MEDIEN (20)
1. Öffentlicher Protestbrief gegen die Ausstellung
des Völkerkundemuseums Zürich mit dem Titel "Traumwelt Tibet -
Westliche Trugbilder"
2. Gerhardt W. Schuster - "Das Alte Tibet -
Geheimnisse und Mysterien"
Öffentlicher
Protestbrief
gegen die
Ausstellung des Völkerkundemuseums Zürich mit dem Titel Traumwelt Tibet
- Westliche Trugbilder und das
Buch des Schweizer Ethnologen Martin Brauen mit dem gleichlautenden Titel (Traumwelt
Tibet - Westliche Trugbilder)
In
den letzten Jahren ist sowohl das "mystische" als auch das
"politische" Tibet ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Es
erschienen mehrere Bücher, die auf die inhumanen Seiten des tibetischen
Buddhismus aufmerksam machten: Über die frauenverachtenden Ritualpraktiken
der Lamas berichtet June Campbell (Göttinnen, Dakinis und ganz normale
Frauen - Theseus Verlag). Die mit großen Emotionen diskutierte
kulturkritische Studie von Victor und Victoria Trimondi Der Schatten des
Dalai Lama - Sexualität, Magie und Politik setzt sich
ausführlich mit der Frage auseinander, ob es sich im Falle des Lamaismus um
einen atavistischen, sexistischen und in Teilen fundamentalistischen
Kulturentwurf handelt, der mit westlichen Wertvorstellungen nicht
kompatibel ist (1999). Im Internet haben die beiden Autoren eine
umfangreiche, kritische Buddhismusdebatte eröffnet, wo die
unterschiedlichsten Themen und Meinungen (Pro- und Contra- Stimmen) zu Wort
kommen (http://www.trimondi.de). 1999 wurde ebenfalls ein Buch von Colin
Goldner (Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs - Alibri Verlag)
publiziert, in dem er die undemokratische und repressive Struktur der
traditionell- tibetischen und exiltibetischen Gesellschaft aufzeigt und das
ebenfalls heftige Reaktionen auslöste. Martin Kamphuis publizierte im April
2000 seine ent-täuschenden Erfahrungen als praktizierender tibetischer
Buddhist und seine anschließende Hinwendung zum christlichen Glauben (Ich
war Buddhist - Pattloch Verlag). Schon seit 1996 gab es eine
inner-tibetische Kritikbewegung (Shugden-Affäre), welche die völlig
unerwartete Intoleranz des Systems und des Dalai Lama zum Vorschein
brachte. Auch auf der Tibet Konferenz in Bonn ("Mythos Tibet" -
1996) meldeten sich zahlreiche kritische Stimmen zu Wort. Filme, in denen
verschiedene dieser Kritikpunkte zusammengefasst wurden, zeigte man im
Fernsehen (Panorama - ARD, 10 vor 10 - Schweizer Fernsehen). Im Mai 2000,
anlässlich des Dalai Lama Besuches in München, kam es zu zahlreichen
Protesten an seiner Person in den Medien. Plakate mit dem tibetischen
"Gottkönig" als Konterfei wurden mit dem Spruch: "Jetzt auch
bei uns: Opium fürs Volk" überklebt. Auch Teile der SPD, des Münchner
Studentenvorstandes (ASTA), das Forum für kritische Psychologie und andere
Organisationen kritisierten den Dalai Lama und sein religiöses System aus
verschiedenen Gründen.
