MEDIEN (08)
FRIEDRICH NAUMANN
STIFTUNG - 26. MÄRZ 1999
"Neues
Feindbild Dalai Lama?"
Am 26. März 1999
fand in der katholischen Akademie Hamburg eine gemeinsame Veranstaltung der
"Tibet Initiative Deutschland" (TID) und der "Friedrich
Naumann Stiftung" statt. Die Begrüßung hielt der Vorsitzende der TID, Klemens
Ludwig. Referenten waren der
Religionswissenschaftler Michael von Brück, der tibetische Historiker
Wangpo Thetong und Tsewang Norbu vom Verein der Tibeter in Deutschland. Als
einzige kritische Stimme sprach Helmut Gassner, der ehemalige Übersetzer
des Dalai Lama. Seinen Vortrag, der sich vor allem mit seinem persönlichen
Werdegang als westlicher buddhistischer Mönch und mit der Shugden Affäre
auseinandersetzt, drucken wir im Folgenden vollständig ab.
Die Veranstaltung
stand unter dem Schock unseres Buches, das kurz vorher erschienen war. Man
hatte diese überraschende Kritik am Dalai Lama und an seiner Religion bei
der Planung des Programms nicht voraussehen können und die TID wollte sich
ursprünglich nur mit den Shugden Fall auseinandersetzen wollte. "Der
Schatten des Dalai Lama" hatte jedoch in der Öffentlichkeit schon zu
soviel Aufregung geführt, dass er wie ein Damoklesschwert über der
Veranstaltung schwebte. "Auf besagter TID-/Naumann-Konferenz über das
'Neue Feindbild Dalai Lama' " - schreibt Colin
Goldner - "wurde selbstredend auch das
Buch von Röttgen und Röttgen (Trimondi/Trimondi) debattiert. Da sich
offenbar noch niemand durch die mehr als 800 Seiten hindurchgeackert hatte
- das Buch war kurze Zeit zuvor erst erschienen -, beschränkte man sich auf
Diffamierung der AutorInnen. Vor allem Herbert Röttgen, der in den 1980ern
aktives Mitglied der Tibet-Solidaritätsbewegung, Pro-Tibet-Publizist und
gar Tourneeorganisator des Dalai Lama gewesen war, bekam sein Fett
ab." (343)
Man setzte sich
also nicht gezielt mit unseren Thesen auseinander. Der Grundtenor der
offiziellen Argumentation hielt sich vielmehr sehr allgemein. Er
artikulierte sich am klarsten durch das Referat von Wangpo Thetong:
"Das alte Tibet zwischen Verklärung und Verteufelung". Thetong
warf westlichen Autoren vor, schon seit Jahrhunderten in unsachlicher Art
und Weise Tibet entweder in den Himmel zu loben oder als eine Hölle auf
Erden zu verdammen. Das letzte Argument führte man auch gegen unser Buch
an. Das "ganz normale Tibet - ein Land mit Problemen wie jedes
andere" - so die Veranstalter - käme im Westen selten zu Wort.
Tibet war jedoch
niemals ein "Land wie jedes andere". Die tibetisch-lamaistische
Kultur war und ist von äußersten Extremen und Widersprüchen gekennzeichnet
und konnte bis in unsere Zeit hinein ohne einschneidende Reformen
überleben. Krasse Gegensätze und Dissonanzen setzten seit Alters her die
tibetische Gesellschaft ständigen Zerreißproben aus. So standen sich ein
sehr hoher ethischer Anspruch von Mitgefühl und Gleichmut (Mahayana
Buddhismus) und eine von grässlichen Dämonen beherrschte Welt
gegenüber. Nicht einfache Menschen und Mönche übten - der Ideologie nach -
die politische Herrschaft aus, sondern die Inkarnationen von Überwesen, die
in der Hierarchie noch über den Göttern standen. In den tantrischen Riten
wurde die Frau als eine Göttin angebetet, außerhalb der sexualmagischen
Rituale aber, in der Gesellschaft und im monastischen Leben, spielte sie im
Gegensatz hierzu eine völlig untergeordnet und verächtliche Rolle. Der
Tibetologe Geoffrey Samuel hat in seinem umfangreichen Werk Civilized
Shamans - Buddhismus in Tibetan Society - diese Extremgesellschaft
geradezu als einen positiven Kulturentwurf für Konfliktlösungen
darzustellen versucht. Dazu mag man stehen wie man will, aber Tibet als ein
Land wie jedes andere zu präsentieren, ist der Versuch, die äussersten Spannungen,
die diese Kultur auszutragen hat, nicht zur Diskussion zu stellen.
Baut unser Buch
den Dalai Lama als ein "neues Feindbild" auf?
Wir haben eine
kulturanalytische, kulturphilosophische und tiefenpsychologische Studie
über den tibetischen Buddhismus und seine Rezeption im Westen, über die
Geschichte des lamaistischen Tibet, über die verschiedenen Dalai Lamas
erstellt. Die Auseinandersetzung mit dem XIV Dalai Lama ist nur ein Teil
unseres Buches. Wir sprechen nicht allein über seinen Schatten, sondern
ebenso über die Schattenseiten seiner Vorgänger, ja über den Schatten des
ganzen Systems. Unser Buch trägt den Untertitel "Magie, Sexualität und
Politik im tibetischen Buddhismus". Das ist das eigentliche Thema. Es
ist nicht die Person des XIV Dalai Lama, sondern es sind die Strukturen,
welche seiner Religion zugrunde liegen, die von uns untersucht werden, da
hierüber im Westen keine oder falsche Informationen vorliegen. Wir haben
nicht eine kritische Biographie des Dalai Lama geschrieben wie Colin Goldner.
Von der Presse wird immer
wieder übersehen, dass die Attacken gegen den Dalai Lama weniger von uns
kommen, sondern dass es sich hierbei um interne, heftige und andauernde
Auseinandersetzungen innerhalb der tibetischen Community und zwischen
verschiedenen buddhistischen Schulen handelt. Wir zitieren ja fast
ausschließlich die sehr polemischen und bissigen Quellen aus dem eigenen
Lager und halten uns selber verbal äusserst zurück. Nicht wir haben das
"Feindbild" Dalai Lama geschaffen, sondern dieses "Feindbild"
ist das Resultat einer internen Entwicklung aus den letzten drei Jahren
(insbesondere im Zusammenhang mit der Shugden Affäre) und läuft durchaus
parallel mit der Glorifizierung des "Gottkönigs" durch Hollywood.
Wir glauben keineswegs, dass
der Dalai Lama das Böse schlechthin darstellt oder ein
"Dämonenfürst" ist, der die Welt beherrschen will. Wir zeigen
jedoch, dass er einen für das kommende Millennium völlig überholten und
gefährlichen Kulturentwurf vertritt, der mit entscheidenden Wertvorstellungen
der europäischen Kultur nicht kompatibel ist. Das gilt im gleichen Maße von
anderen Religionssystemen.
Veranstaltung vom 26. März 1999
der Friedrich-Naumann-Stiftung
Dalai Lama -
Dordsche Schugden
Beitrag
von Dipl.Ing. Helmut Gassner
Letzehof
A-6800
Feldkirch
Wie man als davongelaufener
Österreicher bis zum Dalai Lama kommt, kennen wir vermutlich alle aus der
wunderschönen Geschichte der Sieben Jahre in Tibet. Wie man
allerdings als dahergelaufener Österreicher, wie meine Person, bis zum
Dalai Lama kommt, ist eine Geschichte, die leider nicht mit dem gleichen
Charme aufwarten kann.
