Männer geschrieben
wurden. Er behauptet trotzdem, dem Prinzip nach wären im Tantrismus Mann
und Frau gleichwertige Wesen. Auch könne man, wenn einige Lamas sexuelle
Verfehlungen begangen hätten, damit nicht das gesamte System diffamieren.
Unser Kommentar:
Wenn Mann und Frau in den
Tantras gleichwertig behandelt würden, weshalb treten sie dann nicht
gleichwertig in der Gesellschaft und im Sangha (der buddhistischen
Gemeinschaft) auf. Die erschreckend geringe Zahl weiblicher Eingeweihter
(Yoginis) in der tibetischen Religionsgeschichte, auf die sich von Brück
bezieht, sind die Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Der Hauptteil
unseres Buches beschreibt die Ausbeutung weiblicher Energie
("Gynergie") durch die sexualmagischen Riten des Lamas und zwar
vor allem aus tibetischer Sicht. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran,
dass die tantrische Sexualmagie die Funktionalisierung der Gynergie zu
männlichen Machtzwecken beinhaltet. Selbstverständlich möchte Michael von
Brück diese perfide sakrale Technik, die das ganze System wie ein Motor in
Bewegung hält, leugnen. Das Bild des Dalai Lama würde ansonsten als der
höchste Vertreter einer solchen Religion anders in der Öffentlichkeit
dastehen.
Was den Missbrauch von Frauen
und Mädchen anbelangt, so interessieren uns dabei nicht die Einzelfälle
sexueller Verfehlungen von Lamapriestern, wie sie in allen Religionen
vorkommen, sondern das tibetische System beruht dem Prinzip nach auf der
Ausbeutung sexueller Energie zu spirituellen und weltlichen Machtzwecken.
Das ist die Grundthese, die wir in unserem Buch ausführlich behandeln, die
wir mit zahlreichen Zitaten belegen und zu der wir auch immer wieder
zurückkehren. Die Sexualmagie des buddhistischen Tantrismus beinhaltet eine
umfassende sakrale Weltanschauung, welche alle Bereiche des
gesellschaftlichen Lebens durchdringt. Hinter dieser verbirgt sich eine
"politischen Theologie", die der Lamaismus seit Jahrhunderten
entwickelt und verfeinert hat und nach der er sich strikt ausrichtet. Das
sexuelle Fehlverhalten schwachgewordener Lamas interessiert uns dagegen
nicht.
Siehe hierzu: Buddhismus (Lamaismus) und Frauenfrage
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10. Von Brück
legitimiert historisch den sexualmagischen Verkehr mit 12-jährigen Mädchen,
weil im indisch-asiatischen Kulturraum die Frauen in diesem Alter schon
geschlechtsreif und heiratsfähig gewesen seien. O - Ton: "Tantras
beschreiben Rituale in den je nach Alter der tantrischen Gefährtin unterschiedliche
Wirklichkeiten und Aspekte menschlicher Energien zum Tragen kommen, und
dargestellt werden und das sind in der Tat 12-jährige Partnerinnen,
16-jährige, 20-jährige bis zu 70-jährigen. Diese verschiedenen Lebensalter
repräsentieren verschiedene Energien und so weiter. Aber man muss natürlich
bedenken, dass in asiatischen Kulturen in vielen nicht europäischen
Kulturen, Indien., China und natürlich auch Tibet; 12-jährige Mädchen hier
zumindest in der Vergangenheit erwachsen waren oder auch verheiratet
wurden. Also von Kindesmissbrauch kann hier von keine Rede sein. Das ist
eine Übertragung heutiger europäischer Zivilisationsvorstellungen in einer
anderen Welt und das ist völlig unzulässig." (ORF/FUNK -
"Religion" - 5. April 1999)
Interessant an
dieser Äußerung ist, dass v. Brück hier die tantrischen Gefährtinnen als
"Aspekte menschlicher Energien" bezeichnet. Die Frage aber, wem
diese Energien am Ende des tantrischen Rituals zur Verfügung stehen wird
hier nicht beantwortet. Wir haben in unserem detailliert beschrieben, wie
sie allesamt vom praktizierenden Tantra Meister absorbiert werden.