Diese
sich immer mehr ausdehnende Kulturkritik am Lamaismus hat viele Zweifel an
dem weitverbreiteten, ausschließlich positiven "Tibet Bild"
aufkommen lassen. So können heute die gängigen Klischees vom
Friedens-Tibet, vom Erleuchtungs-Tibet, vom Weisheits- Tibet nicht mehr
aufrechterhalten werden ebenso wenig wie die gängigen Geschichtsklitterungen
(Tibet ein Reich ohne Krieg, ohne Unterdrückung, ein Land, in dem die
Gleichberechtigung der Geschlechter gepflegt wurde, wo die Dalai Lamas als
Friedensfürsten herrschten, das Alte Tibet als Ökoparadies und vieles
mehr). Konsequenterweise mussten die pro-lamaistischen Kreise ihre
bisherige offensive Strategie der Beschönigung und Verharmlosung
aufkündigen. Aber anstatt mit ihren Kritikern in eine (vielleicht
fruchtbare) Debatte zu treten, haben sie als Verteidigungsstrategie ein
vier Punkte Programm erneuter Verschleierung beschlossen:
1.) Das im Westen verbreitete "Tibet Bild" wird als
ein Klischee (Traumbild Tibet) "entlarvt".
2.) Der Westen wird primär für diese
"Tibet-Klischees" verantwortlich gemacht.
3.) Die Tibeter, die Lamas und der Dalai Lama werden von der
Verantwortung für das westliche "Traumbild Tibet" freigesprochen.
4.) Westliche Kritiker des tibetischen Systems werden als
Lügner hingestellt und als inkompetent abqualifiziert.
Tibet
soll entmystifiziert, entmythologisiert und entzaubert werden - fordert die
neue pro-lamistische Intelligenzia, die in der ersten Reihe wiederum aus
Westlern in der zweiten aus einigen Exiltibetern besteht. Der bisherige
Höhepunkt dieser Entmythologisierungskampagne, deren zögernde Anfänge 1996
bei der Bonner Tibet Konferenz (Mythos Tibet) zu spüren waren, ist das im
Mai 2000 erschienene Buch des Schweizer Ethnologen Martin Brauen mit dem
Titel Traumwelt Tibet - Westliche Trugbilder (Verlag Paul Haupt).
Dieser Text ist zugleich der Katalog zu einer aufwendigen Ausstellung des
Völkerkundemuseums Zürich mit demselben Thema (Traumwelt Tibet -
Westliche Trugbilder). LeserInnen des Buches und BesucherInnen der
Ausstellung werden darüber "aufgeklärt", dass die mystischen
Geschichten, abenteuerlichen Anekdoten, die unzähligen "Phantasmagorien"
über Tibet und seine Lamas, die sie aus Büchern, Spielfilmen, Comics, aus
der Werbung und aus Fernsehberichten kennen, weitgehend verzerrte
Erfindungen des Westen seien. "Die Gründe [für das verzerrte
Tibetbild] sind primär bei den Westlern zu suchen, bei ihrer selektiven
Wahrnehmung und ihrem fast ausschließlichen Interesse am Dharma oder dem,
was sie dafür halten." - schreibt Martin Brauen. So soll die Kritik am
tibetischen System und am Dalai Lama durch eine Selbstkritik des Westens
und der von ihm vorgeblich hervorgebrachten "Tibet Mythen"
ersetzt werden.