Während meines Studiums der
Elektrotechnik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich traf
ich eine Dame, die in den sechziger Jahren in Indien tibetische Lamas
kennengelernt hatte. Von Lama Yeshe und Lama Sopa erzählte sie immer
wieder, aber auch vom Lehrer der beiden, dem ehrwürdigen Gesche Rabten, der
den Buddhismus mit unglaublicher Klarheit und Eindrücklichkeit erklären
könne, und auch die Auffassungen der Leute aus dem Westen richtig verstehe.
Gesche Rabten Rinpotsche war
nach der Flucht aus Tibet von S.H. Dalai Lama aus mehreren Kandidaten
zusammen mit Lati Rinpotsche zum neuen philosophischen Assistenten des
Dalai Lama bestellt worden. 1975 kam er auf Wunsch des Dalai Lama als Abt
des Klosters Rikon in die Schweiz. Nach Abschluss meines Technikstudiums
zog ich nach Rikon, um Tibetisch zu lernen und unter Gesches Anleitung
buddhistische Philosophie, Debatte und Meditation zu studieren.
1978 war Gesche eingeladen, in
Wisconsin in den USA zwei Monate lang Unterricht zu geben, und ich durfte
ihn zu meiner großen Freude begleiten. Bei dieser Konferenz gab auch Zong
Rinpotsche, ein eindrucksvoller Lama aus Indien, Unterricht und
Einweihungen. Von ihm erhielt ich die Einweihung zu Dordsche Schugden in
einer kleinen Gruppe von drei Personen. Bis dahin hatte ich noch nie von
Dordsche Schugden gehört, obwohl ich den Buddhismus intensiv studierte und
mein Tibetisch gute Fortschritte machte. Nach der Einweihung gab uns Gesche
einige Ratschläge und sagte: Diese Erscheinung der Buddhas ist
unvergleichlich. Wenn ihr entschlossen seid, euren Geist zu zähmen, dann
wird er euch selbst sein Herz geben, um euch zu helfen.
Für den Sommer 1979 lud Gesche
S.H. Dalai Lama ein, in die Schweiz zu kommen und in seinem Zentrum auf dem
Mont-Pèlerin über dem Genfersee Unterweisungen zu geben. Wir Schüler
bereiteten ein Zelt vor, machten große Ankündigungen und konnten knapp tausend
Zuhörer für den Dalai Lama interessieren. Dies waren dann auch die ersten
öffentlichen Unterweisungen, die Seine Heiligkeit im Westen vor einer
großen Zuhörerschaft gab.
Es war auch das erste Mal, dass
man mich als Übersetzer im zweiten Rang für Seine Heiligkeit einsetzte,
nämlich von Englisch auf Deutsch. Meine grundlegenden
Charaktereigenschaften sind faul, vergeßlich und verschlafen, nicht gerade
die besten Voraussetzungen, um für den Dalai Lama zu dolmetschen. Im
Schreck über die schwierige Situation, die auf mich zukam, erinnerte ich
mich an Gesches Rat bei der Einweihung in den USA und auch an die Ehrungen
in den Gebeten zu Dordsche Schugden, wo es heißt: Der, der allein indem
man sich an ihn erinnert, alle äußeren und inneren Hindernisse klärt,
...... meine Verehrung dem Beschützer der Unterweisungen. Mit aller
Hilfe, die ich mir nur wünschen konnte, gelang es dann auch, die
eindrucksvollen Worte des Dalai Lama ohne allzu große Verzerrungen
wiederzugeben.
1980 sprach dann Lama Yeshe,
ein bekannter Schüler Gesche Rabtens, Einladungen an Seine Heiligkeit aus,
was zu einem weiteren Bekanntwerden des Dalai Lama im Westen führte.
1981 kam Seine Heiligkeit auf
Einladung von Gesche Thubten Ngawang, der ebenfalls ein Schüler von Gesche
Rabten war, nach Hamburg. Zum erstenmal wurde ich bei dieser Gelegenheit
gebeten, direkt von Tibetisch auf Deutsch zu übersetzen.
In diesen Jahren war ich oft
Gesches Begleiter bei seinen Reisen und lernte dabei viele bedeutende
Persönlichkeiten kennen. So auch Kyabdsche Tridschang Rinpotsche, den
zweiten Lehrer S.H. des Dalai Lama. Tridschang Rinpotsche war in vielfacher
Beziehung eine der bedeutendsten Persönlichkeiten dieser Zeit. In den
fünfziger Jahren war er für S.H. Dalai Lama das Rückgrat in der schwierigen
und verwirrten Lage der Tibeter. Das war auch den kommunistischen Chinesen
bekannt, und so wurde er als Tridschang Lobsang Yesche zu deren zentralem
Feindbild. Er war es auch, der S.H. den Dalai Lama sowohl in Auffassungen
des Buddhismus als auch in politischem Verständnis und gesellschaftlichem
Auftreten instruierte. Auch Ling Rinpotsche, den ersten Lehrer Seiner
Heiligkeit konnte ich kennen lernen und durfte ihn chauffieren.
Diese beiden Lehrer des Dalai
Lama waren direkte Schüler des großen Pabongka Detschen Nyingpo. Es wird
berichtet, dass bei Unterweisungen des Meisters Pabongka viele Zuhörer in
tiefgreifender Weise die Fehler unserer weltlichen Auffassungen erkennen
konnten und in ihnen eine bleibende Entschlossenheit entstand, das ständige
Streben nach Ehre, Lob, Wohlbehagen und Gewinn durch ehrliche Bestrebungen
mit Wohlwollen und Wertschätzen anderer zu ersetzen. Diese besondere
Fähigkeit des Unterrichtens ist nicht Teil der tibetischen Kultur. Es ist
vielmehr der Kern der lebendigen Weitergabe der Unterweisungen des
geschichtlichen Buddha von einem großen Meister zum nächsten. Dies ist vor
allem eine mündliche Weitergabe, bei der der Meister seinen begabten
Schüler so lange instruiert, bis das weitergegebene Wissen zu einer
spontanen Charaktereigenschaft des Schülers geworden ist.
Das ist auch die Bedeutung der
vier großen Schulen Tibets. Wenn von Sakya, Gelug, Kagyü, Nyingma
gesprochen wird, bezieht man sich auf vier verschiedene Linien dieser Art
der Weitergabe der Unterweisungen des Buddhas. Eine solche Schule ist dann
lebendig, wenn dieses Wissen groß ist und es noch Meister gibt, die es
vollständig erfahren haben und es aus ihrer eigenen Erfahrung fehlerfrei
weitergeben.
Der Meister Pabongka war in der
ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts der entscheidende Träger der
sogenannten Mündlichen-Geden-Überlieferung. Vor seinem Erscheinen
gab es viele Meister, die bestimmte Teile dieser Überlieferung
beherrschten. Pabongka Rinpotsches besonderes Verdienst war es, alle diese
Teilüberlieferungen zu finden, zu erlernen und wieder in einer Person
zusammenzuführen. Zu seiner Zeit gab es dann kaum eine bedeutende
Persönlichkeit der Geden-Tradition, die nicht Pabongkas Schüler war, aber
derjenige, der wieder die Gesamtheit der Mündlichen-Geden-Überlieferung
aufnehmen und weitergeben konnte, war vor allem Kyabdsche Tridschang
Rinpotsche.
Wenn Sie nun nach der
Übertragungslinie der Dordsche-Schugden-Anwendung fragen, dann ist die
Antwort: Sie ist Teil der Mündlichen-Geden-Überlieferung.
