Red Shambhala
Magie
Prophezeiung und Geopolitik im Herzen Asiens
von Andrei Znamenski
In den 20. und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts benutzten
mehrere Gruppen von spirituellen Abenteurern, von Revolutionären und
Nationalisten Inhalte des tibetischen Kalachakra Tantra und des darin enthaltenen Shambhala
Mythos um geopolitischen, ja weltrevolutionären Ideologien die Aura des
Okkulten und Mystischen zu verschaffen. Der größte Teil des Buches „Red Shambhala“ von Andrei Znamenski
(www.trimondi.de/EN/Red_Shambhala.htm)
schildert die Versuche bolschewistischer Revolutionäre, die
mongolisch-tibetischen Prophezeiungen von einem messianischen Endzeitkrieg
zwischen Gut und Böse mit ihrer kommunistischen Eroberungspolitik in Innerasien zu verknüpfen. „Red Shambhala“
erweist sich deswegen als Pendant zu dem Buch von Victor und Victoria Trimondi „Hitler – Buddha – Krishna – Eine unheilige
Allianz vom Dritten Reich bis heute“, wo die okkult-politischen Interessen
von Faschisten, Nazis, Neo-Nazis am Kalachakra Tantra und Shambhala Mythos
dargestellt werden.
Auch die Gegner der Bolschewisten, Weißrussen, mongolische
Nationalisten und japanische Imperialisten verwerteten den
messianisch-apokalyptischen Shambhala-Mythos
ideologisch und politisch. Die prominentesten unter ihnen waren der „Rächer
Lama“ (Ja- Lama), der blutige tantrische
Tötungsrituale durchführte; der baltische Baron von Ungern-Sternberg,
der als Inkarnation des schwarzen Schutzgottes Mahakala
einen extrem grausamen Krieg gegen die Bolschewiki führte; der Burjate Agvan Dorzhiev, der in Petersburg einen Kalachakra-Tempel
bauen ließ. Die Geschichte dieser Abenteurer ist für Kenner des Shambhala Komplexes nichts Neues. Neu und sensationell
dagegen sind das Material, das Andrei Znamenski
für das Interesse bolschewistischer Kreise an dieser Vision vorlegt, so wie
die Hintergrundgeschichten über das Ehepaar Nikolai und Helena Roerich, die das kommunistische Russland, das
kapitalistische Amerika und das imperiale Japan unter einer buddhokratischen Weltrevolution mit dem Panchen- oder
Dalai Lama an der Spitze vereinen wollten.
Einer der
links-revolutionären Shambhala-Sucher Russlands
war Alexander Barchenko:
(1881–1938), ehemaliger Medizinstudent, ein Dropout und Verfasser okkulter
Schriften. In seiner religionspolitischen Vision ließ er sich zuerst von
dem französischen Okkultisten Saint-Yves d’Alveydre
leiten, der eine westlich orientierte Shambhala-Agarthi
Legende konstruiert hatte. Barchenko machte sich
jedoch mit der asiatischen Urquelle dieses Mythos bekannt, den er im Kalachakra Tempel von Petersburg unter der Leitung dort
amtierender Lamas studieren konnte. Nach der Revolution trat er als „Roter
Merlin“ auf, dessen Aufgabe darin bestand, die bolschewistische Vorstellung
von einer roten Weltrevolution mit dem tibetisch-mongolischen Mythos zu
verknüpfen: „Weit mehr als zuvor war er entschlossen, die sowjetische
Regierung zu erleuchten, indem sie sich die Shambhala
Weisheit aneignete, die dem kommunistischen Sache zugute käme und diese