Es geht uns im Fall der 12-jährigen Mädchen
- bei der ethischen Bewertung - weniger um die Geschlechtsreife, sondern um
die Tatsache, dass die weiblichen "Opfer" über die
Grundmechanismen des sexualmagischen Systems nicht aufgeklärt werden,
welches sie einerseits als Göttinnen erhöht, um deren Energien zu trinken,
und das sie andererseits als Menschen zweiter Klasse erniedrigt. Das ist
das Urereignis jeder höheren tantrischen Performance. Entscheidend für eine
Beurteilung sind das Bewusstsein und das Urteilsvermögen einer 12-jährigen,
die über die metaphysischen, gesellschaftlichen und persönlichen
Konsequenzen des Tantrismus informiert sein müsste. Ansonsten müssen wir
aus unserer europäischen Sicht von einem Missbrauch sprechen.
==========
11. - Von Brück
kritisiert die tibetischen Lamas, weil sie die Tantra Schriften
"populär" gemacht hätten. Er macht diesmal mit seiner Kritik
selbst vor seinem "Dialogpartner", dem XIV Dalai Lama, nicht halt
und wirft ihm vor, es wäre falsch gewesen, die ersten sieben Einweihungen
des Kalachakra Tantra mehrmals vor Tausenden von Menschen durchgeführt zu
haben. Damit könne einem Missbrauch und zahlreichen Missverständnissen
Vorschub geleistet werden.
Unser Kommentar:
Dem können wir nur teilweise
zustimmen, denn wir glauben, dass die tantrischen Rituale, ob sie nun in
der Öffentlichkeit oder insgeheim praktiziert werden, in beiden Fällen
höchst problematisch sind. Es erscheint uns sogar als ein besonderer
Glücksfall, wenn heute die tantrischen Schriften und Riten einem großen
Publikum zugänglich gemacht wurden. Das macht eine öffentliche Diskussion
über die lamaistischen Mysterien überhaupt erst möglich und verpflichtet
gleichzeitig die in diesen Kult "Eingeweihten", jetzt selber in
publico Stellung zu beziehen und sich zu verantworten.
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12. - Von Brück
betont mit Nachdruck, von einem Streben nach Buddhokratie und gar von einer
Priesterverschwörung könne beim tibetischen Buddhismus keine Rede sein. Es
sei auch völlig falsch den Dalai Lama als "Gottkönig" zu
bezeichnen. O- Ton von v. Brück: "Der Dalai Lama ist kein Übermensch,
noch ein Buddha, sondern Dalai Lama."
Unser Kommentar:
Über die Weltverschwörung,
siehe unter: Buddhokratie und Weltenherrschaft I und
II. Wir haben uns niemals in unserem Buch auf eine primitive
"Verschwörungstheorie", die man uns immer wieder unterstellt,
eingelassen.
Selbstverständlich ist der
Dalai Lama der Doktrin nach ein "Übermensch", nämlich die
Inkarnation des Bodhisattva Avalokiteshvara. Das "Sprachrohr
des Dalai Lama" in den USA, Robert A. Thurman, charakterisierte den
"Gottkönig" aus Tibet und seinen Herrschersitz mit folgenden
Worten:
"Der Potala wurde zum Energiezentrum
der neuen Hauptstadt (Lhasa) und funktionierte zur gleichen Zeit als
Kloster, als Palast und als heiliges Mandala, die gleichermaßen die drei
Rollen symbolisieren, die der Dalai Lama in sich verdichtet: die des
selbstlosen Mönchs, des Königs und des großen Adepten. Es war ein
fröhliches, spirituelles Zentrum, welches durch seine Ausstrahlung für
Tausend Jahre das Bewusstsein der Nation einigte." (Thurman, 1998,
253)
Der Dalai Lama vereinigt also
in sich drei Rollen: eine spirituelle als "Großer Adept" (Maha
Siddha), eine machtpolitische als König und eine menschliche als
selbstloser Mönch. Ihn als "Gottkönig" zu bezeichnen, ist
durchaus gerechtfertigt, denn er steht als Yogi ("Großer Adept")
über den Göttern und kann diesen befehlen. Als säkularer "König"
leitet er die Geschicke seiner Untertanen. Als "einfacher Mensch und
Mönch" predigt er im Westen.