Eine weitere besonders
eindrucksvolle Persönlichkeit aus dem alten Tibet war der Hofmeister des
Dalai Lama, Kungo Phala, den Sie vielleicht auch aus dem Kundun-Film
lebhaft in Erinnerung haben. Er war auch mehrmals Gast in meinem Haus in
Feldkirch. Kungo Phala war es, der 1959 die Flucht des Dalai Lama aus dem
Sommerpalast organisiert hat. Vielleicht aus Freude über meine
fortschreitenden Tibetischkenntnisse erzählte er mir manchmal davon. Unter
größter Geheimhaltung und genauem Befolgen der Anweisungen, die er von
Dordsche Schugden erhalten hatte, wurden die Vorbereitungen getroffen. Ich
fragte auch nach seinen Gedanken, als er mit dem Dalai Lama hinter sich,
als Diener verkleidet, aus dem umzingelten Norbu Linka durch die Menge
musste. Er sagte, alles sei so gekommen, wie es vom Orakel des
Panglung-Klosters, (Panglung Rinpotsche lebt jetzt in München),
vorausgesagt war. In den besonders kritischen Situationen hatte er das
Gefühl, sich in einem beschützten Raum zu bewegen, in dem nicht einmal die
Füße den Boden zu berühren schienen. Der Viele weitere Erzählungen über die
Flucht hörte ich später auch noch von anderen Persönlichkeiten, die direkt
daran beteiligt waren, wie den Betreuern von Tridschang Rinpotsche und über
Mönche des Pomra-Hauses aus dem Kloster Sera Mae, die als spezielle persönliche
Leibwächter für Seine Heiligkeit gewählt wurden.
Wenn wir heute die Biographie
des Dalai Lama lesen, heißt es dort, dass das Staatsorakel Nedschung in
Trance den gesamten Weg vom Tor des Norbu Linka bis zum Ziel in Indien
aufgezeichnet habe. Von den Persönlichkeiten, die die Flucht wirklich
organisiert hatten, konnte ich nur hören, dass man damals mit Aussagen des
Staatsorakels äußerst vorsichtig war. Das Nedschung-Orakel hat eine große
Entourage von Mönchen und man fürchtete deshalb, dass Aussagen des Orakels
an die Chinesen geraten könnten. Die einzigen Aussagen, die wiederholt
erwähnt wurden, war die Aufforderung des Staatsorakels, dass der Herr
des Landes des Schnees im Land bleiben solle. Unter den Beamten, die an
der Organisation der Flucht beteiligt waren, wollten einige Seine
Heiligkeit allein in Freiheit bringen und die Familie zurücklassen. Es war
der Hofmeister Phala, der entschieden dafür sorgte, dass die ganze Familie
des Dalai Lama ins Exil gelangte.
1983 folgte Seine Heiligkeit
einer weiteren Einladung von Gesche Rabten Rinpotsche und kam nach
Feldkirch. Drei Tage verweilte Seine Heiligkeit mit seinem Gefolge im
früheren Sommersitz meiner Familie und gab in Feldkirch einen
eindrucksvollen Vortrag in der Stadthalle. Diesmal war es leicht, über
tausend Leute zu versammeln.
Bei diesem Besuch hatten die
Österreicher für die Fahrten des Dalai Lama auch eine begleitende
Polizeieskorte zur Verfügung gestellt. Nach dem Grenzübertritt in die
Schweiz war es dann aber aus mit der Polizeibegleitung, was dem Gefolge des
Dalai Lama recht zuwider schien. Seine Heiligkeit dagegen schien sich über
die neu gewonnene Bewegungsfreiheit zu freuen. Ich war der Fahrer seines
Wagens, und so fragte er mich, ob ich nicht ein Gasthaus in der Gegend
kenne. So brachte ich die ganze Gesellschaft zu einem Café am Ufer des
Bodensees, wo der Dalai Lama mit größtem Vergnügen eine Stunde verbrachte,
die zur Abwechslung einmal nicht vorbereitet war und ohne Protokoll lief.
1985 gab Seine Heiligkeit die
Kalachakra-Einweihung in Rikon, wo ich gebeten wurde, den Wagen des Dalai
Lama zu lenken und zu dolmetschen.
1986 nahm Seine Heiligkeit an
einem Seminar über Raum und Zeit in der Nähe von Garmisch teil, wo auch die
ersten privaten Gespräche mit Professor Weizsäcker stattfanden, die für
mich als Techniker besonders spannend zu übersetzen waren. Anschließend
folgte ein Besuch in Wien, der beinahe nicht zustande gekommen wäre. Es war
eine Einladung vom Haus der Industrie, die die Vertreter Seiner Heiligkeit
in Europa wohl als unbedeutend betrachteten. Trotz mehrfacher Hinweise,
dass es sich dabei um eine bedeutende Organisation handle, die der
Regierung sehr nahe stehe, blieb das Tibet-Büro zögerlich. Überzeugend
wurde dann aber eine resolute Dame aus München, die nach Dharamsala reiste,
sich Zugang zum Dalai Lama verschaffte, und ihm sagte, dass er von seinen
Leuten betrogen werde. Der Besuch kam zustande und war dann einer der
erfolgreichsten, mit Empfang beim Bundespräsidenten Kirchschläger, beim
zukünftigen Außenminister Mock, eine Ansprache im Forum Schwarzenberg vor
der hohen Gesellschaft Wiens mit dem zukünftigen Präsidenten Waldheim und
Ausstrahlung des gesamten Vortrags durch den ORF noch am gleichen Abend. Es
war das ein Auftritt Seiner Heiligkeit, wie ihn sich die Tibeter immer
gewünscht hatten und was für sie zu dieser Zeit so schwer zu bekommen war.
1988 besuchte Seine Heiligkeit
das Bundeshaus in Bern und gab dann Vorträge in Genf. Mir war wieder die
Aufgabe des Fahrers und des Dolmetschers gegeben worden. Seine Heiligkeit
war in Genf im gleichen Hotel untergebracht wie seinerzeit Kaiserin Sissi
von Österreich. Für die Fahrer war ein billigeres Hotel vorgesehen, und
weil ich auf der Liste der Fahrer war, gab es auch für mich kein Zimmer vor
Ort. Da vom Übersetzer aber erwartet wurde, dass er sich jederzeit
verfügbar halte, nahm ich auf eigene Kosten ein Zimmer im Hotel. Als der
spätere Privatsekretär des Dalai Lama davon erfuhr, war er sichtlich
erbost. Diese Art von Eigeninitiative war offensichtlich unerwünscht, auch
wenn sie auf eigene Rechnung ging.
Dass ich jemanden gründlich
verstimmt hatte, wurde bald noch deutlicher, als für den geplanten Besuch
Seiner Heiligkeit im Frühjahr 1989 vom Organisator mehrmals die
Aufforderung zum Dolmetschen kam, nicht aber vom Tibet-Büro. Erst wenige
Tage vor Beginn des Programms kam dann die offizielle Aufforderung auch von
der Vertretung des Dalai Lama.
Ich war verunsichert und
fürchtete eine Zurechtweisung noch unbekannter Art. Der Dalai Lama zeigte
sich jedoch freundlich, und bei der abschließenden Privataudienz am Ende
der Tournee umarmte er mich lange, was er sonst noch nie getan hatte.
Später erst erfuhr ich, dass
Seine Heiligkeit viele tibetische Meister und Mönche aus Indien und Tibet
und auch Leute im Westen in geeigneten Situationen mit ähnlichem Ausdruck
besonderer Wertschätzung behandelt. Leicht gerät man dabei in einen Zustand
tiefer Rührung und würde alles für den Dalai Lama tun. In solchen
Situationen haben viele dem Dalai Lama versprochen, sich von Dordsche
Schugden abzuwenden. Versprechen, die sie nachher oft sehr bereut haben.