Mit
dieser einseitigen Betrachtung und Projektion auf den Westen soll eine
weitere kritische Auseinandersetzung mit dem tibetischen Buddhismus,
den geheimen
sexualmagischen Praktiken der Lamas,
den aggressiven und
morbiden lamaistischen Mythen und Ritualen,
den planmäßigen
Missbrauch kleiner Kinder zur Heranzüchtung des monastischen Nachwuchses
dem tibetischen
Okkultismus,
der blutigen
Geschichte des Landes,
den inhumanen
politischen und sozialen Strukturen des Alten Tibets,
der Repression unter
den Exiltibetern,
der
neofaschistischen Nazi-Tibet-Connection
dem Shoko Asahara
Fall
verhindert
werden. Die Zürcher Ausstellung verschweigt deswegen bewusst:
1.) dass die tibetischen Lamas und vor allem der XIV Dalai Lama
fast alle von Brauen denunzierten "Tibet-Klischees" mit
hervorgebracht, gefördert und kultiviert haben,
2.) dass die meisten der von Brauen aufgeführten
"Klischeebilder", wie irrational sie auch erscheinen mögen, ihren
Ursprung in der tibetischen Kultur und lamaistischen Tradition haben,
3.) dass es sich deswegen bei den westlichen "Klischee
Bildern" keineswegs um die "Okzidentalisierung" einer
östlichen Religion, sondern umgekehrt um die "Orientalisierung"
der westlichen Populärkultur handelt,
4.) dass es die selben "Tibet-Klischees", die von
Brauen als westliche "Traumbilder" entlarvt werden, ebenso im
Osten (Taiwan, Japan, Korea, China) gibt, wie dies unter anderem an dem
Fall des japanischen "Giftgasgurus" Shoko Asahara gezeigt werden
kann, dessen religiöse Ideologie sich primär aus Bildern und Praktiken des
tibetischen Buddhismus zusammensetzt,
5.) dass es einen eminenten Einfluss traditioneller
tibetisch-buddhistischer Ideen, Mythen und ritueller Praktiken auf die
neo-faschistische Weltanschauung gibt, die keineswegs nur reine
Phantasieprodukte der Neuen Rechten darstellen,
6.) dass der tibetische Buddhismus eine Jahrhunderte alte,
erfolgreiche Missionierungsreligion ist, der ganz allgemein eine globale
Verbreitung anstrebt,
7.) dass der Lamaismus zutiefst von einem okkulten Denken
bestimmt wird,
8.) dass im magischen Weltbild des Lamaismus die Manipulation
von "Traumbildern" eine religiöse Technik darstellt,
9.) dass der Dalai Lama die "Tibet-Klischees" nicht
auf ihren Wahrheitskern hin, sondern auf ihre religionspolitische
Nützlichkeit hin überprüft und diese gezielt für seine klerikalen
Interessen einsetzt.
Die
Zürcher Ausstellung Traumbild Tibet ist die tendenziöse und
unehrliche Darstellung eines Kulturphänomens, das uns alle angeht. Denn der
tibetische Buddhismus und seine Bilderwelt sind mehr und mehr in die popular
culture des Westens eingedrungen. Welche Blüten dieses System
mittlerweile getrieben hat, zeigt die Brauen'sche Ausstellung selber anhand
vieler Exponate nur zu gut. An der Aufzucht dieser Blüten waren und sind
die Exiltibeter, die Lamas, der Dalai Lama und pro-lamaistische Westler wie
Martin Brauen wesentlich mit beteiligt. (Brauen präsentiert sich als
Ethnologe, er ist aber auch praktizierender Buddhist, was er verschweigt.)
Kritische Stimmen aus diesen Kreisen waren bisher so gut wie nicht zu
hören, obgleich die westliche Presse ahnungslos seit Jahren eine
Geschichtsfälschung nach der anderen über Tibet und den Lamaismus
publizierte. Wenn schon ganz Hollywood, wie Brauen meint,
"tibet-verrückt" spielt, haben wir als westliche Intellektuelle
nicht nur das Recht sondern geradezu die Pflicht, uns mit dieser Kultur
auseinander zusetzen.
Wir
protestieren gegen die tendenziöse und manipulative Präsentation der
Zürcher Ausstellung und fordern von den Verantwortlichen:
1.) dass ab sofort kritische Stimmen und kritische Filme in die
Veranstaltungsprogramme mit einbezogen werden und zu Wort kommen und
verwahren uns mit Nachdruck dagegen, dass solche Stimmen von dem
Organisator Martin Brauen öffentlich beschimpft, verunglimpft, verleumdet,
abqualifiziert, beleidigt und lächerlich gemacht werden.
2.) dass die einseitige Ausrichtung der Ausstellung
"Traumbild Tibet - westliche Trugbilder" durch entsprechende
Exponate und Darstellungen ergänzt wird, welche den wirklichen Einfluss
autochthoner tibetischer Kulturbilder auf die im Westen verbreiteten
"Tibet Klischees" zeigen, hinterfragen und diskutieren.
