MEDIEN (14)
1.)
ERNEUERUNG UND ABWEHR - Vor Buddha in Demut verneigen? - Klaus Timm -
Januar 2000
2.)
ZENIT - Nachrichtendienst des Vatikan - Wahrheit oder Illusionen? - 19.
November 1999
3.)
NOVALIS - Der Buddhismus des Dalai Lama – ein Trojanisches Pferd für den
Westen - Günter Röschert - Oktober 1999
Erneuerung
und Abwehr
Vor Buddha in Demut verneigen?
Klaus Timm - Januar 2000
"Wir Christen müssen demütig
auf die Weisheit östlicher Religion hören, besonders auf den Buddhismus,
der viel zu Frieden und Gerechtigkeit zu sagen hat!" - so die
Galionsfigur des Ökumenischen Rates in zeitgerechtem Kniefall.
Ist nun auch Professor Raiser
in den Bann jener Buddhismus-Missions-Welle geraten, wie sie in zahllosen
Büchern, einer immer häufiger angesprochenen Gleich und Parallelsetzung von
Buddha und Jesus Christus und bereits ca. 100 000 aktiven deutschen
Buddhaverehrern - Sympathisanten gar nicht gerechnet - über Deutschland
hereingebrochen ist? Oder ist auch er - wie so viele Protestanten seit 1945
- jenem magischen Zauber des Wortes "Frieden" verfallen, der über
einen "Frieden, nur Frieden!" - Stammeln gar nicht sehen will,
wie ein solcher Frieden denn aussieht und was er für seine Opfer bedeutet?
Da schien Frieden selbst unter der Knute des Sowjetimperialismus
akzeptabler als das Risiko der Verteidigung der Freiheit - und die anders
sahen, wurden in evangelischen Kirchen zu "Friedenfeinden"
erklärt. Wie ein "islamischer Frieden" aussieht, das können
Christen in Saudi-Arabien, Pakistan und anderswo - beispielsweise vor
kurzem auch in Ost Timor - erfahren. Und wie sieht denn nun wohl jener
"buddhistische Frieden" aus, von dem sich Herr Professor Raiser
so beeindruckt fühlt? Welche vorzeigbaren Friedensleistungen hat denn der
Buddhismus in der Geschichte jener Länder, die von buddhistischen
Herrschern regiert wurden, hervorgebracht bzw. Einer interessierten
Nachwelt hinterlassen?
Es sind nur wenige, die es
wagen, sich einer Propaganda - Offensive entgegen zustelle, die Buddhismus
gleichsam als Synonym für "Frieden und Gewaltlosigkeit" setzt und
als die "friedfertigste aller Religionen" anpreist. Und Verehrung
und Huldigung der Buddha-Inkarnation Dalai Lama als des "fleischgewordenen
Friedensfürsten" lassen fragen, ob sich latente Sehnsüchte nach einem
neuen "Führerkult" hier erneut manifestieren.
Dass die Wirklichkeit des
Buddhismus - insbesondere die der tibetischen Ausprägung - nichts gemein
hatte und hat mit den einer unkritischen Öffentlichkeit einsuggerierten
Vorstellungen, erscheint Anhängern und Sympathisanten irrelevant nach dem
bekannten Motto: "Nicht sein kann, was nicht sein darf!!"
Für die, die sich drüber
informieren möchten, wie es denn nun wirklich um die Friedfertigkeit und
Gewaltlosigkeit des tibetischen Buddhismus bestellt ist, ist das im
Patmos-Verlag erschienene Buch "Der Schatten des Dalai Lama"
Informationsquelle und geradezu ein "Muss". Sehr ausführlich
dokumentiert das Autorenpaar Victor und Victoria Trimondi darin die ganz
und gar nicht friedlichen Züge des tibetischen Buddhismus sowohl in seiner
Lehre als auch in der Geschichte Tibets, das heute gerne als
"verlorenes Paradies" verherrlicht wird, das durch die
chinesische Invasion unwiederbringlich zerstört wurde.
Teile der Einleitung geben
genau das wieder, was wohl auch ÖRK-Prof. Raiser im Kopf hatte:
"Bei der 'abendländischen'
Konstruktion des Buddhismusbildes ist es allgemein üblich, die Lehre des
Gautama Buddha als ein positives östliches Gegenmodell zur dekadenten
Kultur und Zivilisation des Westens herauszustellen: Das Abendland brachte
Krieg und Ausbeutung in die Weltgeschichte - der Buddhismus dagegen steht
für Friede und Freiheit; der westliche Rationalismus zerstörte Umwelt und
Leben - die östlichen Weisheitslehren dagegen bewahren und sichern das
Leben und die Umwelt. Meditation, Mitgefühl, Gelassenheit, Einsicht,
Gewaltlosigkeit, Bescheidenheit und Vergeistigung Asiens stehen gegen
Aktionismus, Egomanie, Unruhe, Indoktrinierung, Gewalt, Arroganz und
Materialismus Europas und Nordamerikas. Ex oriente lux - "aus
dem Osten kommt das Licht" - in occidente nox - "im Westen
herrscht finstere Nacht".