Ich hatte in den vorhergehenden
Jahren manchmal von eigenartigen Aussagen des Dalai Lama bezüglich Dordsche
Schugden gehört, die für mich aber unerklärlich blieben und die ich als
falsche Gerüchte abtat. Und ich hatte auch gute Gründe dafür:
Dordsche Schugden hatte dem 13.
Dalai Lama geraten, das östliche und westliche Stupa zu renovieren. Der 13.
Dalai Lama folgte diesem Rat und ließ am Potala und am Stupa des Meisters
Dsche Tsongkhapa in Ganden große Renovationen ausführen, wie es in
Purtschok Tschampa Rinpotsches Biographie des 13. Dalai Lama beschrieben
ist.
Der 14. Dalai Lama hatte bei
seiner ersten Flucht aus Tibet 1956 in Yadrung (Tromo) wertvolle Ratschläge
von Dordsche Schugden erhalten, was ihn veranlaßte, wunderschöne Ehrungen
an Dordsche Schugden zu verfassen. Damals hielt er sich im Dungkar-Kloster
auf, dem Kloster des berühmten Meisters Tomo Geshe Rinpotsche, der jetzt in
Amerika lebt. Es war die frühere Inkarnation dieses Meisters, die Lama
Anagorika Govinda im Weg der weißen Wolken beschrieben hat. Tomo
Geshe Rinpotsche ist ebenfalls einer der bedeutendsten Meister unter den
Verehrern Dordsche Schugdens.
1957 empfahl Dordsche Schugden
der tibetischen Guerilla, eine Militärbasis im Süden Lhasas aufzubauen.
1959 war das dann auch die einzige Route, die nicht in den Händen der
Chinesen war. Der Dalai Lama floh über diese Route.
Die Flucht aus dem umzingelten
Norbu Linka wurde gemäß den Erzählungen, die ich von mehreren Seiten gehört
hatte, genau entsprechend den Anweisungen Dordsche Schugdens ausgeführt.
Die Flucht war erfolgreich, das beweist die Gegenwart des Dalai Lama in der
freien Welt.
Gesche Rabten Rinpotsche ist
die Persönlichkeit, der ich selbst alles Sinnvolle meines Lebens verdanke.
Die hohe Wertschätzung, die der Dalai Lama diesem Meister entgegenbrachte,
konnte ich selbst bei vielen Gelegenheiten beobachten. Bei einem Treffen
auf dem Frankfurter Flughafen 1984 bezog sich Seine Heiligkeit auf Gesche
und sagte zum Vertreter der indischen Botschaft: Ein ausgezeichneter
Meister, wirklich ein ausgezeichneter Meister. Die Mitglieder von
Gesches Zentren unterstützten auch aktiv die Ziele der Exilregierung. Nicht
nur durch Einladungen an Seine Heiligkeit, sondern auch mit vielen Tagen
vor chinesischen Einrichtungen in Genf und Bern, wo sie politischen Klamauk
machten.
Als ich in den folgenden Jahren
gebeten wurde, für Seine Heiligkeit zu übersetzen, versuchte ich nach der
Erfahrung von 1989 auf Distanz zu bleiben. Wenn das Ende einer Tournee kam
und ich aus dem Programm erkennen konnte, dass meine Dienste nicht mehr
gebraucht wurden, schlich ich mich davon, um der abschließenden Audienz zu
entgehen.
1993 sprach Seine Heiligkeit
beim Kirchentag vor einem Publikum von etwa 10'000 Personen. Kurz vor der
Veranstaltung rief er mich und skizzierte kurz die Gedanken, über die er
sprechen wollte. Dabei sprach er auch Nord-Süd-Politik an, den Reichtum der
nördlichen Länder und die Ausbeutung der südlichen Länder. Früher schöpfte
Seine Heiligkeit für Ansprachen ausschließlich aus den Gedanken des
Buddhismus, was für mich angenehm zu übersetzen war und die Zuhörer immer
tief beeindruckte. Als er anfing, weltpolitische Aussagen zu machen, wurde
das Übersetzen oft zu einer kontinuierlichen Alarmsituation mit
augenblicklicher Suche nach kontroversefreien Formulierungen. So war ich
auch hier unglücklich über das Nord-Süd-Thema, und in der Hoffnung, dass
Seine Heiligkeit diesen Gedanken nicht erwähnen möge, entgegnete ich, dass
viele südliche Länder von Natur aus wesentlich wohlhabender seien als die
nördlichen Länder. Im Süden gibt es Bodenschätze, mehrfache Ernten und
gutes Klima, also kann man auch ohne viel Arbeit überleben. Im Norden ist
das Klima rau, also muss man arbeiten, oder man stirbt.
Bei der Hauptveranstaltung kam
die Nord-Süd-Politik nicht, aber dafür bei der nachfolgenden
Nebenveranstaltung, und zu meinem Schreck deutlich beeinflusst von der
Version, die ich als Entgegnung aufgeführt hatte. Nach dieser Erfahrung
äußerte ich meine Meinung nie mehr in Gegenwart Seiner Heiligkeit.
1995 übersetzte ich für Seine
Heiligkeit in Berlin bei seiner Teilnahme an den Veranstaltungen der
Friedensuni. Bei der Verabschiedung auf dem Flughafen sagte er zu mir
"Ich fühle mich immer unbeschwert, wenn du als Dolmetscher dabei
bist". Das war ungewöhnlich. Es war auch das letzte Mal, dass ich
für ihn übersetzte.
Im Herbst 1995 starb Kungo
Palden, der Betreuer und lebenslange Begleiter von Tridschang Rinpotsche.
Die beiden Lehrer Seiner Heiligkeit waren schon in den achtziger Jahren
gestorben, ebenso Zong Rinpotsche, Gesche Rabten und der Hofmeister Phala.
Tridschang Rinpotsches Betreür war eine der letzten großen Persönlichkeiten
dieser Ära der tibetischen Geschichte und vermutlich die letzte Person, die
die nachfolgenden Ereignisse hätte verhindern können.
Im Frühling 1996 waren dann aus
Indien ganz neue Dinge zu hören. Bei den Neujahrsunterweisungen habe sich
der Dalai Lama sehr heftig gegen die Verehrung von Dordsche Schugden
ausgesprochen. In der offiziellen Übersetzung des Tibet-Büros hieß es dann:
"Dolgyal zu verehren fügt
der Sache Tibets großen Schaden zu. Und es gefährdet das Leben des Dalai
Lama."
Wer tibetische Denkweisen
kennt, weiß, dass das eine Aufforderung zur allgemeinen Mobilmachung
verschiedener Bevölkerungsteile gegeneinander ist, denn den meisten
Tibetern ist nichts wichtiger als das Leben des Dalai Lama, und wenn man
als Gegner des Dalai Lama bezeichnet wird, ist man als Verräter
gebrandmarkt und damit vogelfrei.
Die Worte "Dolgyal zu
verehren fügt der Sache Tibets großen Schaden zu, und es gefährdet das
Leben des Dalai Lama" bedeuten für den einfachen Tibeter:
"Dordsche Schugden ist ein
böses Gespenst, das dem Dalai Lama an den Kragen will und außerdem daran
schuld ist, dass Tibet immer noch nicht frei ist."