veredeln würde. Das erste und oberste Ziel war, die bolschewistische Elite
über die machtvollen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu informieren, von
denen Barchenko überzeugt war, dass sie in Shambhala-Agartha verborgen waren und nur darauf
warteten entschlüsselt zu werden. Das Kronjuwel dieses östlichen Weisheit
war das Kalachakra-Tantra.“ (63) 1927 verfasste Barchenko die folgenden Zeilen: „Nachdem ich mich
selber tief in das Dunkhor-Kalachakra versenkt
hatte, strebte ich danach die mächtigsten und selbstlosen Führer Russlands
in diese Mysterien einzuführen und sie über die korrekte Sicht und den
wahren Wert der alten und modernen Kultur des Ostens zu informieren.“ (65)
Der „Rote
Merlin“ plante eine Expedition in das geheimnisvolle Shambhala
Reich, von dessen verborgener Existenz er überzeugt war, und fand Gehör bei
Gleb Bokii (1879-1937)
einem mächtigen bolschewistischen Geheimdienstkommissar und dem späteren
Chef-Kryptographen der Sowjets. Beide Männer waren von der Idee fasziniert,
okkulte Phänomene wissenschaftlich zu erforschen und experimentierten mit
Hypnose, Medien, schamanistischen
Trancetechniken, manipulierter Gedankenkontrolle (Inception)
und der Wirkung von Drogen auf das Bewusstsein. Diese Experimente wurden in
einem geheimen neuropsychologischen Laboratorium durchgeführt. Znamenski vermutet auch, dass Bokii
auf seiner Datscha mit jungen Frauen sexualmagische Rituale in der
Tradition des Kalachkara durchführt haben könnte.
Jedenfalls fanden dort sexuelle Orgien statt. Nach seiner Verhaftung hatte
man bei Bokii eine morbide Sammlung mumifizierter
Penisse gefunden, die der Kryptograph von einem Lama erhalten haben soll.
„Es ist in verschiedenen Zweigen des Kalachakra-Tantra
Schule bekannt, dass mumifizierte Glieder (Hände Arme Penisse und Schädel),
insbesondere die verstorbenen Lamas gehörten, als Ermächtigung [empowerment] benutzt wurden.“ – schreibt Znamenski. (90)
Die Shambhala Expedition von Barchenko
und Bokii war schon weitgehend vorbereitet,
scheiterte aber dann letztlich doch an staatspolitischen Erwägungen und der
Intervention des einflussreichen Petersburger Buddhologen
Sergei Fjodorowitsch Oldenburg.
Unter Stalin wurde beiden als westlichen Spionen der Prozess gemacht. Die
GPU Kommissare, die sie vernahmen und ihre Liquidierung beschlossen,
glaubten, dass sie einer weltweiten Geheimorganisation mit dem Namen Shambhala-Dunkhor. (Dunkhor
ist der Tibetische Name von Shambhala)
angehörten. Ironischer Weise wird
sich nur wenig später die SS Expedition unter Ernst Schäfer nach Tibet auf
machen, um dort nach dem geheimem Wissen der Urarier
zu forschen. In ihrem Gepäck führten die SS-Funktionäre einen
Aufgabenkatalog mit, nach dem auch Recherchen über das Kalachakra-Tantra
durchgeführt werden sollten. (Siehe: www.trimondi.de/Lamaismus/NS-Tibet-7-Tibetologen.htm)
Ausführlich und spannend berichtet Znamenski auch
von den abenteuerlichen Versuchen der Bolschewisten mit dem XIII. Dalai
Lama Kontakt aufzunehmen, um mit ihm ein Bündnis gegen England zu
schließen.