Dazu passt dann die
Lichtgestalt des Dalai Lama, der von seinen Anhängern als "Lebender
Buddha" und "Gottkönig" verehrt wird und von immer mehr
Menschen als Heilsbringer und moderner Messias gesehen wird:
"In einer Welt der
Böswilligkeit, des Materialismus und der Korruption repräsentiert er den
guten Willen, die Sphäre des Geistes und die Lotosblume der Reinheit; im
Wirbel der Nichtigkeit und der Hektik steht er für Sinn, Ruhe und
Festigkeit; im Konkurrenzkampf des modernen Kapitalismus und im Zeitalter
der Katastrophenmeldungen ist er ein Garant der Gerechtigkeit und des
klaren und unerschütterlichen Willens; im Kampf der Kulturen und der Völker
erscheint er als der Friedensapostel; im weltweit aufbrechenden religiösen
Fanatismus predigt er Toleranz und Gewaltlosigkeit."
Notwendigkeit der Entmythologisierung
So die gleißende Fassade mit
ihrer Faszination, Verführungskraft und Sogwirkung auf einfältige Gemüter
und frustrierte Intellektuelle - aber wenn man hinter die Fassade schaut,
beginnen die Schatten des Buddhismus und des Dalai Lama - und dann beginnt
die "Entmythologisierung". Dabei tut sich eine bizarre und
westlichen Denkvorstellungen völlig fremde Welt auf: Während im
"Denken des Westens" Religion und Glauben, Rationales denken wie
etwa Philosophie, Naturwissenschaften usw. und schließlich Okkultismus und
Magie in ihren zahlreichen Erscheinungsformen in aller Regel säuberlich
voneinander getrennt werden, ist das für den Buddhismus ganz anders: Hier
sind alle diese verschiedenen Denk- und Bewusstseinsebenen zu einem
unauflösbaren Ineinander verschmolzen.
Um dies zu illustrieren,
sprechen die Autoren zwei Analogien aus der abendländischen Geschichte an:
die Vorstellungen in der griechischen Welt zur Zeit Homers und die der
Alchimisten im ausgehenden Mittelalter, wie sie etwa in Goethes Faust
nachklingen.
Für die Griechen von
"Ilias" und "Odyssee" waren die Ebenen der Menschen-
und Götterwelt miteinander und mit denen der Magie, der Orakel und eines
zeitübergreifenden Schicksals untrennbar verwoben, und jedem Geschehen
"in der Menschenwelt" entsprach ein "transzendentales"
Geschehen auf diesen anderen Ebenen. Ähnliches galt für die Alchimisten in
ihrem Beschwören von magischen Kräften in mystischen Dimensionen, aus denen
sie Beistand für ihre Such nach dem "Stein der Weisen",
"ewiger Jugend" und anderen "Hirngespinsten"
herbeizwingen wollten. In beiden Fällen wurde auch der Gedanke an
Ritualopfer bis hin zu Menschenopfern als selbstverständlich akzeptiert.
Als Religion hat sich der
Buddhismus von den Lehren des historischen "Gautama Buddha" (ca.
560-480 v. Chr.), die dieser ursprünglich als Protest und geradezu
Revolution gegen die hinduistischen Göttervorstellungen und
Glaubensforderungen vortrug, zu einer immer komplexer werdenden Theologie
entwickelt und zugleich immer stärker differenziert.
Im Anschluss an die direkte
Überlieferung der Predigten und Lehren des "historischen
"Buddha" entwickelte sich der sog.
"Theravada-Buddhismus" und zu diesem ab dem 2. Jh. V. Chr. der
sog. "Mahayana Buddhismus", dem etwa ab dem 4. Jahrhundert nach
Christus der "Tantrayana-Budhismus" folgte. Alle diese Formen mit
Scherpunkten in unterschiedlichen Ländern Asiens bestehen heute noch
nebeneinander und haben ihre eigenständigen Entwicklungen genommen.
Erleichterung buddhistischer Missionsarbeit
Komplexität und z.T. erhebliche
unterschiede in der Ausformung buddhistischer Lehren und
"Theologien" wurden dadurch ermöglicht und begünstigt, dass der
Buddhismus wie wohl keine andere Religion vorgefundene Volksreligionen - ob
es sich dabei um Vorstellungen von Göttern, Dämonen, beseelten
Naturkräften, mythischen Helden oder apokalyptischen Visionen vom Kampf
solcher "Kräfte" handelte - aufgriff, transformierte und in
seinem Sinne nutzte. Solches Transformieren und "in Dienst
nehmen" erleichterte buddhistische Missionsarbeit außerordentlich -
und ermöglichte es weiterhin, diese transformierten Vorstellungen zu
Machtinstrumenten buddhistischer Priesterhierarchien auszubauen. Solches
Vorgehen war besonders erfolgreich in Indien, in Tibet - und ist es wieder
in der buddhistischen Missionierungskampagne im Abendland.