Dolgyal heißt "König von
Döl" und ist ein üblicher Name für Dordsche Schugden. Döl ist eine
Region Tibets, die Teil der Entstehungsgeschichte Dordsche Schugdens ist.
Da alle anderen Namen wie "Dordsche Schugden", was "Derjenige
mit unzerstörbarer Kraft" heißt, und "Gyaltschen", was "Großer
König" heißt, noch anspruchsvoller sind, war es leicht zu sehen,
dass man hier mit der Verwendung des Namens "Dolgyal" ein neues
Schimpfwort prägen wollte. Und so kam es dann auch.
Dass eine Persönlichkeit wie
Seine Heiligkeit auf dem Hintergrund buddhistischer Auffassung solche
Gedanken ausspricht, war für mich so unvorstellbar, dass ich diese neuen
Geschichten, die man aus Indien zu hören bekam, für lange Zeit nicht
glaubte und überzeugt war, dass einige Spitzbuben dieser Exilregierung nun
ganz den Verstand verloren hatten.
Den Verstand verloren hatte
niemand, im Gegenteil, es zeigte sich, dass die Aktion über Jahrzehnte mit
gezielter Besetzung von Posten in Klöstern und Regierungsstellen
vorbereitet war und zeitlich auf das Wegsterben aller bedeutenden
Persönlichkeiten aus der attackierten Gruppe sorgfältig terminiert war.
Im Exilparlament wurde in den
folgenden Monaten mit Eifer über Gesetzesänderungen diskutiert, um die
neuen Feinde auszugrenzen. Mit Unterschriftenaktionen versuchte man jede
einzelne Person zu einem offiziellen Bekenntnis entweder für den Dalai Lama
oder gegen ihn zu zwingen. Wer seine Unterschrift verweigerte, war damit
als Verräter identifiziert. Viele beschrieben die Gewissensbisse in dieser
Situation wie die Herausforderung zur Wahl zwischen Vater und Mutter, da
sie weder den Dalai Lama noch Dordsche Schugden aufgeben wollten.
Wer sich sogar noch getraute,
seine Stimme zu erheben und mit geschichtlichen Fakten der Exilregierung
jede Rechtfertigung für ihr Vorgehen absprach, wurde vom Mob aus Haus und
Heim vertrieben, wie zum Beispiel die Familie des Lehrers Thubten.
Aus der Vehemenz der gewählten
Formulierungen und der Rigorosität der Vorgangsweisen ist zu schließen,
dass die Exilregierung die Zielgruppe in einem gesellschaftlichen
Blitzkrieg von der sichtbaren Oberfläche der Gesellschaft entfernen wollte.
Viele der Betroffenen zeigten
jedoch ein Ausmaß an Loyalität zu ihren Meistern, das wohl nicht erwartet
war. Auch die Fähigkeit vieler, zu der religiösen Auffassung ihrer
Vorfahren zu stehen und dafür vollständige gesellschaftliche Ächtung zu
ertragen, wurde wohl unterschätzt. So kam die Kontroverse immer mehr an die
Öffentlichkeit und mußte begründet werden. Das aber führt zu vielen
unangenehmen Verstrickungen:
Widersprüche entstehen schon
mit den grundlegendsten Auffassungen des Buddhismus: Alles erfahrene Leid
wird im Buddhismus ausschließlich als Resultat der eigenen Handlungen
gesehen. Ohne negative Ursachen, die man selbst gesetzt hat, erfährt man
kein Leid. In dieser Kontroverse dagegen wird das Verhängnis Tibets mit den
Worten "Dolgyal zu verehren schade der Sache Tibets" einem
bösen Geist zugeschoben.
Weiter gibt es mehrere hundert
Beschützergottheiten, die in ihrer Art Dordsche Schugden ganz ähnlich sind.
So hat in den großen Klosteruniversitäten jede Abteilung aus
geschichtlichen Gründen ihre eigene Beschützergottheit dieser Art, und
Dordsche Schugden ist nur eine aus vielen.
Auch sind die Darstellungen
dieser Gottheiten zum Teil so ähnlich, dass sie selbst der Dalai Lama nicht
immer auf den ersten Blick unterscheiden kann. In einer peinlichen
Begebenheit im Kloster Sera Mae erboste sich Seine Heiligkeit über ein Bild
des Beschützers Tha-og, das er fälschlicherweise für Dordsche Schugden
hielt.
Die Aussage, "die
Verehrung Dolgyals gefährdet das Leben des Dalai Lama" ist wohl
der stärkste Zündstoff, um einfache Tibeter in Bewegung zu bringen, aber
eine schlechte Begründung, um das fragwürdige Vorgehen der Exilregierung im
Westen zu rechtfertigen. So war diese Urbegründung im Westen auch kaum zu
hören, an deren Stelle kamen andere:
"Der Buddhismus
degeneriere zur Geisterverehrung", beteuert Seine Heiligkeit:
Dordsche Schugden gehört zur
gleichen Art von Gottheiten wie Nedschung, die Gottheit des Staatsorakels.
In Dharamsala hat in den letzten Jahren die Zahl der Orakel und deren
Anrufungen stark zugenommen, neue Tempel wurden für Nedschung gebaut, und
Seine Heiligkeit selbst hat neue Gebete zu dieser Gottheit verfaßt. Das
private Ritualkloster des Dalai Lama verbringt seine meiste Zeit mit
Ritualen für eine große Zahl weiterer Gottheiten dieser Art. Und ein ganzes
Kloster, das einer Beschützergottheit gewidmet ist, gibt es nur für
Nedschung, nicht aber für Dordsche Schugden.
Dass große Meister über
Gottheiten unterschiedliche Auffassung haben, ist an und für sich nichts
Ungewöhnliches. So haben die frühen Meister Tschang Tschub Wö, Gö Lotsawa
und Sakya Pandita viele Gottheiten, die in der Nyingma-Tradition verehrt
werden, als nicht authentisch bezeichnet. Selbst das Kalachakra-Tantra
wurde von einigen Sakya-Meistern nicht akzeptiert. Das Ungewöhnliche an
dieser Diskussion über Dordsche Schugden aber ist, dass die persönliche
Auffassung eines Meisters zur Politik einer ganzen Regierung wird
und damit die Gesellschaft in einer Zeit größter Not eine Spaltung erfährt.
Vom Westen kam auch die Frage,
ob es schon andere Meister gegeben habe, die diese Gottheit verboten
hätten. Als Antwort erwähnt Seine Heiligkeit die Namen Tritschen Ngawang
Tschokden und Tschangya Rölpä Dordsche:
In der Biographie von Tschangya
Rölpä Dordsche, verfaßt von Meister Thuken, kann man auch einige
Zeilen finden, in denen berichtet wird, dass Tritschen Ngawang Tschokden
einen Bildstock Dordsche Schugdens aus dem Kloster Ganden entfernen
ließ. Es wird aber nirgends davon gesprochen, Dordsche Schugden solle
allgemein nicht verehrt werden, und eine Diffamierung Dordsche Schugdens
ist schon gar nicht zu finden. Wenn man die Aktivitäten dieses Meisters
aber weiter betrachtet, wird einem erst deutlich, auf welches Glatteis sich
der Dalai Lama mit solchen Begründungen wagt:
Als Tritschen Ngawang
Tschokden Disziplinar des Unteren Tantrischen Klosters war, verbannte
er nach einem Vorfall, bei dem Mönche des Klosters in einem Schiff
gekentert waren, die Beschützergottheit Palden Lhamo gänzlich aus diesem
Kloster. Palden Lhamo ist eine der wichtigsten Beschützergottheiten aller
Dalai Lamas und dadurch auch der tibetischen Regierung, aber im Unteren
Tantrischen Kloster werden bis zum heutigen Tag keine Gebete mehr zu dieser
Gottheit ausgeführt. Mit der Episode um den Bildstock Dordsche Schugdens
will man seine Diffamierung rechtfertigen, während die Episode um Palden
Lhamo nicht einmal zu Zweifeln über diese Gottheit Anlass zu geben scheint.