Ein „Roter Lama” Kommissar der neuen Mongolei und sein
Schreiber (1928). Dahinter ein
lamaistisches Thangka
mit Lenin als zentrale „Gottheit“. (Figur 6.4. aus Red Shambhala)
Etwas wenig
Raum nimmt in Znamenskis Buch der einflussreiche Burjate Agvan Dorzhiev (1858–1938) ein, der den Kalachakra-Tempel
in Petersburg mit dem Segen von Zar Nikolaus II. errichten ließ. Dorzhiev war viele Jahre als Haupterzieher des XIII
Dalai Lama tätig, bevor er als dessen Gesandter nach Russland geschickt
wurde. Dort verbreitete er seine Ideen von einem kommenden Shambhala-Reich, das ganz Mittelasien, Tibet und
Russland mit umschließen sollte. Viele Angehörige der Petersburger
Gesellschaft waren von einer solchen Vision fasziniert. Nach der
bolschewistischen Revolution ließ Dorzhiev keineswegs
von seinen Phantasmen los, sondern liebäugelte für kurze Zeit mit den
Bolschewiki und der kommunistischen Ideologie. Aber auch er wird ein Opfer
der stalinistischen Säuberung.
Besonders
detailliert dagegen beschreibt Znamenski, wie
sich der russische Maler und Okkultist Nicholas Roerich (1874-1947) und seine Frau Helena
(1879-1955) den Shambhala-Mythos aneigneten. Roerich war damit beauftragt worden, für den Kalachakra-Tempel in Petersburg Glasfenster zu
entwerfen und stand in dieser Zeit mit dem dortigen okkulten Milieu aus
Theosophen und Lamas (Agvan Dorzhiev) in engstem Kontakt. Den Sturz der
Romanows überlebte er durch Flucht nach Finnland. Später ging er mit seiner
Frau nach London. Im Hyde Park hatte diese angeblich den Besuch von einer
außerweltlichen, spirituellen Entität mit dem Namen Mahatma Morya, der sich als Bewohner des Shambhala-Reichs
und als Mitglied der Weißen Bruderschaft präsentierte, welche die Geschicke
der Welt beeinflussen sollte. Morya überzeugte
die Roehrichs davon, sie seien dazu auserwählt,
in Innerasien unter der Flagge Shambhalas ein Großreich zu gründen, das von Sibirien
bis zum Ural reichen und im Süden Tibet einschließen sollte. Roerich höchst persönlich sollte die spirituelle und
politische Führung in diesem Unternehmen übernehmen und er brachte die
besten Vorraussetzungen dazu mit, weil er von Morya
als die Inkarnation des machtvollen und kriegerischen V. Dalai Lama erkannt
wurde.
Znamenski schildert nun die abenteuerlichen Versuche
der Roerichs, ihre Visionen Realität werden zu
lassen. Wirklich erstaunlich sind deren enge Kontakte zur wirtschaftlich
und politisch einflussreichen Top-Elite in den USA. Dazu zählten Präsident
Herbert Hoover, der mächtige republikanische Senator William Borah, später
Präsident Franklin Delano Roosevelt. Henry Wallace, Agrarminister und
Vizepräsident unter Roosevelt, war Mitglied des okkulten inneren Roerich Zirkels. Znamenski
erwähnt auch ein mysteriöses „Wunschjuwel“, das den Shambhala-Suchern
auf wunderbare Weise zugespielt wurde und das sie wie den Heiligen Gral
verehrten. Wir erhalten einen ausführlichen Bericht von ihren beiden
Expeditionen nach Innerasien und wie diese dann
kläglich scheiterten. Der Maler gab sich als Bote des erwarteten Shambhala Königs (oder als dieser selber) aus. Boris Pankratov, der die Roerichs
in Peking traf, verfasste folgenden Bericht von dieser Begegnung: „Roerich nährte die Hoffnung, Tibet als der 25. König
aus Shambhala zu betreten, der aus dem Norden kam
und der ganzen Welt das Heil bringen sollte und der zum König der Welt
würde. Zu diesem Zweck kleidete sich der Lama in ein zeremonielles Lama
Priestergewand.“ (195) In der innerasiatischen Steppen drehte der
selbsternannte Shambhala-König sein
amerikanisches Grammophon auf höchste Lautstärke und ließ Arien aus Richard
Wagners „Ring der Nibelungen“ erklingen.