In Indien wurden besonders in
der am weitesten entwickelten Form des "Tantrayana"
Buddhismus" alte Vorstellungen und magische Praktiken des Hinduismus
übernommen und weiterentwickelt. Beim Eindringen des so
"modifizierten" Buddhismus nach Tibet im 8. Jahrhundert nach Christus
wurden dann die archaischen Götter-, Dämonen- und Magie-Vorstellungen und
Opferrituale der tibetischen Stämme transformiert und in den Dienst des
Buddhismus genommen. Dieser "tibetische Buddhismus" mit dem Dalai
Lama als "fleischgewordenem Gott" und "Inkarnation des
Buddha" zeigt nun wiederum seine Transformations- und
Adaptionsfähigkeit beim Eindringen in das "Missionsgebiet christliches
Abendland", von dem der Heidelberger Kirchenhistoriker Gerd Besier
kürzlich schrieb, dass es dem Dalai Lama "wie eine geistige
Wüste" vorkommen müsse.
So wird eine aus der indischen
bzw. tibetischen Götterwelt in den tibetischen Buddhismus übernommene
Göttin "im Westen" kurzerhand in Analogie gesetzt zu Maria als
der weiblichen Zentralgestalt des katholischen Glaubens. Im Dienste solcher
Missionierung folgt dann auch die immer stärker herausgehobene Analogie-
bzw. Parallelsetzung des historischen Buddhas mit dem ihm im
geschichtlichen Ablauf folgenden Jesus, wobei dann besonders die Karte
"Friedfertigkeit" gespielt wird. Es ist ein ganz großer Verdienst
der Autoren, dass sie in ihrem Buch aufzeigen, dass die reale Geschichte
Tibets entgegen im Westen propagierter und gerne geglaubter Vorstellungen
eine Geschichte voller brutaler Gewalt, Morden und häufiger Krieg zwischen
verfeindeten Mönchsorden gewesen ist.
Die Autoren haben ihr Buch in
zwei teile geteilt: einen ersten "Ritual als Politik"
überschrieben, und einen zweiten "Politik als Ritual".
In dem ersten stellen sie die
"Theologie" und die Rituale des "tantrischen",
tibetischen Buddhismus dar, dessen Fernziel die möglichst weltweite
Errichtung einer "Buddhokratie" ist. In dem zweiten zeigen sie -
ausgehend von einer sehr detailreichen Darstellung der tibetischen und der
damit verflochtenen mongolischen und chinesischen Geschichte - die
Entwicklungslinien für die wachsende Einflussnahme und missionarische
Zielsetzung des tibetischen Buddhismus auf die westliche Welt - mit dem 14.
Dalai Lama mit dem Selbstverständnis eines "Gottes" als
Zentralfigur.
Gerade dieser zweite Teil
belegt überzeugend, dass der in Tibet/Zentralasien praktizierte Buddhismus
alles andere als "gewaltlos und friedfertig" war und dass jeder
versuch, ihn nachträglich so erscheinen zu lassen, Heuchelei ist. Die
Autoren betonen, dass Lippenkenntnisse des Dalai Lama zu Gewaltlosigkeit
und Demokratie leere Worte ohne Wert sind. Tibetische Exilpolitik sieht
anders aus und buddhistische Expansionsvorstellungen in Asien und weltweit
haben andere Zielsetzungen.
Der erste Teil geht besonders
auf drei Kernpunkte tibetisch-buddhistischer Lehre und ihre Verknüpfung
ein: die extreme Frauenfeindlichkeit, das sogenannte "tantrische
Umkehrprinzip" und die Göttlichkeit des Dalai Lama.
Die extreme Frauenfeindlichkeit
hat eine sehr einleuchtende Begründung: Von Beginn an erfährt der
Buddhismus das weibliche Prinzip als eine Kraft, die seinen
"Selbst"- Erlösungsvorstellungen entgegensteht. Wenn "alles
Leben per se Leiden ist", dann gilt:
"Daraus ist
rückzuschließen, jegliche Geburt bringt nur Elend, Krankheit und Tod oder
umgekehrt, nur eine Beendigung der Wiedergeburt führt zur Befreiung. Da die
Frau als der Ort der Empfängnis und des Gebäraktes das Tor zur Inkarnation
öffnet, gilt sie als der größte Widersacher in der spirituellen Entwicklung
des Mannes und der Menschheit insgesamt. Implizit ist deswegen die
Ausschaltung, die Aufopferung und die Vernichtung des weiblichen Prinzips
ein zentrales Anliegen des Buddhismus."
Extreme Frauenfeindlichkeit
Im tibetischen Buddhismus hat
die Frauenfeindlichkeit ihre effektivste und raffinierteste Ausprägung
gefunden: er hat die Ausschaltung und Vernichtung des weiblichen Prinzips
zu jener Vollkommenheit entwickelt, die bei den als Opfern missbrauchten
Frauen sogar noch das Gefühl aufkommen lässt, mit ihrer Hingabe etwas
Verdienstvolles zu tun.