Die nachfolgende Inkarnation von Tritschen Ngawang Tschokden war der
berühmte Meister Tritschen Tenpa Rabgyä. Er war einer der ersten
Gelug-Meister, die stark auf Dordsche Schugden vertrauten und verfaßte bedeutende
Gebete zu Dordsche Schugden. Wenn der Vorgänger wirklich eine so ablehnende
Einstellung gegen diese Gottheit gehabt hätte, wie die Worte des Dalai Lama
glauben machen, wäre die enge Verbindung des Nachfolgers zu Dordsche
Schugden undenkbar.
In den Rechtfertigungen der
Kontroverse zeigt sich Seine Heiligkeit auch gern als nicht-sektiererisch
und Vereiniger von Traditionen mit Hinweisen auf Guru Padmasambhava und die
Nyingma-Tradition, und versucht die Dordsche-Schugden-Seite als
sektiererisch abzutun:
Dordsche Schugden ist
ursprünglich eine Gottheit der Sakya-Tradition. Es besteht die Auffassung,
dass unter den Thronhaltern dieser Tradition niemals ein gewöhnliches Wesen
auftrete, sondern alle Sakya-Daktschen Erscheinungen der 80 großen Siddhas
und 16 Arhats seien. Der vorletzte Sakya Thronhalter, Dragschül Trinley
Rintschen, war der bedeutendste Sakya-Meister dieses Jahrhunderts. Seinen
Vater bezeichnete er als Verkörperung Avalokiteschvaras, des Buddhas des
Erbarmens, denn vor der Geburt seines Vaters hatte sein Großvater Zeichen
erhalten, dass es Dordsche Schugden selbst sei, der nun als sein Sohn
kommen werde. Die Verbindung zwischen Dordsche Schugden und
Avalokiteschvara zeigt der Meister durch ein Zitat aus dem Nyingma-Tantra Rintschen
Na-Dün:
Dolgyal, Dolgyal, der so
genannt wird,
seine Natur ist nichts
Falsches,
weil er der große
Erbarmungsvolle selbst ist.
Die Diffamierung Dordsche
Schugdens stellt eine schwerwiegende Beleidigung der Sakya-Tradition dar,
was dem Dalai Lama auch bewusst sein dürfte. So erwähnte Seine Heiligkeit
gegenüber manchen Leuten, dass sich in seinen Träumen die Viergesichtige
Gottheit Mahakala wegen der Einschränkungen gegen Dordsche Schugden
verärgert zeigt. Mahakala mit vier Gesichtern ist eine der wichtigsten
Beschützergottheiten der Sakya-Tradition. Allerdings kann die Exilregierung
weder auf die Sakya-, noch auf die Kaygyü- oder Nyingma-Tradition
wirkungsvollen Einfluß ausüben. Bemerkenswert auch, dass sich die Attacken
der Exilregierung ausschließlich auf die Verehrung Dordsche Schugdens in
der Gelug-Tradition richten. Dadurch kann man zu dem Schluss kommen, dass
es den treibenden Kräften nicht um die Gottheit geht, sondern letztlich
etwas anderes zerstört werden soll.
Vermutlich anders als ursprünglich
geplant, zog sich die Auseinandersetzung in die Länge. Die Bevölkerung der
tibetischen Region Tschatring und Umgebung hielt treu zu Tridschang
Rinpotsche und Dordsche Schugden, und die betroffenen Abteilungen in den
großen Klöstern wichen ebenfalls von ihrer Tradition nicht ab. Als diese in
Delhi die Dordsche-Schugden-Gesellschaft gründeten, begann sich damit ein
bedeutender Teil der tibetischen Exilbevölkerung, der Monate zuvor noch
bedingungslos alles für den Dalai Lama getan hätte, eigene Gedanken zu
machen.
Beide Seiten dieser neu
entstandenen Konfrontationslinie versuchten die Presse von ihrer
Wahrhaftigkeit zu überzeugen. Allerdings mit gänzlich ungleichen
Voraussetzungen, denn die Seite der Exilregierung war seit Jahren gut
organisiert und konnte ihre Aussagen mit dem einzigartigen Ruf des Dalai
Lama und der allgemeinen Sympathie für Tibet untermauern. Die andere Seite
hatte nicht viel mehr als einige Mönche, unerfahren im Umgang mit der
Presse, die sich auf Religionsfreiheit zu berufen versuchten.
Im Kampf um die Gunst der
Presse zielte die Exilregierung darauf ab, das Bild einer
Dordsche-Schugden-Sekte zu prägen, obwohl es nicht einmal ein tibetisches
Wort gibt, das sich unverfänglich als Dordsche-Schugden-Sekte übersetzen
lässt. In der Vergangenheit war ich oft verärgert, wenn ich in chinesischem
Propagandamaterial verfälschte Darstellungen der tibetischen Geschichte
sah. Was nun aber von tibetischer Seite in dieser Kontroverse an Willkür im
Umgang mit der Geschichte geboten wurde, ist eine Dreistigkeit, die uns
Leute hier im Westen wohl alle für dumm hält:
Ist das Namgyal-Kloster eine
Nedschung-Sekte, weil dort die Gottheit Nedschung verehrt wird? Ist das
Kloster Ganden-Schartse eine Setrab-Sekte, weil dort die Gottheit Setrab
verehrt wird? Ist das Kloster Ganden-Dschangtse eine Palden-Lhamo-Sekte,
weil dort die Gottheit Palden Lhamo verehrt wird? Wohl kaum. Und genauso
wenig gibt es eine Dordsche-Schugden-Sekte. Dass erfinderische Historiker
einer solchen Sekte dann auch noch gesellschaftspolitische Absichten
anhängen wollen, ist wohl im Bereich der Dichtung gut aufgehoben, nicht
aber im Bereich historischer Begebenheiten. Pabongka Rinpotsche wird als
bedeutendste Persönlichkeit in Verbindung mit Dordsche Schugden zur Zeit
des 13. Dalai Lama ins Visier genommen. Geschichtlich nachweisbar wurde ihm
die Regentschaft angeboten, geschichtlich nachweisbar hat er sie
entschieden abgelehnt.
Als der Privatsekretär des
Dalai Lama in der Schweiz bei einer
Anti-Dordsche-Schugden-Informations-Veranstaltung das Bild von dreihundert
Jahren Ärger mit diesen Dordsche-Schugden-Leuten malte, wurde er
aufgefordert, doch einige Begebenheiten aus diesem Jahrhundertärger zu
erwähnen. Er war nicht in der Lage, auch nur eine einzige aufzuzählen.
Wenn diese Dordsche-Schugden-Leute
tatsächlich dreihundert Jahre Ärger gewesen wären, dann hätte auch unser
Freund Michael von Brück bei seiner Begegnung mit Dülzin Kuten, der
zentralen Person um Dordsche Schugden im Kloster Ganden, in den Jahren nach
1983 diesen Ärger wahrnehmen müssen. Statt dessen findet man eine
wunderbare Beschreibung, die mit folgenden Worten abschließt:
"...die bedeutenden
Schutzgottheiten manifestieren sich tausendfach, gleichzeitig und an allen
Orten, um allen Lebewesen Beistand geben zu können. Sie mögen auch in
anderen Ländern und für andere Menschen ganz anders erscheinen als in
Tibet, und doch wurzeln sie alle in dem einen unermeßlichen Grund des
Geistes. In der Tat, ein Universum voller Gnade."