3.) dass die Beteiligung der exiltibetischen Lamas und des Dalai
Lama an der "westlichen" Produktion von tibetischen Traumbildern
untersucht und publik gemacht wird.
Das
Völkerkunde Museum Zürich ist eine öffentliche Einrichtung, die aus
Steuermitteln finanziert wird und die deswegen ebenso wie die öffentlichen
Fernsehstationen eine ausgewogene Darstellung unterschiedlicher Meinungen
zu präsentieren hat und sich nicht als Propagandainstrument einer
religiösen Richtung benutzen lassen darf.
Tibet,
der Lamaismus, der XIV Dalai Lama und nicht nur seine abendländischen Hybriden
sind längst zu einem Kulturphänomen des Westens geworden. Hunderttausende
Menschen haben in den letzten Jahren in Amerika und Europa Zuflucht im
Buddhismus gesucht, weil sie glaubten, hier eine makellose und
humanistische Religion entdeckt zu haben. Daran sind schwerwiegende Zweifel
aufgekommen und artikuliert worden. Im Sinne einer objektiven
Berichterstattung muss deswegen die Zürcher Ausstellung Traumbild Tibet
die westliche Kritik am tibetischen Buddhismus mit einbeziehen. Kritik von
außen aber wollen Martin Brauen, Neobuddhisten, buddhistisch eingefasste
Tibetologen und die exiltibetische Regierung eben sowenig zulassen wie
Kritik, die von innen aus den eigenen Reihen kommt. Hier nur einige
Beispiele:
1.)
Die beiden hervorragenden amerikanischen Tibet-Historiker Melvyn C.
Goldstein und A. Tom Grunfeld werden wegen ihrer objektiven
Berichterstattung über die Geschichte und Kultur Tibets und die Politik des
XIV Dalai Lama und seiner Exilregierung ständig als chinesische Agenten
beschimpft. Goldstein resümiert die Erfahrungen mit seinen Verleumdern wie
folgt: "Indem er Taktiken benutzt, die denen der McCarthy Ära in den
USA gleichen, reißt Mr. Thondon [ein exiltibetischer Intellektueller und
Gegner von Goldstein] Sätze aus dem Zusammenhang, zerstückelt Meinungen
und, noch schlimmer, unterstellt Meinungen, die es gar nicht gibt. Seine
Antwort repräsentiert die dunkelste und unerfreulichste Seite der
tibetischen Exilbewegung." (Tibetan Review, September 1991, 18) Mit
dieser Verleumdungstaktik müssen alle Kritiker des Dalai Lama und seines
Systems rechnen. Ständig werden den Autoren Aussagen unterstellt, die sie
so überhaupt nicht gemacht haben, um sie anschließend zu denunzieren.
2.)
Die britische Kulturforscherin June Campbell, ehemalige Buddhistin und Jahre
lang Übersetzerin des hohen Lamas Kalu Rinpoche, wird wegen ihrer
enthüllenden und erschütternden Studie über die erniedrigende Rolle der
Frau im tantrischen Ritualwesen als notorische Lügnerin diffamiert.
3.)
Der ehemalige Deutschübersetzer des Dalai Lama und buddhistische Mönch,
Helmut Gassner, der die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht hat, dass
die tibetische Exilregierung falsch übersetzte Statements abgibt, um
dadurch religiöse Minderheiten zu diskriminieren, wurde als
"Sektenfanatiker" (vor allem durch Martin Brauen) marginalisiert
und als "Staatsfeind " eingestuft.
4.)
Der Salzburger Journalist Gerhard Lehner, der die SS Vergangenheit Heinrich
Harrers ans Licht brachte, wurde von Harrer selber gegenüber
österreichischen Behörden als chinesischer Geheimagent denunziert.
5.)