Nach den sexualmagischen
Vorstellungen des Buddhismus ist die weibliche Energie und Lebenskraft in
der Scheidenflüssigkeit konzentriert und gespeichert. Mit raffinierten
sexuellen Techniken, die in den entsprechenden Anweisungen beschrieben sind
und von den Mitgliedern der Mönchs- und Priesterkaste, von Yogis und Gurus
praktiziert werden, soll den Frauen diese Lebenskraft entrissen werden,
wobei größter Wert darauf gelegt wird, dass der agierende Mann keine
Samenflüssigkeit an die Frau verliert. Sehr mühevoll zu erlernende, zu
praktizierende und für die Frauen erniedrigende Prozeduren, nach denen die
ihrer Lebenskraft entleerte und beraubte Frau eigentlich nur noch Abfall,
leere Verpackung ist, während der Mann durch den Besitz der weiblichen
Lebenskraft eine höhere Bewusstseins-, Macht- und Erleuchtungsstufe
erreicht. Solche Transformationen sexueller beziehungsweise erotischer
Energie in Machtsteigerung bzw. höhere Erleuchtung des solche Techniken
erfolgreich praktizierenden Mannes ist ein Kernstück buddhistischer Lehre -
wobei es wiederum verständlich ist, dass Propagandisten dieser Lehre im
Westen nicht gerne dazu Stellung nehmen und dass Feministinnen unter den
Buddha-Anhängern dabei in erhebliche Konflikte kommen.
Ein anderes Kernstück ist das
sogenannte "tantrische Umkehrprinzip", das auf sehr eigenartige
Vorstellungen über die Wechselwirkungen zwischen geschehen in der realen,
"dinglischen" Ebene unserer Erfahrungswelt und in der mentalen Ebene
eines höher gedachten Bewusstseins beruht. Was in der realen, dinglichen
Welt das Allerniedrigste, Allerwiderwärtigste und Verabscheuenswerte ist,
das verleiht in der mentalen Ebene Kräfte zu einem "weiter erleuchtet
werden" und damit Fortschreiten auf dem den Buddhismus
charakterisierenden Weg zur Selbstauflösung. Derartige Vorstellungen
erscheinen uns fremd und abstoßend, dass die Autoren sehr viel
Originalzitate bringen, um zu belegen, dass dies wirklich geforderte und
auch praktizierte "Übungen" des Buddhismus sind.
Nach tibetisch-buddhistischer
Vorstellung ist dem jeweiligen Dalai Lama als lebender Buddha und
"Gottkönig" alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben. Um seine
Allmacht auf magisch-mentalen Ebenen, im Kosmos und auf Erden zu erfassen,
reichen abendländische und christliche Vorstellungen, die sich auf die
Geschichte beziehen nicht aus - in Analogie zu tibetischen Vorstellungen
müsste dann schon auf Bilder aus der Apokalypse/Offenbarung des Johannes
zurückgegriffen werden.
Es ist interessant, dass auch
der tibetische Buddhismus Vorstellungen eines endzeitlichen Reiches kennt,
das heute noch unsichtbar präsent ist, das aber "am Ende der
Zeit" nach einer gewaltigen Schlacht und dem "Endsieg" über
die Feinde des Buddhismus für alle sichtbar werden und Buddhas Anhänger
aufnehmen wird - die Parallele zum Reich Gottes bzw. zur Stadt Gottes nach
christlicher Vorstellung passt deshalb nicht, weil dieses buddhistische
"Shambhala Königreich" - ebenso wie das islamische Paradies - nur
Männern vorbehalten ist.
Die große
Entscheidungsschlacht, die sehr detailreich beschrieben wird, zeigt eine
bemerkenswerte - oder eher schon realistische? - Abweichung von
jüdisch-christlichen Vorstellungen: Scharen des Bösen, die nach erbittertem
Kampf besiegt werden, sind Anhänger des Islam, mit denen die Buddhisten
zurzeit der Entstehung dieser Vorstellungen um das Jahr 1000
aneinandergeraten waren. Demgegenüber scheinen ihnen die Christen nicht
einmal erwähnenswert.
Aktuelle Vorstellungen und
Expansionsstrategien
Die Autoren führen dann die
geschichtlichen Entwicklungen weiter bis in die Gegenwart und zeigen die
aktuellen Vorstellungen und Expansionsbestrebungen des politischen
Buddhismus, dessen missionarisches Sendungsbewusstsein nach dem Verlust
Tibets und der Ankunft des Dalai Lama in "der geistigen Wüste des
Westens" ganz neue Perspektiven gewonnen hat. Es mag dahingestellt
bleiben, ob alle hier vorgebrachten Darlegungen im Detail so gewichtig und
zutreffend sind - immerhin hat die von der Verschlossenheit und Rätselhaftigkeit
Tibets ausgehende Faszination seit mehr als Hundert Jahren Europäer und
Amerikaner in ihren Bann gezogen und Erwartungshaltungen hervorgebracht,
die es heute dem Dalai Lama und seinen Sendboten leicht machen, Zugang zu
westlichen Meinungsmachern und Meinungsführern (auf neudeutsch:
"Trendsettern") zu finden, ein an seinen Glaubensgrundlagen
unsicher gewordenes Christentum zu infiltrieren und weiter in seine
Selbstzweifel zu stoßen.
Das eingangs gebrachte
Statement von ÖRK-Prof. Raiser ist einer von vielen Belegen dafür.
Dass die Wirklichkeit der in
Tibet über Jahrhunderte praktizierte "Buddhokratie" eine ganz
andere War, als sie heute im Westen glauben gemacht werden soll, wird
geflissentlich verschwiegen - und wer nimmt sich heute denn noch Mühe und
Zeit, die Originalberichte westlicher Forschungsreisender über ihre
Erfahrungen in Tibet nachzulesen?