Nachzulesen in einem Buch mit
dem Titel "Ein Universum voller Gnade".
Etwa ein Jahr nach Ausbruch der
Auseinandersetzung hatte sich die neu entstandene Gegenseite organisiert
und begann sich zu festigen, was wohl alles andere war, als sich die
Exilregierung erhofft hatte.
Ein erschreckender dreifacher
Mord in Dharamsala brachte im Frühjahr 1997 dann ganz neue Bewegungen in
die Auseinandersetzung. Einige Tage vor dem tibetischen Neujahr war der
Direktor der Dialektikschule mit seinen zwei jugendlichen Übersetzern auf
grausame Art getötet worden. Angeblich waren die drei für nur fünfzehn
Minuten in ihrem Zimmer allein gewesen und dann erstochen aufgefunden
worden, ohne dass jemand die Täter gesehen oder Schreie gehört hat. Der
Direktor der Dialektikschule war bekannt für seine Schmähschriften, in
denen er alles durch den Dreck zog, was nicht ganz auf dem Kurs der
Exilregierung lag. Bedeutende Meister, die großen Klosteruniversitäten und
auch die tibetische Guerilla waren auf seinem Menü. In einer seiner letzten
Schriften schrieb er: "....diese Leute werden nicht aufhören, den
Dalai Lama zu kritisieren, bis ihnen das Blut aus dem Fleisch fließt."
Aufgrund der Art der Ermordung
und der Demütigungen, denen die tibetische Guerilla-Organisation in den
Jahren zuvor ausgesetzt worden war, hätte man vielleicht erwartet, dass der
Täter eventuell auch dort gesucht worden wäre. Das war jedoch nicht zu
erkennen, sondern schon einen Tag später wußte das Lokalblatt von
Dharamsala, dass die Mörder sicher bei der Dordsche-Schugden-Gesellschaft
in Delhi zu finden seien.
Wer immer diesen Mord
ausgeführt hat, von der Exilregierung wurde die grausame Tat mit einem
einzigen Ziel bis auf Blut und Knochen ausgeschlachtet:
Mit allen Mitteln versuchte man
die Dordsche-Schugden-Gesellschaft in Delhi mit dem Mord zu belasten und
die führenden Mönche hinter indische Gitter zu bringen. Gegenüber der
Presse wurde das Bild der Dordsche-Schugden-Sekte nun erfolgreich mit
blutrünstigen, kultischen, terroristischen und fundamentalistischen
Attributen vervollständigt, wirkungsvoll auch mit Hinweisen auf das
drohende Aussehen der Gottheit, wohlweislich verschweigend, dass viele
drohende Gottheiten des Buddhismus noch wesentlich erschreckender
dargestellt werden.
Auch Robert Thurman fand es
opportun, in Newsweek einen mörderischen Dordsche-Schugden-Kult mit Ausdrücken
wie "die Talibanen des Buddhismus" darzustellen. Dabei war
Robert Thurman, vermutlich bevor er Uma Thurman in die Welt setzte, einer
der ersten westlichen Mönche mit buddhistischen Gelübden und hatte lang vor
der Kontroverse zweimal versucht, von bedeutenden Meistern die Einweihung
zu Dordsche Schugden zu erhalten. Beide hatten das jedoch aufgrund seines
flatterhaften Charakters abgelehnt. Er muss also recht genau Bescheid
wissen, was Dordsche Schugden wirklich ist.
Im Schweizer Fernsehen konnte
ich dann Tashi Wangdu, meinen alten Freund und Minister der Exilregierung
bewundern, wie er in einer Sendung über diesen Mord eines der Beweisstücke
vor die Kamera hielt: Eine Morddrohung, hieß es im Kommentar, von den
Dordsche-Schugden-Leuten in Delhi an den nun Ermordeten. Ich konnte es
nicht lassen, das Video anzuhalten, die tibetischen Zeichen abzuschreiben
und zu übersetzen. Es war keine Morddrohung, sondern lediglich ein frech
geschriebener Brief mit Aufforderung zur Debatte, um die Meinungsverschiedenheiten
beizulegen.
An diesem Punkt war ich
überzeugt, dass hier ein falsches Spiel getrieben wurde, denn weshalb würde
Tashi Wangdu sonst so weit gehen, eine gefälschte Morddrohung sogar vor die
Kamera zu halten. Ich wollte wissen, ob es in der politischen Geschichte
Tibets ähnliche Verhaltensmuster gegeben hat. Ich musste nicht weit suchen,
um zu erkennen, dass wir es hier wohl mit einer Gewohnheit aus dem alten
Tibet zu tun hatten, Gegner unwirksam zu machen. Allein schon in der kurzen
Vergangenheit des Exils findet man eine ganze Reihe von Begebenheiten, bei
denen Personen, die als Kritiker des Dalai Lama bezeichnet wurden, aufgrund
gesellschaftlicher Ächtung Indien verlassen mussten oder von Mobs fast zu
Tode geprügelt wurden. Ähnliches auch im alten Tibet:
Nach dem Tod des 13. Dalai Lama
versuchte Lungshar in Tibet eine konstitutionelle Monarchie einzurichten.
Er wurde bolschewistischer Verschwörung beschuldigt und sollte hingerichtet
werden, seinen Söhnen sollten die Hände abgehackt werden. Auf Intervention
Pabongka Rinpotsches wurde die Vollstreckung erlassen, später wurden
Lungshar dennoch die Augen ausgestochen.
Demo Rinpotsche, der Regent in
der Jugendzeit des 13. Dalai Lama, und sein Freund Njaktrül, ein Meister
aus der Nyingma-Tradition, wurden schwarzer Magie gegen den 13. Dalai Lama
beschuldigt. Demo Rinpotsche starb in einem Gefängnisraum, der so klein
war, dass man sich nicht hinlegen konnte. Njaktrül wurde die Haut von der
Brust gezogen, die Brust aufgerissen, noch lebend wurde er am Kreisweg
Lhasas angebunden, dem Spott der Bevölkerung ausgesetzt und so einem
langsamen Tod preisgegeben. Kurz vor seinem Ende soll Njaktrül gesagt
haben: "Diese Regierung hat mich ohne jede Schuld getötet. Ich
werde mich an ihr rächen, schaut nur zu." Daraufhin entstand der
Glaube, dass bei Anrufungen des Staatsorakels manchmal der Geist Njaktrüls
statt der Gottheit Nedschung in den Körper des Staatsorakels eindringt und
der Regierung verhängnisvolle Anweisungen gibt. Diese Geschichte ist bis
heute lebendig. Die regelmäßigen verhängnisvollen Aussagen des
Staatsorakels, die auch die Wurzel der Diffamierung Dordsche Schugdens
sind, werden auch heute noch von bedeutenden Leuten mit dem Mord an
Njaktrül in Verbindung gebracht.