Gegen den Schweizer Fernsehjournalist Beat Regli, der einen Bericht über
die Shugden Affäre und die Unterdrückung religiöser Minderheiten durch den
Dalai Lama und die exiltibetische Regierung im Schweizer Fernsehen dokumentierte,
wurde ein Verfahren wegen "einseitiger Berichterstattung"
eingeleitet. Martin Brauen wurde hierbei als "Gutachter"
hinzugezogen.
6.)
Die deutschen Journalisten Gräbert und Goertz, welche für die
ARD-Panorama-Sendung eine unkonforme Studie über Tibet zusammenstellten,
erhielten Droh- und Schmähbriefe.
7.)
Der bekannte Fernsehjournalist Ulrich Wickert, der einige kritische
Bemerkungen zur tibetischen Geschichte fallen ließ, wurde als Handlanger
der Chinesen denunziert.
8.)
Die Autoren des kritischen Buches Der Schatten des Dalai Lama,
Victor und Victoria Trimondi, werden öffentlich als Maoisten,
Erzkatholiken, als Erzprotestanten, als Faschisten beschimpft. Martin
Brauen drohte mit einer einstweiligen Verfügung gegen das Trimondi Buch und
rief im Fernsehen während einer Life Diskussion beim "ORF -
Treffpunkt" Kultur zu dessen Boykott auf. Vertreter der
Tibetunterstützungsszene nahmen auf Buchhändler Einfluss, um den Verkauf
des Buches zu stoppen.
9.)
Colin Goldner, der Autor des Buches Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs,
erhielt Morddrohungen, Stinkbomben, abgeschlagene Hühnerköpfe aus
buddhistischen Kreisen und wurde von diesen als "Nazi"
diffamiert. Ebenso wird der Alibri Verlag, in dem sein Buch erschienen ist
massiv bedroht.
10.)
Der Herausgeber der Zeitschrift "Hier & Jetzt" wurde der
Beteiligung am Völkermord der Tibeter bezichtigt, weil er eine kritische
Presseerklärung zum Dalai Lama Besuch in München (Mai 2000)
veröffentlichte.
11.)
Ein für das bayrische Fernsehen produzierter kritischer Beitrag über den
tibetischen Buddhismus wurde nicht gezeigt, sondern ins Archiv verbannt
12.)
Ein kabarettistischer Beitrag des Kölner Autors Wolfgang Nitschke über den
Dalai Lama für ein Hörfunksendung des WDR fiel der Zensur zum Opfer
Das
sind einige Fälle von Kritikern, welche es "von außen" gewagt
haben, das tibetische System zu hinterfragen. Wir protestieren mit
Nachdruck dagegen, dass
solche
Stimmen in Zukunft durch unlautere Beschimpfungen, Verleumdungen, Prozesse,
Verdrehungen, Abqualifizierungen von pro-lamaistischer Seite und durch
manipulative Veranstaltungen wie die Zürcher Ausstellung Traumwelt Tibet
mundtot gemacht werden sollen.
Victor
und Victoria Trimondi, Autoren des Buches Der Schatten des Dalai Lama
Colin
Goldner, Autor des Buches Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs
Martin
Kamphuis, Autor des Buches Ich war Buddhist
TRAUMBILD
TIBET - ÖSTLICHE TRUGBILDER / Kritik der Zürcher Ausstellung: Traumwelt
Tibet - Westliche Trugbilder
Die
Nazi-Tibet-Connection
Rezension:
Gerhardt
W. Schuster
Das Alte Tibet - Geheimnisse und Mysterien - St. Pölten - 2000
Nach dem gleichzeitig (Mai
2000) erschienen Buch von Martin Brauen "Traumbild Tibet - Östliche Trugbilder"
ist G. W. Schusters Buch "Das Alte Tibet" geradezu ein
"Aufklärungswerk", obgleich es hier um Geheimnisse und Mysterien
geht. Brauen behauptet nämlich, dass die magisch-dämonische Welt des
tibetischen Buddhismus eine "westliches Trugbild" darstelle. Die
Tibeter seien ein Volk, wie jedes andere auch. Schuster dagegen zeigt, wie
tief die tibetische Kultur in animistisch-schamanistische Praktiken, in
einen allumfassenden Götter- und Dämonenglauben verwoben ist. Uns begegnet
hier ein dunkel-mystisches Tibet, das mit den rationalen und ethischen
Auftritten, mit denen sich der Dalai Lama in der westlichen Öffentlichkeit
präsentiert, so gut wie nichts zu schaffen hat. Wer immer sich etwas
ausführlicher mit der Kultur des Schneelandes beschäftigt, kann bestätigen,
dass der Autor recht hat und nicht Martin Brauen. Tibet ist - nach dem
Verständnis seiner Lamas - ein Land der "Geheimnisse und der
Mysterien".