Das Buch der Trimondis ist
keine leichte Kost. Um ihre Darlegungen und Feststellungen unangreifbar zu
machen, haben sie alle im Westen verfügbaren Texte und alle wesentliche
Literatur ausgewertet und ihre Ausführungen mit einer Fülle von Zitaten
belegt - das Literaturverzeichnis umfasst zwölf engbedruckte Seiten.
Wer einen Eindruck davon
bekommen will, was an buddhistischer Bedrohung des christlichen Glaubens in
unserem Land und darüber hinaus schon läuft und noch auf uns zukommen wird,
wer mit Buddhisten und Sympathisanten auch in protestantischen Kirchen
diskutieren will und wer sich im Interesse einer ihm anvertrauten Gemeinde
informieren muss, wird an diesem Buch nicht vorbeikommen. Dass deutsche
Buddhismusgläubige alle Wege und Medien nutzen werden, um es als
unglaubwürdig hinzustellen, liegt auf der Hand.
Nach seiner Lektüre fragte ich
mich noch einmal, wie wohl ÖRK-Raiser zu seiner Verneigung vor dieser
Religion kommen konnte. Hat er keine Zeit gehabt, sich zu informieren und
nur nachgeplappert, was gerade gefragt und modisch ist? Ist er dem
persönlichen Charme und vielleicht sogar Charisma des fleischgewordenen
Buddha und "Gottkönigs" erlegen? Hat jener Synkretismus, der es
gleichsam als Standarte vor sich her trägt, dass wir ja alle denselben Gott
verehren, ihn so in seinen Würgegriff bekommen, dass ihm jede
Differenzierungsfähigkeit verlorengegangen ist? Oder ist er einfach der
"Leere" des von ihm vertretenen Christentums bewusst geworden und
darüber so verzweifelt, dass er nun im Buddhismus Inhalte sucht, um diese
Leere zu füllen.
Mir bleibt rätselhaft, ob er
überhaupt noch Jesu Wort "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das
Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich!" ernstnehmen kann. Ist
dieses Wort für den "obersten Repräsentanten der nicht-katholischen
Christenheit" irrelevant oder gar schon zum Ärgernis geworden?
Und welche Christen will er
eigentlich mit seinem "Wir Christen" repräsentieren oder für
seine Sicht vereinnahmen? "Unwissende/Uninformierte", die nur
farbenprächtige Bilder des Dalai Lama in trauter Gemeinschaft mit
christlichen Kirchenführern vor Augen haben? "Gleichgültige" als
Kirchensteuerzahler, die da meinen, dass die "Kirchenoberen" ja
dafür bezahlt werden, dass sie wissen sollten, was sie sagen? Oder das
Häuflein jener "Progressiven", die ihr zukünftiges Heil in einer
"Welteinheitsreligion" suchen?
Christen, die das zitierte Wort
Jesu ernst nehmen, können sich nicht in Demut vor Buddha verneigen - und
sollten es als Aufgabe ansehen, sich zu informieren, dass sie anderen die
Augen öffnen und sie warnen können.
ZENIT
Wahrheit oder Illusionen?
19. November 1999
Stuttgart, 10. Nov. (ZENIT).-
"Es ist nicht falsch, jene Christen zu warnen, die sich voller
Begeisterung den Techniken und Methoden der Meditation und der Askese
widmen, die den religiösen Traditionen des Fernen Ostens entstammen. In
gewissen Kreisen ist dies zu einer Art Mode geworden, die auf recht
unkritische Weise angenommen wird." So hatte sich Papst Johannes Paul
II in "Die Schwelle der Hoffnung überschreiten" geäußert.
Herbert und Marianne Röttgen,
die eine Reihe von Veranstaltungen mit dem Dalai Lama durchgeführt haben,
legen jetzt unter dem Titel "Der Schatten des Dalai Lama",
erschienen im Patmos Verlag, eine Publikation vor, in der ebenfalls davor
gewarnt wird, den Buddhismus und seine Methoden im Westen auf unkritische
Weise zu adaptieren. Oftmals ohne Kenntnis der historischen und kulturellen
Hintergründe werde der Buddhismus von einer westlichen Schickeria
hochgejubelt. Ihr unter den Pseudonym Victor und Victoria Trimondi
erstelltes Buch soll helfen, Hintergründe auszuleuchten. Dabei stößt der
Leser auf Überraschendes: Statt weltabgewandter Friedfertigkeit werden
aggressive und selbst kriegerische Tendenzen fernöstlichen Denkens
aufgezeigt. Das in der Öffentlichkeit verbreitete Image des Dalai Lama
halten die Autoren für ein Trugbild. Von seinen eigenen Landsleuten werde dem
Dalai Lama ein Ausverkauf der tibetischen Heimat an China vorgeworfen.