Dennoch fällt es mir nach wie vor
schwer, diese Ereignisse der vergangenen drei Jahre wirklich glauben zu
wollen. Wie solche Dinge in Verbindung mit einer so einzigartigen
Persönlichkeit wie dem Dalai Lama möglich sind, bleibt ein Rätsel. Aber
dennoch will man es nicht beim Rätsel lassen. Einige Antworten gibt uns
vielleicht ein Betrachten der Lebensweise des Dalai Lama:
Seine Heiligkeit bewegt sich
niemals allein und nie unerkannt. Wenn er irgendwo hinkommt, war dort schon
jemand und hat alles vorbereitet. Für Informationen ist er also auf die
Presse und seine Umgebung angewiesen. Über interne Geschehnisse bei den
Exiltibetern berichtet die Weltpresse nur wenig. Eine freie Presse der
Exiltibeter gibt es nicht, alles, was es an Publikationen gibt, orientiert
sich an der offiziellen Auffassung der Exilregierung. So bleibt dem Dalai
Lama also nur seine direkte Umgebung und Informationen von Besuchern, um
sich ein Bild über sein Volk zu machen.
Wenn nun jemand die Umgebung
des Dalai Lama kontrollieren kann, kann er damit auch in weiten Bereichen
den Dalai Lama kontrollieren. In den Jahren, die ich für Seine Heiligkeit
übersetzte, war ich immer wieder erstaunt, dass die eindrucksvollen
Persönlichkeiten von Jahr zu Jahr weniger wurden und durch weniger
eindrucksvolle Burschen ersetzt waren. Es ist auch bekannt, dass Mitglieder
der Familie des Dalai Lama äußerst starken Einfluss auf die Besetzung
seiner Umgebung ausüben.
Nachdem Seine Helligkeit im
Frühjahr 96 die Kontroverse zum Ausbrechen gebracht hatte, richteten
Vertreter der Bevölkerung von Tschatring zweimal Bittschriften an seine
Heiligkeit. Als diese nicht beantwortet wurden und die Äbte der großen
Klöster sich über die neuen Entwicklungen Sorgen machten, verlangten sie
eine Audienz. Im Vorzimmer des Dalai Lama wurden sie gefragt, was sie zu
präsentieren hätten, und sie zeigten Bittschriften, worauf man ihnen
verbieten wollte, diese Briefe dem Dalai Lama zu zeigen. Die
Dordsche-Schugden-Gesellschaft in Delhi wurde gegründet, nachdem
entsprechende Bittschriften nie beantwortet worden waren.
Fragt man sich weiter, wer von
dieser unglücklichen Kontroverse profitiert, ist der offensichtliche
Gewinner das kommunistische China. Für die Chinesen gäbe es aber wohl nur
die Möglichkeit, dem Dalai Lama falsche Orakel unterzuschieben, um einen
derart fatalen Einfluß auf ihn und seine Umgebung zu erreichen. Tatsächlich
gibt es zwei neu aus Tibet angekommene Orakel in Dharamsala, deren
Hintergrund zu solchen Gedanken Anlaß geben kann, aber ich frage mich
dennoch, wer sonst noch Interessen haben könnte:
Sicher das traditionelle
tibetische Staatsorakel, das seit Generationen von Eifersucht auf Dordsche
Schugden geplagt ist. In der kritischen Situation von 1959 wäre es die
Aufgabe dieses Staatsorakels gewesen, dem Dalai Lama eine Hilfe zu bieten.
Gemäß allen vertrauenswürdigen Augenzeugenberichten, die ich hören konnte,
hat jedoch das Staatsorakel in dieser Situation versagt. Nachdem der Troß
des Dalai Lama geflohen war, fand sich das Staatsorakel am nächsten Tag
zurückgelassen. Seine Flucht besorgten ihm später Mönche des Klosters
Drepung. Im Exil wurde seiner Rolle dann über viele Jahre immer geringere
Bedeutung gegeben. Anfang der siebziger Jahre fing dieses Orakel dann an,
dem Dalai Lama einzuflüstern, dass er sich von Dordsche Schugden
distanzieren solle. Die Wurzel der gegenwärtigen Diffamierung von Dordsche
Schugden ist also nicht die Idee des Dalai Lama, sondern die Idee des
Staatsorakels, das dann in den folgenden 25 Jahren in seinen
'Prophezeiungen' die Schuld für Missgeschicke der Tibeter auf Dordsche Schugden
schob.
Ein weiteres Verständnis
ermöglichen uns vielleicht auch Überlegungen darüber, was mit dieser
Attacke direkt angegriffen wird und zerstört werden soll. Die Lebendigkeit
einer Überlieferung des Buddhismus wird durch das Vorhandensein großer Meister
bestimmt, die dieses Wissen aus ihrer eigenen Erfahrung weitergeben. Wie
große Autobahnbrücken haben die Meister Pabongka und Tridschang Rinpotsche
diese Erfahrungen in der Gelug-Tradition aus der Vergangenheit bis zum
heutigen Tag in perfekter Form herübergereicht. Neben diesen beiden großen
Brücken, gibt es nur noch eine Reihe schmaler Hängebrücken, die Teile
dieser Erfahrung bis in unsere Zeit weiterreichen. Dordsche Schugden war
Beschützer dieser beiden großen Meister, die auch bedeutende Meditationen
über Dordsche Schugden verfasst haben, so wie vor ihnen die Meister
Tritschen Tenpa Rabgyä, Dragri Gyatso Thayä, Serkong Dordsche Tschang,
Dagpo Kelsang Khedrup und viele andere.
Wenn man akzeptieren würde,
dass Dordsche Schugden keine authentische Gottheit, sondern ein
chinesisches Gespenst ist, wie es vom Staatsorakel ständig zu hören ist,
dann folgt für den Anwender des Buddhismus, dass alle Meister dieser
Übertragungslinie falsch sind. Damit wären alle diese großen Brücken
zerstört, über die die Meditationen der Gelug-Tradition bis in unsere Tage
überliefert sind. Was dann noch bleibt, ist das akademische Studium der
Klosteruniversitäten, aber viele wichtige Überlieferungen der eigentlichen
Anwendung fehlen. Damit wäre die Gelug-Tradition ausgehöhlt.
Wer könnte Interesse haben, die
Gelug-Tradition in dieser Weise zu schwächen? Auch dafür gibt es alte
Eifersüchte und auch Personen, die bekannt für solche Bestrebungen sind und
sich in allernächster Nähe des Dalai Lama befinden.
Wenn wir diese Punkte zu der
offenen und arglosen Natur des Dalai Lama addieren, sehen wir, dass Seine
Heiligkeit für einige Leute ein einzigartiges Werkzeug darstellt, um ihre
billigen, persönlichen Ziele auf Kosten einer ganzen Gesellschaft zu
verwirklichen.
Obwohl diese Überlegungen nur
einige Fragen beantworten können, hoffe ich, dass Ihre eigene scharfe
Fähigkeit der Analyse einen klaren Durchblick in dieser Angelegenheit
möglich machen wird. Denn es sind Ihre Berichterstattungen, die unsere
westliche Demokratie auf Kurs halten, und ich denke, dass Sie diesen Dienst
auch dem tibetischen Volk erweisen können.
Wenn Sie Seine Heiligkeit
treffen, lassen Sie ihn wissen, dass wir uns keinen kontroversen Politiker
aus Asien wünschen, sondern den weisen Mönch aus dem Himalaja lieben, der
sein Volk so wirkungsvoll zu dem beispielhaften Verhalten anhält, das die
Tibeter weltweit beliebt gemacht hat. Schauen Sie auch, wie gut er über
kontroverse Tibet-Veröffentlichungen Bescheid weiß, denn dadurch können Sie
sicherstellen, dass ihn seine Betreuer auch wirklich vollständig
informieren.
So kann ich nur hoffen, dass
die Tibeter sehr bald in Harmonie und Einigkeit frei in ihrem eigenen Land
leben können und auch weiterhin als wertvollste Freunde unter uns weilen.
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