Die Roerichs waren davon überzeugt, dass insbesondere das
kommunistische Russland dazu auserwählt war, die Shambhala
Vision in die Realität zu bringen. So verfasste der Maler ein Dokument über
die enge Verflechtung von Kommunismus und Buddhismus mit den folgenden
Punkten:
- Buddhas
Lehren sind revolutionär
- Maitreya repräsentiert ein Symbol des
Kommunismus
- Die
Millionen Buddhisten Asiens können in die Bewegung hineingezogen
werden, um die Idee der Kommune zu unterstützen
- Die
Basislehren des Gautama Buddha durchdringen leicht das Bewusstsein der
Massen
- Europa
wird erschüttert durch die Allianz zwischen Buddhismus und Kommunismus
- Die
Mongolen, Tibeter und Kalmüken erwarten
jetzt die Erfüllung der Maitreya
Prophezeiungen und sie sind bereit, sie auf die derzeitige Entwicklung
anzuwenden
- Die
Flucht des Panchen Lama aus Tibet bietet eine (politisch) günstige
Gelegenheit
- Der
Buddhismus erklärt den Grund für die Verneinung Gottes
- Die Sowjetregierung muss schnell reagieren
anbetracht der kulturellen Bedingungen und Prophezeiungen in Asien. (191)
Obgleich die Roerichs Ihre Gelder aus den kapitalistischen USA
erhielten, verhandelten sie ungezwungen mit dem sowjetischen Geheimdienst
und mit Georgy Chicherin,
dem bolschewistischen Kommissar für außenpolitische Angelegenheiten, über
ihre Expeditionen. Roerichs Sekretär notierte
über diese Treffen in seinem Tagebuch: „Das wichtigste fand in der GPU
statt, wo die Namen [Buddha] Maitreya und Shambhala ausgesprochen wurden und wo wir im Namen des
Meisters [Morya] hingingen. Die
Kooperationsangebote wurden mit Enthusiasmus aufgenommen. Mehrmals trafen
wir mit denen zusammen, die über die ganze Macht verfügten.“ (190) Aber die
Roerichs kooperierten auch mit dem japanischen
Militärs in der Mandschurei und mit weißrussischen Emigranten. Znamenski glaubt jedoch, dass sie ständig für den
sowjetischen Geheimdienst tätig waren.
Red Shambhala ist eine spannend geschriebene historische Arbeit über
Mystizismus und Politik im kommunistischen Russland, wobei die Grenzen
zwischen Mystikern, Okkultisten, Geheimdiensten, Spionen und Charlatanen
durchlässig sind. Aufschlussreich ist auf jeden Fall wie der Shambhala Mythos autoritäre gesellschaftliche
Bewegungen wie die Nazis und Bolschewiki gleichermaßen fasziniert hat. Er
scheint dabei um eine Vision zu handeln, die politische Extremisten in
ihren Bann zieht. Dazu zählten in den 90er Jahren auch der Doomsday-Guru Shoko Asahara, der die ganze Welt durch Superwaffen
vernichten wollte.
Znamenskis Buch kommt zum richtigen Zeitpunkt! Es erscheint kurz
bevor der XIV. Dalai Lama in Washington DC ein Kalachakra-Ritual
durchführt. „Red Shambhala“ lässt erneut und
diesmal von einen weiteren Perspektive die Frage aufkommen, weshalb dieses
Ritual denn förderlich für den Weltfrieden sein soll, obgleich sich die
extremsten politischen Richtungen genau darauf berufen haben und weiterhin
berufen.
Internet,
Video, Audio:
Trimondi Magazine
features Red Shambhala
Paranormal Plus Club
Interviews RED SHAMBHALA author Andrei Znamenski
Ja-Lama, ruthless warlord from Mongolia, maguswest channel
Red Shambhala:
Magic, Prophecy, and Geopolitics in the Heart of Asia
Tibetan Buddhism,
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von Ungern Sternberg as Mahakala
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