Ebenfalls mit dem Dalai Lama
beschäftigt sich das Buch "Orphans of the Cold War" (Weisen des
Kalten Krieges) von John Kennet Knaus, der seinerzeit für geheime Aktionen
des amerikanischen Nachrichtendienstes in Tibet verantwortlich war. Der
Dalai Lama zog sich 1959 nach Indien zurück. Die finanzielle Unterstützung
der Amerikaner für die Befreiung Tibets sei 1974 eingestellt worden, als
deutlich geworden sei, dass der tibetischen Sache dadurch nicht geholfen
werden könne. ZD99111924
Rezension aus der
anthroposophischen Zeitschrift "Novalis" - Oktober 1999 - Günter Röschert
Der Buddhismus des Dalai Lama – ein Trojanisches Pferd für den
Westen?
Im Rahmen eines Interviews für die
Wochenschrift Das Goetheanum (Nr. 20/1998, S. 294 f.) bezeichnete
kürzlich der Generalsekretär der Anthroposophischen Gesellschaft in
Amerika, Arthur Zajonc, Tenzin Gyatso, den 14. Dalai Lama, als einen
‚modernen Vertreter der Bewusstseinsseele‘. Diese anthroposophische
Feststellung Professor Zajoncs erscheint neuerdings anzweifelbar aufgrund
einer umfangreichen Untersuchung, die von Victor und Victoria Trimondi
vorgelegt wurde unter dem Titel Der Schatten des Dalai Lama. Das
Ehepaar Trimondi (bürgerl. Herbert und Mariana Röttgen) zählte mehrere
Jahre zu den Sympathisanten des Dalai Lama, um dann diesen und den
tibetischen Buddhismus zunehmend kritisch zu betrachten und seine
Erfahrungen durch ein eingehendes Studium der zugänglichen Fachliteratur
auszuwerten. Dieser biographische Hintergrund, den die Verfasser
rückhaltlos einräumen, veranlasste einzelne Kritiker des Buches, dieses als
eine persönliche Abrechnung zu disqualifizieren.(Der Rezensent der Süddeutschen
Zeitung überschrieb seine Besprechung mit dem Titel
‚Renegaten-Literatur‘ und sprach von einer ‚Abrechnung zweier
Enttäuschter‘. Der Verriss geriet derart gnadenlos, dass nach Auskunft im
Buchhandel gerade deswegen viele SZ-Leser nach dem Buch fragten.)
Dem Buch wohnt in der Tat eine gewisse Brisanz inne, denn jedenfalls die
deutschsprachige Literatur über den Dalai Lama und den tibetischen
Buddhismus ist nahezu ausschließlich affirmativ oder stammt überhaupt vom
Dalai Lama selbst.
1. Für ein Verständnis des
Buches zunächst folgende Vorbemerkungen (einführende Literatur, soweit
herangezogen: Helmuth von Glasenapp, Buddhistische Mysterien.
Stuttgart 1940; Julius Evola, Metaphysik des Sexus. Stuttgart 1962;
Heinrich Zimmer, Indische Mythen und Symbole. Düsseldorf 1972;
Philip Rawson, Tantra. München 1974; Heinrich Zimmer, Philosophie
und Religion Indiens. FfM 1976; Mircea Eliade, Yoga. Unsterblichkeit
und Freiheit. FfM 1985; Michael von Brück, Buddhismus. Gütersloh
1998): Die Entwicklung des Buddhismus vollzog sich in vier Stufen, eine
fünfte Stufe kündigt sich an. Am Anfang standen die Lehren und das Leben
des historischen Gautama Buddha. Nach dessen Tod (480 v.Chr.) entfalteten
sich die ‚Lehren der Älteren‘ (sog. Hinayana = ‚kleines Fahrzeug‘)
mit den vier edlen Wahrheiten: vom Leiden, von der Entstehung des Leidens,
von der Aufhebung des Leidens und vom achtgliedrigen Pfad. Ab dem zweiten
vorchristlichen Jahrhundert entstand das ‚große Fahrzeug‘ (Mahayana)
mit einer Ausgestaltung der Lehre von den Bodhisattvas. Um 500 n.Chr.
setzte eine all-indische Bewegung, der Tantrismus, ein, die nach und nach
neben dem Hinduismus auch den Buddhismus erfasste. Schon der Begriff des Tantra
(bzw. Tantrismus) ist schwer zu fassen (Eliade, 209). Es handelt sich um
Systeme von esoterischen Handlungsanweisungen nicht-asketischer Art auf der
Grundlage einer durchgehend magisch-symbolischen Weltbetrachtung
(v.Glasenapp, 17). Kennzeichnend für den Tantrismus ist die starke
Einbeziehung der Sexualität (Rawson, 14). Der tantrische Buddhismus wird
als ‚Diamant-Fahrzeug‘ (Vajrayana) bezeichnet. Alle Stufen des
Buddhismus existieren in mehr oder weniger großen Bereichen noch heute
nebeneinander. In Tibet drang der Buddhismus in seiner tantrischen Form ab
dem achten nachchristlichen Jahrhundert ein und verdrängte den bisher
vorherrschenden Schamanismus (v.Brück, 277). In den folgenden Jahrhunderten
entstanden in ständigem Austausch mit dem indischen Buddhismus mehrere neue
tantrische Systeme mit einer Anzahl umfangreicher Textsammlungen. Das
letzte große tantrische System, das Kalachakra-Tantra, trat im 10.
oder 11. Jh. in Erscheinung (v.Brück, 284). Es wird angenommen, dass die
tantrischen Texte – entgegen jeder Nachweisbarkeit – vom Gautama Buddha
stammen und Jahrhunderte als ‚Schatz‘ (terma) verborgen existierten,
um dann im richtigen Zeitpunkt aufgefunden zu werden (vgl. v.Glasenapp,
49). Mit dem Kalachakra-Tantra (Tantra der Zeit) und seinem wichtigsten
Repräsentanten, dem Dalai Lama, befasst sich das hier zu besprechende Buch.