Der durchgängige Okkultismus
des gesamten Systems wird durch einige Kapitelüberschriften des Schuster
Buches sofort deutlich, so dass man diese nicht einmal kommentieren
braucht: Götter, Geister und Dämonen - Mo, die Orakelmethoden - Lha pas und
Pa wos, die Besessenheitsmedien - Fadenkreuze und Geisterfallen -
Wetterzauber - Schwarze Magie und Schadenzauber - Tatang, der böse Blick -
Giftmischerinnen - Rolangs, die lebenden Toten - Der Fluch der wandernden
Dolche - Tulpas, Phantomgestalten und Doppelgänger - die Pillen des langen
Lebens - und vieles ähnliche mehr. Dabei lässt Schuster keinerlei Zweifel darüber
aufkommen, dass das "Alte Tibet" nicht der Vergangenheit
angehört, sondern er würzt den Text mit eigenen Erlebnissen aus den letzten
Jahren, welche all die Wunder und paranormalen Erscheinungen untermauern
sollen. Der Autor verschweigt ebenfalls nicht, dass es sich bei den
magischen Praktiken nicht nur um Formen einer an archaischem Denken
orientierten Volkskultur, sondern ebenfalls um politische Instrumente des
tibetischen Staates zählen. Im Kapitel "Machtvoller Feindzauber im
Dienste des Staates" ist zu lesen: "In einer Gesellschaft, in der
das Magische eine so bedeutende Rolle spielte, ist es nicht weiter
verwunderlich, dass auch von staatlicher Seite Zuflucht zu schwarzmagischen
Praktiken genommen wurde." (129)
Schusters Buch klärt aber nur
insoweit auf, wie es das wirkliche Tibet zeigt, das von vielen westlichen
Beobachtern nicht mehr wahrgenommen wird: das Tibet der Magie und des
Aberglaubens. Völlig unaufgeklärt und gefährlich ist dagegen, dass Autor
dieses atavistische System als etwas äußerst Positives und
Zukunftsträchtiges ansieht. Wie bei Robert Thurman wird das Alte Tibet zur
Utopie des kommenden Millenniums: "Während die Menschen im Westen
ihren Forschungs- und Erkenntnisdrang immer mehr nach außen, auf die Welt
der Materie richteten und die wissenschaftlich-technologische Entwicklung
vorantrieben, forschten die Yogis und die Weisen Tibets mit großem
persönlichen Einsatz im 'Labor des Geistes', sie beschritten bewusst den
Weg nach innen" (276)
Vom Weg nach innen, sprechen
nur wenige Schlusskapitel des Buches, ansonsten muss man bei der Lektüre
den Eindruck gewinnen, in einen Horrorfilm eingetaucht zu sein. Und sollten
die Menschen im Westen einmal den Mysterien der Lamas folgen, dann werden
sie eine Zeit der Entmündigung durchmachen müssen, die bei weitem
übersteigt, was ihnen zurzeit das materialistische System der
"wissenschaftlich-technologischen Entwicklung" jemals angetan
hat.
© Victor und Victoria Trimondi
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