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13. - In unserem
Buch sei zu lesen (Zitat von v. Brück): "Das jetzige Opfer des
tibetischen Volkes sei einer Art Selbstopfer, die Chinesen hätten also die
Tibeter aus dem Lande getrieben und das sei nun die Möglichkeit, den
tibetischen Buddhismus zu verbreiten. Das also das Leiden des tibetischen
Volkes sozusagen der Preis ist, der gezahlt werden muss, damit der
tibetische Buddhismus die Welt erobert. Dies behauptet der Autor [Trimondi]
und zitiert aus einem Buch eines amerikanischen Religionswissenschaftlers
Donald Lopez, ohne allerdings den Text bei Lopez, bei dem Amerikaner,
wirklich zu lesen und zu zitieren, denn dort heißt es dann, dass der Dalai
Lama diese Ansicht ausdrücklich nicht billigt."
Unser Kommentar:
An keiner Stelle
haben wir in unserem Text behauptet, der Dalai Lama billige diese
Sichtweise, sondern wir zeigen, dass sie ein beliebter und weitverbreiteter
Topos in der esoterischen Szene des tibetischen Buddhismus ist und sich
auch konsequent in die Ideenwelt des Tantrismus eingliedern lässt. Wir
führen noch andere Äußerungen von pro-lamaistischen Sprechern (das Opfer
Tibets betreffend) an. Mit diesen Leuten sollte sich v. Brück
auseinandersetzen.
Eine ähnliche
Opfer- oder besser Schuldbeziehung wird zwischen dem politischen Schicksal
Tibets und der Karmalehre hergestellt. Ludger Lütkehaus rezensiert in der NZZ vom 23.08. 1999 eine
Autobiographie des Dalai Lama Leibarztes Tenzin Choedrak. Der Autor erwähnt
dort die karmische Schuld, welche sich die Tibeter in ihrer Vergangenheit
aufgelastet hätten: "Choedrak schließt selbst eine karmische
Interpretation des tibetischen 'Schicksals' unter dem chinesischen Terror
nicht aus, fügt aber gleich hinzu, dass die Chinesen dabei sind, ihr
womöglich besseres Karma zu verspielen, während das leidende Tibet, wenn es
seine Feinde nicht hasst ....... besseres Karma erwerben kann."
Interessant wäre es, der Frage nachzugehen, weshalb sich denn das Alte
Tibet schlechtes Karma aufgebürdet hat und worin seine Missetaten
bestanden. Vielleicht gibt "Der Schatten des Dalai Lama" darauf
eine Antwort.
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14. - Zu unserem
Buch hat Michael von Brück eine eigenartige Stellung bezogen, die kurz auf
folgenden Nenner gebracht werden kann, der Text sei zwar völlig unhaltbar,
könne jedoch der Auslöser für eine kritische Diskussion sein. Von Brücks
entsprechendes Statement lautet wie folgt: "Also es [das Buch] ist wissenschaftlich
völlig inakzeptabel, weil nicht aus den Quellen gearbeitet wird, auch nicht
aus Originalsprachen, weil diese kulturell hermeneutischen
Übersetzungsmuster gröblich vernachlässigt sind. Es ist ein bedauerliches
Buch, weil auf diese Weise eine Stimmung erzeugt wird, die sich doch für
die Tibeter nachteilig auswirken könnte, wenn das Buch tatsächlich große
Verbreitung finden würde. .... Es ist ein nützliches Buch insofern die
klischeehaften Bilder von Tibet und damit auch von anderen Kulturen in ein
wissenschaftliches Licht gerückt werden. Denn jetzt setzt ja die Debatte
ein. Jetzt setzen wir uns endlich mit Tibet auseinander. .... Und wenn die
Auseinandersetzung um dieses Buch dazu beiträgt, dann ist es ein nützliches
Buch."
Unser Kommentar:
Bisher hat die deutschsprachige
Tibetologie und haben Religionswissenschaftler wie Michael von Brück
geschwiegen und viele von ihnen haben bewusst die Schattenseiten des
tibetischen Buddhismus verschleiert. Jetzt wo die Kritik von
Außenstehenden, die nicht der Zunft angehören, artikuliert wurde, versuchen
diese "Wissenschaftler" das System dadurch zu retten, dass sie
vorgeben, selber die "seriösen" Kritiker zu sein, in der Absicht,
die volle Kontrolle über die Kritik zu behalten. Das ist ein in der
europäischen Geistesgeschichte häufiges Ereignis und nicht
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