2. Die Hauptthese von Teil 1
des Buches lautet: ‚Das Mysterium des tantrischen Buddhismus besteht in der
Aufopferung des weiblichen Prinzips und in der Manipulation des Eros zur
Erlangung universeller androzentrischer Macht‘ (S.30, 317). Den bisher
zugänglichen Texten (hierzu S.24) entnehmen die Verfasser eine verborgene
monistische Ausrichtung des Tantrismus, während alle seienden Dinge des
Universums dualistisch aus einem uranfänglichen Götterpaar und zwar durch
dessen sexuelle Vereinigung emaniert seien. In der sexualmagischen
Vereinigung des tantrischen Yogi mit einer Partnerin bemächtigt sich jener
der weiblichen Energie und erhebt sich in einen androgynen Zustand, wodurch
der Körper des Yogi der geistigen Einheit des Universums nahe kommt. Die
rituelle Aufopferung der Frau (der tantrischen Partnerin) als Urheberin der
großen Maya ist die Voraussetzung einer Übertragung ihrer Lebensenergie auf
den Tantrameister. Dieser Vorgang ist nach der Deutung der Verfasser
Anwendungsfall eines übergreifenden tantrischen Gesetzes der ‚Umkehrung‘,
wonach das Eintauchen in das Niedere und Niedrigste in die geistige
Erhebung in das Höchste umschlägt. Da die einschlägigen Textstellen nach
der Darstellung der Verfasser eine Fülle von praktischen Anweisungen
enthalten, ist von realer, nicht nur innerseelischer Sexualmagie auszugehen
(dies bestätigt Evola, 386). Der wiederholte sexualmagische Akt lässt den
sich der androgynen Einheit nähernden Yogi die spirituelle Einheit seines
physischen und feinstofflichen Leibes mit den Energien des Universums
erfahren. Der Gipfel des Kalachakra-Tantra ist die übergreifende Gestalt
des Ur-Buddha (v.Glasenapp, 85), des sog. Adi-Buddha als kosmischem
Androgyn. Durch die Kräfte des tantrischen Initiationsweges gelangt der
Leib des Yogi zu einer okkulten Korrespondenz mit dem Diamantleib des Adi-Buddha
und zwar bis in detaillierte Entsprechungen der physiologischen
Energiestruktur hinein. Der Adi-Buddha ist der Herr des Universums und
daher Träger unbegrenzter Macht, auch der politischen Macht über den
gesamten Erdkreis. Dieser Machtanspruch konkretisiert sich in der Utopie
des Shambala-Reiches, welches sich an der Schwelle des Offenbarwerdens
befindet und in absehbarer Zeit in einen Endkampf um die Weltherrschaft
eintreten wird.
3. In jedem Zeitalter wird nur
ein Tantrameister die höchste Stufe des Initiationsweges erreichen. Die
Verfasser meinen, dass die Begegnung mit dem Niedrigen und Dämonischen,
welches sich vermöge des Gesetzes der Umkehr in das Hohe und Göttliche
verwandeln soll, zu einer Verselbständigung des Dämonischen führen kann und
zwar jedenfalls bei denjenigen Adepten des Kalachakra-Tantra, welche die
höchste Stufe nicht erreichen. Aber auch der Tantrameister identifiziert
sich nicht nur mit den ‚guten‘ Bodhisattvas (z.B. Avalokiteshvara), sondern
auch mit den tibetischen Zornesgöttern. Aus diesem Zusammenhang versuchen
die Verfasser das tibetische Götter- und Dämonen-Pantheon mit seinen
erschreckend aggressiven und mörderischen Astralgestalten zu erklären, ja
die Morbidität und Aggressivität der tibetischen Kultur überhaupt. Für den
Tantriker sind reale und rituell-symbolische Handlungen von gleicher
moralischer Wertigkeit, da er von einer durchgehenden magischen Einheit des
Universums ausgeht, durch welche jede Schicht der Erscheinungswelt Symbol
einer anderen sein kann. Das Kalachakra-Tantra umfasst fünfzehn
Einweihungsstufen. Die ersten sieben Stufen gelten als untere Weihen und
werden vom Dalai Lama öffentlich und vor Tausenden von Menschen bei großen
Open-air-Veranstaltungen durchgeführt. Die höheren Stufen sind
sexualmagischer Art (S.171, 183). Die Verfasser beschreiben die vier
höchsten Stufen als Ganachakra (magischer Kreis unter Beteiligung
mehrerer Sexualpartnerinnen in einer orgiastischen Form). Der Meister des
Kalachakra-Tantra unserer Zeit ist der Dalai Lama; unter Berücksichtigung
seiner Inkarnationenfolge ist er es von Anfang an gewesen. Nach Überzeugung
der Verfasser muss er sich damit selbst als Korrespondenzgestalt des
Adi-Buddhas und präsumptiven Weltherrscher (Chakravartin) verstehen.
4. In Teil 2 des Buches versuchen
die Verfasser darzustellen, dass ausnahmslos alle Lehren und Taten des
Dalai Lama allein auf dem Hintergrund des Kalachakra-Tantra zu verstehen
sind. Die sexualmagische Götter- und Dämonenwelt des Tantrismus mit ihren
für westliches Empfinden abstoßenden Ritualen werde vor der westlichen
Öffentlichkeit sorgfältig verborgen gehalten. Die europäischen und
amerikanischen Medien versorge der Dalai Lama nur mit den schönen Lehren
des Mahayana-Buddhismus. Die wahre Politik des Exiltibetertums orientiere
sich aber am eschatologischen Plan des Kalachakra-Tantra mit dem Shambhala
Mythos. Einzelheiten der Politik Dharamsalas (Exil-Residenz des Dalai Lama
in Indien) würden noch heute auf medialem Wege durch Orakelspruch
festgelegt. Das berühmte Kalachakra-Sandmandala sei ein Mittel okkulter
Besitznahme des Gebietes, in dem es errichtet und wieder aufgelöst wird.
Das Buch der beiden Trimondis
ist in diesem Teil von einem außerordentlichen Materialreichtum und
schildert zum Beispiel die Beziehungen des Dalai Lama zu Vertretern des
Faschismus, zur Mongolei, zum chinesischen Kommunismus, zu dem japanischen
Terroristen Asahara und zu vielen Hollywood-Schauspielern. Der Westen sei
von grenzenloser Gutgläubigkeit, er bemerke nicht, dass der tantrische
Buddhismus gerade aus seiner Exilsituation heraus zur magischen Weltmission
ansetze. Ahnungslos hinsichtlich des sexualmagischen und dämonischen
‚Schattens‘ des Dalai Lama werde dieser überall von Staatsmännern,
Künstlern und Wissenschaftlern aufgesucht und empfangen. Die Ausbreitung
des tantrischen Buddhismus im Westen (fünfte Stufe der Entwicklung des
Buddhismus) sei bereits in vollem Gange. Die Verfasser halten ein
intensives aufklärendes Studium des Kalachakra-Tantra, auch in seinen
politischen Aspekten, mit dem Kern der Transformation von Sexualität in
Macht, für unbedingt erforderlich. Sie betrachten ihr Buch als warnende
Studie, der weitere, vorurteilsfreie Untersuchungen folgen sollten.
5. In diesem Zusammenhang ist
von Interesse, dass die anthroposophische Zeitschrift Info3 (Nr.
11/1998) aus Anlass eines vom Dalai Lama Ende Oktober 1998 in der
Lüneburger Heide veranstalteten Camps mehrere Aufsätze über den Buddhismus
veröffentlichte. Eine Redaktionsmitarbeiterin berichtete unter Bezugnahme
auf Professor Zajonc, der Dalai Lama habe wegen des drohenden endzeitlichen
Shambhala Krieges damit begonnen, immer mehr Menschen – bei seinen großen
Zusammenkünften – die Kalachakra-Initiation als Bild in den feinstofflichen
Leib (!) der Teilnehmer zu legen. Es gebe starke Ähnlichkeiten zwischen dem
Kalachakra-Tantra und Rudolf Steiners Buch Die Geheimwissenschaft im
Umriss. Dann heißt es weiter: "Rudolf Steiner hat immer wieder auf
die Verbindung von Buddhismus und Christentum hingewiesen. Er geht sogar so
weit, zu sagen, dass die beiden Religionen in Zukunft zusammenkommen
müssen. In der geistigen Welt habe sich dieser Zusammenschluss bereits
vollzogen." Wer den dazu angeführten Vortrag vom 13.3.1911 (GA 124)
aufmerksam studiert, wird bemerken, dass Steiner von dem Weiterwirken der
geistigen Individualität des Gautama Buddha spricht. Mit dem tantrischen
Buddhismus Tibets, der erst tausend Jahre nach dem Tode des Gautama Buddha
entstand, hat sich Steiner an dieser Stelle nicht befasst. Es fragt sich,
ob diese erstaunliche Umdeutung einer Vortragsstelle Steiners durch
kontextuelle Veränderung mit dem Erscheinungsbild der tibetischen Mission
als eines Trojanischen Pferdes (Trimondi, 326) in Verbindung zu bringen
ist.
In einem Zeitalter des
geistigen und religiösen Pluralismus ist das Studium der Religionen ein
anthroposophisches Desiderat von besonderer Bedeutung. Das Buch der beiden
Trimondis, das hier nur bruchstückhaft besprochen werden konnte, ist eine
Kampfschrift und als solche eine deutliche Warnung, nicht naiv und mit
arglosen Identifikationen an die Welt der Religionen heranzugehen. Es ist
ein spannendes Buch und in seinem Materialreichtum eine erregende
Aufforderung an die eigene Urteilskraft und an die entsprechend befähigten
Schüler Rudolf Steiners, sich mit dem Gegenstand des Buches eingehender zu
beschäftigen.
Günter Röschert
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